Diese Bachelorarbeit beschäftigt sich mit dem Thema ‚Die Geldpolitik der EZB und der Fed – ein kritischer Vergleich der Handlungen von 2008 bis heute‘. Das Ziel der Arbeit ist es zu analysieren, worin sich die Zentralbanken grundsätzlich unterscheiden und welche geldpolitischen Maßnahmen in dem Zeitraum von 2008 bis 2018 getroffen worden sind. In diesem Zuge befasst sich der Autor mit den Auswirkungen dieser Handlungen auf die jeweiligen Volkswirtschaften. Des Weiteren werden Prognosen für die Geldpolitik der beiden Zentralbanken gestellt und entscheidende Faktoren herausgearbeitet.
Nach der Finanzkrise ist die Europäische Zentralbank, genauso wie das Federal Reserve System (Fed) der USA, von ihrer klassischen Geldpolitik abgekommen. Dabei stehen ihre geldpolitischen Entscheidungen im Fokus aller Wirtschaftssubjekte und unterliegen nicht selten Interessenskonflikten. Dementsprechend stellt sich die Frage, ob das Krisenmanagement der Zentralbanken erfolgreich war und die richtigen Maßnahmen getroffen worden sind. Konnten die Realwirtschaften wieder angekurbelt werden? Und wenn dies der Fall war, welche Kosten fielen dafür an?
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1. Einleitung
1.1 Problemstellung und Zielsetzung
1.2 Gang der Untersuchung
2. Das Eurosystem und die Europaische Zentralbank
2.1 Europaische Wirtschafts- und Wahrungsunion
2.1.1 Historische Entwicklung
2.1.2 Konvergenzkriterien
2.2 Organisatorischer Aufbau der Europaischen Zentralbank
2.2.1 EZB-Rat
2.2.2 EZB-Direktorium
2.2.3 Erweiterter EZB-Rat
2.3 Grundsatze, Ziele und Aufgaben der EZB
2.3.1 Unabhangigkeit
2.3.2 Preisniveaustabilitat
2.3.3 Grundlegende Aufgaben
3. Federal Reserve System
3.1 Historische Entwicklung des Federal Reserve Systems
3.2 Organisatorischer Aufbau der Federal Reserve
3.2.1 Board of Governors
3.2.2 Federal Open Market Committee (FOMC)
3.2.3 Federal-Reserve-Banken (FRB)
3.3 Ziele und Aufgaben der Federal Reserve
3.3.1 Zielvorstellungen und Unabhangigkeit im Vergleich zum Eurosystem
3.3.1 Aufgabenfelder
4. Instrumente der Geldpolitik
4.1 Mindestreserven im Vergleich
4.1.1 Mindestreserve der EZB
4.1.1 Mindestreserve der Fed
4.2 Offenmarktpolitik im Vergleich
4.2.1 Offenmarktpolitik der EZB
4.1.2 Offenmarktpolitik der Fed
4.3 Standige Fazilitaten der EZB
4.4 Diskontpolitik der Fed
5. Geldmarktsteuerung der Zentralbanken
5.1 Tagesgeldsatz als operatives Ziel
5.2 Die Taylor-Regel
5.3 Transmissionsmechanismen der Geldpolitik
5.3.1 Zinskanal
5.3.2 Wechselkurskanal
5.3.3 Vermögenskanal
5.3.4 Kreditkanal
5.4 Transmissionsprobleme in der Europaischen Wahrungsunion
6. Die Weltfinanzkrise ab 2008
6.1 Die US-amerikanische Geldpolitik Anfang der 2000er Jahre - Ursprung der Weltfinanzkrise ab 2008
6.2 Der US-amerikanische Immobilienboom - Ursache der Weltfinanzkrise ab 2008
6.3 Der Ausbruch der Weltfinanzkrise ab 2008
7. Die Geldpolitik der EZB und Fed von 2008 bis 2018 im Vergleich
7.1 Die Geldpolitik der EZB
7.1.1 Unkonventionelle Maftnahmen der EZB
7.1.2 Konventionelle Maftnahmen der EZB
7.2 Geldpolitische und volkswirtschaftliche Kennzahlen
7.3 Die Geldpolitik der Fed
7.3.1 Unkonventionelle Maftnahmen der Fed
7.3.2 Konventionelle Maftnahmen der Fed
7.4 Zusammenfassung der geldpolitischen Auswirkungen im Zeitreihenvergleich .
8 Ergebnisdarlegung
8.1 Strukturelle Unterschiede der EZB und der Fed
8.2 Geldpolitische Unterschiede in der Zeitreihe von 2008 bis 2018
8.3 Zukunftsausblick der Geldpolitik beider Zentralbanken
9. Quellen
9.1 Literaturverzeichnis
9.2 Internetquellen
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Stand der Konvergenz 1998 vor der Einführung des Euros als Buchgeld
Abbildung 2: Federal Reserve Banks
Abbildung 3: Geldpolitische Transmissionskanale
Abbildung 4: Taylor-Zins im Euroraum und der einzelnen Eurostaaten
Abbildung 5: Leitzinsentwicklung im Eurosystem und der USA
Abbildung 6: Arbeitslosenquoten von 2008-2018
Abbildung 7: Wachstum des realen BIPs der USA und des Euroraums von 2008-2018
Abbildung 8: Inflationsraten der USA und des Euroraums von 2008-2018
Abbildung 9: Staatsverschuldung der USA und des Euroraums im Verhaltnis zum BIP
Abbildung 10: Geldmenge in den USA & dem Eurosystem im Zeitraum 2008-2018
Abbildung 11: Zentralbankenbilanzen der Fed und EZB im Zeitraum von 2007-2018
Abbildung 12: Organisatorische Unterschiede der EZB und Fed
Abkürzungsverzeichnis
ABS Asset-Backed Security
AEU Vertrag über die Arbeitsweise der europaischen Union
BIP Bruttoinlandsprodukt
BoG Board of Govenors
CPFF Commercial Paper Funding Facility
CSPP Corporate Sector Purchase Program
EAPP Expanded asset-purchase Program
ESBZ Europaisches System der Zentralbanken
EU Europaische Union
EWG Europaische Wahrungsgemeinschaft
EWI Europaisches Wahrungsinstitut
EWU Europaische Wahrungsunion
EZB Europaische Zentralbank
Fed Federal Reserve System
FOMC Federal Open Market Committee
FRB Federal Reserve Banken
GLRG Gezielte langerfristige Refinanzierungsgeschafte
HVPI Harmonisierter Verbraucherpreisindex
LRG Langerfristige Refinanzierungsgeschafte
LSAP Large-scale Asset Purchase
MBS Mortgage-Backed Security
OMT Outright Monetary Transactions
QE Quantitative Easing
SMP Securities Markets Program
TAF Term Auction Facility
TALF Term Asset Backed Security Loan Facility
USD US-Dollar
USA United States of America
1. Einleitung
1.1 Problemstellung und Zielsetzung
„Die EZB ist bereit, im Rahmen ihres Mandats alles zu tun, was nötig ist, um den Euro zu retten. Und glauben Sie mir: Es wird genug sein.“1 Mit dieser Aussage konnte Mario Draghi die europaischen Finanzmarkte in volatilen Zeiten (vorerst) beruhigen und untermauerte die internationale Glaubwürdigkeit der Europaischen Zentralbank (EZB). Nach der Finanzkrise ist die Europaische Zentralbank, genauso wie das Federal Reserve System (Fed) der USA, von ihrer klassischen Geldpolitik abgekommen. Dabei stehen ihre geldpolitischen Entscheidungen im Fokus aller Wirtschaftssubjekte und unterliegen nicht selten Interessenskonflikten. Dem- entsprechend stellt sich die Frage, ob das Krisenmanagement der Zentralbanken erfolgreich war und die richtigen Maftnahmen getroffen worden sind. Konnten die Realwirtschaften wieder angekurbelt werden? Und wenn dies der Fall war, welche Kosten fielen dafür an?
