Synthetisches und analytisches Futur im Spanischen. Funktionen, Kontraste und modale Werte


Term Paper, 2020

19 Pages


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Inhaltsverzeichnis

1. GEGENSTAND UND ZIELSETZUNG DER ARBEIT

2. EINE DIACHRONE BETRACHTUNGSWEISE
2.1. Synthetisch vs. analytisch
2.2. Der Lateinische Ursprung des spanischen Futurs
2.3. Morphologische Erklärung
2.4. Stilistisch bzw. semantische Erklärung

3. EIN KREISLAUF DES FUTURS
3.1. Einen Blick in die Zukunft

4. DIE FUTURFORMEN DES SPANISCHEN
4.1. Das synthetische Futur
4.1.1. DEONTISCH/EPISTEMISCH
4.1.2. Futuro epistémico
4.2. Das analytische Futur
4.2.1. Eine Studie von Ludwig Söll
4.3. HABER DE + INFINITIVO
4.4. PRESENTE PRO FUTURO

5. FAZIT

6. BIBLIOGRAPHIE

1. Einleitung

“Maria va a tener un hijo’” vs. “Maria tendrâ un hijo’”. Zwei normale Sätze mit denen wir im Spanischen ein zukünftiges Ereignis beschreiben, und zwar den Fakt, dass Maria ein Kind bekommen wird. Doch wo liegt der kleine aber nicht ganz so feine Unterschied bei den beiden Sätzen?

Die Seminararbeit zum Thema „Synthetisches und analytisches Futur im Spanischen: Funktionen, Kontraste und modale Werte“ behandelt im ersten großen Teil die Entstehungsgeschichte der zwei Futurformen mit der höchsten Frequenz, das synthetische und analytische Futur. Hierbei werden sowohl die „morphologische“ als auch die „semantische“ Theorie analysiert und erläutert, welche versuchen den Wandel vom klat. CANTABO zum heutigen synthetischen cantaré und zum analytischen voy a cantar zu erklären und die dabei entstehende Problematik zu lösen. Bei dieser Analyse soll besonders auf den Aspekt der zyklischen Entwicklung des Futurs acht gelegt werden. Es sollen Hypothesen für die eventuelle, zukünftige Entwicklung präsentiert und kritisch betrachtet werden.

Im zweiten großen Teil der Arbeit, soll dann auf die unterschiedlichen Möglichkeiten, die es ermöglichen, ein zukünftiges Ereignis zu äußern eingegangen werden. Diese Seminararbeit wird hierbei den Fokus auf das synthetische und analytische Futur legen. Um mit diesen beiden Formen abschließen zu können, soll anhand einer von Ludwig Söll durchgeführten Studie, der Gebrauch des synthetischen und analytischen Futurs analysiert werden.

Weiteres werden kurz das presente pro futuro und die Periphrase mit haber de + infinitivo in Hinsicht ihrer Funktionen betrachtet. Natürlich stehen uns im Spanischen noch viele weitere Möglichkeiten zur Verfügung, mit denen wir die Zukunft ausdrücken können. Auf diese weiteren Möglichkeiten wird nicht eingegangen, da es sonst den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde.

2. Eine diachrone Betrachtungsweise

2.1. Synthetisch vs. analytisch

Zu Beginn der Arbeit möchte ich gerne den zwei Kernbegriffen dieser Arbeit ein paar Zeilen widmen. Da sich die kommenden Seiten beinahe ausschließlich mit den Begriffen synthetisch und analytisch befassen werden, ist es essentiell die beiden Begriffe zu verstehen und es gilt eine Definition zu finden. Die Definition soll anhand eines Beispiels hergeleitet werden.

Im klassischen Latein finden wir Formen wie (1) CANTUS CANTANTUR

„Durch das Flexiv - ANTUR werden insgesamt fünf Flexionskategorien ausgedrückt: grammatische Person (3.Person), Numerus (Plural), Tempus (Präsens), Modus (Indikativ) und Diathese (Passiv). “ (Kabatek/Pusch 2011: 88).

Das Pendant im heutigen Spanisch wäre (2) „Las canciones son cantadas“ Dieser Satz drückt alle fünf bereits genannten Flexionskategorien aus. Dazu kommt aber zusätzlich noch das Genus, welches sich an der Endung -da, sowie noch offensichtlicher am bestimmten Artikel erkennen lässt. (vgl. Kabatek/Pusch 2011: 88).

