Magische Behandlungsweisen im Mittelalter


Term Paper, 2019

22 Pages

Anonymous


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Inhalt

Einleitung

Mittelalterliches Krankheitsverständnis

Abracadabra gegen Malaria

Trepanation im Mittelalter

Fazit

Literaturverzeichnis

Quellenverzeichnis

Einleitung

Wenn heute das Wort Abracadabra fällt, verbinden dies sicher nicht wenige zu allererst mit irgendwelchem Zauberspruchhokuspokus aus Fantasyfilmen oder Büchern. Dabei war Abracadabra bereits im 3. Jahrhundert nach Christus als vermeintliches Heilmittel gegen Malaria bekannt. Auch wenn diese „Rezeptur“ aus heutiger Sicht wenig erfolgversprechend war, da es sich in der Tat auch damals schon um einen magischen Zauberspruch handelte, so war sie im Mittelalter weit verbreitet und galt als ganz normale Medizin.

Doch wie und warum galt ein Zauberspruch als Heilmittel gegen Malaria und wie gelangten ganz allgemein aus heutiger Sicht magische Elemente in die Medizin des Mittelalters? Ziel dieser Hausarbeit wird es sein, zu untersuchen, wie magische Rezepte in die medizinische Praxis des Mittelalters gelangten und zudem einzelne dieser vorzustellen und genauer zu beleuchten.

Um überhaupt einzelne dieser magischen Rezepte untersuchen zu können, bedarf es zu allererst einer grundlegenden Beurteilung, wie und warum magische Behandlungsweisen im Mittelalter Verbreitung fanden, welche Faktoren dies bedingten und wie ihre zeitgenössische Rezeption war. Um diese Fragen beantworten zu können, widmet sich das erste Kapitel dieser Hausarbeit dem mittelalterlichen Krankheits- und Heilungsverständnis.

Anschließend sollen zwei der im Mittelalter verwendeten magischen Rezepte genauer beleuchtet werden. Zum einen wäre dies das Abracadabra, mit dem man das Anderthalbtagefieber, heute als Malaria bekannt, zu heilen hoffte, zum anderen die Trepanation, bei welcher man dem Patienten ein Loch in die Schädeldecke schnitt, um unter anderem böse Geister herauslassen zu können.

Als erstes wird geprüft, wann und in welchem zeitlichen Kontext die jeweiligen Behandlungsmethoden eingeführt wurden, es soll sozusagen ihre Geschichte erzählt werden. Daher wird in dem jeweiligen Kapitel auch untersucht werden, wann die magischen Rezepte ihre Hochphase hatten und wann sie wieder aus der Mode kamen. Zudem soll festgestellt werden, welche Krankheiten man mit den magischen Behandlungsmethoden zu kurieren hoffte und warum sich die Ärzte dieser Zeit gerade bei bestimmten Leiden auf aus heutiger Sicht untaugliche Rezepte magischen Ursprungs verließen.

Im Anschluss sollen mit Hilfe von Quellen die Rezepte an sich thematisiert werden. Zudem soll aufgezeigt werden, wie und ob sich diese über die Jahrhunderte veränderten und wenn ja, was der Anlass für diese Abänderungen war. Abschließend ist zu untersuchen, welche Risiken für die Patienten, die mit den magischen Rezepten behandelt wurden, bestanden und ob es die Chance gab, ihren Zustand mit Hilfe der vorgestellten Behandlungsweisen zu verbessern.

Im Fazit sollen die Ergebnisse zusammengetragen werden, mit diesen soll dann versucht werden, die eingangs gestellten Fragen zu beantworten. Des Weiteren soll ein kurzer Exkurs erfolgen, in dem untersucht werden wird, ob und falls ja, wo und in welchem Kontext auch in heutiger Zeit noch magische Rezepte verwendet werden und ob sogar die im Rahmen dieser Hausarbeit behandelten magischen Behandlungsweisen noch Verwendung finden.

Mittelalterliches Krankheitsverständnis

„Medicin hilffet, wann Gott es will, wan nicht, da ist des Todes viel“1

Mit diesen Worten schließt der im Jahre 1607 verfasste Bericht, „ wie sich ieder Mensch in jetzt schwebenden Sterbensleufften gegen die gifftige Pestilenz verwahren und so er damit angegriffen widerumb curieren solle “ des im westfälischen Soest tätigen Stadtarztes Johann Kattenbusch. Bis hinein in die frühe Neuzeit war ein Großteil der Menschen, Ärzte eingeschlossen, davon überzeugt, dass höhere Mächte entscheidenden Einfluss auf das Entstehen und den Verlauf einer Krankheit hatten. So Bestand kaum ein Zweifel daran, dass jeder Heilkundige nur ein Werkzeug Gottes war. Gott selbst, der Christus Medicus, galt in der Welt des Mittelalters als der höchste und beste Arzt.2 Dass Gott selbst der höchste Arzt sei, lässt sich unter anderem dadurch erklären, dass sich die Menschen vor der Aufklärung als Teil eines göttlichen Planes sahen und etliche Dinge für sie nicht anders als mit einer göttlichen Existenz zu erklären waren.

