Einflussfaktoren auf die Schulleistung. Ein Ranking der Determinanten


Masterarbeit, 2014

100 Seiten, Note: 2


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Ausgangslage und allgemeine Zielsetzung

2. Theoretischer Hintergrund
2.1. Schulleistung
2.1.1. Fazit
2.1.2. Heilpädagogische Relevanz
2.2. Determinanten der Schulleistung
2.2.1. Fazit
2.2.2. Lehrerbezogene Merkmale (Schule)
2.2.3. Fazit
2.2.4. Heilpädagogische Relevanz:
2.2.5. Familienbezogene Merkmale
2.2.6. Fazit
2.2.7. Heilpädagogische Relevanz
2.2.8. SuS-bezogene Merkmale
2.2.9. Fazit
2.2.10. Heilpädagogische Relevanz
2.3. Zusammenhänge, Bilanz und Fazit
2.4. Fragegestellung

3. Methodisches Vorgehen
3.1. Sekundäranalyse
3.2. Instrumente
3.3. Stichprobenkonstruktion
3.4. Untersuchungsdurchführung

4. Ergebnisse
4.1. Darstellung und Auswertung
4.1.1. Beziehungen zwischen den Determinanten durch Korrelationen
4.1.2. Beziehungen zwischen den Determinanten inklusive Schulleistung durch Korrelationen
4.1.3. Zusammenfassung der Ergebnisse
4.1.4. Zusammenhänge der Determinanten und der Schulleistungen
4.1.5. Multiple Regressionsanalyse
4.1.6. Regressionsanalyse: Die 4 Determinanten und Leistung Deutsch
4.1.7. Regressionsanalyse: Die 4 Determinanten und Leistung Mathematik
4.1.8. Regressionsanalyse: Die 4 Determinanten und allgemeine Schulleistung
4.1.9. Zusammenfassung der multiplen Regressionen
4.1.10. Kontrollvariablen
4.2. Analyse der Ergebnisse
4.3. Beantwortung der Fragestellung

5. Diskussion
5.1. Rückblick, Zusammenfassung und zentrale Befunde
5.2. Reflexion der Ergebnisse
5.3. Reflexion der Forschungsmethode
5.4. Heilpädagogische Relevanz und Praxisbezug
5.5. Ausblick

6. Literatur

7. Verzeichnisse

8. Anhang

Abstract

Wie Studien zeigen, haben verschiedene Determinanten Einwirkung auf Schulleistungen von Schüle­rinnen und Schülern. Die vorliegende Masterarbeit befasst sich mit dem Thema dieser Einflussfakto­ren und deren Zusammenhänge. Zur Beantwortung der Fragestellung wurden Daten aus dem Schlussfragebogen des Forschungsprojekts D5 „Qualität des Erlebens von Lernenden in integrativen und separativen Schulformen“ der Hochschule für Heilpädagogik Zürich ausgewertet und in Form einer Sekundäranalyse geklärt (Venetz, Tarnutzer, Zurbriggen & Sempert, 2012). Relevante Daten für die Beantwortung der Fragestellung konnten entnommen werden und waren bei der Gewichtung und Sortierung der ausgewählten Prädiktoren (akademisches Selbstkonzept, Gewissenhaftigkeit, soziale Integration und Lernzielorientierung) von Nutzen. Die Analyse zeigt auf, dass das akademische Selbstkonzept unter den untersuchten Faktoren den grössten Einfluss auf die Schulleistung hat.

Vorwort

Der Alltag von Schülerinnen und Schülern ist dadurch geprägt, Leistung zu erbringen, Leistung zu verbessern, über eigene Leistungen herauszuwachsen und letztendlich mit der bestmöglichen Schul­leistung die obligatorischen oder weiterführenden Schuljahre zu beenden. Für die meisten Lernenden im integrativen Setting sind die Lernziele dieselben, wie diejenigen der übrigen Kinder in Regelklas­sen. Eine genügende Leistung wird angestrebt.

Als schulische Heilpädagogen liegt es im persönlichen Interesse der Autoren, den integrativ geschul­ten Kindern eine Unterstützung zu bieten, die zum Ziel hat, Schulleistungen im genügenden Bereich zu erreichen. Oft ist der Lernprozess bei diesem Klientel langsam sowie anspruchsvoll und die Zu­sammenarbeit mit den heilpädagogischen Fachlehrpersonen alleine bringt häufig nicht den ersehnten Erfolg. Deswegen sind die Autoren der Frage nachgegangen, welche Faktoren überhaupt einen Ein­fluss auf die Schulleistung haben. Gibt es ausser dem Lernprozess weitere Elemente aus Schule, Familie und sozialem Umfeld, welche genauso eine Wirkung auf die Schulleistung ausüben können? Unterscheiden sich diese Faktoren bei Kindern mit oder ohne integrativer Förderung?

Aus dem Projekt D5 „Die Qualität des Erlebens von Lernenden in integrativen und separativen Schul­formen“ der Hochschule für Heilpädagogik Zürich wurden den Autoren der vorliegenden Masterarbeit Daten zu Verfügung gestellt, die beim Nachgehen der Fragen zieldienlich waren.

Da die Autoren in der integrativen Schulform tätig sind, galt das Augenmerk in Bezug auf die Heilpä­dagogischen Relevanzen der integrativen Regelschule.

Für die Unterstützung bedanken möchten wir uns gebührend bei:

- Prof. Dr. Martin Venetz (HfH) für die kompetente und engagierte Masterthesenbegleitung
- Lic. phil. Anna Cornelius (HfH) für die anregenden Diskussionen und die moralische Unterstützung
- Allen Personen die zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen haben

1. Ausgangslage und allgemeine Zielsetzung

Das Bestreben der Qualitätssicherung und -verbesserung in Schulen nimmt in den letzten Jahren sichtlich zu. Diesbezüglich sind einige Studien betreffend der Einflussfaktoren auf Schule, SuS und deren Leistung aktuell. Im Gegensatz zur Pisa-Studie, in der Länder und Kantone nach Schülerleis­tungen sortiert und aufschlussreiche Erkenntnisse gewonnen wurden, flackern viele Reformvorhaben als medialer Hype kurz auf und geraten schnell wieder in Vergessenheit (vgl. Moser, 2012, S. 8). Für Hattie beispielsweise ist es wichtig, dass Lehrpersonen ihr Wirken und Tun in den Blick nehmen. Denn für ihn sind Pädagoginnen und Pädagogen, welche sich als Lehrende mit ihrer eigenen Wirkung auseinandersetzen, gemäss der Lernprozesse und Lernerfolge von SuS, die einflussreichsten. Die stetige Evaluation und Beobachtung des eigenen Handelns seitens des Lehrpersonals, scheint die Schlüsselkompetenz der Pädagogik zu sein. Die beständigen Rückmeldungen des eigenen Handelns und Evaluation der Lernprozesse der Lernenden geben Hinweise wo die SuS stehen und wie die wei­teren Lernschritte aussehen sollen. Für Hattie sind die Lehrpersonen zentral und er beschreibt deren Arbeit nicht nur als Engagement sondern betont die Dringlichkeit eines leidenschaftlichen Handelns, dem diese ansteckende Wirkung und die Verantwortung, wie SuS behandelt werden, zugrunde liegt. Dies alles beeinflusst stark was die SuS im jeweiligen Unterricht erlernen. Denn erfolgreiche Lernpro­zesse sind von geordneten und störungsfreien Verhältnissen abhängig, in denen gut erklärt, auf klare inhaltliche Ordnungsstrukturen geachtet wird und ob Lernen mit vielseitigen Anregungen stattfindet. Ausserdem sollen diese Prozesse von einem schülerzugewandten Klima umgeben sein. Folgende Basisdimensionen des Lehrerhandelns sind unverzichtbare Grundbedingungen: Einerseits ist auf eine strukturierte, klare sowie zielgerichtete Unterrichtsführung und Lernzielorientierung zu achten. Ande­rerseits soll ein unterstützendes und schülerorientiertes Sozialklima herrschen, was ebenso Einfluss auf die soziale Integration haben kann. In einem solchen Umfeld kann ein diskursiver Umgang mit Fehlern stattfinden und Lernstrategien vermittelt werden. Lehrpersonen sollen aktive und gezielte Interventionen initiieren, um gewünschtes Lernen zu ermöglichen. Im Anschluss können sie sich wie­der zurückzuziehen, um den SuS ein selbstgesteuertes Lernen zu ermöglichen. Laut Hattie sind me­takognitive Fähigkeiten und systematische Strategien für die Problemlösung bei komplexen Aufgaben entscheidender als die kognitiven Grundfähigkeiten (vgl. Steffens & Höfer, 2012, S. 6-15).

All diese Überlegungen und Vorschläge verfolgen das Ziel, den Lernprozess der SuS so zu unterstüt­zen, dass die Schulleistung letztendlich positiv bzw. genügend ausfällt. Ein Paradigmenwechsel dies­bezüglich ist dringend nötig, da sich die Bildungspolitik und das Bildungssystem in den letzten Jahren verändert haben. Das Bestreben nach Integration setzt sich durch, sodass die Heterogenität der Schülerinnen und Schüler in der Volksschule zugenommen hat. Lernende mit Schulschwierigkeiten oder anderen Beeinträchtigungen werden heutzutage nicht mehr zwangsläufig separiert, sondern können in der Regelschule geschult und gefördert werden. Der Lehrplan und die Lernziele bleiben dieselben. Lehrpersonen sehen sich mit neuen Herausforderungen konfrontiert, wobei die zuständi­gen Heilpädagoginnen und Heilpädagogen unterstützend einwirken sollen. Besteht kein Schullauf­bahnentscheid in Bezug auf eine Lernzielanpassung, werden SuS mit besonderem Förderbedarf nach dem gleichen Notensystem wie die anderen Kinder der Klasse beurteilt. Die heilpädagogische Unter­stützung alleine kann dem Anspruch, die Schulleistung der SuS mit besonderem Förderbedarf in ei­nen genügenden Bereich zu lenken, oft nicht gerecht werden. Die Idee, dass fleissiges Lernen die Schulleistung verbessert, ist bei Kindern mit besonderen Bedürfnissen häufig nicht korrekt. Die SuS sind in dieser Situation hilflos oder frustriert und in der Praxis ist zu beobachten, dass diese Kinder in eine Negativspirale gelangen. Ihr Einsatz resultiert in ungenügenden Schulnoten, was letztendlich dem akademischen Selbstkonzept schadet. Deshalb geht es in der vorliegenden Masterarbeit darum, herauszufinden, welche Einflussfaktoren eine Wirkung auf die Schulleistung zeigen, ganz unabhängig davon, wie gut die SuS lernen können.