Bei dieser Erklärung nach Kabatek und Pusch gilt es zu bemängeln, dass nicht alle Flexionskategorien in dem lateinischen Beispiel (1) enthalten sind. Bei dem tatsächlichen lateinischen Ursprung unseres spanischen Beispiels würden wir eine Kombination aus dem Hilfsverb ESSERE und dem Partizip Perfekt benötigen. Wir sprechen hier von der Form: CANTUS SUNT CANTATAS.

Was aber klar aus Kabateks Beispiel hervorgeht und den Unterschied zwischen analytischen und synthetischen Formen sehr gut zusammenfasst, ist folgendes:

“Im Lateinischen werden Flexionskategorien durch Flexive ausgedrückt, die sich als gebundene Morphologie direkt mit dem Stamm verbinden,im Spanischen werden die Kategorien Person, Modus und auch Tempus durch das vom lexikalischen Morphem getrennte Auxiliar und damit durch eine analytische Form ausgedrückt“ (Kabatek/Pusch 2011: 88)

2.2. Der Lateinische Ursprung des spanischen Futurs

Nachdem die Begriffe synthetisch und analytisch vorerst erklärt wurden, kann nun die Etymologie des spanischen Futurs genauer behandelt werden. Bei einer Literaturrecherche zu diesem Thema, ist es unausweichlich, dass man auf Eugenio Coseriu trifft. In dem Kapitel „Über das romanische Futur“ seinem Werk Sprache Strukturen und Funktionen ist mit unter einer der ersten Sätze der folgende: „der Erneuerung des lateinischen Futurs [...] einem Problem, das nie vollständig gelöst worden ist“ (Coseriu 1970: 53). Dieses Zitat fasst auch heute, 50 Jahre nach seiner Entstehung den aktuellen Forschungsstand immer noch sehr gut zusammen. Es gilt keine absoluten Lösungen zu präsentieren, sondern die Lösungsansätze genauer unter die Lupe zu nehmen und diese zu diskutieren. Coseriu führt weiteres an, dass es bis heute hauptsächlich zwei Erklärungen für die Entwicklung vom synthetischen lateinischen Futur zum analytischen romanischen Futur gibt. Er bezeichnet sie als funktionelle Lösungen. (vgl. Coseriu 1970: 53-54). Diese beiden „funktionellen Lösungen“ gilt es nun zu analysieren.

2.3. Morphologische Erklärung

Als erstes wird die morphologische „Lösung“ analysiert. Bei dieser Erklärung wird von einem reinen Unterscheidungsbedürfnis ausgegangen. Mögliche Gründe, die für das Entstehen dieses besagten Unterscheidungsbedüfnisses angeführt werden können sind unter anderem, dass das Futur bereits im klassischen Latein als eine Schwachstelle galt, wie man anhand der ersten Abbildung gut sehen kann.

Wie man sieht sind die Formen des Futur II mit den Formen des Konjunktiv Perfekt zusammengefallen. (vgl. Coseriu 1970: 53).

Nur Anhand des ersten angeführten Beispiels, wäre es vermutlich jedoch noch zu keinem Wandel gekommen. Im Laufe der Zeit, als sich das Vulgärlatein immer weiter ausbreitete und sich entwickelte, fielen neue Schwachstellen an, welche die Unterscheidung zwischen zwei Formen erschwerten. Wie z.B.:

„Im Vulgärlatein fallen dann [w] und /b/ häufig zusammen, und damit entsteht eine Übereinstimmung gewisser Futur- und Perfektformen“ (Coseriu 1970: 53)

Ein Beispiel dafür wäre:

(3) amabit = avavit

Weiteres kommt es wie bekannt im Vulgärlatein zum allseits bekannten Quantitätenkollaps welcher zu einigen Homophonien führt, wie man an den Beispielen (4) und (5) erkennen kann.

(4) dices - dicis ; dicet - dicit“ (Coseriu 1970; 54)
(5) „Präsens: prodit - Futur: prodit“ (Fleischmann 1982, 41)

Um die These Coserius unter Einbezug der anfänglichen These des Unterscheidungsbedürfnisses zusammenzufassen, lässt sich feststellen, dass im Laufe der Zeit viele Phänomene dazu beigetragen haben, dass es den Sprechern immer schwerer fiel die Futurformen von anderen zu Unterscheiden. Deshalb entwickelten sich die analytischen Formen mit den Hilfsverben volo, debere und habeo. Coseriu selbst spricht hierbei auch „von der Erfüllung eines Mitteilungszwecks“ (Coseriu 1970: 54).