Die vorliegende Bachelorarbeit beschaftigt sich mit dem Thema ,Die Geldpolitik der EZB und der Fed - ein kritischer Vergleich der Handlungen von 2008 bis heute‘.
Der Autor vergleicht die beiden wichtigsten Zentralbanken der Welt in Bezug auf die organisatorische Struktur und die Grundsatze der Systeme, bis hin zu einem Zeitachsenvergleich der Geldpolitik von 2008 bis 2018. Dabei werden die Differenzen im Krisenmanagement nach der Finanzkrise beleuchtet und es wird ein kritischer Vergleich der jeweiligen Sondermaftnahmen gezogen. Im Rahmen des dualen Studiums bei der Deutschen Bank Privat- und Firmenkunden AG und an der DHBW Stuttgart ist die aktuelle Geldpolitik ein wöchentliches Thema. Die starke mediale Prasenz wird durch Schlagzeilen gepragt wie: „Wir werden noch lange in der Niedrig- zinsphase verharren“2 oder „Die Zinskluft wachst weiter“3. Aus diesem Grund liegt es im Interesse des Autors, die Hintergründe dieser Entwicklungen zu erforschen und einen Blick auf die zukünftige geldpolitische Richtung zu werfen.
Das Ziel der Arbeit ist es zu analysieren, worin sich die Zentralbanken grundsatzlich unter- scheiden und welche geldpolitischen Maftnahmen in dem Zeitraum von 2008 bis 2018 getroffen worden sind. In diesem Zuge befasst sich der Autor mit den Auswirkungen dieser Hand- lungen auf die jeweiligen Volkswirtschaften und geht auf die eingangs gestellten Fragen ein. Des Weiteren werden Prognosen für die Geldpolitik der beiden Zentralbanken gestellt und entscheidende Faktoren herausgearbeitet.
1.2 Gang der Untersuchung
Zur Durchführung der Untersuchung wurde neben umfangreicher Literatur auch auf die geld- politischen Beschlüsse der Zentralbanken und wissenschaftliche Artikel zurückgegriffen.
Das erste Kapitel analysiert die Struktur des Eurosystems und des Federal Reserve Systems. Neben der historischen Entwicklung und den Aufgaben der beiden Zentralbankensysteme spielt besonders der organisatorische Aufbau eine wesentliche Rolle des zweiten und dritten Kapitels. Dabei werden die verschiedenen Organe vorgestellt und die relevantesten Grunds- atze mit den jeweiligen Zielen der Systeme untersucht.
Anschlieftend geht der Verfasser auf die operative Umsetzung der Ziele und damit auf die bedeutendsten geldpolitischen Instrumente des Eurosystems ein. Nach einem Vergleich der einander ahnlichen Instrumente wird zum Schluss des vierten Kapitels die unterschiedliche Instrumentenauslegung thematisiert.
Das fünfte Kapitel bezieht sich auf die Geldmarktsteuerung der Zentralbanken. In diesem Ka- pitel wird der Hintergrund des Tagesgeldzinses als operatives Ziel der Notenbanken erklart. Im Zuge dessen geht der Verfasser auf die Komponenten der Leitzinsentscheidungen ein, die über die Taylor-Rule definiert werden. Am Ende des Kapitels werden die Transmissionsme- chanismen der geldpolitischen Instrumente beschrieben. Im Rahmen der Funktionsfahigkeit dieser Übertragungskanale wird das Transmissionsproblem der Europaischen Wahrungs- union erlautert.
Im nachsten Kapitel wird, als Vorbereitung auf den Zeitreihenvergleich von 2008 bis 2018, auf die Weltfinanzkrise ab 2008 eingegangen. Insbesondere der Ursprung und die Entwicklung der Krise werden parallel mit den geldpolitischen Entscheidungen beschrieben.
Das siebte Kapitel umfasst den Zeitreihenvergleich der geldpolitischen Entscheidungen des Eurosystems und des Federal Reserve Systems. Hierbei wird zwischen konventionellen und unkonventionellen Maftnahmen unterschieden; letztere sind durch die Auswirkungen der Welt- finanzkrise entstanden. Die unterschiedlichen Ansatze der Zentralbanken werden herausge- stellt und dabei werden geldpolitische und volkswirtschaftliche Kennziffern gegenübergestellt. Zum Schluss findet eine Analyse dieser Maftnahmen in Bezug auf die Kennziffern statt.
Das letzte Kapitel fasst die Unterschiede der bedeutendsten Zentralbankensysteme der Welt zusammen. Sowohl organisatorische als auch geldpolitische Differenzen, in Bezug auf die Zeitreihe, werden dargelegt. Abschlieftend liefert der Autor einen Zukunftsausblick der Geld- politik beider Zentralbanken.