Berücksichtigt man diese mittelalterliche Sicht auf Krankheit und Heilung,3 so kann es nicht verwundern, dass aus heutiger Sicht magische Behandlungsweisen zu dieser Zeit weit verbreitet waren. Die Krankheiten wurden als Strafe Gottes angesehen und konnten dieser Logik folgend auch nur von Gott wieder geheilt werden. So galt die Krankheit Lepra als besonders schlimmes Himmelsurteil.4 Die grausam entstellten Betroffenen seien laut der damaligen Vorstellung in Folge ihrer Sünden dazu verdammt, das Urteil des göttlichen Strafgerichts direkt auf ihrem Körper zu tragen.5

Die Ärzte suchten bei der Behandlung ihrer Patienten nicht zuletzt deshalb Hilfe beim Christus Medicus, weil sie sich viele Krankheiten und Gebrechen schlichtweg nicht rational erklären konnten und auch nicht wussten, wie diese medizinisch zu behandeln waren. So waren zwar einzelne bedeutende Mediziner des Mittelalters ihrer Zeit mit fortschrittlichen Operations- und Behandlungsmethoden weit voraus, der Großteil der Ärzte aber hatte aus heutiger Sicht sehr begrenzte und oft auch falsche medizinische Kenntnisse.6 So gingen die meisten Ärzte beispielsweise davon aus, dass in der linken Herzkammer ein Feuer brenne, welches das Blut reinige,7 oder dass Wundeiter ein Signal des Heilungsprozesses sei.8 Zu den eigentlich aus heutiger Sicht unqualifizierten Ärzten gesellten sich zudem noch massenweise Scharlatane, die aus dem Leid ihrer Patienten persönlichen Profit schlagen wollten.9 Die allermeisten Menschen des Mittelalters hatten jedoch nur zu diesen entweder wenig qualifizierten oder gar in betrügerischer Absicht handelnden Ärzten Zugang, lediglich ein kleiner, privilegierter Teil der Bevölkerung kam in den Genuss eines wirklich gut ausgebildeten Arztes, was allerdings auch keine Garantie dafür war, dass dessen Behandlungsmethoden immer adäquat waren.

Es bleibt somit festzuhalten, dass viele Ärzte bei der Behandlung diverser Gebrechen und Krankheiten machtlos waren und es so eine sehr hohe Sterblichkeitsrate gab. Daher kann es nicht verwundern, dass die Patienten ihre Heilung in Gottes Hände legten und sich auch die Ärzte auf göttliche Hilfe verließen. Dies führte wiederum dazu, dass aus heutiger Sicht magische Behandlungsmethoden von Ärzten und Patienten gewollt oder zumindest akzeptiert wurden und so in der mittelalterlichen Welt weit verbreitet waren.

Abracadabra gegen Malaria

Das Wort Abracadabra, welches in mittelalterlichen Handschriften auch als Abratadabra oder Abracadrabra erscheint, wird erstmals im um 200 n. Chr. publizierten medizinischen Handbuch „Liber medicinalis“ des römischen Gelehrten Quintus Serenus erwähnt.10 Dieses Werk umfasst 64 Kapitel, in welchen Therapien, Behandlungen und Rezepte gegen verschiedenste Krankheiten, Verletzungen oder Gebrechen aufgelistet sind. So sind beispielsweise Mittel gegen Kopfschmerzen, bei denen man sich eine in Wolle verpackte Knoblauchzehe in das Ohr einführen solle,11 aber auch Erläuterungen zur Mithridatisation, also der Einnahme geringer Dosen eines Giftes, um den Körper dagegen immun zu machen, in dem Werk enthalten. Die medizinischen Ratschläge sind unter anderem auf Plinius den Älteren sowie Dioskurides zurückzuführen.12

Bedeutung und Wortherkunft von Abracadabra, dessen endgültige lateinische Schreibweise sich wohl erst im Mittelalter verfestigte,13 sind unter Historikern umstritten.14 Um den Rahmen dieser Arbeit nicht zu sprengen, können im Folgenden lediglich die beiden am häufigsten vertretenen Theorien zur Wortherkunft von Abracadabra angeführt werden. So wird von einigen angenommen, dass es sich auf Abraxas beziehe, der in der Gnosis als höchster Gott galt und laut Anhängern z.B. auch Jesus auf die Welt entsandt habe.15 Gleichzeitig taucht der Name des Abraxas etwa in hellenistischen Papyri, die sich zum Teil eindeutig heterogenen magischen Praktiken zuordnen lassen, als mächtiger Dämon auf.16