2.4. Stilistisch bzw. semantische Erklärung

Die zweite Theorie die Coseriu stilistische bzw. semantische Erklärung nennt und die auf den Ideen von K.Vossler beruht, besagt, dass das analytische Futur sich aufgrund einer „besonderen Geisteshaltung durchgesetzt“ (Coseriu 1970: 54) habe. Doch auch bereits vor Vossler sagte Meyer-Lübke folgendes:

„ Völlig verschwunden im Romanischen ist nun aber das Futurum, und zwar nicht aus formalen Gründen [...] sondern weil die volkstümliche Denkweise eine erst eintretende Handlung in die Gegenwart versetzt oder deutlicher als etwas Gewolltes oder als etwas Tuendes auffasst, also sagt volo, debeo, habeo cantare (Meyer-Lübke 1909:171)

„Diese neue Geisteshaltung die sich einer rein ‘zeitlichen4 Vorstellung der Zukunft widersetzte und dafür andere - moralische und affektische Werte bevorzugte“ (Coseriu 1970: 54) setzte also das Ausdrucksbedürfnis in den Vordergrund. Diese Tendenz bestätigt sich, wenn man die Sprachgeschichte des Spanischen aber auch anderer romanischer Sprachen betrachtet.

(6) klat. Edere “essen” vlat. Manducare “kauen“
(7) klat. Edere „essen“ -> vlat. Comedere „kauen“

Das Beispiel (6) wird im französischen zu „manger.“ und das Beispiel (7) wird im spanischen zu „corner."

Hier kam es wir bekannt zu einem Ersatz nullexpressiver Wörter durch stärker konnotierte Wörter. Dem selben Ausdrucksbedürfnis wie in den Beispielen (6) und (7) soll nun auch dem analytischen Futur zugrunde liegen und so entstanden die Formen mit habeo, volo und habeo, „denn immer steht der gemeine Mann den Dingen eher wollend, wünschend, hoffend und fürchtend als rein beschaulich, erkennend oder gar wissend gegenüber“(Vossler 1925: 67)

Nun stellt sich die Frage, welche der beiden Theorien eher zur Lösung des Problems führen kann. Man muss beiden Ansätze gewisse Plus aber auch Minuspunkte zuschreiben. Besonders Kritisch muss man an die semantisch/stilistischen Erklärung herangehen, da sowohl Meyer- Lübke als auch Vossler nicht mehr als „spekulieren“ können, da wir auch trotz dem neuesten Forschungstand niemals mit 100 prozentiger Sicherheit sagen werden können, was in den

Köpfen der Sprecher des Vulgärlateins vorgegangen ist und wieso sie zu einer bestimmten Stufe des Vulgärlateins die analytische Form bevorzugt haben. Daraus lässt sich schließen, dass wir nur Hypothesen und Vermutungen anstellen können, auch wenn die vermutliche Erklärung mehr als plausibel scheint. Abschließend lässt sich sagen, dass keine der beiden Theorien alleine eine Lösung präsentieren wird. Das Unterscheidungs- und Ausdruckbedürfnis werden mit hoher Wahrscheinlichkeit eine gleich große Rolle im Wandel des Futurs gespielt haben. Die Frage nach der genauen Entstehung bleibt also mehr oder weniger offen.

