Heinrich Wittenwilers "Der Ring" - Der Prolog als Schlüssel zum Werk


Seminararbeit, 2007

17 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Entwicklung der Fragestellung und Vorgehensweise

2. Aufbau des Prologs

3. Der Prolog als Schlüssel zum Werk

4. Abschließende Anmerkungen

5. Literaturverzeichnis

1. Entwicklung der Fragestellung und Vorgehensweise

Kaum ein Werk mittelalterlicher Dichtung hat so viele Fragen aufgeworfen wie „Der Ring“, der wahrscheinlich Anfang des 15. Jahrhunderts vom Konstanzer Advokaten Heinrich Wittenwiler verfasst wurde. Besonders der Prolog, der eine Sonderstellung im Werk einnimmt und wahrscheinlich erst nach Fertigstellung des Ringes hinzugefügt wurde, ruft immer wieder neue Spekulationen hervor und ist grundlegend wichtig für das Verständnis des Werkes.[1] Im Blickpunkt der Forschung stehen die Farblinien, die im Prolog erläutert werden. Die roten Farblinien sollen den Ernst verdeutlichen, während die grün gekennzeichneten Stellen das „törperleben“, also den „Unsinn“ darstellen sollen, sie dienen der Auflockerung und der Spannung. Betrachtet man die Linien im Werk jedoch genauer, scheint es, scheint es als ob rot und grün willkürlich gewählt sind.[2] Diese und andere Diskrepanzen, also Hinweise die im Prolog gegeben werden, und sich im Werk selbst nicht erfüllen beziehungsweise in ganz anderer Art und Weise in Erscheinung treten als erwartet, will ich in meiner Seminararbeit erörtern. Zuerst werde ich auf den Aufbau des Prologs analysieren und ob er dem Bild der damals üblichen Prologe entspricht, anschließend werde ich die einzelnen Aussagen des Prologs und deren Verifizierung im Gesamtwerk genauer beschreiben . Besonders im Blick stehen dabei das Turnier (V. 180-1281), die Minnewerbung (V. 1282-2622), das Hochzeitsfest (V. 5533-6455) und der anschließende Krieg (V. 6456-9652). Sämtliche angegebene Verse beziehen sich auf Heinrich Wittenwilers Ring der Meininger Handschrift von Horst Brunner nach der Edition von Wiesner übersetzt.

2. Aufbau des Prologs

Allgemein haben Prologe des Mittelalters einen zweiteiligen Aufbau. Sie gliedern sich in das Prooemium oder den Prologus praeter rem und in den Prologus ante rem. Das Prooemium hat in etwa die Funktion eines Vorworts neuzeitlicher Bücher, während der Prologus ante rem die Einleitung des Werkes übernimmt und in seinen Hauptteil einmündet. Auch der Ring-Prolog folgt dieser damals üblichen Zweiteilung, indem er mit dem Prooemium (V. 1-14) ein Gespräch mit dem Publikum aufnimmt und anschließend den Inhalt des Werkes mit einem detaillierten Prologus ante rem (V. 15-54) vorstellt.[3] Wittenwilers Vorgehensweise stimmt so mit der vieler anderer mittelalterlicher Dichter überein, indem er den Prolog als einen Ort der Anpreisung mit den Mitteln der Wertsteigerung versieht, um sich die Aufmerksamkeit seines Publikums zu sichern. Da der Dichter aber nicht einen ausschließlich erzählenden Text, sondern ein didaktisches Lehrwerk vorzustellen hat, liegt ihm eine differente Aufgabenstellung vor, weshalb der Prolog nur entfernt an die übliche Zweiteilung erinnert und deshalb auch noch eine andere Gliederung aufweist.[4] Auf Basis dieser Sichtweise lassen sich vier verschieden lange Sequenzen, die aus zwei größeren und zwei kleineren bestehen, ermitteln. Die Widmung an die Heilige Dreifaltigkeit stellt die erste kurze Sequenz dar (V. 1-6), danach folgt mit Vers sieben eine Zäsur, was in jedem lyrischen Text einen neuen Anfang andeutet. In der zweiten Prologsequenz wird der Titel des Werkes genannt und wofür er steht. Außerdem wird eine allgemeine Erläuterung des didaktischen Konzepts gegeben, welches durch die Nennung der Erziehungsziele eine begriffliche Zusammenfassung (V. 7-31) erfährt. Die Zweiteilung der Sequenz wird mit dem Wechsel vom Allgemeinen zum Besonderen in V. 15 vollzogen. In der dritten Sequenz wird eine allgemeine Begründung der methodischen Konzeption gegeben. Diese Konzeption wird mit der abgrenzenden Definition der „gpauren“-Figur in Bezug auf die Personen der Handlung weiter ausgeführt (V. 32-48). Mit dem Aufruf zu verstärkter Aufmerksamkeit in Vers 42 erfährt der Abschnitt nochmals eine Untergliederung. Die letzte Sequenz (V. 49-54) erläutert die möglichen Rezeptionsweisen und leitet zum Hauptteil des Werkes über.

