Der digitale Betriebsrat. Eine SWOT-Analyse zu Chancen und Risiken


Masterarbeit, 2020

70 Seiten, Note: 1,00


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis

Zusammenfassung

1 Einleitung

2 Grundlegendes
2.1 Grundlegendes zur SWOT-Analyse
2.1.1 Definition der SWOT-Analyse
2.1.2 Ziele der SWOT-Analyse
2.2 Grundlegendes zum Betriebsrat
2.2.1 Definition Betriebsrat
2.2.2 Wesentliche Tätigkeiten eines Betriebsrats
2.3 Grundlegendes zur Digitalisierung
2.3.1 Definition der Digitalisierung
2.3.2 Folgen der Digitalisierung für die zukünftige Arbeit
2.3.3 Rechtliche Aspekte der digitalen Betriebsratstätigkeit

3 Durchführung der SWOT-Analyse
3.1 Stärken der digitalen Betriebsratstätigkeit
3.1.1 Transparenzsteigerung und Kommunikationsverbesserung innerhalb des Betriebsrats
3.1.2 Verbesserte Kommunikation des Betriebsrats zu den Mitarbeitern
3.1.3 Effizienzsteigerung durch ein vollständig digitales Beschlussverfahren mit digitaler Archivierung
3.1.4 Einstellungssteigerung einer digitalen Arbeitsweise im gesamten Unternehmen
3.2 Schwächen der digitalen Betriebsratstätigkeit
3.2.1 Ablehnung oder fehlende Ressourcen für die Einführung der digitalen Arbeitsweise einzelner Betriebsratsmitglieder oder des ganzen Gremiums
3.2.2 Fehlendes Wissen des Betriebsrats
3.3 Chancen der digitalen Betriebsratstätigkeit
3.3.1 Stärkung der Marktposition durch Effizienzsteigerungen
3.3.2 Schnelle Informationsgewinnung
3.4 Risiken der digitalen Betriebsratstätigkeit
3.4.1 Hürden durch den Gesetzgeber
3.4.2 Datenschutzbedenken

4 Befragung zur digitalen Betriebsratstätigkeit bei Betriebsratsmitgliedern der DB Vertrieb GmbH
4.1 Darstellung des Forschungsdesigns
4.1.1 Beschreibung der Teilnehmer
4.1.2 Beschreibung der Befragung und Darstellung der Hypothesen
4.1.3 Beschreibung des Fragebogens und der Fragetechnik
4.2 Ergebnisse, Diskussion und Handlungsempfehlungen der Befragung
4.2.1 Darstellung und Beschreibung der Ergebnisse der Befragung
4.2.2 Vergleich der Aussage 1 aus der durchgeführten Befragung mit der Studie „Betriebsrat 4.0“ des Forschungsinstituts für gesellschaftliche Weiterentwicklung
4.2.3 Diskussion der Ergebnisse und ableitende Handlungsempfehlungen

5 Fazit

Abkürzungsverzeichnis

Abbildungs- und Tabellenverzeichnis

Literaturverzeichnis

Anhang

Zusammenfassung

Die Digitalisierung verändert deutlich die Arbeitsbedingungen in den Unternehmen. Betriebsräte müssen sich dieser vom Markt getriebenen Veränderung stellen. Als Interessenvertretung müssen sie die Arbeitsbedingungen und Arbeitsplätze der zu vertretenen Mitarbeiter durch geschickte und zukunftsgerichtete Mitbestimmung schützen. Betriebsräte sollten auch ihre eigene Arbeitsweise einer Überprüfung unterziehen und die Frage stellen, ob sie analog oder in zunehmendem Maße selbst digital arbeiten möchten. Für die Implementierung einer digitalen Betriebsratstätigkeit gibt es sowohl Vor- als auch Nachteile. Als Stärken und Chancen können eine Transparenz- und Kommunikationsverbesserung und dadurch eine Verbesserung der Unternehmenspositionierung am Markt genannt werden. Als Schwächen und Risiken können mögliche Ablehnungen von einzelnen Betriebsratsmitgliedern durch fehlende Ressourcen beziehungsweise Wissen oder Risiken im Datenschutz oder durch rechtliche Unsicherheiten des Betriebsverfassungsgesetzes in Bezug auf die Digitalisierung ermittelt werden. Diese Faktoren werden im Rahmen einer SWOT-Analyse aufgestellt und erklärt. Zur digitalen Arbeitsweise eines Betriebsrats gibt es sehr wenige publizierte Studien. Aus diesem Grund wurde eine Befragung mit Betriebsratsmitgliedern der DB Vertrieb GmbH durchgeführt, um die aufgestellten Hypothesen an den gewonnenen Ergebnissen zu messen und um Handlungsempfehlungen für Betriebsräte und Arbeitgeber aufzustellen.

Einleitung

Die Arbeitswelt veränderte sich seit der letzten Reform des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) im Jahr 2001 gravierend. Dieses Gesetz wurde für die Mitbestimmung der Belegschaft in den Unternehmen eingeführt (Industriegewerkschaft Metall [IGM], 2020). Dieser Wandel wird auch in der Zukunft weiter fortschreiten. Die Gründe liegen vor allem in der zunehmenden Digitalisierung der Arbeit in den Unternehmen. Der Einsatz von digitalen Medien, wie z.B. E-Mails, Apps und die Nutzung von digitalen Endgeräten, wie Smartphones und Tablets, ist heutzutage weit verbreitet. Der Ort der Arbeit, wann diese geleistet wird und der Selbstorganisationsgrad der Arbeitnehmer ist durch eine Flexibilisierung, aufgrund einer digitalen Arbeitsweise, nicht mehr fest definiert (Ahlers, 2018). Weitere digitale Umbrüche, wie z.B. die künstliche Intelligenz oder die Robotik stehen noch am Anfang der Entwicklung und werden die Arbeitswelt weiter verändern. Die Digitalisierung bietet dabei Chancen und Risiken zugleich. Chancen können z.B. durch den Einsatz von Robotik eine körperschonende Arbeitsweise oder eine verbesserte Work-Life-Balance durch einen flexiblen Arbeitsort und einer flexiblen Arbeitszeit sein (Ahlers, 2018). Risiken können ein Arbeitsplatzverlust durch den Wegfall bestimmter Tätigkeiten oder eine ständige Erreichbarkeit durch digitale Endgeräte und somit ein ständiger Druck auf die Mitarbeiter sein. Für diese Veränderungen müssen neben der Politik, den Gewerkschaften, den Unternehmensleitungen auch die Betriebsräte gerüstet sein, da diese durch die betriebliche Mitbestimmung in Hinblick auf die Digitalisierung und den darauf erfolgten Veränderungen vor einer großen Herausforderung stehen.

