Gibt es einen Punkt, an dem Toleranz endet und Intoleranz gerechtfertigt ist? Es folgt eine Textrekonstruktion zu den philosophischen Ausführungen von John Rawls des Kapitels „Toleranz gegenüber der Intoleranz“.
„Toleranz ist eine Säule der Demokratie. Sie ist Ausdruck des Respekts vor der Würde des Menschen, vor seiner Freiheit, sich selbst zu entfalten“.
Diese Worte scheinen im Hintergrund der Auseinandersetzungen beim jährlichen Neujahresempfang der Universität Potsdam eine ganz neue Bedeutung zu bekommen. Der allgemeine Studierendenausschuss (AstA) kritisiert, dass zu diesem Ereignis auch Abgeordnete der Alternative für Deutschland eingeladen wurden. Durch das Einladen der Vertreter der AfD würden rechtspopulistische Standpunkte normalisiert und deren Positionen gesellschaftlich gefestigt. In der Pressemitteilung heißt es, dass Toleranz nicht so weit überdehnt werden dürfe, dass Menschen toleriert werden, die die Toleranz abschaffen würden. Diese Form der eingeschränkten Toleranz wäre essentiell für das Bewahren der Demokratie, da uneingeschränkte Toleranz zu ihrem Verschwinden führen würde. Der Studierendenausschuss fordert den Präsidenten der Universität Potsdam dazu auf, die AfD im kommenden Jahr nicht einzuladen.
Oliver Günther, Präsident der Universität Potsdam, erklärt, dass er alle Abgeordneten des Landes Brandenburg zum Neujahresempfang einlade, da dies dem Selbstverständnis der Universität als öffentlicher Einrichtung dem politischen Kontext entspräche. Er betont die Redefreiheit an der Hochschule und die Wichtigkeit des Dialogs mit Andersdenkenden, der politische Dialog gälte als ein ‚Ideal der Aufklärung‘.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Textrekonstruktion von Rawls „Toleranz gegenüber der Intoleranz“ (Kapitel IV/35)
- Diskussion
- Schluss
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit untersucht die Frage, ob und unter welchen Bedingungen Toleranz gegenüber Intoleranz gerechtfertigt ist. Dabei werden die philosophischen Ausführungen von John Rawls im Kapitel "Toleranz gegenüber der Intoleranz" aus seinem Werk "A theory of justice" analysiert.
- Der Vier-Stufen-Gang zur Anwendung von Gerechtigkeitsprinzipien auf Institutionen
- Das Problem der gleichen Freiheit für alle in Bezug auf Gewissensfreiheit, politische Gerechtigkeit und politische Gleichberechtigung
- Die Frage der Vereinbarkeit von Toleranz mit den Gerechtigkeitsgrundsätzen
- Die Rechtmäßigkeit von Intoleranz und die Möglichkeiten der Beschränkung von Freiheit
- Die Rolle der religiösen Toleranz und ihre Beziehung zu den Gerechtigkeitsgrundsätzen
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung
Die Einleitung stellt die aktuelle Debatte um Toleranz gegenüber Intoleranz am Beispiel des Neujahresempfangs der Universität Potsdam dar. Der Autor zeigt die unterschiedlichen Positionen und die zentrale Frage auf, ob es eine Grenze der Toleranz gibt.
Textrekonstruktion von Rawls "Toleranz gegenüber der Intoleranz" (Kapitel IV/35)
Dieses Kapitel analysiert Rawls' Ausführungen zum Thema "Toleranz gegenüber der Intoleranz". Es werden die wichtigsten Punkte des Kapitels rekonstruiert, insbesondere die drei Schlüsselfragen: Hat eine intolerante Sekte das Recht, sich zu beklagen, wenn sie nicht toleriert wird? Unter welchen Bedingungen haben tolerante Sekten das Recht, intolerante nicht zu dulden? Und zu welchen Zwecken dürfen sie dieses Recht in Anspruch nehmen?
Rawls argumentiert zunächst, dass eine intolerante Sekte kein Recht auf Beschwerde hat, wenn sie nicht toleriert wird, da beide Seiten die gleichen Gerechtigkeitsgrundsätze anerkennen. Der Autor kritisiert jedoch den Einwand, dass ein Intoleranter "aufrichtig handle" und keine Sonderrechte beanspruche, da er in seiner Intoleranz einem "allgemeinen Grundsatz" folgt, wie z. B. der Forderung, Gott zu gehorchen und die Wahrheit anzunehmen.
Rawls bezieht die religiöse Toleranz in seine Argumentation ein und argumentiert, dass im Urzustand keine allgemeine Autorität in theologischen Fragen existiert. Jeder habe das Recht, seine Religion frei auszuüben und über seine eigenen Verpflichtungen zu entscheiden. Die religiöse Freiheit sei ein Recht, das weder von Institutionen noch von Menschen entzogen werden kann. Daher könne der religiöse Grundsatz, "alle müssten Gott gehorchen und die Wahrheit annehmen", keinem Menschen größere politische oder juristische Rechte zugestehen.
Rawls kommt zu dem Schluss, dass zwar ein Recht auf Unterdrückung der Intoleranten nicht besteht, aber das Recht auf Klage wegen der Verletzung eines Gerechtigkeitsprinzips durchgesetzt werden kann. Er hinterfragt, ob "Intoleranz gegen andere Grund genug für die Beschränkung der Freiheit ist".
Schlüsselwörter
Toleranz, Intoleranz, Gerechtigkeit, Gerechtigkeitsgrundsätze, Freiheit, Gleichheit, Urzustand, religiöse Toleranz, politische Freiheit, liberale Demokratie, John Rawls, A theory of justice.
- Citation du texte
- Julia Kobán (Auteur), 2019, John Rawls "A theory of justice", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/914801