Um diese Einflussfaktoren zu erforschen, setzen die Autoren die SuS in den Mittelpunkt und gehen bei der Recherche schüler- und schülerinnenzentriert vor. Dabei wird nicht nur das Umfeld Schule betrachtet sondern auch das familiäre und soziale Umfeld. Diese Forschungsarbeit hat zum Ziel, eine Liste von Determinanten zu erstellen, welche die Schulleistung von SuS beeinflussen, ohne dass die kognitive Fähigkeit des Kindes eine Rolle spielt. Im ersten Teil dieser Arbeit werden die Autoren den Begriff „Schulleistung“ und „Determinanten der Schulleistung“ theoretisch genauer unter die Lupe nehmen. Anschliessend folgt die eigentliche Forschungsarbeit, wobei die Daten aus dem Schlussfra­gebogen des Forschungsprojekts D5 „Qualität des Erlebens von Lernenden in integrativen und sepa- rativen Schulformen“ der Hochschule für Heilpädagogik Zürich in Form einer Sekundäranalyse analy­siert werden. Nach der Auswertung der Daten wird im letzten Teil dieser Masterarbeit ein Ranking zu den Determinanten erstellt. Abschliessend erhoffen die Autoren, dass sie durch die Erforschung der Determinanten von Schulleistung Erkenntnisse gewinnen, welche für Kinder mit und ohne besonderen Bedürfnissen in Bezug auf die Schulleistung relevant sind.

2. Theoretischer Hintergrund

2.1. Schulleistung

Um sich der Definition von Schulleistung annähern zu können, ist eine allgemeine Betrachtung des Begriffs Leistung unumgänglich. Was ist denn Leistung allgemein gesehen? Laut Heid (2012) existiert Leistung nicht. Um den Begriff Leistung definieren zu können, muss zwangsläufig der damit verbun­dene Inhalt miteinbezogen werden, ohne den es nach Heid Leistung nicht gibt. Beim Versuch Leistung über Anstrengung, Fleiss und Erfolg zu definieren, begegnet man wieder der Frage nach dem Inhalt, da man sich nur bei einer inhaltlich bestimmbaren Tätigkeit anstrengen kann. Die Schulleistung wird an fachlichen, inhaltlichen und individuellen Leistungen in Zusammenhang mit Werturteilen gemes­sen. Die Auswirkung einer Wertung steht in Bezug zur sozialen Macht, welche beurteilt, was als Leis­tung zählt und realisiert wird (vgl. Heid, 2012, S. 23-26). Die Summe der einzeln bewerteten Lernpro­dukte ergibt das Ergebnis derjenigen Leistungen, welche unter schulischen Bedingungen erbracht werden. Schulleistung kann somit auch als Auseinandersetzung der SuS mit den Anforderungen der Schule angesehen werden. Da im Schulalltag oft keine objektiven Wertmassstäbe bestehen, kann die Bewertung, meistens in Form von Noten, von SuS-Leistungen problematisch sein und ein falsches Bild ergeben. Trotzdem wird dieses Bewertungssystem (die Durchschnittsnote ergibt die Zeugnisnote) verwendet und kann in der Vergleichbarkeit ein verfälschtes Bild aufzeigen (vgl. Rank, 1962, S. 8). Noten sind aber Bestandteil der Volksschule. Immer wieder stellt sich die Frage, ob sie wirklich die Leistungen widerspiegeln und als objektive Leistungsmessung betrachtet werden können. Leistung resp. Schulleistung sollte verzerrungsarm und beobachterunabhängig erhoben werden können um objektiv zu sein. In diesem Zusammenhang hat sich die Entwicklung und Standardisierung von Mess­instrumenten deutlich weiterentwickelt. Beispielsweise hat sich der Einsatz vom Klassencockpit be­währt. Die Leistungen und Kompetenzen der Lernenden werden bei diesem Testverfahren in den Fächern Mathematik und Deutsch mittels dem standardisierten Testsystem ermittelt, welches vom kantonalen Lehrmittelverlag St. Gallen und dem Institut für Bildungsevaluation Zürich entwickelt wur­de. Dreimal jährlich werden Leistungstests zur Verfügung gestellt, die sich auf Inhalte und Zielsetzun­gen der Lehrpläne der Deutschschweizer Kantone beziehen. Durch das Testverfahren wird ein Über­blick der Lernzielerreichung im Vergleich zur Lernzielnorm ersichtlich und informiert über den aktuel­len Lernstand von SuS analog zu einer Normstichprobe (vgl. Website Klassencockpit, 2014). Auch für den Übergang in die Oberstufe oder die Berufswahl ist die Schulleistung zentral, durch sie wird eine Selektion stattfinden. Der Laufbahnentscheid ist teilweise sogar bis auf den sozioökonomischen Sta­tus der Eltern zurückzuführen. Diesbezüglich zeigen Ergebnisse einer deutschen Studie von Thorsten Schneider (2011) starke Zusammenhänge. Lehrpersonen orientieren sich an den Wünschen der El­tern, was den Laufbahnentscheid stark beeinflussen kann. Nicht zuletzt, weil Lehrpersonen die Erfolg­schancen von SuS höher einschätzen, wenn sie auf eine mögliche häusliche Unterstützung bei Schwierigkeiten vertrauen können. Auch Eltern aus einem tieferen Sozialstatus verfügen über hohe Bildungsinspirationen, sie verfügen aber durchschnittlich über geringere Ressourcen ihre Ziele dies­bezüglich durchzusetzen. Es kann zu einer Chancenungleichheit führen, auf die Leistungsbeurteilung der Lehrpersonen einen Einfluss haben und schliesslich den „Erfolg“ von den SuS beeinflussen (vgl. Schneider, 2011, S. 371-376). Mehrere Erhebungen im Kanton Zürich zeigen ebenfalls auf, dass der sozioökonomische Hintergrund nachweislichen Einfluss auf die Schülerleistungen haben (vgl. Vorbur­ger, 2010, S. 12-15). Leistung lässt sich aus kognitionspsychologischer Sicht, also den psychischen Vorgängen, welche mit Wahrnehmung, Erkenntnis und Wissen zu tun haben, in deklaratives sowie prozedurales Wissen unterteilen (vgl. Schrader & Helmke, 2008, S. 285-286). Das deklarative Wissen, auch konzeptuelles Wissen genannt, bezieht sich auf Fakten, wie beispielsweise Definitionen, Zu­sammenhänge und Regeln. Dieses in der neuronalen Struktur vorhandene Wissen wird laut Multhaupt (2002) als Faktenwissen bezeichnet, auf das in der Regel zugegriffen werden kann. Das prozedurale Wissen umschreibt er als praktisch brauchbares Wissen, welches sich in automatisierten und unbe­wussten Verarbeitungsroutinen zeigt (vgl. Multhaupt, 2002, Website Uni Wuppertal). Beim prozedura­len Wissen geht es um die Beherrschung von Operationen und es bezieht sich auf Handlungsabläufe. Dabei ist das Wissen so organisiert, dass einzelne Schritte flüssig ausgeführt und koordiniert werden können (vgl. Möller & Wild, 2009, S. 4). Somit lässt sich Leistung als Ergebnis von komplexen Abläu­fen verstehen, welche nach vorher festgelegten objektiven Regeln der Leistung zugeordnet werden kann. Nicht nur deklaratives und prozedurales Wissen, sondern auch psychomotorische Prozeduren sind für das Verarbeitungssystem von Wichtigkeit. Der Prozess der Wissensaneignung und schluss­endlich der erbrachten Leistung ist ein Zusammenspiel zwischen einer Auswahl relevanter Themen, wie zum Beispiel dem Selbstkonzept, der Auseinandersetzung der eigenen kognitiven Prozesse und aufgabenspezifischen Verarbeitungsprozesse sowie der Überprüfung und Überwachung der Zielset­zung, dem metakognitiven System (vgl. Schrader & Helmke, 2008, S. 286). Betrachtet man die Leis­tung als Unterrichtsziel, kann die Metakognition als die Basis selbstregulierenden Lernens bezeichnet werden um Lernprozesse selbstgesteuert durchzuführen. Dieses Zusammenspiel lässt sich unter 2 Aspekten betrachten, einerseits dem deklarativen, also dem strategiebezogenen Wissen und anderer­seits den exekutiven Betrachtungsweisen, also dem Planungs-, Steuerungs- und Kontrollverhalten. Lernstrategien resultieren aus vorangehenden Lernerfahrungen und sind nicht von angeborener Intel­ligenz allein abhängig. Sie sind empfänglich für soziale und pädagogische Förderung (vgl. Multhaupt, 2002, Website Uni Wuppertal). Heutzutage wird vermehrt von Kompetenz gesprochen, dabei sind nicht nur erlernbare kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten um Probleme zu lösen wichtig, sondern auch motivationale, volitionale und soziale Bereitschaft um Problemlösung nutzen zu können. Denk- und Problemlösungsstrategien werden oft als Schüsselqualifikationen angesehen (vgl. Schrader & Helmke, 2008, S. 286-287). Leistung lässt sich nicht zwingend mit Erfolg gleichsetzen. Was ist Erfolg und wie kann dieser gemessen werden? Leistung kann objektiv gemessen werden und beispielsweise in Form von Noten oder im Sport in Zahlen (Zeitmessung, Punktewertung, etc.) beschrieben werden. Dies heisst aber noch nicht zwangsläufig, dass es sich um einen Erfolg handelt. Leistung wird erst zum Erfolg, wenn sie in Bezug zu einer Leistungsnorm bzw. einem Bezugsstandard steht und derjeni­ge Vergleich positiv ist. Heilpädagogisch betrachtet, ist es bei SuS mit Lernzielanpassungen oft schwierig, den Vergleich zu einer Bezugsnorm zu schaffen. In diesen Fällen ist es wichtig, die er­brachte Leistung mit dem eigenen Leistungsfortschritt zu messen. Somit entsteht eine Bezugsnorm und ein Lernerfolg kann definiert werden. Nicht im Vergleich mit anderen Personen oder einer Norm sondern nur im Vergleich mit der eigenen Person. SuS neigen oft dazu den Erfolg zu bestimmen, in­dem sie ihre individuelle Leistung mit anderen Personen vergleichen, um diese zu klassifizieren. Dies kann zu einem sozialen Vergleich innerhalb der Schulklasse führen. SuS mit gleicher Leistung können sich als gut oder schlecht beurteilen, je nach dem, wie sie im Vergleich zur Klasse stehen und es kann sogar zu einem „Big-fish-little-pond-effect“ (BFLPE, vgl. Kapitel 2.2.3.) führen. Bestehen Vergleiche mit der eigenen Person, wird das eigene Leistungsniveau zur Bezugsnorm. Umso wichtiger sind hier klare Zielformulierungen, welche gemessen werden können und somit Leistung und Erfolg definieren.