2. Das Eurosystem und die Europaische Zentralbank
Das Eurosystem ist maftgeblich für die Geldpolitik aller Euro-Lander zustandig und besteht aus der Europaischen Zentralbank, dem ,Herzstück‘ des Systems, und den nationalen Zent- ralbanken aller Euro-Lander4. Die Gründung der Europaischen Zentralbank am 1. Juni 1998 ist ein Ergebnis aus jahrzehntelangen Verhandlungen der Europaischen Wirtschaftsge- meinschaft mit dem Ziel, eine Europaische Wirtschafts- und Wahrungsunion zu schaffen.5
2.1 Europaische Wirtschafts- und Wahrungsunion
2.1.1 Historische Entwicklung
Der Grundgedanke einer gemeinsamen Wirtschafts- und Wahrungsunion und damit auch die Entstehung der EZB als überstaatlichen Wahrungsinstituts wurden bereits 1962 von der damaligen Kommission der Europaischen Wahrungsgemeinschaft (EWG) ausgearbeitet.6 Aufgrund mangelnder politischer Bereitschaft der Mitgliedsstaaten und der Intaktheit des Festkurssystems von Bretton-Woods wurden die Vorschlage der Kommission nicht umge- setzt. Erst als die Wahrungsstabilitat im Laufe der spaten 1960er Jahre zunehmend gefahr- det war und die Spannungen im System gröfter wurden, war eine engere wirtschafts- und wahrungspolitische Zusammenarbeit unabdingbar.7 Nach Vorlage eines Memorandums durch die Kommission im Februar 1969 erarbeitete eine Expertengruppe den sogenannten ,Werner-Plan‘ zur Gründung einer Wirtschafts- und Wahrungsunion. Für die Umsetzung dieses Plans wurden drei Stufen festgelegt und sie sollte ursprünglich bis 1980 vollzogen werden.
Durch den Zusammenbruch des Bretton-Woods-Systems und die erste Ölpreiskrise konn- ten die politischen Zielvorstellungen nicht auf einen gemeinsamen Nenner gebracht werden, sodass die tatsachliche Umsetzung erst im Juni 1989 beschlossen wurde. Grundlage hierfür ist der ,Delors-Bericht‘, der sich an den ,Werner-Plan‘ anlehnt und einen dreistufigen Plan beinhaltet. Die erste Stufe der gemeinsamen Wirtschafts- und Wahrungsunion wurde am 1. Juli 1990 gestartet und hatte eine vollstandige Ausgestaltung des gemeinsamen Bin- nenmarktes zum Ziel. Darüber hinaus sollte eine Liberalisierung des Geld- und Kapitalver- kehrs der EU-Mitgliedsstaaten sowie eine Koordination der Wirtschafts- und Finanzpolitik erreicht werden.8 Mit der zweiten Stufe, die am 1. Januar 1994 begann, sollten die Weichen für eine fiskalische und monetare Konvergenz der Mitgliedsstaaten gestellt werden. In die- sem Zuge erfolgte die Errichtung des Europaischen Wahrungsinstitutes (EWI), des Vorgan- gers des heutigen Europaischen Systems der Zentralbanken (ESBZ). Dadurch wurde eine Koordination der Geldpolitik gewahrleistet und eine Starkung der Zusammenarbeit zwi- schen den Zentralbanken sichergestellt. Aufterdem wurde das Verbot der Notenbankfinan- zierung öffentlicher Institutionen verankert.9
Mit der Einführung des Euros als gesetzliches Zahlungsmittel und einer gemeinsamen Geldpolitik in Form der EZB, als supranationalen Wahrungsinstitutes, wurde die dritte Stufe am 1. Januar 1999 vollzogen. Gleichzeitig wurden die Wechselkurse unwiderruflich festge- legt und Konvergenzkriterien für potentielle Beitrittslander aufgestellt. Zunachst führten elf Lander den Euro als Zahlungsmittel ein, mittlerweile haben 19 der 28 Mitgliedsstaaten der Europaischen Wirtschafts- und Wahrungsunion den Euro als offizielles Zahlungsmittel im- plementiert.10
2.1.2 Konvergenzkriterien
Die Beitrittskandidaten müssen bestimmte Voraussetzungen hinsichtlich der Preisstabilitat, der Konvergenz ausgewahlter Zinssatze, der Wechselkursstabilitat und der nationalen Haushaltsdisziplin erfüllen, um den Euro als Zahlungsmittel einführen zu dürfen.11 Diese Konvergenzkriterien sind im Maastrichter Vertrag von 1992 enthalten und werden auch ,Maastricht-Kriterien‘ genannt.12 Sie werden wie folgt definiert:13
1. Preisstabilitat - Die Inflationsrate darf nicht mehr als eineinhalb Prozentpunkte über dem ungewogenen arithmetischen Mittel der preisstabilsten Mitgliedsstaaten liegen.
2. Langfristiger Zinssatz - Der langfristige Zinssatz sollte nicht mehr als zwei Prozentpunkte über dem ungewogenen arithmetischen Mittel der langfristigen Zinssatze der drei preis- stabilsten Mitgliedsstaaten liegen.
3. Wechselkursstabilitat - Das Bewerberland muss mindestens zwei Jahre lang am Wech- selkursmechanismus (WKM II) teilnehmen und darf in diesem Zeitraum keine starken Ab- weichungen vom Leitkurs des WKM II aufweisen beziehungsweise gegenüber dem Euro nicht stark abwerten.
4. Staatsverschuldung - Das jahrliche Haushaltsdefizit darf drei Prozent des BIP nicht über- schreiten. Der öffentliche Schuldenstand darf 60 % des BIP nicht überschreiten.