Die Digitalisierung bei den Betriebsräten wird in dieser Thesis nach eigener Definition in zwei Bereiche untergliedert, in die Außen- und die Innensicht:

- Die Außensicht ist für den Betriebsrat die klassische Tätigkeit als Instanz der Mitbestimmung. Der Betriebsrat bestimmt im Unternehmen nach dem BetrVG in allen Organisationseinheiten mit, wenn das Unternehmen digitale Abläufe oder Instrumente implementieren möchte.
- Die Innensicht betrifft ausschließlich den Betriebsrat und seine Mitglieder selbst. Wie möchte der Betriebsrat selbst im Unternehmen arbeiten? Arbeitet er analog, also genau so wie vor wenigen Jahrzehnten, oder möchte er digital und flexibel arbeiten. Sollten die Organisationen im Unternehmen einen großen Digitalisierungsgrad aufweisen, der Betriebsrat daneben aber noch stark analog arbeitet, kann es zu Kommunikationsproblemen führen, die sich nachteilig für den Betriebsrat auswirken können. Deshalb sollte ein Betriebsratsmitglied, neben seiner eigentlichen Arbeit auch seine eigene Arbeitsweise auf den Prüfstand stellen und erforschen, welche Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken eine digitale Arbeitsweise innerhalb des Betriebsratsgremiums aufweist.

Wie in der Abbildung 1 dargestellt, betrifft die Innensicht des Betriebsrats seine eigene Organisation. Die Betrachtung aller anderen Organisationen im Unternehmen durch den Betriebsrat bildet die Außensicht ab.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1. Eigene Darstellung zur Verdeutlichung der Innen- und Außensicht nach eigener Definition.

Im Jahr 2018 lagen wenige wissenschaftliche Untersuchungen zu den Bezugspunkten Digitalisierung und Betriebsrat vor (Oerder, Behrend & Stokic, 2018). Bis heute hat sich dies wenig verändert. Vor allem Studien zur Innensicht, also einer digitalen Betriebsratstätigkeit, wurden kaum publiziert.

Es stellt sich die Frage, ob das Betriebsverfassungsgesetz in der aktuellen Form die Anforderungen einer sich schnell veränderten digitalen Arbeitswelt noch erfüllen kann, oder ob es einer Reform in Richtung Digitalisierung benötigt. Weiter stellt sich die Frage, was die Chancen und die Stärken, aber auch die Schwächen und Risiken einer digitalen Arbeitsweise des Betriebsrats sein können und wie stark ausgeprägt die Akzeptanz von Betriebsratsmitgliedern gegenüber einer digitalen Arbeitsweise ist.

Der Fokus dieser Arbeit bezieht sich auf die Innensicht der Digitalisierung der Betriebsratstätigkeit. Nach dieser Einleitung erörtert die Thesis im zweiten Kapitel die Darstellung von grundlegenden Informationen und Definitionen zu der SWOT-Analyse, der Betriebsratstätigkeit und der Digitalisierung. Im dritten Kapitel findet die SWOT-Analyse der digitalen Betriebsratstätigkeit mit allen vier Ausprägungen statt. Aufgrund der Tatsache, dass zum Thema interne digitale Betriebsratstätigkeit noch sehr wenige Untersuchungen vorliegen, wird vom Autor eine Befragung der Betriebsratsmitglieder der DB Vertrieb GmbH mit 12 Aussagen zur internen digitalen Betriebsratstätigkeit durchgeführt, um Befragungsergebnisse der betroffenen Zielgruppe zu erhalten. Diese Ergebnisse werden in Kapitel 4 dargestellt und beschrieben, danach mit der zuvor aufgestellten SWOT-Analyse verglichen und anschließend Handlungsempfehlungen abgeleitet. Zum Schluss wird ein Fazit zu diesem sehr aktuellen und in der Wissenschaft noch wenig beachteten Thema gezogen.

Grundlegendes

Dieses Kapitel zeigt grundlegende und zum weiteren Verständnis notwendige Informationen auf. Zunächst wird die SWOT-Analyse als Instrument der strategischen Planung erklärt. Es folgen elementare Angaben zum Betriebsrat und am Ende Ausführungen zur Digitalisierung und zur rechtlichen Einordnung der Digitalisierung in der Innensicht des Betriebsrats.

2.1 Grundlegendes zur SWOT-Analyse

Die SWOT-Analyse, die in den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts an der Harvard Business School entwickelt wurde (Bickhoff, 2009), wird definiert und die Ziele vorgestellt.

2.1.1 Definition der SWOT-Analyse

Die SWOT-Analyse bildet einen Rahmen, in dem Informationen, die für eine Strategiefindung notwendig sind, gesammelt und anschließend analysiert werden. Die Fokussierung auf die notwendigen Informationen ist jedoch durch einen Informationsüberfluss, vor allem durch das Internet, alles andere als einfach zu bewerkstelligen (Bickhoff, 2009).

Die Abkürzung SWOT steht für die Anfangsbuchstaben der vier englischen Begriffe Strengths, Weaknesses, Opportunities und Threats. Diese gliedern die Bereiche, in die die Informationen eingeteilt werden. Ins Deutsche übersetzt werden die vier Bereiche als Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken dargestellt. Die Stärken und Schwächen analysieren den Innenbereich, also den Blick in das Unternehmen. Die Chancen und Risiken analysieren den Außenbereich, also den Blick in den signifikanten Markt. Die vorhandenen Informationen müssen diesen vier Bereichen zugeordnet werden. Manche Informationen sind jedoch nicht eindeutig zuzuordnen, z.B. kann eine Information sowohl eine Chance als auch ein Risiko sein. In diesen Fällen muss diese Information zu beiden Bereichen hinzugefügt werden (Bickhoff, 2009).