3. Ein Kreislauf des Futurs

Nach der ausführlichen Beleuchtung der Entstehungstheorien des spanischen Futurs, gilt es sich nun die zyklische Entwicklung des Futurs noch einmal genauer anzusehen und zusammenzufassen. Im klassischen Latein fand man noch eine synthetische Form (CANTUS CANTANTUR) vor, welche sich aber bereits im Vulgärlatein zu einer analytischen Form (CANTARE HABEO) geändert hatte. Da die Sprache ein sich laufend änderndes System ist, kam es im Laufe der Zeit zur Grammatikalisierung des Verbs HABERE zum Futurmorphem im heutigen cantaré. (vgl. Kabatek/Pusch 2011: 247). Nachdem die analytische Form cantare HABEO durch den Grammatikalisierungsprozess und diversen lautlichen Abschleifungen zum spanischen cantaré agglutiniert ist die alte Form aus der Sprache verschwunden. Anfangs des 13.Jhdt. konnte das erste Mal die Form ir a + Infinitiv bei Alfons X, mit dem Ziel, ein zukünftiges Ereignis auszudrücken, nachgewiesen werden. (vgl. Westmoreland 1994-95: 219). Die analytische Form existiert neben dem synthetischen Futur und sie wurde in den vergangenen Jahren immer beliebter vor allem in Südamerika. Daher lässt sich nun die Hypothese aufstellen, dass das analytische Futur wie wir es heute kennen, in Anbetracht der zyklischen Entwicklungsgeschichte, wieder resynthetisieren wird.

3.1. Einen Blick in die Zukunft

Wenn man nun davon ausgeht, dass sich der Zyklus fortsetzen wird, könnte man erwarten, dass sich die Form voy a dormir in ein paar Jahrhunderten zu *yo vadormir agglutinieren könnte. (vgl. Fleischmann 1982: 104). Suzanne Fleischmann erwähnt in ihrem Werk „The future in thought and language“, dass man bereits solche agglutinierten Formen in der habla coloquial von Panama City, in ländlichen Varietäten des mexikanischen Spanisch sowie in der Umgangssprache von Salvador feststellen konnte. (vgl. Fleischmann 1982: 104). Natürlich handelt es sich hierbei nur um Theorien und Vermutungen, da es auch gut möglich wäre, dass die zyklische Entwicklung ein Ende gefunden hat. Generell gilt es die mögliche Entwicklung kritisch zu betrachten. Wenn man sich z.B. die Form DORMIRE HABEO des Vulgärlateins und die spanische Form voy a dormir einmal etwas genauer ansieht, wird man feststellen, dass die vulgärlateinische Variante das Hilfsverb HABEO nachstellt, die Spanische Variante stellt es jedoch voran. Da das Spanische eine postdeterminierte Sprache ist, ist die „Verschmelzung“ von voy a dormir zu * yo vadormir eher unwahrscheinlich, aber wie Fleischmann zeigt, nicht zur Gänze unmöglich.

4. Die Futurformen des Spanischen

In diesem zweiten Teil der Arbeit werden nun die Futurformen mit der häufigsten Frequenz beschrieben, analysiert und diskutiert. Die erste Form die diskutiert werden soll ist das synthetische Futur (futuro sintético}. Sowohl im europäischen Spanisch als auch im amerikanischen/lateinamerikanischen Spanisch steht diese Form heute in Opposition zum analytischen beziehungsweise periphrastischen Futur mit i r a + infnitivo. Das analytische Futur ist jedoch nicht die einzige periphrastische Form, die hier behandelt werden soll. Bei der zweiten Form handelt es sich um das futuro normativo bzw. das futuro de mandato, besser gesagt die Periphrase haber de + infinitivo. Diese Periphrase mit futuristischer Wirkung hat seit dem Auftreten des analytischen Futurs jedoch etwas an Bedeutung verloren. Zum Abschluss soll das presente pro futuro betrachtet und diskutiert werden, welches sich einer großen Beliebtheit erfreut aber auch die Einschränkungen in seinem Nutzen stehen zur Diskussion.

4.1. Das synthetische Futur

Das futuro sintético, eine der Futurformen mit der größten Frequenz, steht im Gegensatz zum futuro analitico, welches sein größter Gegenspieler ist. Als erstes gilt es nun eine Definition zu finden, hier ein paar Beispiele:

„Cantaré, futuro. Significa laposterioridaddel atributo al acto de lapalabra“ (Bello, 1951:180)

[...]

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Details

Title
Synthetisches und analytisches Futur im Spanischen. Funktionen, Kontraste und modale Werte
Author
Year
2020
Pages
19
Catalog Number
V912953
ISBN (eBook)
9783346255334
ISBN (Book)
9783346255341
Language
German
Keywords
synthetisches, futur, spanischen, funktionen, kontraste, werte
Quote paper
Sandra Schranz (Author), 2020, Synthetisches und analytisches Futur im Spanischen. Funktionen, Kontraste und modale Werte, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/912953

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