2.1.1. Fazit

Schulleistung bezeichnet unter Berücksichtigung der kognitiven Aspekte die intellektuelle Leistung, welche notwendig ist, um Lerninhalte zu erlernen. Die Bewertung erfolgt meistens durch Noten oder bei lernzielangepassten SuS durch Lernberichte. Für die Autoren ist es wichtig, wie Leistung im heil­pädagogischen Bereich gemessen werden kann, um die SuS als erfolgreich oder nicht, einstufen zu können. Mit den Klassencockpits besteht die Möglichkeit den Vergleich zu einer Norm herzustellen und somit den Erfolg der Schulleistung zu bestimmen, da die individuelle Leistung mit einer bestehen­den Norm in Beziehung gesetzt wird. Es besteht eine starke Abhängigkeit des Erfolgs mit der Be­zugsnormierung. Diese Norm ist der Standard, zu welchem ein Resultat in Beziehung gesetzt wird, um Leistungen bewerten zu können. Beim Gebrauch der sozialen Bezugsnorm wird die individuelle Leistung mit den Mitschülerinnen und Mitschülern verglichen. Diese Bewertung kann innerhalb einer Klasse zu einer Hierarchie führen, die als Nachteil empfunden werden kann. Aus heilpädagogischer Sicht gewinnt die individuelle Bezugsnorm an Wichtigkeit, infolge der Zunahme integrierter Kinder:

Wenn von Schulleistungen gesprochen wird, so kann damit sehr Verschiedenes gemeint sein. Selbst wenn man nur die kognitiven Aspekte berücksichtigt, kann es sich um den Erwerb, die kurz- wie langfristige Verfügbarkeit und/oder die Nutzung von fachspezifischem deklarativen (sprachformulierbarem) Wissen, prozeduralen Fertigkeiten (Strategie- und Verfahrensmodi zur Lösung neuer oder vertrauter Aufgaben) oder metakognitiver Kompetenzen (Wissen über den Erwerb, die Verfügbarkeit und die Nutzung eigenen Wissens zum Zwecke der intelligenten Lösung von Problemen) handeln. Darüber hinaus kann aber auch die Entwicklung fachunspe­zifischer allgemeiner Fähigkeiten ein Ziel des Unterrichts sein (kognitive Heuristiken, Denko­perationen, intellektuelle Fertigkeiten, metakognitive Planungs-, Überwachungs-, Steuerungs­und Evaluationskompetenzen) (Helmke & Weinert, 1997, S. 75f.)

In Abbildung 1 ist ersichtlich, wie die Autoren nach ausführlichen Recherchen den Begriff Schulleis­tung definieren. Der Schulleistung liegt immer eine Soziale Macht (in diesem Fall Schule und Lehrper­sonen) zugrunde, welche Inhalte deklariert, aus welchen die Ziele gezogen werden. Einerseits werden die SuS in Bezug auf die Ziele durch Lehrpersonen oder durch standardisierte Tests beurteilt, wobei die Schulleistung definiert wird. Andererseits können Lern- und Erwerbsprozesse bezüglich der zu verarbeitenden Inhalte und Ziele als Schulleistung angeschaut werden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Schulleistung (Bollag & Gasser, 2014)

Schulleistungen sind ein mehrteiliges Gefüge, welches sich aus verschiedenen Faktoren ergibt und stets ein dynamischer Prozess bleibt. Nicht nur die Persönlichkeit der SuS, deren Motivation, Familie oder das soziale Umfeld, sondern auch schulische Voraussetzungen und die Lehrerpersönlichkeit haben Effekte und Einfluss darauf. In Kapitel 2.2 gehen die Autoren genauer darauf ein.

2.1.2. Heilpädagogische Relevanz

Schulleistung im heilpädagogischen Bereich zu definieren ist anspruchsvoll. Oft liegt diese nicht im Zusammenhang mit Noten oder standardisierten Tests, schliesst beides jedoch nicht aus. Je nach Beeinträchtigung und Lernschwierigkeiten verfolgen IF-Schülerinnen und Schüler ebenfalls die kanto­nal vorgegebenen Lernziele der Regelklasse. Aus sonderpädagogischer Sicht wird jeder Lernzuwachs als persönlicher Erfolg einer Schülerin oder eines Schülers angesehen. Zusammenfassend kann die Aussage gemacht werden, dass der Begriff Erfolg in Bezug auf die integrativ geschulten SuS, die Erreichung individueller Ziele, der persönliche Lernzuwachs und die Leistungsveränderung bezeich­net. Welche Einflüsse aus Sicht der Sonderpädagogik die grösste Wirkung auf die Schulleistung ha­ben, gilt es am Ende dieser Arbeit zu diskutieren.

2.2. Determinanten der Schulleistung

Im Rahmen von Pisa 2000 wurden verschiedene Einflussgrössen auf Schulleistung untersucht. Dabei differenzierte man zwischen individuellen Faktoren wie beispielsweise Lernmotivation und unterrichtli­che, schulische und familiäre Einflüsse sowie Einflüsse der Gleichaltrigen. Ebenso wurden Unter­schiede zwischen Faktoren erkannt, welche einen direkten Einfluss auf den Lernprozess haben (z.B. Lernaktivität des Schülers, das Sozialklima in der Klasse oder die Qualität des Unterrichts) und Ein­flussfaktoren welche selbst nicht Teil des Prozesses sind aber dennoch Einfluss haben (z.B. die räum­liche Ausstattung einer Schule, die Lehrerzuweisung, das Schulsystem ganz generell oder die familiä­re Unterstützung). Die PISA-Studie hat dazu ein Mehrebenenmodell zu den Kontextmerkmalen kreiert:

- Mikroebene: Lernen und Unterricht
- Mesoebene: Bedingungen in Schule, Familie, Peers und
- Makroebene: Systembindung der Schule

Die PISA-Studie erwähnt, dass aufgrund von diversen „Produktions-Funktions-Studien“ wenig Zu­sammenhang zwischen finanzieller, personeller und materieller Ressourcenausstattung in Schulen und der Schulleistung besteht. Das heisst, die Bereitstellung von Ressourcen allein reicht nicht aus, die Schulleistung zu steigern. Wichtiger sei der gezielte Einsatz zur Verbesserung der Lernbedingun­gen. Einige Studien widerlegen, dass kleinere Klassen bessere Schulleistungen generieren, andere wiederum belegen, dass kleinere Klassen in den Grundschuljahren einen nachhaltig positiven Effekt auf die Schulleistung haben würde. Dies wird mit einer besseren klasseninternen Zeitnutzung durch die Lehrpersonen sowie der aktiven Lernzeit der SuS und den Unterrichtsmethoden begründet. Die PISA-Studie zeigt auf, welche Merkmale einen leistungsfördernden Unterricht definieren: ausgeprägte Aufgabenorientierung, effiziente Klassenführung, kontinuierliche Diagnose des Lernfortschritts, klare Strukturierung des Lernstoffs, gute Zeitnutzung im Unterricht und Engagement der Lehrkraft. Im Be­richt der PISA-Studie wird ausgesagt, dass die internationale Schulleistungsforschung herausgefun­den hat, dass vor allem die elterliche Erwartung, die zuhause vorhandene intellektuelle Unterstützung (Zum Beispiel das Interesse am Lesen, welches Kindern und Jugendlichen die Aneignung von Kultur­güter ermöglicht.) und ein eher liberaler Erziehungsstil positive Wirkungen zeigen. Zur Peer-Group- Einbindung bestätigt die PISA-Studie, dass unterschiedliche Cliqueneinbindungen mit Konsequenzen zur Lernbereitschaft und Leseaktivität verbunden sind und dass sie auf diesem Weg auch schulische Lernleistungen beeinflussen. Ebenso beeinflusst die aktive Freizeitgestaltung in hohem Zusammen­hang die Leistungsvariablen (vgl. Baumert et al., 2000, S. 1-42). Laut Baumert et al. wird die Pisa Studie wie folgt zusammengefasst:

Wie die Ergebnisse verschiedener Untersuchungen zu den Determinanten von Schulleistun­gen gezeigt haben, ist soziales Kapital der Schüler, wie es in intakten Familien ausgebildet wird, eine wichtige Voraussetzung für ihren Schulerfolg, und zwar vor allem dann, wenn sie Schwierigkeiten in der Schule haben (Smith et al. 1992, Furstenberg & Hughes 1995, Teach- man et al. 1996 und 1997, McNeal Jr. 1999). Die Untersuchungen bestätigen, dass die Ein­kommensverhältnisse und das Humankapital der Herkunftsfamilien sich vor allem dann güns- tig auf die Entwicklung und die Schulleistungen der Heranwachsenden auswirken, wenn die Eltern Zeit und Kraft in pädagogische Massnahmen investieren. Je mehr die Familien in dieser Hinsicht versagen und ihre hergebrachten Funktionen nicht mehr erfüllen, desto wichtiger wird das soziale Kapital im näheren Umkreis der Familie und in der Schule. (Baumert et al., 2000, S. 42-43)

Coradi Vellacott wies ausserdem mit den Ergebnissen der Untersuchung Bildungschancen Jugendli­cher in der Schweiz darauf hin: ...dass fremdsprachige Kinder aus sozioökonomisch benachteiligten Familien, die nicht in rei­chen Gemeinden oder Gemeinden mit „High-Society“-Wohnatmosphäre wohnen, von drei verschiedenen Nachteilen betroffen sind: ihre familiäre Lebenswelt ist keine optimale Voraus­setzung für den Schulerfolg, sie gehen mit vielen Peers zur Schule, die ebenfalls fremdspra­chig sind, und sie besuchen Schulen, die von den Gemeinden in ihrem Einzugsgebiet weniger finanzielle Mittel für die Ausstattung (z.B. mit Computern) erhalten. (Coradi Vellacott, 2007, S. 191)

Hattie berücksichtigt in seiner Metastudie 138 Einflussfaktoren von über 50 000 Studien. Den Fokus legt er auf die Identifizierung der zentralen Einflussgrössen und des erfolgreichen Lehrerverhaltens für den Lernerfolg. Wie bereits erwähnt, haben Lehrpersonen eine zentrale Bedeutung für den Lernerfolg und stehen im Mittelpunkt der Wirksamkeit. Lehrende spielen eine sehr aktive Rolle. Um den SuS genug Ordnungsstrukturen und Orientierungen in Lernprozessen zu geben, um neues Wissen effekti­ver verarbeiten zu können, sollen die Prozesse mit den Augen der Lernenden betrachtet werden und somit kann ein Verständnis ihnen gegenüber entwickelt werden. Im Anschluss kann eine Lernzielori­entierung stattfinden. Bei offeneren Lernformen könnte ein motivationales Problem bestehen und die zur Verfügung gestellte Zeit von den SuS nicht zum Lernen, sondern lieber für gemeinsame Gesprä­che, themenferne Aktivitäten oder Träumereien genutzt werden. SuS benötigen offenbar Ordnungs­strukturen und kognitive Leitplanken, innerhalb derer sie dann selbständig lernen können (vgl. Stef­fens & Höfer, 2012, S. 1-8).