Grundsatzlich ergibt sich jedoch aus den Vertragen ein gewisser Interpretationsspielraum, der besonders in Hinblick auf das Kriterium der Staatsverschuldung Ausnahmen zulasst. Dadurch war es für beispielsweise Italien, Belgien und Griechenland, die eine deutlich hö- here Staatsverschuldung als 60 % des BIP aufwiesen, möglich, den Euro als Zahlungsmit- tel einzuführen (Abb. 1). Bei dem Kriterium der Staatsverschuldung genügt es, wenn der Schuldenstand „rücklaufig“ ist und sich dem Referenzwert nahert.14 Aufterdem werden bei den anderen Kriterien Defizite nicht berücksichtigt, wenn der Referenzwert nur „ausnahms- weise“ und „vorübergehend“ überschritten wird. Dieser Interpretationsspielraum der Ver- trage ermöglichte es vielen Landern, trotz Defiziten, besonders in Bezug auf die Staatsver- schuldung, in die Wahrungsunion einzutreten (Abb. 1).15 Insbesondere der Eintritt Grie- chenlands, der auf Basis von Manipulationen der gesamtwirtschaftlichen Daten erfolgte, sorgte für Kritik an den zustandigen EU-Institutionen. Rückblickend steht auch der groftzü- gige Ermessensspielraum in Bezug auf die Staatsverschuldung, der von Landern wie Bel- gien und Italien genutzt wurde, in der Kritik.16 In Hinblick auf die griechische Schuldenkrise 2010 und die daraus resultierenden Probleme für die gesamte Wahrungsunion fühlten sich die Kritiker bestatigt.17
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Stand der Konvergenz 1998 vor der Einführung des Euros als Buchgeld18
2.2 Organisatorischer Aufbau der Europaischen Zentralbank
Die Europaische Zentralbank hat ihren Hauptsitz in Frankfurt am Main und wird aktuell unter der Leitung des Italieners Mario Draghi geführt. Sie ist das entscheidende Organ innerhalb des Eurosystems und des Europaischen Systems der Zentralbanken. Durch ihre unabhan- gige Struktur bildet sie eine eigene Rechtspersönlichkeit und ist maftgeblich für die Geld- politik verantwortlich.18 19 Die nationalen Zentralbanken unterstehen der EZB und sind, nach dem Prinzip ,zentrale Entscheidungsfindung - dezentrale Ausführung‘, für die Durchführung der Geschafte zustandig. Die EZB ist in der Lage, durch Leitzinsbeschlüsse und Liquidi- tatsversorgung am Geldmarkt die Entwicklung der kurzfristigen Geldmarktsatze zu steu- ern.20 Sie gliedert sich in den EZB-Rat und das EZB-Direktorium, die zusammen die Be- schlussorgane der EZB darstellen und durch den erweiterten EZB-Rat unterstützt werden.21 Die Aufgaben der Beschlussorgane werden nachfolgend erklart.
2.2.1 EZB-Rat
Der EZB-Rat besteht aus den Mitgliedern des Direktoriums sowie den Prasidenten der na- tionalen Zentralbanken aus dem Euroraum.22 Er ist für die Leitzinsanderungen und zweck- maftige Verwendung von Zentralbankguthaben verantwortlich. Aufterdem erlasst er Richt- linien zur Erfüllung der Aufgaben im Eurosystem, die anschlieftend durch das EZB-Direk- torium umgesetzt werden.23 Grundsatzlich benötigen Beschlüsse des Rates eine einfache Mehrheit der persönlich anwesenden und stimmberechtigten Mitglieder. In dem Fall der Stimmgleichheit macht der Prasident den Unterschied aus. Lediglich in der Frage über das EZB-Kapital, über die Beitrage der Mitgliedsstaaten und über die Gewinnverwendung werden die Stimmen nach den eingezahlten Kapitalanteilen gewichtet.24 Besonders die Unab- hangigkeit und Eigenstandigkeit der Vertreter müssen in jeder Form gewahrleistet sein. Bei den regelmaftigen Tagungen in Frankfurt (ca. zweimal im Monat) müssen die Vertreter ihre nationalen Interessen ausblenden und den europaischen Gedanken in den Vordergrund stellen.25
2.2.2 EZB-Direktorium
Das Direktorium umfasst den Prasidenten der EZB, den Vizeprasidenten der EZB und vier weitere Mitglieder, die vom Europaischen Rat für eine begrenzte Amtszeit von acht Jahren bestimmt werden. Zu den Aufgaben zahlen die Vorbereitung der Sitzungen des EZB-Rats, die Führung der laufenden Geschafte der EZB, die Ausübung bestimmter Befugnisse (vom EZB-Rat übertragen) und die Durchführung der Geldpolitik des Euroraums gemaft den Leit- linien und Entscheidungen des EZB-Rats.26
2.2.3 Erweiterter EZB-Rat
Solange nicht alle EU-Mitgliedsstaaten in die Wahrungsunion eingetreten sind, gibt es den Erweiterten Rat als beratendes Gremium. Er besteht dementsprechend aus dem Prasiden- ten der EZB, dem Vizeprasidenten der EZB und allen Prasidenten der nationalen Zentral- banken der 28 EU-Mitgliedsstaaten. Prinzipiell verfügt der Erweiterte Rat über keine geld- politischen Kompetenzen und nimmt alle Aufgaben des ursprünglichen Europaischen Wah- rungsinstituts wahr.27 Aufterdem übernimmt er Hilfstatigkeiten wie die Erhebung statisti- scher Daten, die Erstellung des Jahresberichts der EZB und die Erfüllung von Beratungs- funktionen der EZB.28
2.3 Grundsatze, Ziele und Aufgaben der EZB
Die EZB soll die allgemeine Wirtschaftspolitik der Europaischen Union unterstützen und vor allem die Preisniveaustabilitat sicherstellen.29 Um diese Ziele zu erreichen, handelt die EZB nach gewissen Grundsatzen, die in den Satzungen des Europaischen Systems der Zent- ralbanken verankert sind. Dabei verkörpern besonders die Grundsatze der Transparenz, der Rechenschaftspflicht und der Unabhangigkeit das Leitbild der EZB.30
Unter Transparenz sind die Informationsweitergabe an die Öffentlichkeit und die damit ver- bundene Offenlegung der Strategie, der geldpolitischen Entscheidungen und der aktuellen Einschatzungen zu verstehen. Dadurch wird der Geldpolitik eine hohe Glaubwürdigkeit und Vorhersehbarkeit zugeschrieben, die eine Einpreisung in die Markte sowie eine Planbarkeit für die Wirtschaftssubjekte nach sich zieht.31
Die Rechenschaftspflicht ist das Gegengewicht zur Unabhangigkeit der EZB und gewahr- leistet eine Kontrolle über die getroffenen Entscheidungen. Sie bezieht sich in erster Linie auf das Europaische Parlament, als Vertretung der EU-Bürger. Darüber hinaus muss die EZB aber auch an den Rat der EU berichten, in dem alle Regierungen der Mitgliedsstaaten der EU vertreten sind.32
2.3.1 Unabhangigkeit
Der essentielle Eckpfeiler ist die Unabhangigkeit, welche die Eigenstandigkeit der EZB ma- nifestiert und die Zieldurchsetzung ermöglicht. Dem Eurosystem wird ein hoher Grad an Unabhangigkeit zugeschrieben, der EU-Vertrag bietet die gesetzliche Grundlage hierfür. Dieser völkerrechtliche Vertrag zwischen allen Mitgliedsstaaten benötigt bei einer Anderung die Zustimmung aller Mitgliedsstaaten. Die Unabhangigkeit gliedert sich in die institutio- nelle, finanzielle, personelle und funktionelle Unabhangigkeit.33 34
Erstere impliziert die Freiheit der nationalen Zentralbanken sowie der Beschlussorgane der EZB von Weisungen Dritter, womit das Vertrauen in die Institution gestarkt wird.
