Nicht immer war das Nibelungenlied hauptsächlich Interessenten älterer deutscher Literatur gut bekannt. Im 18. Jahrhundert erlebte es seine Wiederentdeckung und wurde in der Folge immer mehr zu einem den Deutschen bestens geläufigen Werk. Besonders im 19. Jahrhundert sowie Dritten Reich wurde es als ideologisches Mittel benutzt, um dem deutschen Volk eine nationale Identität zu vermitteln. Nicht wenige Pädagogen, Literaten oder Politiker sahen im Nibelungenlied sogar ein Nationalepos, die Basis für eine deutsche Geschichte, und als ein solches wurde es auch mehrfach propagiert. Das Ziel zahlreicher Übersetzungen, Nachbearbeitungen und Nachdichtungen war des Öfteren die Erschaffung und Stärkung eines Nationalgefühls.
Aber ist das Nibelungenlied ein politischer Mythos? Ich zumindest stelle diese These auf. Für eine Verwendung als Solches bedurfte es allerdings entsprechender Bearbeitungen, denn als Epos in seiner Ursprungsform taugte es nicht für eine politische Instrumentalisierung. Schon in den Jahren vor der Reichsgründung 1871, vor allem aber ab dieser, lassen sich diese Bearbeitungen in einer hohen Anzahl finden.
In der vorliegenden Arbeit möchte ich vor dem Hintergrund dieser Bearbeitungen der Stoffgrundlage vor allem die Bedeutung des Nibelungenlieds für eine politische Instrumentalisierung im Deutschen Reich herausarbeiten, die im 1. Weltkrieg ihren vorläufigen Höhepunkt findet, um meine These zu untermauern. Dabei wird es immer wieder Hinweise auf widersprüchliche Auslegungen geben, die durch die zumeist propagandistisch motivierte Bearbeitung des Stoffes auftreten.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Das Nibelungenlied – ein politischer Mythos?
- Funktion politischer Mythen
- Eignung des Nibelungenlieds als politischer Mythos
- Rezeptionsphasen des Nibelungenlieds
- Von der Wiederentdeckung bis zur Reichsgründung
- Das Nibelungenlied im Deutschen Kaiserreich
- Symbolik im 1. Weltkrieg
- Die Nibelungentreue
- Verklärung des Krieges zur nibelungischen Notwendigkeit
- Heldentum der Nibelungen als Perspektive einfacher Soldaten
- Schwertsymbolik und Heldentod
- Dolchstoẞlegende und Weiterverwendung des Mythos
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit der Frage, ob das Nibelungenlied als ein politischer Mythos verstanden werden kann. Sie untersucht die Verwendung des Nibelungenlieds als Instrument der politischen Instrumentalisierung in der deutschen Geschichte, insbesondere im Zeitraum zwischen seiner Wiederentdeckung im 18. Jahrhundert und dem Ersten Weltkrieg.
- Die Funktion politischer Mythen und ihre Rolle in der kollektiven Identität
- Die Eignung des Nibelungenlieds als politischer Mythos aufgrund seiner Erzählstruktur und seiner Figuren
- Die verschiedenen Rezeptionsphasen des Nibelungenlieds und seine politische Instrumentalisierung, insbesondere im Deutschen Kaiserreich
- Die Verwendung des Nibelungenlieds in der Propaganda des Ersten Weltkriegs
- Die Widersprüchlichkeiten und Ambivalenzen in der Interpretation des Nibelungenlieds im Kontext der politischen Instrumentalisierung
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in die Thematik ein und stellt die Relevanz des Nibelungenlieds in der deutschen Geschichte dar. Im zweiten Kapitel wird die Frage nach der Eignung des Nibelungenlieds als politischer Mythos diskutiert. Dabei werden zunächst die Funktionen politischer Mythen im Allgemeinen beleuchtet, bevor die Eignung des Nibelungenlieds für eine politische Instrumentalisierung anhand seiner Figuren und Erzählstrukturen betrachtet wird. Im dritten Kapitel werden die Rezeptionsphasen des Nibelungenlieds beleuchtet, wobei der Fokus auf der Nutzung des Werks als politisches Instrument in der Zeit zwischen der Wiederentdeckung im 18. Jahrhundert und dem Ersten Weltkrieg liegt. Insbesondere wird die Verwendung des Nibelungenlieds im Deutschen Kaiserreich und in der Propaganda des Ersten Weltkriegs analysiert.
Schlüsselwörter
Nibelungenlied, politischer Mythos, politische Instrumentalisierung, Rezeption, Deutsches Kaiserreich, Erster Weltkrieg, Propaganda, Nationalismus, Identität, Heldentum, Treue, Krieg, Symbolik, Schwertsymbolik, Dolchstoẞlegende.
- Quote paper
- Felix Seinsche (Author), 2020, Das Nibelungenlied. Ein politischer Mythos?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/913032