Mit diesem aufgestellten Wissen kann ein Unternehmen abschätzen, ob eine langfristige Existenz am Markt, mit seinen Stärken aber auch mit seinen Schwächen, möglich ist (Fleig, 2017). In der Abbildung 2 wird die SWOT-Analyse grafisch mit seinen vier Ausprägungen und die daraus folgenden Strategien dargestellt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2. Eigene Darstellung einer Übersicht der SWOT-Analyse (Quelle: Fleig, 2017)

Aufteilung der Analyseergebnisse in unternehmensinterne und -externe Faktoren:

- Die unternehmensinternen Faktoren ‚Stärken‘ können z.B. eine hohe Bindung zu ehemaligen Mitarbeitern sein. Zu den unternehmensinternen Faktoren ‚Schwächen‘ können z.B. fehlerhafte interne Kontrollen zugeordnet werden (Michell-Auli & Schwemmle, 2008).
- Die unternehmensexternen Faktoren ‚Chancen‘ können z.B. zielgruppenspezifische Angebote an die Kunden sein. Zu den unternehmensexternen Faktoren ‚Risiken‘ können z.B. Änderungen von gesetzlichen Grundlagen genannt werden (Michell-Auli & Schwemmle, 2008).

Eine SWOT-Analyse ist eine Methode zur Strukturierung von Informationen. Es werden weder Prioritäten gesetzt noch Empfehlungen abgeben. In weiteren Schritten können die aus der SWOT-Analyse gewonnenen Informationen jedoch zur Entscheidungsfindung verwendet werden (Bickhoff, 2009).

2.1.2 Ziele der SWOT-Analyse

Bei einer SWOT-Analyse können zwei Ziele ermittelt werden. Aus den Stärken und Chancen werden die potenziellen chancenbasierten Ziele und aus den Schwächen und Risiken werden die potenziellen risikobasierten Ziele abgeleitet (Michell-Auli & Schwemmle, 2008).

- Potenzielle chancenbasierte Ziele:

Indem die Stärken und die Chancen der SWOT-Analyse zur Ermittlung chancenbasierter Ziele ausgewertet werden, wird ein Handlungsbedarf aufgedeckt. Die Ermittlung kann in Kombination aller Chancen und Stärken, oder einzeln erfolgen. Chancenbasierte Ziele müssen eine Relevanz für die Strategie aufweisen. Sie müssen also für die Strategieumsetzung des Unternehmens einen Beitrag leisten können. Die SWOT-Analyse liefert somit durch Aufdeckung von strategischen Zielen wichtige Informationen für die unternehmerische Prozess- und Potentialperspektive. Bei der Prozessanalyse werden die internen Prozesse betrachtet und einer Optimierung aufgrund der SWOT-Analyse unterzogen. Neben den Prozessen, die verbesserungswürdig sind, werden auch solche betrachtet, die z.B. in Richtung Innovation oder Kundenmanagementprozesse ausgerichtet sind. Die Potentialanalyse soll auf eine langfristige Erfolgsausrichtung des Unternehmens durch eine Lern- und Entwicklungsperspektive an einem sich ständig veränderten Markt ausgelegt werden. (Michell-Auli & Schwemmle, 2008).

- Potenzielle risikobasierte Ziele:

Unternehmen können ein Risikomanagement durch eine Analyse der aufgezeigten unternehmensinternen Schwächen und marktexternen Risiken aufbauen und dadurch mögliche risikobasierte Ziele ableiten. Beim Risikomanagement kann durch eine Klassifizierung der Risiken und Schwächen festgestellt werden, ob zur Reduzierung des Risikos Gegenmaßnahmen ergriffen werden müssen, oder ob aufgrund einer zu erwartenden unbedeutenden Auswirkung oder einer zu erwarteten sehr geringen Eintrittswahrscheinlichkeit Maßnahmen vernachlässigbar sind. Durch diese qualitative Einschätzung mit einer Gegenüberstellung von Aufwand und Nutzen werden Risiken und Schwächen bewertet und eine Priorisierung durchgeführt (Michell-Auli & Schwemmle, 2008).

2.2 Grundlegendes zum Betriebsrat

Der Betriebsrat ist der Interessenvertreter der Belegschaft eines Betriebes (Raehlmann, 2019). In diesem Abschnitt wird zunächst der Betriebsrat definiert und danach wesentliche Aufgaben und Tätigkeiten eines Betriebsrats vorgestellt.

2.2.1 Definition Betriebsrat

Mitarbeiter können in Unternehmen mit einer Anzahl von fünf oder mehr Mitarbeitern nach § 1 BetrVG durch eine Wahl einen Betriebsrat gründen. Ob in einem Unternehmen ein Betriebsrat etabliert ist, hängt nach den vorhandenen Studien zu großer Wahrscheinlichkeit von der Mitarbeiteranzahl ab. Im Jahr 2018 hatte sich in Deutschland in nur ca. fünf Prozent der Unternehmen mit höchstens 50 Mitarbeitern ein Betriebsrat gebildet. Jedoch ist bereits in jedem zweiten Unternehmen zwischen 100 und 200 Mitarbeitern ein Betriebsrat etabliert. In fast 90 Prozent der Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern ist ein Betriebsrat vorhanden (Eggluth & Kohaut, 2019).