Nachfolgend werde ich nun genauer auf die einzelnen Verse des Prologs eingehen. Der Ring legt fest, wie man sich verhalten soll und ist ein alle Lebensbereiche umfassendes pädagogisches Lehrbuch.[5] In Vers 15 wird erklärt, dass das Werk in drei Teile eingeteilt ist. Der erste Teil lehrt das „Hofieren“, also wie man als Mann eine Frau für sich gewinnt, im zweiten geht es darum, wie man Leib und Seele pflegt und im dritten wie man sich in Kriegszeiten verhalten soll. Der Ring lehrt vor allem junge Männer Frömmigkeit und Tugend zu erwerben und warnt auch vor dem weiblichen Geschlecht und seiner List, die Männer auszunehmen. Ab Vers 32 folgt dann die prodesse et delectare, in welcher Verständnis dafür aufgebracht wird, dass man als Mensch nicht ständig ernsthafte Dinge und Belehrungen hören möchte, weshalb der Autor lustige Passagen in sein Werk eingefügt hat, um Langeweile zu vermeiden. Damit der Rezipient die Lehre leichter aufnehmen kann, hat der Autor so genanntes „gpaurengschrei“ unter die Didaxe gemischt, damit das Werk interessanter zu lesen ist.[6] Anschließend wird in Vers 40 auf die roten und grünen Farbmarkierungen hingewiesen. Die rote Linie ist den ernsten Dingen des Lebens gewidmet (= prodesse), während die grüne Farblinie für das „törpelleben“ (= delectare) steht. Der Törper ist ein ungebildeter Mensch, der unrecht handelt und der hier als abschreckendes Beispiel wie man sich nicht verhalten soll, fungieren soll. Findet der Rezipient etwas, was weder Nutz noch Tagalt zuzuordnen ist, so soll er das Dargestellte als „mär“ abtun. Über die Farblinien hat es in der Wissenschaft viele Spekulationen gegeben, denn die Kennzeichnung stimmt in manchen Fällen nicht mit dem Inhalt des Werkes überein. Bezieht man das rückbezügliche Personalpronomen „es“ in Vers 51 nicht auf das „etwas“ in Vers 49, sondern auf die gesamte vorangehende Erklärung, könnte man die Stelle so deuten: der Erzähler überlässt es der Beliebigkeit des Lesers wie er das Zweifarbensystem anwendet. Zuerst stellt er sein genaues Ordnungssystem vor und teilt aber skurrilerweise anschließend mit, dass es sich dabei auch um eine „mär“ halten könnte. Deshalb könnte man den Text als „augenzwinkernde Warnung an den Leser, der Textoberfläche und gar dem Erzähler nicht unvorsichtigerweise zu vertrauen,“ verstehen.[7] Ich folge dieser Sichtweise über die Anwendung der Farblinien, denn so gesehen ist der Prolog mit seiner Doppelbödigkeit ein Schlüssel zum Verständnis des Rings. Schließlich nennt der Autor in Vers 52 seinen Namen und stellt sich vor. Seltsam ist hier das Schreiben seines Namens, welche stark an die damals österreichische Schreibung angelehnt ist. Vielleicht wollte Wittenwiler damit seine starke Verbundenheit zu Österreich ausdrücken, es könnte jedoch auch sein, dass er die damals stark vorhandene Abhängigkeit von Österreich anprangern wollte. Durch die Vergrößerung der landesherrlichen und kirchlichen Verwaltung, deren freie Stellen mit Personen aus dem niederen Adel besetzt wurden, ergab sich eine „Dominanz des Adels in weltlichten und kirchlichen Führungspositionen.“ Deshalb gab es fast nur noch Stellen, die österreichisch waren und arbeitssuchende Leute konnten kaum mehr eine „nicht-österreichische“ Stelle finden, wodurch sich die Abhängigkeit von Österreich verstärkte.[8]

[...]


[1] Vgl. Wittenwiler: Der Ring, S. 659.

[2] Ebd., S. 661.

[3] Vgl. http://emile.uni-graz.at/pub/06S/2006-05-0266.pdf

[4] Vgl. Gruchot: Heinrich Wittenwilers „Ring“ Konzept und Konstruktion eines Lehrbuches, S. 60.

[5] Vgl. Nitsche: Herr Gawan ist leider verhindert. Der Dörferkrieg in Heinrich Wittenwilers "Ring", S. 12.

[6] Ebd., S. 12.

[7] Vgl. Nitsche: Herr Gawan ist leider verhindert. Der Dörferkrieg in Heinrich Wittenwilers "Ring", S. 12.

[8] Vgl. Lutz: Spiritualis Fornacatio. Heinrich Wittenwiler, seine Welt und sein „Ring“, S. 93.

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Heinrich Wittenwilers "Der Ring" - Der Prolog als Schlüssel zum Werk
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München  (Institut für Deutsche Philologie)
Note
1,7
Autor
Jahr
2007
Seiten
17
Katalognummer
V88270
ISBN (eBook)
9783638029551
ISBN (Buch)
9783638928007
Dateigröße
473 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Anmerkung der Dozentin: "Die hermeneutische Begründung für die Disparatheit von Prolog und Text ist nicht wirklich klar geworden. Schade." Sie sagte mir, deshalb hätte ich keine 1 bekommen sondern "nur" eine 1,7.
Schlagworte
Heinrich, Wittenwilers, Ring, Prolog, Schlüssel, Werk
Arbeit zitieren
Katrin Eberle (Autor:in), 2007, Heinrich Wittenwilers "Der Ring" - Der Prolog als Schlüssel zum Werk, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/88270

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