Die finanzielle Unabhangigkeit beinhaltet die selbststandige Ausstattung der erforderlichen Mittel zur ordnungsgemaften Bewaltigung der Aufgaben im Rahmen des Eurosystems. Dadurch wird gewahrleistet, dass keine Abhangigkeiten geschaffen werden oder die Funk- tionsfahigkeit aufgrund knapper Ressourcen gefahrdet ist.
Die personelle Unabhangigkeit zielt auf lange Laufzeiten der Vertrage von Entscheidungs- tragern ab und sieht eine Amtszeit der Mitglieder des EZB-Direktoriums von acht Jahren vor. Zusatzlich muss die Amtszeit der Prasidenten der nationalen Zentralbanken mindes- tens fünf Jahre betragen.
Die funktionelle Unabhangigkeit umfasst die Fokussierung aller Handlungen auf das Ziel der Preisniveaustabilitat. Der EZB-Rat muss die Vereinbarung aller Maftnahmen mit dem primaren Ziel garantieren können. Insbesondere das Verbot der Kreditgewahrung an die Mitgliedsstaaten und deren Einrichtungen spielt in diesem Zusammenhang eine Rolle. Wei- tergehend wird die vollstandige Kontrolle aller geldpolitischen Verfahren und Instrumente durch die funktionelle Unabhangigkeit ummantelt. Das Eurosystem kann frei über die zu treffenden Maftnahmen entscheiden und den Handlungsspielraum festlegen.
2.3.2 Preisniveaustabilitat
Die Preisniveaustabilitat ist, wie bereits eingangs erwahnt, das vorrangige Ziel des Eurosystems. Dieses übergeordnete Ziel soll verhindern, dass es zu deflationaren oder stark inflationaren Entwicklungen kommt, die negative Auswirkungen auf die Volkswirtschaften der Europaischen Union mit sich brachten. Eine hohe Inflation führt zu einer Aufwartsspirale der Preise und einem Vertrauensverlust in die Wahrung, die dementsprechend schnell an Wert verliert.35 Eine Deflation ist ein lang anhaltender Rückgang des Preisniveaus über jegliche Wirtschaftsgüter hinweg. Aus volkswirtschaftlicher Sicht führt diese Abwartsspirale zu einer Abnahme der Investitionen, da weitere Rückgange erwartet werden und eine In- vestition in der Zukunft günstiger erscheint. Die sinkende Nachfrage nach Gütern führt dazu, dass die Arbeitslosigkeit steigt und sich das Wirtschaftswachstum verlangsamt. Dem- entsprechend sind die Folgen für eine Volkswirtschaft bei deflationaren Entwicklungen ver- heerend. Darüber hinaus ist der Handlungsspielraum der Geldpolitik asymmetrisch, was Gegenmaftnahmen in einer Deflation erschwert. Bei einer Inflation können die Zinssatze theoretisch unbegrenzt angehoben werden, wohingegen bei einer Deflation die Null-Linie eine Grenze darstellt und die Gegenmaftnahmen einer Zentralbank limitiert. Aufgrund dessen muss die Zentralbank bei einer Deflation auf unkonventionelle Maftnahmen, wie Quantitative Easing und langerfristige Refinanzierungsgeschafte, zurückgreifen.36 37
In diesem Zusammenhang interpretiert die EZB Preisstabilitat als „Anstieg des Harmoni- sierten Verbraucherpreisindex (HVPI) für das Euro-Wahrungsgebiet, auf mittlere Sicht, von unter 2 % gegenüber dem Vorjahr“.38 Relevant ist hierbei auch die Tatsache, dass die Inflationsrate zwar unter 2 % liegen soll, jedoch nahe der 2%-Grenze. Diese Definition er- möglicht eine transparente Erfolgsmessung der Geldpolitik im Eurosystem und eine Plan- barkeit der Preisentwicklungen für die Wirtschaftssubjekte. Die Wahl der 2%-Grenze resul- tiert aus einer Risikoabsicherung gegenüber einer Deflationsgefahr. Aufterdem dient diese Grenze als Puffer für die Inflationsmessung und zur Gewahrleistung von Spielraum für In- flationsunterschiede zwischen den einzelnen Euro-Landern.39
Für die geldpolitischen Entscheidungen zur Gewahrleistung der Preisstabilitat wendet die Europaische Zentralbank eine ,Zwei-Saulen-Strategie‘ an, welche die wirtschaftliche und monetare Analyse umfasst. Die wirtschaftliche Analyse betrachtet die gesamtwirtschaftli- chen Indikatoren und die Schocks, die den Euroraum treffen. Dadurch will die EZB kurz- bis mittelfristige volkswirtschaftliche Risiken für die Preisniveaustabilitat identifizieren. An- schlieftend liefert die monetare Analyse einen mittel- bis langfristigen Blick auf die Bewer- tung der Inflationstrends, resultierend aus dem Zusammenhang zwischen der Geldmenge und den Preisen über langere Perioden. Aufgrund der Festlegung des Referenzwertes für das Geldmengenwachstum in Höhe von 4,5 % ist der EZB-Rat zur gründlichen Analyse der Geldmengenentwicklung und der dementsprechenden Auswirkungen auf das Preisniveau verpflichtet.40
Grundsatzlich verfolgt die EZB Preisstabilitat als übergeordnetes Ziel, weil diese eine Vo- raussetzung für ein reibungsloses Funktionieren der Marktwirtschaft ist. Damit einherge- hend sorgt Preisstabilitat für die Möglichkeit nachhaltigen Wirtschaftswachstums und der Steigerung des Wohlstandes.41
2.3.3 Grundlegende Aufgaben
Die Aufgabenbandbreite des Eurosystem zielt, wie bereits in Kapitel 2.3.2 ausführlich er- lautert, auf die Preisstabilitat ab und ist im AEU-Vertrag verankert.42
Neben der Festsetzung sowie Ausführung der Geldpolitik im Euro-Wahrungsraum gehören auch Devisengeschafte, die Verwaltung der offiziellen Wahrungsreserven aller Mitglieds- staaten und die Förderung des reibungslosen Funktionierens der Zahlungssysteme zu den grundlegenden Aufgaben des Eurosystems.43