Das Betriebsratsmitglied ist die Person, die Betriebsratstätigkeiten ausführt. Der Betriebsrat ist das Gremium als Summe aller integrierten Betriebsratsmitglieder. Der Betriebsrat vertritt die Interessen der Arbeitnehmer im Unternehmen und ist für die betriebliche Mitbestimmung im Unternehmen zuständig. Er ist verpflichtet, mit dem Management vertrauensvoll zum Wohl der Arbeitnehmer und des Betriebes zusammenzuarbeiten. Das bedeutet insbesondere auch, dass der Betriebsrat ebenfalls die wirtschaftlichen Interessen des Unternehmens bei seinem Handeln einbeziehen muss. Der Frieden im Unternehmen ist ein hohes Gut. Für den Arbeitgeber, als auch für die betriebliche Interessenvertretung, muss dessen Bewahrung das Ziel sein. Betriebsratsmitglieder erhalten aufgrund ihrer Tätigkeit vertrauliche Unternehmensinformationen, deshalb unterliegen sie bei Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen der Schweigepflicht (Raehlmann, 2019).

Die Betriebsratsmitglieder wählen nach § 26 BetrVG einen Vorsitzenden und einen stellvertretenden Vorsitzenden aus ihrer Mitte. Der Vorsitzende ist nicht den anderen Betriebsratsmitgliedern weisungsbefugt, sondern er vertritt und repräsentiert den Betriebsrat nach außen und dient dem Arbeitgeber als Ansprechpartner des Gremiums (Wien, 2009).

Ab einer Mitarbeiteranzahl von über 200 sind Betriebsratsmitglieder vom Arbeitgeber von ihrer gewohnten Tätigkeit im Unternehmen freizustellen, damit sie sich komplett den Betriebsratstätigkeiten widmen können. Die Anzahl der Freistellungen ist im § 38 Abs. 1 BetrVG geregelt. Von mindestens 200 bis einschließlich 500 Mitarbeitern wird mindestens ein Betriebsratsmitglied freigestellt, die Anzahl der Freistellungen erhöht sich nach diesem Gesetz, je mehr Mitarbeiter im Betrieb angestellt sind (Wien, 2009).

Wenn ein Betriebsrat aus mindestens neun Mitgliedern besteht, ist nach § 27 BetrVG ein Betriebsausschuss zu gründen. Der Betriebsausschuss ist ein Gremium innerhalb des Betriebsrats, der die Geschäftsführung des Betriebsrats übernimmt. Neben dem Vorsitzenden und stellvertretenden Vorsitzenden sind je nach Größe des Betriebsrats zwischen drei und neun weitere Betriebsratsmitglieder als Mitglied in den Betriebsausschuss zu entsenden. Der Betriebsausschuss erledigt für den Betriebsrat die anfallenden Tagesaufgaben. Zusätzlich kann der Betriebsrat dem Betriebsausschuss durch Festlegung in der Geschäftsordnung weitere Aufgaben zur selbstständigen Erledigung delegieren. Der Betriebsrat kann noch weitere Ausschüsse innerhalb des Gremiums implementieren, wenn der Betrieb mehr als 100 Mitarbeiter hat. Der Betriebsrat kann auch diesen Ausschüssen Tätigkeiten übertragen, damit diese Ausschüsse befugt sind, selbstständig zu entscheiden und somit den Betriebsrat entlasten können. Dies können z.B. ein Wirtschaftsausschuss für wirtschaftliche Belange, ein Personalausschuss für personelle Belange oder ein Arbeitssicherheits- und Gesundheitsausschuss sein. Jeder Ausschuss ist in der Geschäftsordnung des Betriebsrats zu hinterlegen (Wien, 2009).

Die Tätigkeit als Betriebsratsmitglied ist ein Ehrenamt. Betriebsratsmitglieder dürfen nach § 78 BetrVG aufgrund ihrer Tätigkeit als Betriebsratsmitglied weder bevorzugt noch benachteiligt werden. Dadurch soll verhindert werden, dass das Management des Unternehmens auf Betriebsratsmitglieder Druck ausüben kann, damit diese bei bestimmten Themen im Sinne der Unternehmensleitung entscheiden. Ebenfalls haben Betriebsratsmitglieder nach diesem Paragrafen einen besonderen Kündigungsschutz, um ebenfalls nicht in ihrer Tätigkeit als Interessenvertretung behindert zu werden. Sollte der Arbeitgeber ein Betriebsratsmitglied außerordentlich kündigen, muss der Betriebsrat dieser Kündigung zustimmen. Der Arbeitgeber kann jedoch bei einer Nichtzustimmung des Betriebsrats das Arbeitsgericht einschalten (Wien, 2009). Sämtliche Kosten der Betriebsratstätigkeit trägt aufgrund § 40 BetrVG der Arbeitgeber (Niedenhoff, 2007).

Sollte ein Unternehmen in mehrere Betriebe mit jeweils eigenem Betriebsrat aufgeteilt sein, so ist nach § 47 BetrVG ein Gesamtbetriebsrat zu gründen. Der Gesamtbetriebsrat behandelt Sachverhalte, die betriebsübergreifend mehrere oder alle Betriebe im Unternehmen betreffen und nicht durch die einzelnen Betriebsräte innerhalb ihrer Betriebe geregelt werden können. Er ist jedoch nicht das übergeordnete oder weisungsbefugte Organ der regionalen Betriebsräte. Jeder örtliche Betriebsrat entsendet Mitglieder in den Gesamtbetriebsrat. Sollte es in Konzernen mehrere Gesamtbetriebsräte geben, so kann nach § 54 BetrVG ein Konzernbetriebsrat gegründet werden. In den Konzernbetriebsrat werden wiederum Mitglieder aus den Gesamtbetriebsräten entsandt. Der Konzernbetriebsrat behandelt Angelegenheiten, die mehrere Gesamtbetriebsräte betreffen (Wien, 2009).

2.2.2 Wesentliche Tätigkeiten eines Betriebsrats

Der Betriebsrat führt regelmäßig nicht öffentliche Betriebsratssitzungen durch, die im Regelfall während der Arbeitszeit stattfinden. Die Betriebsratsmitglieder diskutieren nach der Sitzungseröffnung durch den Betriebsratsvorsitzenden Themen, die in den Zuständigkeitsbereich des Betriebsrats fallen. Diese Themen werden vorab in einer Tagesordnung allen Betriebsratsmitgliedern zur Verfügung gestellt. Der Betriebsrat soll mit dem Arbeitgeber monatlich zusammenkommen, um aktuelle Themen im Unternehmen zu besprechen und sich auszutauschen (Wien, 2009).