Die volitionale Absicht, der Wille zur Umsetzung, sorgt dafür, dass die Absichten umgesetzt werden. Lernprobleme stehen oft mehr in Zusammenhang mit der Gewissenhaftigkeit, welche die Volition so­wie Motivation beeinflussen. Inzwischen gibt es eine Fülle von Erkenntnissen, was in der Schule wirkt und wodurch sich der Lernerfolg der SuS verbessern lässt. John Hattie ordnete Einflussgrössen fol­genden Gruppen zu: Schüler, Familie, Schule, Lehrplan, Lehrer und Unterricht. Auch Hatties For­schungsbilanz zeigt, dass Vorwissen und kognitive Grundfähigkeiten der Lernenden die wichtigsten Determinanten des Lernerfolgs sind. Dazu kommen Faktoren wie sozioökonomischer Status, Anre­gungsgehalt und das Engagement der Eltern sowie schülerbezogenen Persönlichkeitsmerkmale, wie beispielsweise Konzentration, Motivation, Engagement, Selbstkonzept oder Leistungsangst. Unter anderem befinden sich laut Hatties Studie unter den wirksamen Faktoren („What works best?“) Ein­flüsse, welche Lehr- und Lernstrategien betreffen. Das soziale Miteinander im Klassenzimmer, der Zusammenhalt, die Toleranz untereinander, gegenseitige Hilfestellungen sowie positive Beziehungen unter SuS sowie zwischen Lehrpersonen und SuS beeinflussen den Lernerfolg wirksam. Den stärks­ten Effekt auf das schulische Lernen weisen Lehrerinnen und Lehrer auf. Dabei sollen folgende Krite­rien berücksichtigt werden. Alle SuS sollen angemessen herausgefordert werden und sein bzw. ihr aktives Lernen ist explizites Ziel. Lehrpersonen und SuS sollen überprüfen, ob und wie die Ziele er­reicht werden. Die Praxis soll zielgerichtet sein und Feedbacks müssen gegeben werden. Aktive, lei­denschaftliche und engagierte Menschen sind in den Prozess involviert (vgl. Steffens & Höfer, 2012, S. 3-11). Schulische Leistungen hängen von verschiedenen Faktoren ab und sind das Ergebnis einer Wirkungskette, aber immer der Ertrag von Aktivitäten des einzelnen Lernenden. Deshalb weisen kog­nitive sowie motivationale Merkmale engsten Bezug zur Leistung auf. Einen Einfluss darauf haben Personenmerkmale, Prozessmerkmale des Unterrichts, Schul- und Klassenkontext, Personenmerk­male der Lehrperson und ausserschulische Einflussfaktoren spielen eine grosse Rolle. Bei den aus­serschulischen Bedingungsfaktoren haben das Wertesystem der Gesellschaft, das Bildungssystem sowie personelle und materielle Ressourcen eine indirekte Beeinflussung. Diese sozialen aber auch die familiärer Hintergründe und deren unterschiedlicher Umgang mit bildungsrelevanten Ressourcen hat Auswirkung auf das Lernumfeld. Die Einstellungen, Erwartungen und das Verhalten der Eltern üben einen unterschiedlichen Einfluss auf Bildung und Lernangebote aus und somit auf die Auswir­kung der Unterstützung der Kinder (vgl. Schrader & Helmke, 2008, S. 287-290). Der Einfluss auf die schulischen Leistungen der Familie sind grösser als derjenige der Schule, Eltern sind dadurch Teil der Schulqualität. Die grösste Unterstützung bekommen Kinder durch ein anregungsreiches Umfeld und der Kombination von Beteiligung der Erziehungsberechtigten am Lernen und deren hohen Erwartun­gen (vgl. Moser, 2012, S. 14). Kinder aus soziokulturell niedrig eingestufter Herkunft betrachten das als Leistung, was für sie persönlich funktional ist. Dies wird von Betrachtern höher sozialer Positionen nicht gewürdigt und geschätzt. Sie sind der Ansicht, dass sie das leisten wofür sie „bestimmt“ sind und machen dadurch die Erfahrung, dass die jeweiligen Höherstehenden die Wertung der Leistung be­stimmen. Im Gegensatz sind Kinder aus gesellschaftlich hoch eingestuften Familien eher auf die Wichtigkeit der Durchsetzung erstrebenswerter Güter fokussiert und sehen als Indikator hauptsächlich die Inhalte des Wissens, Wollens und Tuns, die sich für die Rechtfertigung ihres eigenen sozialen Status eignen. Bei Arbeiterkinder hingegen ist eher eine Tendenz zu erkennen, dass Arbeiten ohne grossartiges Hinterfragen der Regel entsprechend ausgeführt werden (vgl. Heid, 2012, S. 25).

2.2.1.Fazit

Die Schulleistung hängt sowohl von Persönlichkeitsmerkmalen des Lernenden als auch vom Einfluss von Familie, Schule, Peers und Medien ab. Diese verschiedenen Einflüsse stehen in einem komple­xen Gefüge zueinander (Helmke & Schrader, 2010, S. 90). Das Modell der Bedingungsfaktoren schu­lischer Leistungen von Helmke und Schrader zeigt die Komplexität diesbezüglich auf.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Bedingungsfaktoren schulischer Leistungen (Helmke & Schrader, 2010, S. 91)

Aus den Recherchen hat sich ergeben, dass nicht nur das soziale Kapital der SuS, welches sie aus intakten Familien mitbringen, von Wichtigkeit ist. Neben Vorwissen und kognitiven Grundfähigkeiten der Lernenden, auch erfolgreiches Lehrerverhalten zu den wichtigsten Determinanten des Lernerfolgs gehören. Dazu kommen Faktoren wie sozioökonomischer Status, der Anregungsgehalt und das En­gagement der Eltern sowie schülerbezogene Persönlichkeitsmerkmale, wie beispielsweise Konzentra­tion, Motivation, Engagement, Selbstkonzept oder Leistungsangst. Schulische Leistungen hängen von verschiedenen Faktoren ab und sind das Ergebnis einer Wirkungskette, aber immer der Ertrag von Aktivitäten des einzelnen Lernenden. Soziale aber auch familiäre Hintergründe und deren unter­schiedlicher Umgang mit bildungsrelevanten Ressourcen hat Auswirkung auf das Lernumfeld. Der Einfluss der Familie auf die schulischen Leistungen sind grösser als derjenige der Schule, Vorwissen und Intelligenz sind die wichtigsten Einflussfaktoren des Individuums auf die schulischen Leistungen. Wenn SuS ihre Schulkarriere starten und schulische Leistungen erbringen sind sie von diesen Fakto­ren schon geprägt und die Lehrenden haben nur indirekten Einfluss darauf. Laut Studien sind nun Lehrpersonen Einflussfaktor Nummer eins. Der Schwerpunkt sollte aber unbedingt auf dem Lehrer­handeln und nicht auf der Lehrerpersönlichkeit liegen. Geordnete und störungsarme Verhältnisse, klare inhaltliche Ordnungsstrukturen und ein schülerzugewandtes Klima führen durch die Lehrperso­nen zu gutem Unterricht und schliesslich zu guten Schulen. Ohne gutes Lehrpersonal gibt es keine guten Schulen. Der gute Lehrer kann sich in die Rolle der SuS hineinversetzen und das Lernen mit den Augen der SuS sehen. Die SuS sehen das Lernen mit den Augen des Lehrers und übernehmen dadurch Verantwortung für das Lernen. Besonders gut gelingt dies, wenn der Lehrer den SuS fortlau­fend Rückmeldungen über die Lernfortschritte gibt, angemessene Herausforderungen vorgibt und das Vertrauen in deren Erreichbarkeit vermittelt sowie Rückmeldungen zum Lern- und Lehrprozess sys­tematisch gibt und einfordert. Nach einer Problemlösung soll sich der Lehrer bzw. die Lehrerin wieder zurückziehen und den SuS ein selbstgesteuertes Lernen ermöglichen, wenn das erkannte und bear­beitete Lernproblem behoben ist (vgl. Steffens & Höfer, 2012, S. 7). Lernziele welche mit Lernprozes­sen in Verbindung stehen, haben für ein verständnisvolles Lernen und den Wissenserwerb einen günstigen Einfluss (Watermann, 2013, S. 14 & 15). Sie beeinflussen indirekt Motivation und Volition. Zusätzlich, aber nicht alleine, ist die Lehrer-Schüler-Beziehung eine notwendige Bedingung für den Unterricht, die zu Lernfortschritten führt (vgl. Moser, 2012, S. 11). Neben einem lernzielorientierten Unterricht sollen Aufgaben für den Lernenden ein hohes Mass an Komplexität erfordern, dann sind nach Hattie (2008) die metakognitiven Fähigkeiten für die Problemlösung sogar entscheidender als die kognitiven Grundfähigkeiten und haben einen positiven Einfluss auf die Entwicklung des akademi­schen Selbstkonzepts (vgl. Steffens & Höfer, 2012, S. 16).

Wie in Abbildung 3 dargestellt, lassen sich für die Autoren die Determinanten der Schulleistung in folgende Gruppen einteilen: Lehrerbezogene Merkmale (Schule), familienbezogene Merkmale und SuS-bezogene Merkmale. In Kapitel 2.2.1,2.2.2 und 2.2.3 wird genauer darauf eingegangen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Determinanten der Schulleistung (Bollag & Gasser, 2014)

2.2.2. Lehrerbezogene Merkmale (Schule)

John Hattie (2008) hat eine evidenzbasierte Theorie entwickelt, die ausgehend von empirischen Er­gebnissen versucht ein fundiertes Lehr-Lern-Model, als „Visible Learning“ bezeichnet, zu entwickeln. Ausgehend von „What works best“, also was wirkt nachweislich auf den Lernzuwachs, was funktio­niert, was funktioniert am besten, sagt diese Metastudie aus 50'000 Studien etwas über den Erfolg einer Massnahme aus. Interessant sind für die weitere Arbeit hauptsächlich Faktoren die einen gros­sen Effekt auf den Lernzuwachs haben. Die Effektstärke d sagt etwas über den Erfolg einer Mass­nahme aus und in der Studie werden die Werte d > 0.60 als grosse Effektstärken angeschaut.

Tabelle 1: Ausprägungen der Effektstärke d (vgl. Ganzer & Berger, 2013, S. 3)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Hattie hat die 138 Faktoren in folgende Domänen zusammengefasst: Schule und Organisation, Fami­lie und soziale Herkunft sowie Curricula. Bei den untersuchten Bereichen hat sich gezeigt, dass Leh­rerinnen und Lehrer mit einem Wert d = 0.47 den grössten Einfluss auf den Lernzuwachs von SuS haben.