Aufterdem hat die EZB, zusammen mit den jeweiligen nationalen Aufsichtsgremien, eine Aufsichtsfunktion für Kreditinstitute, die in den Mitgliedsstaaten niedergelassen sind.44 Zu den weiteren Aufgaben des Eurosystems gehören die Genehmigung zur Ausgabe von Banknoten, die Erhebung von Statistiken, die im Zusammenhang mit den Aufgaben stehen, und der Austausch mit internationalen Organen zur Durchführung der Geldpolitik.45
3. Federal Reserve System
Das Federal Reserve System ist das Zentralbankensystem der Vereinigten Staaten von Amerika (USA) und wurde 1913 gegründet. Im weiteren Verlauf wird das Federal Reserve System, wie im allgemeinen Wirtschaftsgebrauch üblich, Federal Reserve beziehungs- weise Fed genannt. Die Federal Reserve ist maftgeblich für die Leitung der US-amerikani- schen Geldpolitik, die Überwachung der nationalen Bankinstitute und die Gewahrleistung eines stabilen Finanzsystems zustandig.46 47
3.1 Historische Entwicklung des Federal Reserve Systems
Die ersten Ansatze einer US-amerikanischen Notenbank reichen bis in das 18. Jahrhundert zurück, jedoch wurde die damals bestehende Vorgangerorganisation aufgrund der Befürch- tung von Machtmissbrauch wieder abgeschafft. Weitere Versuche der langfristigen Etablierung einer nationalen Zentralbank scheiterten im 19. Jahrhundert aus denselben Gründen. 47 Dementsprechend war das Wahrungssystem von zahlreichen Privatbanken gepragt, die eigene Banknoten ausgaben. Da viele Banknoten keine weitverbreitete Akzeptanz hatten beziehungswiese nicht in Gold umgetauscht werden konnten und es auf diesem Gebiet viel Betrug gab, galt das Notenbankensystem als unsicher.48 Die US-amerikanische Regierung versuchte 1865 durch den National Banking Act auf die Problematik des Wahrungssystems und der Wahrungskrise zu reagieren. In diesem Zuge wurden die Ausgabe sowie Kontrolle der Notenausgabe wieder an die Regierung übertragen und eine Vereinheitlichung sollte sichergestellt werden. Trotz einiger Forderungen wurde eine Zentralbank nicht eingerich- tet.49 Anfang des 20. Jahrhunderts erfolgten weitere Bankzusammenbrüche, was den Grundstein für die heutige Federal Reserve legte. Der US-amerikanische Kongress schuf mit dem ,Federal Reserve Act‘ im Jahr 1913 eine nationale Notenbank, welche die Geldpo- litik festlegen und die extremen Zinsschwankungen unter Kontrolle bringen sollte.50 In der US-amerikanischen Politik herrschte nach wie vor Angst vor einem Machtmissbrauch der Bank, weswegen das Federal Reserve in zwölf regionale Zentralbanken unterteilt worden ist und die zentrale Aufsicht von der Regierung gesteuert wird. Der Kongress ist theoretisch jederzeit in der Lage, die Gesetzgebung zu andern und den Spielraum der Fed einzugren- zen. Nichtsdestoweniger besitzt die Fed eine gewisse Unabhangigkeit in Bezug auf die Geldpolitik und nimmt als ,independet agency' eine Sonderstellung im US-amerikanischen Regierungssystem ein.51
3.2 Organisatorischer Aufbau der Federal Reserve
Die Federal Reserve hat ihren Hauptsitz in Washington DC und wird aktuell von Jerome Powell geführt. Sie berichtet in regelmaftigen Abstanden an den Kongress der Vereinigten Staaten von Amerika und informiert die Regierung über die geldpolitischen Entscheidun- gen. Grundsatzlich ist sie, wie in Kapitel 3.1 schon erwahnt, in dem operativen Tagesge- schaft frei und unabhangig, jedoch könnte der Kongress die Gesetzesgrundlage verandern. Die Fed besteht aus dem Board of Govenors, den zwölf regionalen Federal-Reserve-Ban- ken und dem Federal Open Market Committee.52
3.2.1 Board of Governors
Das Board of Governors umfasst sieben Mitglieder und kann als oberste Bundesbehörde der Fed charakterisiert werden, was die zentrale Notenbankleitung impliziert. Die Mitglieder werden von dem Prasidenten der Vereinigten Staaten von Amerika ernannt und haben eine Amtszeit von vierzehn Jahren. Das Board of Governors muss einen wesentlichen Teil der Wirtschaft reprasentieren, was bei der Ernennung durch den Prasidenten berücksichtigt werden muss. Es koordiniert und kontrolliert die Operationen der Federal Reserve, die bei- spielsweise die Festsetzung der Mindestreserve, die Diskontpolitik, die Erlasse von Konsu- mentenvorschriften, die Aufsicht über die zwölf Federal-Reserve-Banken sowie alle Mit- gliedsbanken und die Regelung von Habenzinsbeschrankungen umfassen. Aufterdem übernimmt das Bord of Governors die Steuerung des Zahlungssystems der Vereinigten Staaten von Amerika und indirekt wird auch auf die Offenmarktpolitik Einfluss genommen. Das liegt an der Tatsache, dass das Board of Governors sieben der zwölf Mitglieder des Federal Open Market Committee stellt.53
3.2.2 Federal Open Market Committee (FOMC)
Das Federal Open Market Committee besteht aus dem Board of Governors und fünf der zwölf Prasidenten der Federal-Reserve-Banken. Mit Ausnahme des New Yorker Prasiden- ten findet eine jahrliche Rotation der Vertreter statt und der Vorsitzende des FOMC ist gleichzeitig der Vorsitzende des Board of Governors.54 Die anderen sieben, nicht stimmbe- rechtigten Prasidenten nehmen trotzdem an den Sitzungen teil. Das FOMC ist das maft- gebliche Entscheidungsgremium der Fed und ist für die Offenmarktgeschafte zustandig. Gleichzeitig werden auch alle Entscheidungen des Board of Governors von den Meinungen des FOMC beeinflusst.55
3.2.3 Federal-Reserve-Banken (FRB)