Dem Betriebsrat werden unterschiedlich ausgeprägte Beteiligungsrechte durch das BetrVG zugesprochen. Die Sachverhalte können soziale, personelle und wirtschaftliche Zusammenhänge betreffen (Raehlmann, 2019). Die Rechte und Pflichten des Betriebsrats und seiner Mitglieder sind im BetrVG geregelt. In den §§ 74 bis 113 BetrVG sind die Bestandteile für die Mitwirkung und Mitbestimmung der Arbeitnehmervertreter hinterlegt. Die Rechte des Betriebsrats werden nach Raelmann (2019) je nach Umfang der Mitwirkungsrechte untergliedert in:

- Erzwingbare Mitbestimmungsrechte,
- Widerspruchsrechte,
- Anhörungs- und Beratungsrechte und
- Informationsrechte.

In sozialen Angelegenheiten sind erzwingbare Mitbestimmungsrechte nach § 87 BetrVG z.B. die Regelung des Beginns und Endes der Arbeitszeit, die Lohngestaltung oder die Einführung von technischen Anlagen, wenn diese für eine Überwachung der Leistung oder des Verhaltens der Belegschaft geeignet sind. In personellen Angelegenheiten sind erzwingbare Mitbestimmungsrechte z.B. nach § 95 BetrVG die Erstellung von Auswahlrichtlinien für Einstellungen oder nach § 94 BetrVG die Erstellung von Personalfragebögen. Bei personellen Einzelmaßnahmen, z.B. Einstellungen, Versetzungen, Umgruppierungen, hat der Betriebsrat nach § 99 BetrVG ein Widerspruchsrecht. Ein Anhörungsrecht besitzt der Betriebsrat z.B. nach § 102 BetrVG bei Kündigungen. Beratungsrechte hat der Betriebsrat z.B. nach § 92 BetrVG bei der Personalplanung im Unternehmen (Raehlmann, 2019).

Nach der Beratung und internen Diskussion eines Tagesordnungspunktes in der Sitzung fasst der Betriebsrat einen Beschluss. Beschlussfähig ist ein Betriebsrat nach § 33 BetrVG, wenn mindestens die Hälfte der Betriebsratsmitglieder in der Sitzung anwesend sind. Sollten vorab Betriebsratsmitglieder ihre Abwesenheit für die Betriebsratssitzung anzeigen, so kann der Betriebsrat zugewiesene Ersatzmitglieder für die Sitzung hinzuziehen, damit die Beschlussfähigkeit gewahrt ist. Die Ersatzmitglieder haben in der Betriebsratssitzung die gleichen Rechte und Pflichten wie die ordentlichen Mitglieder im Gremium. Bei den meisten Tagesordnungspunkten gilt die einfache Mehrheit des Betriebsrats als gültiger Beschluss. Bei wenigen Themen, wie z.B. bei der Festlegung der Geschäftsordnung des Betriebsrats, werden eine absolute Mehrheit des Betriebsrats benötigt (Wien, 2009).

Der Betriebsrat lädt nach § 43 BetrVG alle Mitarbeiter des Betriebes regelmäßig zu Betriebsversammlungen ein, die vom Betriebsratsvorsitzenden geleitet werden, um der Belegschaft einen Rechenschaftsbericht des Betriebsrats vorzustellen. Gewerkschaftsvertreter von im Unternehmen vertretenen Gewerkschaften und der Arbeitgeber haben ebenfalls das Recht, an der Betriebsversammlung teilzunehmen und in der Versammlung an die Belegschaft und den Betriebsrat zu sprechen (Wien, 2009). Zusätzlich kann der Betriebsrat für die Aufrechterhaltung der Kommunikation an die Belegschaft nach § 39 BetrVG Sprechstunden während der Arbeitszeit anbieten, die zuvor mit dem Arbeitgeber abzustimmen sind.

Der Betriebsrat kann mit dem Arbeitgeber Vereinbarungen treffen, die in einer Betriebsvereinbarung schriftlich fixiert und von beiden Seiten unterschrieben werden. An diese Betriebsvereinbarung sind alle Mitarbeiter im Betrieb, der Arbeitgeber und der Betriebsrat gebunden (Wien, 2009).

Nach dem Ausscheiden aus dem Betriebsratsgremium haben ehemalige Betriebsratsmitglieder nach § 15 Kündigungsschutzgesetz einen besonderen Schutz vor einer Kündigung für bis zu einem Jahr (Wien, 2009).

In den letzten Jahren wird die Aufgabe von Betriebsräten laut Stracke und Nerdinger (2010) nicht nur in der Vertretung der Mitarbeiterinteressen gesehen, sondern auch als aktiver Mitgestalter des Unternehmens. Deshalb werden Betriebsratsmitglieder immer stärker als Co-Manager wahrgenommen und tituliert. Sie sollen neben dem Management auch auf Veränderungen für einen langfristigen Unternehmenserfolg hinarbeiten, die Mitarbeiter von notwendigen Veränderungen überzeugen und deren Sinn vermitteln.

2.3 Grundlegendes zur Digitalisierung und rechtlichen Aspekte der digitalen Betriebsratstätigkeit

In diesem Abschnitt wird der Begriff Digitalisierung definiert. Danach werden die Folgen der Digitalisierung für eine zukünftige Arbeit prognostiziert und die rechtlichen Aspekte einer digitalen Betriebsratstätigkeit aufgezeigt.