Tabelle 2: Untersuchte Bereiche (vgl. Ganzer & Berger, 2013, S. 3)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die folgende Tabelle zeigt chronologisch diese Faktoren, welche den größten Einfluss auf den Lerner­folg zeigten und zu einem nachweislich grossen Lernzuwachs führen.

Tabelle 3: Entscheidende Wirkfaktoren (vgl. Ganzer & Berger, 2013, S. 4)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Da alle Wirkfaktoren direkt oder indirekt mit der Lehrperson in Zusammenhang stehen, ist es den Au­toren wichtig darauf einzugehen.

Ganzer und Berger (2013) beschreiben die Selbsteinschätzung, d. h. Lernende können ihre eigenen Leistungen einschätzen, mit d = 1.44 als den grössten Wirkfaktor. Voraussetzungen sind, dass Lehr­personen Kompetenzen formulieren, diese transparent machen und mit ihnen gemeinsam arbeiten, Lernende in den Prozess einbinden sowie den SuS Selbstvertrauen vermitteln, so dass sie sich selbst hohe Ziele setzen und erreichen können. Lehrpersonen sollen stets darauf achten, dass die Selbst­einschätzung der SuS realistisch ist. Die formative Evaluation beinhaltet die Anknüpfung auf das Vor­wissen und steht in der Werteskala mit einem Wert von d = 0.90 auf dem 2. Platz. Sie erfolgt unter­richtsbegleitend und prozessorientiert. Lehrpersonen haben einzelne SuS im Fokus und sie basiert auf von SuS erstelltem Material und beinhaltet alle Formen der Leistungsverwertung. Sie dient den Lehrpersonen dazu, ihren Unterricht auf der Basis dieser Rückmeldung weiterzuentwickeln und wird als Bewertung und Verbesserung eines Prozesses in Bezug der einzelnen SuS verstanden. Die Klar­heit der Lehrperson, mit d = 0.75 an dritter Stelle, nimmt einen entscheidenden Einfluss auf den Lern­zuwachs der SuS. Durch ein effektives und klares Handeln der Lehrperson werden klare Auffassun­gen dieser Kernaufgabe verkörpert. Ganzer und Berger sind davon überzeugt, dass bei allen Lernen­den Fortschritte möglich sind und Leistungen aller verändert werden können, indem die Lehrpersonen förderliche Feedbacks (d = 0.73) geben und dadurch Einsatz, Klarheit und Engagement der SuS die Folge ist. Die Lehrer-Schüler-Beziehung steht auf dem fünften Platz und soll gekennzeichnet sein durch aufgabenbezogenes Rollenverständnis, einen personenzentrierten Bezug, Respekt für das was SuS mitbringen sowie Empathie. Lernstrategien und Metakognition umschreiben die Organisations­strategien und sind dafür zuständig, Wissen zu organisieren und Verknüpfungen herzustellen. Mit Elaborationsstrategien, wie Fragen stellen und beantworten, reformulieren, zusammenfassen, Esels­brücken schaffen oder Vorstellungsbilder erzeugen, zeigt die Lehrperson den SuS wie sie an das Vorwissen anknüpfen können oder durch Wiederholungsstrategien zu memorieren und auswendig zu lernen. Die Faktoren Lernintentionen und Ziele liegen zwar knapp unter dem Wert eines grossen Ein­flusses, sie liegen aber immer noch im Bereich eines moderaten Lerneffekts und wesentlich über dem „hinge point“. Lernintentionen beschreiben, was im Hinblick auf die SuS innerhalb des Unterrichts bezüglich Fähigkeit, Wissen, Einstellungen und Werte zu erreichen versucht wird. Von den Lehrper­sonen hängt viel davon ab, ob sich SuS ihren Herausforderungen stellen. Komplexe Ziele führen im Vergleich zu einfachen zu höherem Lernzuwachs. Kompetenzen sind zentrale Stellschrauben, lassen sich überprüfen und machen Lernen folglich sichtbar. Dadurch können Lehrpersonen Kompetenzen transparent machen, indem sie die erreichten Ziele veranschaulichen. SuS erkennen dadurch welche Kompetenzen sie erreichen, sie können Ziele besser nachvollziehen und mehr über ihr eigenes Ler­nen erfahren (vgl. Ganzer & Berger, 2013, S. 1-12).1

Alle diese Wirkfaktoren beeinflussen schliesslich das Selbstkonzept aller SuS und damit die Frage nach dem Einfluss auf die schulische Leistung. Untersuchungen zwischen Selbstkonzeptvariablen und Leistungsmass sind zentral in der Selbstkonzeptforschung. Hansford und Hattie haben dies schon 1982 untersucht. Es stellt sich die Frage, ob ein starkes Selbstkonzept schulische Leistung verbessert ("self-enhancement") oder bewirken gute schulische Leistungen ein stärkeres Selbstkonzept ("skill­development") (vgl. König, 2006, S. 75). Die Forschung konnte bisher noch keine eindeutige Kausal­richtung finden. Nach Huang (2011) von der University of Education in Taiwan braucht es von schuli­scher Seite her die Kombination von Programmen zur Verbesserung des Selbstkonzepts als auch Programme zur Verbesserung der eigenen schulischen Kompetenzen zur Steigerung der schulischen Leistung. Seine Untersuchungen haben ergeben, dass das akademische Selbstkonzept die schuli­sche Leistung beeinflusst aber auch umgekehrt (vgl. Huang, 2011, S. 505). Im Laufe der Grundschule nimmt der Zusammenhang zwischen Selbstkonzept und Schulleistung zu, was diverse Autoren mit ihren Studien belegen (vgl. Zeinz, 2006, S. 29). Es wurde beobachtet, dass Klassen mit geringem Zusammenhang von Selbstkonzept und Leistung mehr Freiheitsspielräume gewährt werden. „Die gewährten Freiheitsspielräume sind offensichtlich die entscheidende „Stellschraube“, mit denen der Zusammenhang zwischen Leistung und Selbstkonzept beeinflusst werden kann“ (Kammermeyer & Martschinke, 2003, S. 499).

Nebst den Noten und dem Leistungsvergleich hat die Schule, die Lehrperson und die Peergroup einen grossen prägenden Charakter auf das auszubildende akademische Selbstkonzept der SuS. Lehrper­sonen müssen sich bewusst sein, dass nicht nur Noten, sondern direkte Aussagen gegenüber dem Kind einen prägenden Charakter auf dessen Selbstkonzept haben. Der Einfluss von Leistungsrück­meldungen auf das akademische Selbstkonzept beschreibt Festinger (1954) in seiner Theorie der sozialen Vergleichsprozesse. Ebenso selbstkonzeptwirksam ist die allgemeine Wertschätzung der Lehrperson gegenüber eines Schülers oder einer Schülerin. Persönliche Affinitäten bezüglich Ausse­hen, Geschlecht oder sozialer Herkunft haben keinen Platz in der Schule. Die Macht der Schule hat einen entscheidenden Einfluss auf das akademische Selbstkonzept und schliesslich auf die Schulkar­riere jedes Individuums. Rosenholtz und Simpson (1984) unterscheiden in ihren Theorien zwischen „eindimensionalen“ und „mehrdimensionalen“ Klassen. Eindimensionale Klassen sollen soziale Ver­gleiche unter den SuS erleichtern und damit einen direkten Einfluss auf den Zusammenhang zwischen Leistung und Selbstkonzept haben (vgl. Kammermeyer & Martschinke, 2003, S. 489).

"Selbstkonzept" wird als Summe der Wahrnehmung eines Individuums über sich selbst bezeichnet, welche im Gedächtnis abgespeichert wurden. Diese besteht zum Beispiel aus Kognitionen wie Intelli­genz, Pünktlichkeit und Fleiss. In der Forschung wird darüber diskutiert, ob man das Selbstkonzept getrennt vom Selbstwertgefühl untersuchen kann. Unter "Selbstkonzept" werden Selbstbeschreibun­gen verstanden und unter "Selbstwertgefühl" versteht man Selbstbewertungen. Marsh (1986) ist der Auffassung, dass sich diese zwei Komponenten nicht getrennt voneinander untersuchen lassen, an- dere Forscher wiederum verteidigen die konträre Haltung, dass ganz klar unterschieden werden muss. In der Psychologie wird der Begriff "Selbstkonzept" weniger verwendet, da vorwiegend die Be­gabungen und Fähigkeiten im Mittelpunkt stehen. Meyer (1984) spricht deshalb von einem Bega- bungs- oder Fähigkeitskonzept. Verwandte Begriffe wie Selbstbild, Selbstwertgefühl und Selbstein­schätzung werden unterschiedlich gebraucht. Dies liegt daran, dass sich die Selbstkonzept-Forschung uneins ist, was die Begriffsdefinition anbelangt. Wie im Selbstkonzept-Modell nach Shavelson be­schrieben, lässt sich das allgemeine Selbstkonzept in das akademische Selbstkonzept und das nicht­akademische Selbstkonzept unterteilen. Letzteres besteht aus dem emotionalen-, sozialen- und phy­sischen Selbstkonzept. Das akademische Selbstkonzept, welches im deutschen Sprachraum auch als "schulisches Leistungs-Selbstkonzept" oder "Selbstkonzept schulischer Fähigkeiten" definiert wird, lässt sich in Fächer aufteilen wie zum Beispiel Mathematik oder Deutsch (vgl. König, J. 2006, S. 72­74).2

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Für Hattie ist das Lernmodell von Biggs und Collins (1982), welches das Lernen mit mehreren Ebenen charakterisiert, von Wichtigkeit. Beim Faktenwissen sollen sich Lernende erst mit der Disziplin vertraut machen, um dann darin Probleme lösen zu können. Das konzeptuelle Wissen ist für die Erkennung von Zusammenhängen zwischen Elementen verantwortlich. Im prozeduralen Wissen sollen Methoden gelernt und dann angewendet werden. Auch das metakognitive Wissen, Wissen über das Verstehen, selbstreflexiv anwenden zu können, ist von grosser Relevanz (vgl. Steffens & Höfer, 2012, S. 6). Der Abruf der gespeicherten Informationen aus dem Langzeitgedächtnis und die Bereithaltung dieser In­formationen durch eine Aktivierung neuronaler Verbindungen und die gezielte Aktivierung bestimmter Wissensbestände für Lernaktivitäten, ist für ein nachhaltiges Lernen und der Vermeidung von Fehl­konzepten notwendig. Um neue Inhalte zu verstehen, müssen sie mit vorhandenem Wissen elaboriert und so aktivieret werden, dass eine Anpassung neuer Informationen an bestehenden Wissensstruktu­ren passieren können. Der Erwerb komplexen Wissens hängt von der Verfügbarkeit relevanter Vor­kenntnisse ab und ist somit die wichtigste Ressource beziehungsweise die beste Voraussetzung für weiteres Lernen. Ebenso beschreiben Krause und Stark (2006), dass eine Vorwissensaktivierung durch Problemorientierung sowie eine soziale Interaktion begünstigt wird. Im Unterricht eingesetzte kooperative Lernformen erfordern das Explizieren und Erläutern neuer Inhalte, was die Lernwirksam­keit durch ein gemeinsames Ziel erhöht. Daraus kann sich eine individuelle Verantwortlichkeit einzel­ner Lernenden entwickeln und die Gruppenleistung begünstigen, was wiederum das Erkennen von Fehlkonzepten und Wissenslücken zur Folge haben kann (Krause & Stark, 2006, S. 45-46). Das Lern­klima gehört zu einer der zentralen Unterrichtsfaktoren, wobei neben der Lehrperson und deren Be­ziehung zu den SuS die Qualität der Interaktion, was beispielsweise Empathie, Respekt, Ermutigung, Engagement sowie Leistungserwartungen beinhaltet, eine grosse Rolle spielt. Auch hier sind Lehren­de zentral, wobei ihr Handeln, wie bereits in Kapitel 2.2 beschrieben wurde, für die Beziehung zu den SuS entscheidend ist und zu den entscheidenden Einflüssen des Lernerfolgs zählt. Werden im Unter­richt auch Zusammenarbeit, soziales Miteinander und Toleranz gross geschrieben, entstehen gegen­seitige Hilfestellungen und positive Beziehungen zwischen den SuS wie auch zwischen Lehrenden und Lernenden. Dies führt dazu, dass sich SuS angenommen fühlen und sie spüren das ihnen entge­gengebrachte Zutrauen. Laut Hattie herrscht in Klassen mit personenzentrierten Lehrpersonen mehr Respekt gegenüber sich selbst und den Mitschülerinnen und Mitschülern, mehr Engagement, mehr schülerinitiierte und selbstregulierte Aktivitäten, weniger abweichendes Verhalten und mehr fachliche Lernerfolge und ein positiver akademisches Selbstkonzept kann entstehen (vgl. Steffens & Höfer, 2012, S. 19). Aber auch Gleichaltrige (Peers) können schulisches Lernen unterstützen jedoch auch ungünstig beeinflussen. Wohlbefinden (Freizeit, soziale Kontakte, etc.) hat bei Kindern und Jugendli­chen heutzutage einen hohen Stellenwert, was sich oft mit der Anstrengung des Lernens beisst. Ein Konflikt entsteht und ohne die aktive Rolle der Lernenden stellt sich der Lernerfolg nicht ein und SuS müssen auch dann Lernen, wenn der Spassfaktor fehlt. Die Schule hat zwar einen grossen Einfluss auf die Motivation, ist aber nicht alleine dafür verantwortlich. Diesem Zielkonflikt begegnen SuS mit verschiedenen Strategien. Einerseits kommt es nun neben der Lernzielorientierung auf die Gewissen­haftigkeit und Motivation der individuellen SuS an (vgl. Moser, 2012, Seite 15). Schulstrukturen und Zusammensetzungen sollen eher eine untergeordnete Bedeutung haben, sie sind allerdings nur dann bedeutungslos, wenn die Wirkung auf den Durchschnitt überprüft wird. Für jeden einzelnen SuS in der Gruppe ist die Klassenzusammensetzung allerdings sehr bedeutsam und ausschlaggebend für die soziale Integration. Werden SuS bezüglich ihrer Fähigkeiten sowie lernbiographischer Vergangenheit gruppiert, entstehen unterschiedliche Entwicklungsniveaus. Für Gymnasiasten mag dies ein Vorteil für ein leistungsfreundlicheres Lernklima sein, bei tiefer eingestuften SuS wird dieser Faktor eher als Nachteil gesehen. Die Zusammensetzung von Lerngruppen gehört ausserdem zu den bedeutsamsten Argumenten für die Integration von SuS mit besonderen Bedürfnissen. Durch leistungsstarke Kinder der Klasse und einem positiven Klassenklima ergibt sich für sie die schwächeren SuS ein Profit. Ängs­te was die stärkeren SuS betrifft, sind laut Moser nicht nötig:

Bislang gibt es keine Studien, die einen Nachteil der Integration auf den Lernerfolg leistungs­starker Schüler nachgewiesen hätte. Wenn die Integration allerdings verordnet und gegen den Willen der Lehrer eingeführt wird, dann besteht die Gefahr, dass die wichtigste Einflussgrösse des Lernerfolgs nicht mehr wunschgemäss zum Tragen kommt. (Moser, 2012, S. 13)

2.2.3. Fazit

In der nachfolgenden Abbildung wurden relevante Einflussfaktoren der Lehrperson auf die Schulleis­tung der SuS zusammengefasst.3

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: Lehrerbezogene Merkmale (Bollag & Gasser, 2014)

Für die Autoren ist der Einfluss auf das akademische Selbstkonzept der SuS von grosser Bedeutung. Das Fähigkeitskonzept, wie das akademische Selbstkonzept auch genannt wird, entwickelt sich wäh­rend der Schulzeit und ist mitverantwortlich für die Schullaufbahn jedes Individuums. Wie im vorange­henden Kapitel beschrieben, müssen sich Lehrende bewusst sein, dass sie und ihr Handeln unter anderem einen grossen Einfluss auf das akademische Selbstkonzept haben und dies prägen können. Diese soziale Macht, welche die Schule und Lehrpersonen auf verschiedenen Ebenen ausüben kön­nen, hat ebenfalls einen entscheidenden Einfluss auf das akademische Selbstkonzept sowie auf die Schulkarriere der einzelnen SuS. Natürlich liegen dieser Prägung auch andere Faktoren zugrunde wie beispielsweise die schulischen Leistungen, respektive in vielen Fällen, Schulnoten. Diesbezüglich ist es den Autoren ein Anliegen die Aussage von Huang (2011) noch einmal zu betonen. Er beschreibt die Beeinflussung des akademischen Selbstkonzepts und die der schulischen Leistungen als Wech­selwirkung (vgl. Huang, 2011, S. 505). Da das Selbstkonzept sich aus gemachten Erfahrungen und der Summe aus Wahrnehmungen eines Individuums in einem dynamischen Prozess bildet, müssen sich Lehrpersonen sowie Erzieher dieser Sensibilität bewusst sein. Die Lehrer-Schüler Beziehung, bzw. die Wirkung der Lehrkraft hat einen grossen Stellenwert auf das Selbstkonzept und die damit verbundene Zielerreichung der SuS. Als Hilfsmittel für die positive Beeinflussung des Lernzuwachses aber auch der Unterrichtsentwicklung dienen gegenseitige Feedbacks. Um SuS lernzielorientiert zu fördern, unterstützen und zu motivieren, ist aber die Überzeugung und Klarheit der Lehrkraft, und der Glaube an die Kompetenz der SuS notwendig. Diese Fremdeinschätzung beeinflusst wiederum die Kompetenz der Selbsteinschätzung der SuS, welche einen sehr grossen Wirkfaktor aufweist. Im Un­terricht begünstigt ein empathisches und respektvolles Interagieren das Lernklima und zeigt ein vor­bildliches Handeln auf, was sich auf die SuS abfärben kann. Durch Grundeinstellungen der Zusam­menarbeit aber auch einem toleranten Miteinander entstehen positive Beziehungen und beeinflussen den Lernerfolg positiv. Diese Vorbildfunktion ist sehr wichtig, denn Gleichaltrige können durch Peers das Lernen günstig oder eben auch ungünstig beeinflussen und ist für Individuen von Klassenzusam­mensetzungen relevant für die soziale Integration. Krause und Stark (2006) beschreiben sogar, dass die soziale Integration neben einer Problemorientierung die Vorwissensaktivierung begünstigt. Dies macht heutzutage den Einsatz von kooperativen Lernformen unumgänglich. Einerseits wird durch ein gemeinsames Ziel die Lernwirksamkeit erhöht, andererseits geht der Fokus auf die einzelnen SuS aber nicht verloren. Denn der Fokus auf den Lernzuwachs einzelner SuS ist laut Hatties Studie (2008) massgebend für den Lernzuwachs. SuS sollen gestärkt werden, aber ganz klar müssen zu erreichen­de Anforderungen festgelegt werden damit sie im Anschluss auf Erreichbarkeit kontrolliert werden können. So ist es möglich im Anschluss die Lücken zu füllen. Dies beschreibt er umfassend in 5 zent­ralen Aspekten des „Visible Learnings“. Wenn die Integration allerdings verordnet und gegen den Wil­len der Lehrpersonen eingeführt wird, dann besteht die Gefahr, dass die wichtigste Einflussgrösse des Lernerfolgs nicht mehr wunschgemäss zum Tragen kommt.“ (vgl. Moser, 2012, Seite 13)

2.2.4. Heilpädagogische Relevanz:

Aus heilpädagogischer Sicht ist es bei allen SuS mit besonderen Bedürfnissen von grosser Wichtig­keit, die beschriebenen Einflussfaktoren bei der Erstellung der Förderplanung zu diskutieren und eine bestimmte Auswahl der beschriebenen Einflussfaktoren zur Unterstützung der Förderung auszuwäh­len. Welche Faktoren am ehesten wirksam sind, hängt ganz von der Beeinträchtigung des Kindes bzw. des Förderplans ab. Die Stärkung des akademischen Selbstkonzepts ist gerade bei Kindern mit einer Beeinträchtigung ein enorm wichtiger Faktor. Durch bestimmte Grundvoraussetzungen sind diese SuS benachteiligt und sehen sich im Vergleich mit den Kindern ohne eine Beeinträchtigung minder Wert, was sich auf das Selbstkonzept auswirkt. Dies beeinflusst nicht nur die Schulkarriere sondern die Einstellung zu sich selber. Die Heilpädagogik muss sich bewusst mit diesem Thema aus­einandersetzen, wie man das akademische Selbstkonzept positiv beeinflussen kann. Gerade in der Integration soll verhindert werden, dass die obligatorische Notengebung oder der Vergleich in der Peergroup überhand nimmt und das Selbstkonzept negativ beeinflussen. Verschiedene Beeinträchti­gungen gehören zur täglichen Realität der Kinder, weshalb die Stärkung des Selbstkonzepts ebenso zur täglichen Realität gehören sollte. Ziel der Lehrenden muss sein, allen SuS zu vermitteln, dass jedes Kind, egal ob mit oder ohne Beeinträchtigung, den gleichen Wert in der Gesellschaft hat.

2.2.5. Familienbezogene Merkmale

Psychoanalytiker (unter anderem Freud und Adler), Soziologen und Ethnologen beschäftigen sich eingehend mit der kindlichen Entwicklung unter dem Aspekt der Prägung durch die Umwelt (vgl. Rank, 1962, S. 10). Beziehungen von Kindern und Jugendlichen zu ihrer individuellen Umwelt sind meistens eng, deshalb können folgende Faktoren des häuslichen Milieus Schulleistungen massgebend beein­flussen: Beruf der Eltern, Berufstätigkeit der Mutter, soziale Lage, Kinderzahl aber auch der Zusam­menhalt der Familie. Hoffnungen und Erwartungen seitens der Eltern sowie die Kompetenz der Schul­sprache beschreibt Hattie als die zentralen Einflüsse des Elternhauses auf das Lernen der SuS und können somit nährende aber durch Vernachlässigung auch schädigende Wirkung ausüben. Durch das Nichtbeherrschen der Sprache sind Eltern nicht in der Lage Vorteile zu sichern oder ihre Erwartungen zu kommunizieren. Dies kann ein bedeutendes Hindernis für den Beitrag des Elternhauses auf die Leistung des Kindes haben (vgl. Hattie, 2013, S. 40). Der Einfluss der Eltern oder Familie auf das akademische Selbstkonzept des Kindes darf nicht unterschätzt werden. Wie weit das Kind sich die­sem Einfluss entziehen kann oder nicht, ist verschieden. Ganz entziehen kann sich kein Kind. Grund­sätzlich gehen wir davon aus, dass Eltern bezüglich des Schulerfolgs nur das Beste für ihre Kinder möchten.

Eltern denken, es sei wichtig, ihre Kinder zu loben und ihnen zu sagen, wie klug und gross­artig sie seien. Sie denken, permanentes Lob sei wie ein Schutzengel, es bewahre ihre Kin­der davor, sich selber gering zu schätzen. Doch oft bewirken sie mit hilfreich gemeinten Ur­teilen, Lektionen und Motivationstechniken das Gegenteil. (Dweck, 2007, S. 201)

Unumgänglich werden unterschwellige Botschaften von den Eltern vermittelt. Kinder sind sehr offen für diese Botschaften, welche das Selbstkonzept negativ beeinflussen können. Nach Carole Dweck, Professorin für Psychologie an der Stanford University, gilt es zwischen unterschwelligen Botschaften, die statische Einstellung vermitteln und den dynamischen Einstellungen zu unterscheiden. Unter stati­scher Einstellung versteht Dweck, dass die SuS davon überzeugt seien, mit ihren Eigenschaften ge­boren zu sein und sie dies nicht ändern können. Bei einem dynamischen Selbstbild hingegen glauben die SuS an die Veränderung und Entwicklung ihrer Eigenschaften.

Eltern üben eine Vorbildfunktion gegenüber ihren Kindern aus. Ihre Haltung gegenüber der Schule oder der Einfluss des eigenen akademischen Selbstkonzepts wird von den Kindern nach dem Prinzip des „Modellernens“ nach Bandura (2001) imitiert. Im Rahmen der Pisa-Studie wurde eine hohe Korre­lation zwischen sozioökonomischem Status und der schulischen Leistung der SuS statuiert (vgl. Mar­tens, 2011, S. 4-5)

Der sozioökonomische Status beschreibt die Position in einer sozialen Hierarchie und somit die Res­sourcen wie Einkommen, Bildung und Beruf der Eltern. Laut Hatties Werten aus seiner Metastudie zeigen die 3 Effektstärken in Bezug zu den Lernleistungen der SuS einen ähnlichen Wert auf und haben somit einen deutlichen Einfluss. Kinder aus sozioökonomisch benachteiligten, also bildungsfer­nen Familien, bei denen nicht die Unterrichtssprache gesprochen wird, weisen häufig weniger Schul­erfolg und geringere Bildungslaufbahnchancen auf. Es ist anzunehmen, dass die sozioökonomischen Ressourcen hauptsächlich in der Anfangsschulzeit einen grösseren Einfluss ausüben. Das kann bei- spielsweise folgende Faktoren beinhalten: Der Mangel an Ressourcen, das geringere Mass der Betei­ligung an Unterricht und an schulischer Bildung, geringere Möglichkeiten zur Verwirklichung höherer Erwartungen und Ermunterungen sowie das Manko an Wissen bezüglich der Sprache des Lernens. Zusammengenommen kann dies bedeuten, dass Lernende aus den SoS4 5 -Gruppen bei der Einschu- lung hinter anderen zurückliegen. Ein Beweis dafür ist das Flaxmere-Projekt , welches nach der ge­zielten Einbeziehung der Eltern, ein verstärktes Engagement der SuS, Verbesserung der Leseleistun­gen, bessere Kenntnis der Sprache sowie höhere Erwartungen und Zufriedenheit zur Folge hatte. Effekte der familiären Einflüsse auf den Lernerfolg sind sehr unterschiedlich ausgefallen. Bezüglich der Familienstruktur kann allgemein die Aussage gemacht werden, dass Familien mit einem oder zwei Elternteilen kaum Unterschiede auf die Effektstärke der Lernleistung aufweisen. Bei Scheidungskin­dern konnten unter anderem geringe Effekte auf die akademische Lernleistung, dem Selbstkonzept oder den sozialen Beziehungen aufgezeigt werden. Lehrerinnen und Lehrer haben diesbezüglich kei­nen Unterschied bemerkt. Auffallend ist, dass Einzelkinder bezüglich der Lernleistung aber auch ihrer Intelligenz, höhere Werte aufweisen. Dies kann wahrscheinlich auf förderliche Faktoren der vermehr­ten Aufmerksamkeit und Sorge der Eltern zurückgeführt werden. Als relevantesten Unterschied zwi­schen Einzelkindern und Kindern aus anderen Familienstrukturen wurde die Leistungsmotivation an­gesehen. Werden Familienstrukturen in Bezug zur Berufstätigkeit der Mutter gestellt, können keine wesentlichen Unterschiede gefunden werden. Auch nicht hinsichtlich der ethnischen Zugehörigkeit oder dem Alter des Kindes. Somit kann zusammenfassend die Aussage gemacht werden, dass es für die Lernleistung unwichtig ist, ob Mütter arbeiten oder nicht. Neben der sozialen Position trägt die Binnenstruktur einer Familie einen grossen Teil bei. Wie schon zuvor erwähnt, gehört das häusliche Anregungsniveau, wie beispielsweise die intellektuelle Stimulation, zu den wichtigen Einflussfaktoren des Elternhauses. Bei der Lernunterstützung muss jedoch wieder unterschieden werden, da eine ho­he Varianz besteht. Effekte können negativ geprägt sein, wenn sie einen überwachenden Ansatz ver­folgen. Wesentlich höher sind die Auswirkungen, wenn die elterlichen Wünsche und Erwartungen durch sie kommuniziert werden. Dies wird sogar als wichtigster Einfluss bezüglich des Elternhauses auf die Lernleistung der Kinder angeschaut. Eltern die einen aktiven Ansatz beim Lernen verfolgen und damit eine unterstützende Atmosphäre schaffen, bewirken damit viel mehr als Eltern die als Kon­trollinstanz auftreten.

Je höher die Hoffnungen und Erwartungen der Eltern in Bezug auf das, was das Kind leisten kann, sind, desto höher sind auch die eigenen Erwartungen des Kindes und desto höher ist am Ende auch die tatsächlich vom Kind erzielte akademische Lernleistung. (Hong & Ho, 2005, S. 40)

Da Eltern mit ihren Kindern durchschnittlich weniger Mathematik als Lesen üben, treten fachlich gese­hen im Lesen stärkere Effekte auf. Kurz gesagt erzeugen Eltern durch Ermutigung und der aktiveren Formulierung von Erwartungen grosse Effekte und haben in Bezug auf das Elternhaus den grössten Einfluss auf die Schulleistung der Kinder. Diese Faktoren sind viel relevanter als einige strukturelle Faktoren des Elternhauses (wie zu Beispiel Familien, wo der Vater anwesend ist oder nicht; Familien mit einem oder zwei Elternteilen; nicht adoptierte oder adoptierte Kinder). Deshalb sollten Schulen Eltern dazu animieren, Hoffnungen und Erwartungen aufzubringen und partnerschaftlich mit ihnen zusammenarbeiten (vgl. Hattie, 2013, S. 73-84).

Urs Vögeli-Mantovani (2008) von der schweizerischen Koordinationsstelle für Bildungsforschung SKBF erläutert Gründe und Lösungsansätze für Schulerfolg, beeinflusst durch das Elternhaus, folgen­dermassen. Die 4 Faktoren Erwartungen und Werte, Stimulation, Erziehungsstil sowie Attributionsstil6 vom Elternhaus beeinflussen die Lernleistung der SuS am wesentlichsten. Eltern können viel dazu beitragen, wenn sie ihren Kinder den Zugang zu Büchern ermöglichen und Gespräche über das Gele­sene führen. Dies kann zu geistiger Anregung führen. Von grosser Wichtigkeit ist unter anderem auch die Unterstützung bei den Hausaufgaben, es sollte keine Kontrolle stattfinden, sondern eher eine Selbständigkeit respektierende Unterstützung angeboten werden. Eine nichtdirekte Unterstützung bei den Hausaufgaben wirkt sich günstiger auf den Schulerfolg aus. Menge, Art und Häufigkeit scheinen allerdings geringeren Einfluss auszuüben. Ebenso wirkt sich die hohe elterliche Leistungserwartung positiv auf die Leistung und den Schulerfolg aus. Diesbezüglich ist eine autoritative Erziehung förder­lich. Diese ist nicht zu verwechseln mit einem autoritären Erziehungsstil. Eltern, welche ihre Kinder autoritativ erziehen, üben durch eine federführende Position und dem Einsatz von Erziehungsmitteln sowie Regeln zwar ein hohes Mass an Autorität aus, gehen aber mit emotionaler Wärme, Akzeptanz und Kommunikationsbereitschaft liebevoll auf sie ein. Dies bezweckt die Fähigkeit zu Empathie und durch Lob sowie Ermutigungen erhoffen sich Erzieher, dass das Kind ihnen freiwillig folgt. Die bis jetzt erwähnten Faktoren gehören mehrheitlich zu primären Effekten. Gründe für die Existenz ungleicher Bildungschancen liegen nicht nur in der Familie sondern auch in der Schule und im Bildungssystem. Sekundäre Effekte, wie beispielsweise die Bildungsbeteiligung oder Bildungswahlentscheide, können sich negativ auf die Chancen bei Eintritten oder Übertritten in Schulsysteme auswirken. Tendenziell werden SuS aus SoS-benachteiligten Familien tieferen Schultypen zugewiesen, da einerseits Lauf­bahnentscheidungen und andererseits Zuweisungsempfehlungen der Lehrpersonen eine grosse Rolle spielen. Eltern mit niedrigem SoS treffen bezüglich der Bildungs- und Laufbahnentscheidungen ande­re Entscheidungen als Eltern mit einem höheren Status. Leider entsprechen diese Verzerrungen der Leistungsfähigkeit durch Herkunft oder Geschlecht der SuS, nicht zwingend dem wirklichen Leis­tungspotential (vgl. Vögeli, 2008, S. 18-21). Das Bildungsmonitoring 2014 zeigt unter anderem auf, dass die Schweiz bezüglich der Chancengleichheit besser da steht als die Nachbarländer, aber trotz­dem gelangen SuS aus Akademikerfamilien häufiger zu einem Hochschulabschluss und somit besteht ein Chancenungleichheitsproblem. Ein Beweis dafür sind für den Bildungsmonitoring-Projektleiter folgende Werte: Weniger als zehn Prozent der SuS mit benachteiligtem SoS gehören in Gymnasien zu den schlechten Schülerinnen und Schülern, bei Gymnasiastinnen und Gymnasiasten aus privile- giertem SoS um die dreissig Prozent. Bildungsmonitoring-Projektleiter Stefan C. Wolter äussert sich dazu folgendermassen: „Aus der privilegierten Schicht ist also ein Drittel am Gymnasium, obwohl sie nicht dahin gehören“ (vgl. Tagesanzeiger, Artikel: Noch nie gab es in der Schweiz so wenige Schüler, 11.2.2014). Wie bereits in den Kapiteln 2.2 und 2.2.1 erwähnt, zeigt Hatties Forschungsbilanz unter anderem, dass Vorwissen zu den wichtigsten Einflussfaktoren der Leistung gehören und als Voraus­setzung neuen Wissenserwerbs gilt. Beim Lernen wird vorhandenes Wissen über die Aktivierung vor­handener neuronaler Verknüpfungen abgerufen. Diese Vorwissensaktivierung kommt im Anschluss der Gedächtnisleistung und dem Lernen neuer Informationen zugute. Der Erwerb von neuem Wissen muss also unbedingt mit existentem Wissen kombiniert werden. Je umfangreicher und vernetzter das Wissen vorliegt, desto schneller und effektiver kann gelernt werden. Es bieten sich vielfältige Anknüp­fungspunkte für neue Informationen. Dieser Fall wird oft als „Matthäus-Prinzip“ bezeichnet: „Wer da hat, dem wird gegeben“ (Krause & Stark, 2006, S. 39-41).

Intelligente Lernende bauen beim Aufbau von Beziehungen und Regelhaftigkeiten Wissen schneller auf. Trotzdem ist die Aktivierung des Vorwissens relevanter als Intelligenz und spielen für den Wis­senserwerb eine zentrale Rolle (Krause & Stark, 2006, S. 38). Die Vielzahl von Wissenskonstruktio­nen und Weltbildern der SuS können auch zu Fehlbildern und unvollständigen Konzeptvorstellungen führen, was die weitere Konstruktion von Wissen sowie einen Lernerfolg erschwert (vgl. Steffens & Höfer, 2012, S. 5). Hierzu sind die Dimensionen der Wissenschaftlichkeit und Repräsentation von Krause und Stark relevant. Erlebnisse im Alltag entwickeln subjektive Erfahrungen und Zusammen­hänge und dieses Vorwissen stimmt nicht immer mit wissenschaftlichem Wissen überein, was zu Fehlkonzepten und Klischeevorstellungen führen kann. Wissenskomponenten können zwar stark ver­netzt, aber auch als Inseln vorhanden sein. Je besser das Wissen vernetzt ist, desto besser kann es abgerufen werden (Krause & Stark, 2006, S. 39-41). Bekanntlich trägt der familiäre Hintergrund we­sentlich zur Entwicklung und zum Schulerfolg von Kindern bei, diesbezüglich lastet eine grosse Ver­antwortung auf den Eltern, da die Entwicklung des Vorwissens ein dynamischer Prozess ist und schon im Vorschulalter beginnt. Die Vorbereitung der Eltern auf die Schule passiert in unterschiedlichem Ausmass, der familiäre Hintergrund hat also grossen Einfluss auf vorhandenes Wissen, so dass Kin­der in der Schule mit unterschiedlich viel Vorwissen lernen. Dieses Kriterium wird für den Lernerfolg als wichtig angesehen. Bourdieu (2001) nimmt an, alle Menschen haben verwandte physiologische Voraussetzungen zum Lernen. Primär wird der Lernerfolg durch die familiäre Herkunft, deren Einstel­lung und Einfluss auf das Vorwissen beeinflusst (vgl. Spägele & Flintjer, 2011, Website Uni Münster). Die Einschulung mit unterschiedlichem Vorwissen ist über Vor- und Nachteile schon im Vorschulalter nachweisbar und diese Unterschiede bleiben im Verlauf der Schulzeit weitgehend bestehen (vgl. Neuenschwander et al., 2004, S. 32).

Helmke & Weinert (1997) haben basierend auf dem theoretischen und empirischen For­schungsstand vier Funktionen des Elternverhaltens unterschieden: Stimulation, Instruktion, Motivation und Imitation. Eltern stimulieren Lernprozesse als Gesprächspartner, aber auch als Gestalter der Entwicklungsumwelt der Kinder. Sie lehren direkt, indem sie den Kindern neues Wissen vermitteln. Sie motivieren Kinder durch ihre Erwartungen und Werthaltungen. Sie bil­den aber auch Vorbilder, die von den Kindern nachgeahmt werden. (vgl. Neuenschwander et al., 2004, S. 32) sönlichkeitsdimensionen in hohem Mass vererbt, als stabil angesehen und verhelfen den SuS eher zu guten Leistungen, schulischem Erfolg sowie höheren Ausbildungsabschlüssen. Es ist anzunehmen, dass der Pygmalioneffekt7 sich nicht nur durch die Lehrererwartungen zeigen kann, sondern auch durch das engere Eltern-Kind Verhältnis, denn Attributionen haben besonders dann einen starken Effekt, wenn die Beziehung eng ist (vgl. Neuenschwander et al., 2004, S. 30-33).

2.2.7.Heilpädagogische Relevanz

Kinder mit besonderen Bedürfnissen sind darauf angewiesen, dass ihre Eltern die Beeinträchtigung oder den besonderen Förderbedarf des Kindes akzeptieren. Es kommt nicht selten vor, dass Eltern Schwierigkeiten oder Defizite bezüglich ihres Kindes nicht sehen, nicht sehen wollen oder nicht in der Lage sind diese zu akzeptieren. Sollte dies der Fall sein, ist der negative Einfluss der Familie auf die Förderung des Kindes in vielen Fällen vorprogrammiert. Alltagserfahrungen zeigen, dass Erwartungen an die Kinder gestellt werden, die für die betroffenen SuS unerreichbar sind. SuS müssen von den Eltern aus Zusatzaufgaben lösen und überschreiten daher oft die sinnvolle Aufgabenzeit. Das Selbst­konzept wird geschwächt, indem den Kindern verständlich gemacht wird, dass sie trotz ihrem Mehr­aufwand den Leistungen nicht entsprechen. Dabei kommt es nicht selten vor, dass die SuS mit einer Lernverweigerung reagieren und die Förderung so gehemmt wird. Es ist aber auch bei Eltern, welche die Behinderung ihres Kindes akzeptieren Vorsicht geboten. Diese Einsicht allein genügt nicht um das Kind richtig zu fördern.

Um diesen erwähnten Gefahren positiv zu begegnen, ist es wichtig im Bereich der Frühförderung ausgebildetes Fachpersonal zu kontaktieren und die Kinder vor der obligatorischen Schulzeit zu för­dern. Wie schon in Kapitel 2.2 erwähnt, ist das Vorwissen, welches die Kinder mit in die Primarschule bringen von grosser Wichtigkeit. Diese Tatsache ändert sich nicht, nur weil ein Kind sich nicht der Norm entsprechend entwickelt. Aber auch während der Schulzeit ist die Zusammenarbeit und der Einbezug der Eltern enorm wichtig. Transparenz in Bezug auf die Förderung verhindert nicht nur die erwähnte Überforderung sondern auch Unterforderung. Denn gerade auch Kinder mit einer Beein­trächtigung sind darauf angewiesen, dass ihre Eltern, wie bei einem nicht-beeinträchtigten Kind, Er­wartungen an die Leistung ihres Kindes haben und diese auch formulieren. Es ist wichtig, dass Eltern ihren Kindern etwas zutrauen und so zu Fortschritten verhelfen. Der regelmässige Austausch zwi­schen den Eltern und den jeweiligen Lehrpersonen soll eine optimale Förderung in der Schule und zuhause ermöglichen.

[...]


1 Wegen der Leser- und Leserinnenfreundlichkeit wird im Folgenden die Bezeichnung SuS für Schülerinnen und Schüler ver­wendet.

2 Die Effektstärke bezeichnet ein statistisches Maß, das die Größe eines Effektes angibt.

3 Hattie stellte fest, das der durchschnittliche Effekt aller Einflussgrößen, die er untersuchte, 0.40 beträgt. Er entschied sich deshalb dafür, den Erfolg von schulischen Interventionen auf den Lernerfolg relativ zu diesem ‘hinge point' zu bewerten, um eine Antwort auf die Frage zu finden “Was bringt wirklich etwas in Bezug auf den Lernerfolg?” (vgl. Ganzer & Berger, 2013, S. 1-12).

4 Sozioökonomischer Status

5 Clinton, Hattie & Dixon (2007) sagen: „In einer fünfjährigen Evaluation von fünf Schulen mit dem niedrigsten SoS in Neusee­land haben wir wichtige Auswirkungen davon ausfindig machen können, was passiert, wenn man den Eltern die Sprache der Schulausbildung vermittelt“ (S. 75).

6 Relativ zeitstabile Tendenz einer Person über verschiedene Situationen hinweg bestimmte Erklärungsmuster zu verwenden. (Bsp. Depressive Menschen weisen oft einen pessimistischen Attributionsstil auf, der darin besteht, dass sie eigene Misserfolge unabhängig davon, ob sie dafür verantwortlich sind oder nicht, auf stabile, interne und kontrollierbare Faktoren zurückführen.) (vgl. Website, Psychomentalis.de, 2014).

7 "Effekt, dass Schüler, die ihr Lehrer für intelligent hält, während der Schulzeit eine bessere Intelligenzentwicklung zeigen als Kinder, die dem Lehrer weniger intelligent zu sein scheinen" (vgl. Website, Duden Online, 2014).

Ende der Leseprobe aus 100 Seiten

Details

Titel
Einflussfaktoren auf die Schulleistung. Ein Ranking der Determinanten
Hochschule
Interkantonale Hochschule für Heilpädagogik, Zürich
Note
2
Autoren
Jahr
2014
Seiten
100
Katalognummer
V915199
ISBN (eBook)
9783346237989
ISBN (Buch)
9783346237996
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Schulleistung, Einflussfaktoren
Arbeit zitieren
Micha Bollag (Autor:in)Ronald Gasser (Autor:in), 2014, Einflussfaktoren auf die Schulleistung. Ein Ranking der Determinanten, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/915199

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