Die zwölf Federal-Reserve-Banken sind die Zentralbankstelle für jeweils einen von zwölf Distrikten, die ursprünglich ein vergleichbares Bruttoinlandsprodukt besaften. Historisch legte jeder Distrikt den Hauptsitz seiner Federal-Reserve-Bank an den bedeutsamsten Wirt- schaftsstandort (Abb. 2). Im Laufe der Zeit hat sich dieses wirtschaftliche Gleichgewicht, auch aufgrund der unterschiedlichen Gröfte der Distrikte, verschoben. Trotzdem ist die Ho- mogenitat deutlich gröfter als innerhalb des Eurosystems.56
Die Federal-Reserve-Banken sind öffentliche Institutionen und stellen die regionale Ver- wurzelung des US-amerikanischen Zentralbankensystems dar. Dementsprechend wickeln sie das operative Geschaft der Fed ab, analysieren die regionalen Wirtschaftsentwicklun- gen innerhalb des Distrikts, geben neue Geldnoten aus und erklaren den geldpolitischen Kurs innerhalb des Distrikts. Jede FRB hat neun Direktoren, von denen sechs von den Mitgliedsbanken bestellt werden. Von diesen dürfen wiederum nur drei aus dem Banken- bereich kommen. Die anderen drei Mitglieder werden von dem Board of Governors berufen. Die FRBs befinden sich über Aktienanteile im Besitz der regionalen Geschaftsbanken des jeweiligen Distrikts, jedoch sind die Rechte der Aktionare stark eingeschrankt, sodass eine Unabhangigkeit gewahrleistet werden kann.57 58
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Federal Reserve Banks58
Federal Reserve Banks
- 01-Boston
- 02-New York
- 03-Philadelphia
- 04-Cleveland
- 05-Richmond
- 06-Atlanta
- 07-Chicago
- 08-St Louis
- 09-Minneapolis
- 10-Kansas City
- 11-Dallas
- 12-San Francisco
- Board
3.3 Ziele und Aufgaben der Federal Reserve
Die Federal Reserve richtet ihre Geldpolitik auf die drei primaren Ziele des stabilen Preis- niveaus, der hohen Beschaftigungsquote und der stabilen langfristigen Zinsen aus. Analog zu dem Eurosystem ist die Unabhangigkeit ein wesentlicher Grundsatz der Fed, um eine optimale Zielerreichung zu gewahrleisten.59
3.3.1 Zielvorstellungen und Unabhangigkeit im Vergleich zum Eurosystem
Die Mehrzielausrichtung der Fed verhindert eine klare Fokussierung auf die Preisniveausta- bilitat, wie sie im Eurosystem vorherrscht. Insbesondere das Ziel der hohen Beschaftigung wird von der Politik als besonders relevant angesehen und schrankt die funktionelle Unab- hangigkeit ein. Dadurch stehen die Zielbeziehungen oftmals in einem Konflikt zueinander. So ist beispielsweise das gleichzeitige Streben nach maximaler Beschaftigung, Zinsni- veaustabilitat und Stabilitat des Finanzmarktes in der Regel (kurzfristig) nicht zielführend.60 Das Eurosystem praferiert das Ziel der Preisniveaustabilitat unter allen Bedingungen und muss keine gleichwertigen Zielvorstellungen in der Entscheidungsfindung mit berücksichti- gen.61 Aufterdem sind die Revisionsmöglichkeiten der Entscheidungen, durch die EU-Kom- mission oder das Europaische Parlament, eingeschrankt und erfordern eine Zustimmung aller Mitgliedsstaaten. Im Gegensatz dazu kann die rechtliche Grundlage der Fed jederzeit von dem Kongress geandert werden, wodurch eine institutionelle Unabhangigkeit in Frage gestellt werden muss.62 Aus diesem Grund sind viele Wirtschaftswissenschaftler und Ex- perten davon überzeugt, dass die Unabhangigkeit der Fed deutlich eingeschrankter ist als im Eurosystem.63 Andere Meinungen berufen sich auf die finanzielle und personelle Unab- hangigkeit der Fed und sehen keinen politischen Druck auf das System. Insbesondere die finanzielle Unabhangigkeit vom US-Haushalt spricht für die Eigenstandigkeit. Aufterdem hat der US-Prasident, aufgrund unterschiedlicher sowie langer Vertragslaufzeiten des Board of Governors, nur bedingten Einfluss auf die Nominierungen innerhalb seiner Legis- laturperiode. Diese personelle Unabhangigkeit wird auch durch die Verfahren zur Bestel- lung der Gouverneure und der Prasidenten der FRBs gestützt.64 Hinzufügend werden die eigenstandige Wahl der Zielinstrumente und die eigenhandige Festlegung ihrer Ziele von vielen Experten als unabhangig interpretiert.65
3.3.1 Aufgabenfelder
Die Aufgaben der Fed beziehen sich, wie bereits in Kapitel 3 erwahnt, auf die Leitung der Geldpolitik der Vereinigten Staaten von Amerika und leiten sich aus den Zielen ab. Dazu gehören die Umsetzung über Offenmarktgeschafte sowie die Anpassungen der Mindestreserve und des Diskontsatzes. Darüber hinaus versucht die Fed die Stabilitat des Finanz- systems zu fördern und systematische Risiken zu minimieren.66 Die Überwachung der na- tionalen Finanzinstitute und von deren Auswirkungen auf das ganze Finanzsystem sind hierbei wesentliche Aufgaben. Weitere Funktionen stellen die Gewahrleistung eines funkti- onierenden Zahlungssystems, die Überwachung der Geldmenge und die Veröffentlichung des Konjunkturberichts ,Beige Book‘ dar. Die Ausgestaltung der Aufgabenumsetzung ob- liegt dem FOMC, wohingegen die Umsetzung Aufgabe des Board of Governors ist.67
[...]
1 Mario Draghi (President der EZB) am 26.7.2012 in London
2 Vgl. Wirtschaftswoche (Abruf 03.05.2019): https://www.wiwo.de/politik/konjunktur/ikb-chefvolkswirt- klaus-bauknecht-wir-werden-noch-lange-in-der-niedrigzinsphase-verharren/24170392.html
3 Vgl. Onvista (Abruf 03.05.2019): https://www.onvista.de/news/ezb-und-fed-die-zinskluft-waechst- weiter-52966493
4 Euro Lander sind Deutschland, Frankreich, Belgien, Niederlande, Luxemburg, Österreich, Italien, Irland, Estland, Portugal, Spanien, Slowenien, Slowakei, Malta, Litauen, Lettland, Griechenland und Zypern