2.3.1 Definition der Digitalisierung

Den Begriff der Digitalisierung zu definieren ist sehr herausfordernd, da Digitalisierung aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet eine unterschiedliche Bedeutung besitzt. Die Transformation von analogen zu digitalen Prozessen und Inhalte ist die vermeintlich einfachste Definition der Begrifflichkeit Digitalisierung. Jedoch ist die Digitalisierung viel mehr. Sie wird nach der industriellen Revolution vor über 150 Jahren als die nächste Revolution angesehen. Somit wird deutlich, welchen Stellenwert die Digitalisierung in der Arbeitswelt einnehmen wird. Mit der Digitalisierung kann man Geräte miteinander vernetzen, die in der analogen Welt noch autark waren. Die Kommunikation ist durch die Digitalisierung ortsunabhängig, weil die Geräte ständig miteinander vernetzt sind. Dadurch können Funktionen automatisiert, Prozesse verschlankt und somit Ressourcen ideal zum Einsatz kommen. Digitale Unterlagen des eigenen Unternehmens können von jedem Punkt der Erde mit Internetempfang abgerufen und bearbeitet werden. Es ist nicht mehr notwendig, dafür in das Büro zu gehen. Jedoch darf die digitale Revolution nicht als ein Vorgang angesehen werden, der innerhalb weniger Tage abgeschlossen sein wird. Vielmehr ist diese als ein fortlaufender, langfristiger Veränderungsprozess zu verstehen (Tarkowski, 2018).

Bendel (2020) definiert die Digitalisierung als digitale Verarbeitung, Visualisierung und Transformation von Kommunikation und Wissen. Dafür werden Maschinen und Instrumente digital angepasst. Vor einigen Jahren verstand man unter Digitalisierung die Implementierung von Computernetzwerken und die Installation von Software auf Computern, wie z.B. Microsoft Office. Gleichzeitig wurde versucht, Privathaushalte und Arbeitsplätze durch die Informationstechnologie zu modernisieren, zu verbessern und zu automatisieren. Heute wird ein neuer Begriff verwendet, „Industrie 4.0“. Hinter diesem Begriff wird die Digitalisierung mit einer Fokussierung auf eine flexible, automatisierte aber trotzdem individuelle Bedürfnisbefriedigung verstanden.

2.3.2 Folgen der Digitalisierung für die zukünftige Arbeit

Die Digitalisierung wird erhebliche Auswirkungen und Veränderungen auf die Arbeit haben. Vor allem der Arbeitsumfang und der Charakter der Arbeit steht bei dieser Transformation im Fokus (Petry, 2019).

Eine viel beachtete Studie wurde von Frey und Oswald erstellt. Im Jahr 2013 untersuchten die beiden Autoren in den USA durch Prognosen von Arbeitsmarktexperten den Automatisierungsgrad von unterschiedlichen Tätigkeiten. Sie kamen mit einer hohen Annahme zu dem Ergebnis, dass nahezu jede zweite Tätigkeit bis zum Jahr 2033 durch Computer und Algorithmen automatisiert werden könne und somit von einem Menschen nicht mehr ausgeführt werden muss. Das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) übertrug im Jahr 2015 die Studie von Frey und Oswald auf den deutschen Arbeitsmarkt. Das ZEW kam bei gleichen Parametern zu ähnlichen Ergebnissen. Danach könnten in Deutschland 42 Prozent aller Tätigkeiten automatisiert werden. Dies sind vor allem Beschäftigungen, die von Geringverdienern und Geringqualifizierte ausgeübt werden (Bonin, Gregory & Zierahn, 2015).

Das ZEW geht in der Studie jedoch davon aus, dass aufgrund von rechtlichen und gesellschaftlichen Hürden die Parameter der Frey/Oswald-Studie nicht eins-zu-eins übernommen werden können und deshalb die Automatisierungswelle in Deutschland geringer ausfallen wird. Die Berechnung des ZEW prognostiziert, dass in Deutschland 12 Prozent der Tätigkeiten mit hoher Wahrscheinlichkeit durch die Digitalisierung verloren gehen. Gleichzeitig wird vorhergesagt, dass neue Arbeitsplätze unter anderem in der Informationstechnologie (IT) geschaffen werden. Die Digitalisierung wird zu einem Wandel der Arbeit führen, weg von geringqualifizierten, hin zu hochqualifizierten Arbeitskräften. Maschinen und Programme werden in der Zukunft immer mehr Tätigkeiten übernehmen, die automatisierbar sind. Deshalb werden die Arbeitnehmer zukünftig Tätigkeiten ausüben müssen, die nur sehr schwer automatisiert werden können. Das heißt, dass die Digitalisierung im Gesamtumfang nicht gezwungenermaßen Arbeitsplätze vernichtet. Vielmehr sollten die betroffenen Personen bei diesem Wandel durch Qualifizierungsangebote unterstützt werden, damit sie aufgrund ihrer Fähigkeiten höherwertigen Aufgaben ausüben können. Damit der Wandel funktionieren kann, muss die Politik Umschulungs- und Weiterbildungsangebote den Mitarbeitern anbieten, die durch den digitalen Wandel ihre bestehenden Tätigkeiten verlieren werden. Aber auch die Unternehmen müssen in die betriebliche Fortbildung investieren (Bonin, Gregory & Zierahn, 2015).

2.3.3 Rechtliche Aspekte der digitalen Betriebsratstätigkeit

Durch § 87 BetrVG besitzt der Betriebsrat sowohl in der Außen-, als auch in der Innensicht Mitbestimmungsrechte bei allen Angelegenheiten im Unternehmen, die dazu führen, technische Einrichtungen einzuführen und anzuwenden, die dazu geeignet sind, die Leistung oder das Verhalten der Mitarbeiter zu überwachen. Durch das Mitbestimmungsrecht kann der Betriebsrat, wenn er sich nicht ausreichend beteiligt sieht, ein digitales Vorhaben blockieren. Dies kann zu einem langwierigen und kostspieligen Einigungsstellenverfahren führen. Deswegen sollte die Arbeitgeberseite den Betriebsrat bereits frühzeitig, das heißt bei den ersten Überlegungen einer digitalen Transformation einbinden. Durch eine vertrauensvolle Zusammenarbeit können unterschiedliche Ansichten frühzeitig aufgedeckt, besprochen und behoben werden, ohne eine Eskalation der beiden Betriebspartner zu riskieren (Petry, 2019).

Jeder Betriebsrat entscheidet in der Innensicht selbst, ob er analog oder digital arbeiten möchte. Der Arbeitgeber kann dem Betriebsrat dies nicht vorschreiben. Ein Anordnen einer bestimmten Arbeitsweise des Betriebsrats von Seiten des Arbeitgebers wäre eine Störung oder Behinderung des Betriebsrats, die aufgrund § 78 BetrVG in Verbindung mit § 134 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) verboten ist.

