Nach Angabe des Statistischen Bundesamtes meldeten die deutschen Gerichte für das erste Quartal 2007 7.336 Unternehmensinsolvenzen, an die ca. 4,3 Mrd. Euro offene Forderungen geknüpft sind. Da einer Vielzahl von Insolvenzverfahren mangels Masse die Eröffnung verweigert wird, kommt im Fall von GmbH-Insolvenzen der Haftung des GmbH-Geschäftsführers eine wesentliche Bedeutung zu, da er meist der Einzige ist, gegen den noch Ansprüche geltend gemacht werden können. Da der Geschäftsführer davon ausgeht, dass sich die Haftung grds. auf das Gesellschaftsvermögen beschränkt, ist in den meisten Fällen ein Zivilprozess unumgänglich.
Eine zivilrechtliche Verantwortung des Geschäftsführers ergibt sich aus einer unterlassenen bzw. verspäteten Stellung des Insolvenzantrages, auch bekannt als Insolvenzverschleppung. Die von den Gläubigern angestrebte Insolvenzverschleppungshaftung zielt auf den Ersatz des Schadens, der durch die verzögerte Verfahrenseröffnung verursacht worden ist.
Im Mittelpunkt der vorliegenden Seminararbeit steht die Darstellung der vielfältigen Haftungsmöglichkeiten des GmbH-Geschäftsführers, als Folge seines Fehlverhaltens nach Eintritt der Insolvenzreife. Ausgangspunkt der Betrachtungen soll dabei die Insolvenzantragspflicht aus § 64 I GmbHG sein. Anschließend sollen die verschiedenen Haftungskonstellationen des Geschäftsführers im Innen- wie im Außenverhältnis vorgestellt werden. Im Rahmen der Insolvenzverschleppungshaftung bildet die in § 64 I GmbHG enthaltene Pflicht zur Beantragung des Insolvenzverfahrens die zentrale Schnittstelle für alle straf- und zivilrechtlichen Haftungsfolgen. Absatz 1 verpflichtet den Geschäftsführer nach Eintritt der Insolvenzreife binnen einer Frist von drei Wochen zur Untersuchung, ob eine erfolgreiche Sanierung des Unternehmens zu realisieren ist. Ist dies nicht möglich und die Insolvenzgründe liegen weiterhin vor, ist er verpflichtet, den Insolvenzantrag zu stellen. Hat die GmbH mehrere Geschäftsführer ist jeder einzelne verpflichtet, unabhängig eventuell bestehender Ressortabgrenzungen und im Gesellschaftsvertrag enthaltener Vertretungsregelungen, der Antragsstellung nachzukommen. Ebenso verpflichtet es den sog. „faktischen Geschäftsführer“, der die Gesellschaft wie ein Geschäftsführer tatsächlich führt. Eine gleiche Verpflichtung trifft gem. § 71 IV GmbHG auch einen Liquidator. Eine Entbindung des Geschäftsführers von seiner Antragspflicht erfolgt nicht durch bloße Amtsniederlegung.
Inhaltsverzeichnis
- A. Problemstellung und Gang der Untersuchung
- B Die Insolvenzantragspflicht, § 64 I GmbHG
- I Die Antragspflicht
- II Insolvenzgründe
- 1. Zahlungsunfähigkeit, § 17 II InsO
- 2. Drohende Zahlungsunfähigkeit, § 18 II InsO
- 3. Überschuldung, § 19 II InsO
- III Drei-Wochen-Frist
- C Die Ersatzpflicht gegenüber der Gesellschaft, § 64 II GmbHG i. V. m. § 43 GmbHG
- I Allgemein
- II Voraussetzungen
- 1. Zahlungen i. S. v. § 64 II GmbHG
- 2. Verschulden
- 3. Umfang der Haftung
- 4. Anspruchsberechtigte
- D Die Haftung gegenüber den Gesellschaftsgläubigern
- I Haftung gem. §§ 823 II BGB i. V. m. 64 | GmbHG
- 1. Allgemein
- 2. Umfang der Haftung
- 3. Verschulden
- 4. Anspruchsberechtigte
- II Haftung gem. §§ 823 II BGB i. V. m. § 263 StGB
- III Haftung aus Verschulden bei Vertragsschluss (c.i.c.), § 311 i. V. m. § 280 I BGB
- 1. Allgemein
- 2. Voraussetzungen
- 3. Verschulden
- IV Haftung gem. § 826 BGB
- V Haftung gem. § 26 III InsO
- E Schlussbetrachtungen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit der Haftung bei Insolvenzverschleppung im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht. Der Fokus liegt auf der Analyse der rechtlichen Grundlagen und der verschiedenen Haftungstatbestände, die im Zusammenhang mit einer verspäteten Insolvenzanmeldung auftreten können.
- Die Insolvenzantragspflicht nach § 64 I GmbHG
- Die Ersatzpflicht gegenüber der Gesellschaft nach § 64 II GmbHG
- Die Haftung gegenüber den Gesellschaftsgläubigern
- Die verschiedenen Haftungsformen im Kontext der Insolvenzverschleppung
- Die rechtlichen Folgen einer Verletzung der Insolvenzantragspflicht
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel behandelt die Problemstellung und den Gang der Untersuchung. Es wird die Bedeutung der Insolvenzverschleppung im Kapitalgesellschaftsrecht erläutert und der Aufbau der Arbeit vorgestellt. Kapitel B befasst sich mit der Insolvenzantragspflicht nach § 64 I GmbHG, wobei insbesondere die verschiedenen Insolvenzgründe und die Drei-Wochen-Frist im Detail analysiert werden. Kapitel C widmet sich der Ersatzpflicht gegenüber der Gesellschaft nach § 64 II GmbHG, einschließlich der Voraussetzungen, des Umfangs der Haftung und der Anspruchsberechtigten. In Kapitel D werden die unterschiedlichen Haftungsformen gegenüber den Gesellschaftsgläubigern untersucht, darunter die Haftung nach §§ 823 II BGB i. V. m. 64 | GmbHG, §§ 823 II BGB i. V. m. § 263 StGB, § 311 i. V. m. § 280 I BGB, § 826 BGB und § 26 III InsO.
Schlüsselwörter
Insolvenzverschleppung, GmbH-Recht, Kapitalgesellschaftsrecht, Insolvenzantragspflicht, Insolvenzgründe, Haftung, Ersatzpflicht, Gesellschaftsgläubiger, Verschulden, § 64 GmbHG, § 17 InsO, § 18 InsO, § 19 InsO, § 823 BGB, § 263 StGB, § 311 BGB, § 280 BGB, § 826 BGB, § 26 InsO.
- Arbeit zitieren
- M.A. Stefan Pilz (Autor:in), 2007, Die Haftung bei Insolvenzverschleppung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/89577