5 Vgl. Hellenkamp (2015), S.15 f.
6 Vgl. Europaische Zentralbank (2008), S.8
7 Vgl. Görgens/Ruckriegel/ Seitz (2013), S.34
8 Vgl. Delors (1989), S.30-36
9 Vgl. Hellenkamp (2015), S.15-17
10 Vgl. Görgens/Ruckriegel/ Seitz (2013), S.39 f.
11 Vgl. Görgens/Ruckriegel/ Seitz (2013), S.47 f.
12 Vgl. Spoerer/Streb (2013), S.235 f.
13 Vgl. Europaischer Rat (Abruf 28.03.2019): https://www.consilium.europa.eu/de/policies/joining- the-euro-area/convergence-criteria/
14 Vgl. Görgens/Ruckriegel/ Seitz (2013), S.48 f.
15 Vgl. Görgens/Ruckriegel/ Seitz (2013), S.49 f.
16 Vgl. Streit (2011), S.264 f.
17 Vgl. Süddeutsche Zeitung (Abruf 29.03.2019):https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/griechen- land-und-die-waehrungsunion-mit-anlauf-in-die-katastrophe-1.1381277
18 Vgl. EWI (Abruf 29.03.2019): https://crp-infotec.de/wp-content/uploads/euro-konvergenzkrite- rien.gif
19 Vgl. Scheller (2000) - Die Europaische Zentralbank: Geschichte, Rolle und Aufgaben, S.47
20 Vgl. Scheller (2000) - Die Europaische Zentralbank: Geschichte, Rolle und Aufgaben, S.101
21 Vgl. Görgens/Ruckriegel/ Seitz (2013), S.98 f.
22 Vgl. Europaische Zentralbank (2012), S.233
23 Vgl. Grill/Perczynski (2016) - Wirtschaftslehre des Kreditwesens, S. 37
24 Vgl. Görgens/Ruckriegel/ Seitz (2013), S.99 f.
25 Vgl. Europaische Zentralbank (2012), S.234 f.
26 Vgl. Europaische Zentralbank (Abruf 31.03.2019): https://www.ecb.europa.eu/ecb/orga/decisi- ons/eb/html/index.de.html
27 Vgl. Görgens/Ruckriegel/ Seitz (2013), S.100 f.
28 Vgl. Europaische Zentralbank (Abruf 31.03.2019): https://www.ecb.europa.eu/ecb/orga/decisi- ons/genc/html/index.de.html
29 Vgl. Vertrag über die Arbeitsweise der Europaischen Union - Artikel 127 Absatz 1
30 Vgl Europaische Zentralbank (Abruf 05.04.2019): https://www.ecb.europa.eu/ecb/orga/escb/or- ganisational-principles/html/index.de.html
31 Vgl. Europaische Zentralbank (Abruf 06.04.2019): https://www.ecb.europa.eu/ecb/orga/transpa- rency/html/index.de.html
32 Vgl. Europaische Zentralbank (Abruf 06.04.2019): https://www.ecb.europa.eu/ecb/orga/accoun- tability/html/index.de.html
33 Vgl. Vgl. Görgens/Ruckriegel/ Seitz (2013), S.93 f.
34 Vgl. Europaische Zentralbank (Abruf 06.04.2019): https://www.ecb.europa.eu/ecb/orga/indepen- dence/html/index.de.html
35 Vgl. Europaische Zentralbank (Abruf 05.04.2019): https://www.ecb.europa.eu/explainers/tell-me- more/html/stableprices.de.html
36 Vgl. Bofinger (2002), S.2 f.
37 Vgl. Europaische Zentralbank (Abruf 06.04.2019): https://www.ecb.europa.eu/explainers/tell-me- more/html/stableprices.de.html
38 Vgl. Europaische Zentralbank Pressemitteilung (1998)
39 Vgl. Europaische Zentralbank (Abruf 06.04.2019): https://www.ecb.europa.eu/explainers/tell-me- more/html/stableprices.de.html
40 Vgl. Europaische Zentralbank Pressemitteilung (2003)
41 Vgl. Deutsche Bundesbank (Abruf 06.04.2019): https://www.bundesbank.de/de/service/schule- und-bildung/schuelerbuch-geld-und-geldpolitik-digital/vorteile-von-preisstabilitaet-614430
42 Vgl. Europaische Zentralbank (Abruf 06.04.2019): https://www.ecb.europa.eu/ecb/tasks/html/in- dex.de.html
43 Vgl. AEU Vertrag: Artikel 127 Absatz 2 f.
44 Vgl. AEU Vertrag: Artikel 127 Absatz 6 f.
45 Vgl. Europaische Zentralbank (2011), S.59 f.
46 Vgl. Federal Reserve (Abruf 07.04.2019): https://www.federalreserve.gov/aboutthefed/structure- federal-reserve-system.htm
47 Vgl. Johnson (2010), S. 5 f.
48 Vgl. Deutsche Bundestag (2008), S.3 f.
49 Vgl. Deutscher Bundestag (2008), S. 3 f.
50 Vgl. Bundeszentrale für politische Bildung (Abruf 07.04.2019): http://www.bpb.de/politik/hinter- grund-aktuell/195002/100-jahre-federal-reserve-system-13-11-2014
51 Vgl. Deutscher Bundestag (2008), S. 4 f.
52 Vgl. Vgl. Görgens/Ruckriegel/ Seitz (2013), S.99 f.
53 Vgl. Federal Reserve (Abruf 07.04.2019): https://www.federalreserve.gov/aboutthefed/structure-federal-reserve-board.htm htm
54 Vgl. Deutscher Bundestag (2008), S. 4 f.
55 Vgl. Federal Reserve (Abruf 07.04.2019): https://www.federalreserve.gov/aboutthefed/structure- federal-open-market-committee.htm
56 Vgl. Görgens/Ruckriegel/ Seitz (2013), S.100 f.
57 Vgl. Federal Reserve (Abruf 08.04.2019): https://www.federalreserve.gov/aboutthefed/structure- federal-reserve-banks.htm
58 Vgl. AG update (Abruf 08.04.2019): https://www.agupdate.com/news/finance/fed-calls-ag-conditi- ons-mixed-challenging-or-weak-in-some/article_97386c46-fd32-11e7-b00c-df5e4597eea6.html
59 Vgl. Federal Reserve (Abruf 09.04.2019): https://www.federalre- serve.gov/aboutthefed/files/pf_1.pdf
60 Vgl. Guse (2009.), S. 7 f.
61 Vgl. Görgens/Ruckriegel/ Seitz (2013), S.95 f.
62 Vgl. Görgens/Ruckriegel/ Seitz (2013), S.95 f.
63 Vgl. Mishkin/Eakins (2006), S.162 f.
64 Vgl. Görgens/Ruckriegel/ Seitz (2013), S.95 f.
65 Vgl. Fischer/Debelle (1994), S.193 f.
66 Vgl. Smuelson/Nordhaus (2007), S.746 f.
67 Vgl. Guse (2009.), S. 7 f.
-
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X.