Sollte sich ein Betriebsrat entscheiden, die eigene Tätigkeit in digitaler Form durchzuführen, wird für jedes Betriebsratsmitglied eine IT-Ausstattung benötigt. Die Kosten dafür hat gemäß § 40 Abs. 2 BetrVG der Arbeitgeber zu tragen. Ob alle Betriebsräte einen Anspruch auf ein mobiles Endgerät besitzen, muss in jedem Unternehmen individuell entschieden werden, je nachdem, wie die IT-Ausstattung der übrigen Mitarbeiter im Unternehmen ausfällt (Peter, 2002). Jeder Betriebsrat hat für die ordnungsgemäße Wahrnehmung seiner Aufgaben nach dem BetrVG ein Anrecht auf einen Internetzugang zur Nutzung (Bundesarbeitsgericht [BAG], 2010).

Ebenfalls können Betriebsratsmitglieder nach § 37 Abs. 6 BetrVG Seminare zur Befähigung in Digitalisierung besuchen, bei denen sich die Betriebsratsmitglieder durch einen Beschluss des Betriebsrats von der Arbeit freistellen lassen können und der Arbeitgeber die Kosten für die Freistellung und die Seminargebühren übernimmt.

Der Betriebsrat kann bei mehr als 100 Arbeitnehmern nach § 28 BetrVG einen Ausschuss für Digitalisierung und Datenschutzangelegenheiten bilden. Gerade in der Anfangszeit der Transformation von einem analogen hin zu einem digitalen Betriebsrat kann ein Ausschuss, in dem die digitale Vorgehensweise besprochen und beraten wird, sehr hilfreich sein.

Der Betriebsrat kann die digitale Betriebsratstätigkeit in die eigene Geschäftsordnung verankern und somit, sowohl für die Innen-, als auch für die Außensicht, verdeutlichen, dass der Betriebsrat eine digitale Transformation vollzieht.

Zu einem vollständig digitalen Beschlussverfahren gibt es bereits höchstrichterliche Rechtsprechungen. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat im Jahr 2008 entschieden, dass die Schriftform, welche in dem BetrVG u.a. in § 99 Abs. 3 S.1 und § 102 Abs. 3 BetrVG vorgeschrieben ist, nicht der Schriftform aus § 126 BGB entspricht. § 126 BGB, welcher eine eigenhändige Unterschrift fordert, gilt ausdrücklich nur für Rechtsgeschäfte. Die Zustimmung, Zustimmungsverweigerung und Mitteilung nach § 99 Abs. 3 S. 1 BetrVG ist hingegen lediglich als rechtsgeschäftliche Handlung einzuordnen. Daher genügt für die Einhaltung des Schriftlichkeitserfordernisses die Textform aus § 126 b BGB. Die Textform ist in § 126 b BGB legaldefiniert. Textform meint die Abgabe einer lesbaren Erklärung, in der die Person des Erklärenden genannt ist und welche auf einem dauerhaften Datenträger, der die Möglichkeit der Aufbewahrung oder Speicherung zulässt, abgegeben wird. Eine E-Mail, welche den Namen des Erklärenden enthält, genügt diesen Anforderungen. Nach der Auffassung des BAG ist auch keine analoge Anwendung des § 126 BGB geboten, da es schon an einer vergleichbaren Interessenlage fehlt. Dies lässt sich mit dem Regelungszweck des § 99 Abs. 3 S. 1 BetrVG begründen. Danach soll der Arbeitgeber sichere Kenntnisse von den Gründen erhalten, welche den Betriebsrat zur Ablehnung der Zustimmung bewogen haben. Sinn und Zweck ist, dass sich der Arbeitgeber Klarheit über die Erfolgsaussichten eines Ersetzungsverfahrens nach § 99 Abs. 4 BetrVG verschaffen kann. Diesem Zweck genügt eine Rückschrift des Betriebsrates auch ohne eigenhändige Unterschrift des Betriebsratsvorsitzenden. Ebenso bedarf es nicht einer bildlichen Wiedergabe der Originalunterschrift, denn die Identität des Erklärenden steht schon mit dessen Namenswiedergabe, z.B. durch die Grußformel, fest (BAG, 2008).

Im Jahr 2009 urteilte das BAG erneut, eine E-Mail würde den Erfordernissen der Textform aus § 126 b BGB genügen. Der Inhalt einer elektronischen Datei mit Schriftzeichen kann vom Empfänger entweder gespeichert und damit bei Bedarf jederzeit aufgerufen und auf diese Weise dauerhaft wiedergegeben werden. Dabei sollte die E-Mail des Betriebsrats den Namen des in seinem Namen handelnden Mitglieds enthalten. Gleichermaßen verhält es sich mit dem Widerspruchsrecht des Betriebsrates aus § 102 Abs. 3 BetrVG. Nach § 126 b BGB muss, wenn Textform vorgeschrieben ist, die Erklärung in einer Urkunde oder auf andere zur dauerhaften Wiedergabe in Schriftzeichen geeignete Weise abgegeben, die Person des Erklärenden genannt und der Abschluss der Erklärung durch Nachbildung der Namensunterschrift oder anders erkennbar gemacht werden. Einer eigenhändigen Unterschrift bedarf es daher auch in diesem Fall nicht (BAG, 2009). Somit werden keine Unterschriften benötigt. Deren Fehlen führt nicht zur Unwirksamkeit.

Durchführung der SWOT-Analyse

Mit der Durchführung der SWOT-Analyse beginnt eine Bestandsaufnahme, in der potenzielle Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken mit einer digitalen Betriebsratstätigkeit analysiert und sichtbar gemacht werden.

Als Grundvoraussetzung einer digitalen Betriebsratstätigkeit wird in dieser Thesis festgelegt, dass jedem Betriebsratsmitglied und alle potenziellen Ersatzmitgliedern von dem Arbeitgeber ein mobiles digitales Endgerät, z.B. Laptop oder Tablet und eine mobile Internetverbindung zur Verfügung gestellt wird.