Das Wort Abracadabra könne allerdings auch aus dem Aramäischen kommen. Bei Wortkombinationen wie אברא כדברא, was sich in etwa mit Avrah k'Davra und in deutscher Sprache mit „ich werde erschaffen, während ich spreche“ übersetzen lässt,17 ist eine aus heutiger Sicht magische Verwendungsweise bezeugt.18 Auch bei ähnlich lautenden Wortkombinationen wie Abra ka-Dabra (Es geht zugrunde wie das Wort) lässt sich eine solche nachweisen. So wurde angenommen, dass man, indem man das Wort in Form eines Schwindeschemas niederschrieb, Schmerzen lindern und Krankheiten heilen konnte.19

Das Schwindeschema findet sich auch im Liber Medicinalis in Bezug auf den vermeintlich medizinischen Gebrauch des Wortes Abracadabra wieder. Denn dieses sollte gegen das Anderthalbtagefieber (griechische Übersetzung des Wortes hemitritaion), eine Form von Malaria, helfen.20 Das „Rezept“ dazu lautet in der Liber Medicinalis folgendermaßen.

„inscribes chartae quod dicitur „abracadabra” saepius et subter repetes, sed detrabe summam et magis atque desint elementa figuris singula, quae semper rapies, et cetera figes, dones in angustum redigaturlittera conum: his lino nexis collum redimire memento.”

Dies lässt sich übersetzen mit:

„Schreibe auf ein Blatt das so genannte Abracadabra, wiederhole es öfters und untereinander, aber ziehe von dem Obersten ab, indem du jeweils einen Buchstaben weglässt, bis schließlich noch ein Buchstabe in einem engen Winkel bleibt. Mit diesem (Blatt/Schwindeschema/Kegel) sollst du, in ein Leintuch gebunden, merke dies, den Hals belegen“.

[...]


1 Jankrift, Kay Peter: Krankheit und Heilkunde im Mittelalter. Darmstadt, 2003. S. 79.

2 Bruchhausen, Walter/ Schott, Heinz: Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin. Göttingen, 2008. S. 48.

3 Eckart, Wolfgang Uwe/ Jütte, Robert: Medizingeschichte. Eine Einführung. Köln, 2007. S. 9.

4 Ebd., S. 58.

5 Tadeusz, Frank: Blut und schwarze Galle. S. 145-156, in: Leben im Mittelalter. Der Alltag von Rittern, Mönchen, Bauern und Kaufleuten. Hrsg. Annette Großbongardt/ Johannes Saltzwedel. München, 2014. S. 276.

6 Duin, Nancy: Geschichte der Medizin. Von der Antike bis zum Jahr 2020. Köln, 1993. S. 18-19.

7 Tadeusz, Frank: Blut und schwarze Galle. München, 2014. S. 276.

8 Ebd., S. 276.

9 Duin, Nancy: Geschichte der Medizin. Köln, 1993. S. 20.

10 Touwaide, Alain: Serenus 1 Quinctius S. Sammonicus, in: Der Neue Pauly 11. Stuttgart, 2001. Sp. 451-452.

11 Quintus Serenus. Medizinischer Rat. Herausgegeben und übersetzt von Kai Brodersen. Berlin, 2016. S. 51.

12 Ebd., S. 9-10.

13 Dora, Cornel: Magie und Medizin, in: Abracadabra. Medizin im Mittelalter. St. Gallen, 2016. S. 40.

14 Ebd., S. 40.

15 Dieterich, Albrecht: Abraxas. Studien zur Religionsgeschichte des spätern Altertums. Aalen, 1973. S. 8-10.

16 Ebd., S. 34.

17 Dora, Cornel: Magie und Medizin, in: Abracadabra. St. Gallen, 2016. S. 40.

18 Ebd., S. 40.

19 Grözinger, Karl Erich: Jüdisches Denken. Theologie, Philosophie, Mystik. Band 2. Von der mittelalterlichen Kabbala zum Hasidismus. Darmstadt, 2005. S. 322-323.

20 Dora, Cornel: Magie und Medizin, in: Abracadabra. St. Gallen, 2016. S. 41-42.

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Details

Title
Magische Behandlungsweisen im Mittelalter
College
University of Erfurt  (Philosophische Fakultät)
Course
Medizin im Mittelalter
Year
2019
Pages
22
Catalog Number
V904085
ISBN (eBook)
9783346207272
ISBN (Book)
9783346207289
Language
German
Keywords
Medizin, Mittelalter, Magie
Quote paper
Anonymous, 2019, Magische Behandlungsweisen im Mittelalter, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/904085

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