Im Sommer des Jahres 1816 trafen sich in der Villa Diodati am Genfer See fünf Personen, die entweder bereits Literaturgeschichte geschrieben hatten, oder dies noch tun sollten: Lord Byron, Percy Shelley, Mary Wollstonecraft, Claire Clairmont und John Polidori. Auch wenn zumindest zwei der genannten Personen, nämlich Byron und Shelley, nicht zuletzt wegen ihres Bekanntheitsgrades (und wohl auch wegen ihres berüchtigten Lebenswandels) von ihrem literarischen Genie überzeugt gewesen sein mochten, so waren es doch zwei andere, deren Werke jene Nacht überdauerten und zu Klassikern der Weltliteratur geworden sind. Vor allem der Name „Frankenstein“ ist zum Inbegriff des Grusels geworden. Und wenn im selben Atemzug mit Mary Shelleys Figur immer wieder der Name „Dracula“ genannt wird, so wäre dieser ohne John Polidoris Erzählung „Der Vampyr“ wohl kaum denkbar gewesen.
Man kann wohl zu Recht behaupten, dass mit dem ersten bedeutenden Auftritt des „Vampyrs“ in der Literaturgeschichte eine Welle losgetreten worden ist, deren Faszination bis in unsere Zeit hinein anhält. Mit ihm ist eine Figur geschaffen worden, die, genährt von archetypischen Vorstellungen , meiner Meinung nach selbst zu einer Art Archetypus geworden ist. In der Figur finden sich nahezu alle Eigenschaften, die C. G. Jung im Begriff der „Anima“ subsumiert, etwa das Motiv der Androgynität, der Homoerotik, der Sexualität oder des weiblichen Schöpfungsprinzips (in Verbindung mit der Kreation weiterer Vampire). Auch ist die Verknüpfung des Sukkubus-Motivs augenscheinlich, das sich schon in mythologischen Figuren wie den Nixen, den Sirenen, den Lamien, den Melusinen u.a. findet, die Jung ebenfalls mit dem Begriff der Anima in Verbindung setzt.
Der Vampir hat Eingang gefunden in unser Denken und ist nicht zuletzt deswegen ein überaus häufig verwendetes Motiv sowohl in der mehr oder minder hohen Literatur als auch im kommerziellen Bereich des Films, das bewusst oder unbewusst in unseren Köpfen umhergeistert.
Die folgenden Untersuchungen sollen einen kurzen Einblick in das „Wesen“ der Schwarzen Romantik sowie den Einfluss einer einzigen – mittlerweile bedeutenden – Nacht am Genfer See auf unsere Kulturgeschichte geben.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Bemerkungen zur „Schwarzen Romantik“
- Die Protagonisten eines schaurigen Sommers
- George Noël Gordon Byron
- Percy Bysshe Shelley
- Mary Wollstonecraft Shelley
- John William Polidori
- Claire Clairmont
- Die Geburt zweier Stars
- Frankenstein oder Der moderne Prometheus
- Der Vampyr
- Gothic schaurig schräges Meisterwerk eines Exzentrikers
- Der Regisseur
- Der Film
- Schluss
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit befasst sich mit der Geschichte des Vampirs in der Literatur und Kulturgeschichte, insbesondere mit den Anfängen dieses Motivs in der „Schwarzen Romantik“. Im Zentrum stehen die Ereignisse einer einzigen Nacht am Genfer See im Sommer 1816, die maßgeblich zur Entstehung der beiden literarischen Meisterwerke „Frankenstein“ und „Der Vampyr“ beitrugen.
- Die Bedeutung der „Schwarzen Romantik“ für die Entwicklung des Vampirmotivs
- Die Rolle der Protagonisten der Villa Diodati, insbesondere von Mary Shelley und John Polidori, bei der Entstehung von „Frankenstein“ und „Der Vampyr“
- Der Einfluss des Vampirmotivs auf die Literatur, Kunst und Kultur bis in die heutige Zeit
- Die Verbindung des Vampirmotivs mit archetypischen Vorstellungen von der „Anima“ nach C. G. Jung
- Die Bedeutung der Architektur und des Schauplatzes in der „Schwarzen Romantik“
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Die Einleitung stellt die Bedeutung des Vampirmotivs in der Literaturgeschichte dar und führt die Ereignisse der Nacht am Genfer See im Jahr 1816 ein.
- Bemerkungen zur „Schwarzen Romantik“: Dieses Kapitel definiert die „Schwarze Romantik“ als eine Spielart der romantischen Epoche des 19. Jahrhunderts und zeigt ihre Bedeutung für die Entwicklung des Vampirmotivs auf. Es werden die wichtigsten Vertreter der „Schwarzen Romantik“ sowie deren Werke vorgestellt.
- Die Protagonisten eines schaurigen Sommers: Dieses Kapitel stellt die fünf Personen vor, die sich im Sommer 1816 in der Villa Diodati am Genfer See trafen: Lord Byron, Percy Shelley, Mary Wollstonecraft Shelley, John William Polidori und Claire Clairmont.
- Die Geburt zweier Stars: Dieses Kapitel behandelt die Entstehung der beiden literarischen Werke „Frankenstein oder Der moderne Prometheus“ und „Der Vampyr“, die aus der Nacht am Genfer See hervorgingen.
- Gothic schaurig schräges Meisterwerk eines Exzentrikers: Dieses Kapitel widmet sich der Verfilmung des Romans „Der Vampyr“ durch Ken Russell im Jahr 1970.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit den Schlüsselbegriffen „Schwarze Romantik“, „Vampir“, „Frankenstein“, „Der Vampyr“, „Anima“, „Gothic Novel“, „Schauerromantik“, „Mythologie“, „Archetyp“, „Literaturgeschichte“, „Kulturgeschichte“ und „Villa Diodati“.
- Citar trabajo
- Mag. Alfons Wrann (Autor), 2007, Eine folgenreiche Nacht am Genfer See - Von John Polidori zu Ken Russell, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/91669