3.1 Stärken der digitalen Betriebsratstätigkeit

Die Stärken der digitalen Betriebsratstätigkeit sind Leistungen, die bei einer analog durchgeführten Betriebsratstätigkeit nicht oder nur mit sehr hohem Aufwand erreicht werden können. Diese Stärken basieren auf einer digitalen Transformation innerhalb des Betriebsrats und bringen sowohl allen Betriebsratsmitgliedern als auch dem Betriebsrat als Ganzem und somit dem Unternehmen einen Mehrwert.

3.1.1 Transparenzsteigerung und Kommunikationsverbesserung innerhalb des Betriebsrats

Wie in jedem Team, gibt es auch im Betriebsrat ‚graue Eminenzen‘, die innerhalb des Teams eine Meinung zu Themen äußern und diese Meinung oft von anderen Teammitgliedern als vertrauensvoll wahrgenommen und daher übernommen werden. Einige Mitglieder folgen in der Regel bei Abstimmungen dem Meinungsbildner. Im Betriebsrat ist das oft der Betriebsratsvorsitzende oder der stellvertretende Vorsitzende. Die beiden haben jedoch keine höherwertige Stimme als die anderen Betriebsratsmitglieder und auch kein Weisungsrecht. Beschlüsse werden auch nicht von diesen beiden Personen, sondern vom ganzen Gremium getroffen (Zehe, 2017).

Der Gesetzgeber möchte, dass im Betriebsrat keine Person mit alleinigem ‚Herrschaftswissen‘ auftritt, die alle Informationen besitzt und die anderen Mitglieder wiederum nahezu keine. Im § 34 Abs. 3 BetrVG ist geregelt, dass jedes Betriebsratsmitglied das Recht hat, alle Unterlagen des Betriebsrats, auch die aller gebildeten Ausschüsse, einzusehen. Dieses Einsichtsrecht gilt für alle Unterlagen des Betriebsrats, egal ob in Papierform oder digital verfügbar (Landesarbeitsgericht [LAG] München, 2014).

Im analogen Betriebsratsbüro kann sich dies jedoch nicht so einfach darstellen. Zwar hat jedes Betriebsratsmitglied Anspruch auf einen Schlüssel für das Betriebsratsbüro (Jedes Betriebsratsmitglied braucht Schlüssel zum Betriebsratsbüro, 2020) und somit theoretisch Zugang zu allen Unterlagen. Sollten sich die Arbeitsplätze der Betriebsratsmitglieder in unterschiedlichen Gebäuden und eventuell mit einer größeren Entfernung zum Betriebsratsbüro befinden, kann die Akteneinsicht mit einem hohen zeitlichen Aufwand verbunden sein. Durch den Einsatz von digitaler Technik und der Einrichtung eines papierlosen Betriebsratsbüros werden alle Daten des Betriebsrats auf Servern oder in der Unternehmens-Cloud gespeichert. Somit können alle Betriebsratsmitglieder orts- und zeitunabhängig Einsicht in die Unterlagen des Betriebsrats erhalten.

Indem im Betriebsrat alle Mitglieder die gleichen Informationen zur gleichen Zeit erhalten, können diese ihr Ehrenamt für das Unternehmen sinnvoll und zweckgebunden erfüllen. Die erlangte Transparenz sollte jedes Betriebsratsmitglied als wichtigen Baustein im Unternehmen motivieren und wertschätzen. Ohne Transparenz würde es in den Entscheidungsprozessen keine Partizipation geben, die als Beteiligung an Lösungsprozessen verstanden wird. Durch Transparenz sind alle Mitglieder mündige und kooperative Gremiumsteilnehmer und werden nicht als Erfüllungsgehilfen wahrgenommen. Dies soll zu einem guten Klima innerhalb des Betriebsrats führen. Die Bedürfnisse jedes einzelnen Mitglieds und die unterschiedlichen Erfahrungen werden durch die Partizipation im Entscheidungsprozess bedacht. Bereits abgeschlossene Beschlussfassungen sollen auf eine Weise archiviert werden, damit alle Mitglieder für eine ganzheitliche Sicht auch später Zugriff darauf haben (Busch, Roscher, Ducki & Kalytta, 2009). Dies ist mit einer digitalen Archivierung möglich.

Die Digitalisierung bietet einem Betriebsrat viele Möglichkeiten, die Kommunikation in der Innensicht zu verbessern und zu intensivieren. So bietet zum Beispiel das Tool ‚Microsoft Teams‘ neben einer Chat-Funktion, die Möglichkeiten einer Videokonferenz und digitaler Meetings auch die Möglichkeit der digitalen Teamarbeit an. Mit der Teamarbeit können mehrere Betriebsratsmitglieder gleichzeitig an Dokumenten in gängigen Office-Formaten, wie z.B. Word, Excel oder Power-Point arbeiten. Die Verbindung per Ton, Chatfunktion und Bild wird mit Hilfe einer gleichzeitig stattfindenden Videokonferenz gewährleistet (Spataro, 2019). Durch die Bildübertragung ist auch die Übertragung der Mimik und Gestik der Teilnehmer gewährleistet, dass zu einer schnelleren und besseren Entscheidungsfindung für das Gremium führen kann.

[...]

Ende der Leseprobe aus 70 Seiten

Details

Titel
Der digitale Betriebsrat. Eine SWOT-Analyse zu Chancen und Risiken
Hochschule
Private Fachhochschule Göttingen
Note
1,00
Autor
Jahr
2020
Seiten
70
Katalognummer
V912276
ISBN (eBook)
9783346314116
ISBN (Buch)
9783346314123
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Betriebsratsarbeit, Betriebsratstätigkeit Corona, digitaler Betriebsrat, Betriebsratsarbeit während Corona, Betriebsrat Videokonferenz
Arbeit zitieren
Benjamin Rudholzer (Autor:in), 2020, Der digitale Betriebsrat. Eine SWOT-Analyse zu Chancen und Risiken, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/912276

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Der digitale Betriebsrat. Eine SWOT-Analyse zu Chancen und Risiken



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden