Untersuchungen zur mathematischen Kompetenz in der Berufsbildung


Dossier / Travail de Séminaire, 2007

52 Pages


Extrait


3. Fragestellungen zur mathematische Kompetenz

In der vorliegenden Arbeit werden die zentralen Zusammenhänge zwischen der Kompetenz im Bereich Mathematik und folgenden Merkmalen bzw. Items untersucht: (1)Motivation, (2)Lesekompetenz, (3)IQ, (4)Schulabschluss, (5)Unterrichtsform, (6)Unterrichtsorganisation und (7)Schule. Diese Merkmale stehen im Zusammenhang mit der Entwicklung der mathematischen Kompetenz in der beruflichen Grundausbildung.

Die Zusammenhänge werden mithilfe von SPSS untersucht. Die Ergebnisse dieser Arbeit geben nicht nur Auskunft darüber, in welcher Rohkorrelation die Mathematikkompetenz mit den betrachteten Variablen stehen; sie zeigen auch, inwieweit die Mathematikkompetenz mit dem jeweiligen Merkmal korreliert.

Die erste Hypothese geht davon aus, dass eine Verbindung zwischen motivationalen Faktoren und mathematischer Kompetenz existiert. Dabei kann der motivationale Faktor extrinsisch, intrinsisch oder identifiziert sein. Intrinsisch motivierte Schülerinnen und Schüler lernen vor allem aus einem innerem Antrieb heraus (z.B. aus echtem Interesse an der Mathematik). Die identifizierte und die extrinsische Motivation basieren dagegen auf äußeren Anreizen wie Lob, Noten oder Berufsperspektiven.

Hypothese1: Die Motivationen korrelieren mit der mathematischen Kompetenz. Unterschiedliche Motivationen führen zu einer unterschiedlich stark ausgeprägten mathematischen Kompetenz.

Die zweite Hypothese bezieht sich auf die Lesekompetenz, die auch für die Entwicklung der mathematischen Kompetenz verantwortlich ist.

Hypothese2: In Anlehnung an die Befunde der PISA-Studie wird von der Annahme ausgegangen, dass Lesekompetenz positiv mit mathematischer Kompetenz korreliert.

Die dritte und vierte Hypothese bauen darauf auf, dass die individuellen Voraussetzungen der Schülerinnen und Schüler und ihre Mathematikkompetenz in einer Beziehung zueinander stehen. Dabei wird untersucht, inwieweit der IQ mit der Mathematikkompetenz assoziiert ist und inwiefern der jeweilige Schulabschluss mit der mathematischen Kompetenz in Verbindung steht.

Hypothese3: Je höher der Schulabschluss, desto höher ist auch die mathematische Kompetenz.

Hypothese4: Der IQ korreliert mit der mathematischen Kompetenz.

Die nächsten beiden Hypothesen gehen davon aus, dass die mathematische Kompetenz im Rahmen verschiedener Unterrichtorganisationen und Unterrichtsformen unterschiedlich stark ansteigt.

Hypothese5: Teilzeitlich organisierter Unterricht wirkt sich im Gegensatz zum Vollzeitunterricht positiv auf die mathematischen Kompetenz der Schülerinnen und Schüler aus.

Hypothese6: Die Unterrichtsform ist neben weiteren Eingangsvoraussetzungen für die Entwicklung der mathematischen Kompetenz verantwortlich.

Die letzte Hypothese richtet ihr Augenmerk auf die Frage, ob die jeweilige Schulebene für die Entwicklung der mathematischen Kompetenz verantwortlich ist. Schulen sollen „die unmittelbaren Lernbedingungen so gestalten, dass die Schülerinnen und Schüler bedeutungsvolle Sachverhalte geistig durchdringen und verstehen können und dabei anschlussfähiges und anwendbares Wissen aufbauen“ (vgl.SINUS-Transfer Grundschule, S.1.). Scheerens/Bosker (1997) stellen in diesem Kontext zusammenfassend fest, dass es keine empirischen Belege dafür gibt, dass die Schülerleistungen von der Schulorganisation abhängen. Laut Scheerens/Bosker (1997) konnte in einigen Studien außerdem gezeigt werden, dass die Schulebene auch indirekt keinen Einfluss auf die Schülerleistung, vermittelt über die Klassenebene, hat (vgl.Scheerens/Bosker, 1997[W1].). Nur wenn eine neue Schulorganisation simultan auf Schul- und Klassenebene eingeführt wurde, ließen sich Effekte nachweisen, z.B. bei der Durchführung eines neuen Curriculums (vgl.Zeitschrift für Pädagogik, Beiheft45, S.17).

In Anlehnung an den Befund von Scheerens/Bosker (1997) wird die letzte Hypothese wie folgt formuliert:

Hypothese7: Die mathematische Kompetenz verbessert sich im Verlauf des ersten Ausbildungsjahres.

Die vorliegenden Hypothesen wurden mithilfe von SPSS auf ihre Richtigkeit hin überprüft. Die dabei gewonnenen Befunde basieren auf realen Daten, die im Rahmen des Projektseminars „Analyse der Kompetenz- und Motivationsentwicklung in der beruflichen Grundbildung“ erhoben wurden. Durchgeführt wurde das Projekt im Schuljahr 2006/2007 mit ungefähr 450Schülern (zehn Klassen KFZ-Mechatroniker und neun Klassen Elektroinstallateure). Die Zielsetzung des Projekts bestand darin zu analysieren, welchen Einfluss die Grundfaktoren auf ausgewählte Aspekte von Kompetenz und Lernmotivation haben. Hierfür wurden zu fünf verschiedenen Messzeitpunkten Erhebungen durchgeführt: zu Schuljahresanfang, dreimal während des Schuljahres und zum Ende des ersten Ausbildungsjahres. Der Test10 zur Erfassung der beruflichen Eingangskompetenz im Fach Mathematik wurde in Anlehnung an Knöll und Gschwendtner[W2] erstellt.

4. Ergebnisse

4.1 Die Motivationen korrelieren mit der mathematischen Kompetenz

Die Motivationen korrelieren mit der mathematischen Kompetenz. Die unterschiedlichen Motivationen führen zu einer unterschiedlich stark ausgeprägten mathematischen Kompetenz.

Um diese Hypothese zu verifizieren, wird die Korrelation zwischen den motivationalen Faktoren und der mathematischen Kompetenz gemessen. Dabei soll überprüft werden, ob die These von Knöll et al. zutrifft, die besagt, dass gerade die selbstbestimmten Motivationsvarianten besonders günstig sind (vgl.Knöll[W3] et al., 2007, S.399.).

Der Mathematiksummenscore wird als unabhängige Variable angenommen. Die abhängige Variable ist das Ergebnis aus dem Eingangstest im Hinblick auf die Motivation. Dabei gibt es sechs Varianten: „eamot“, „eextr“,„eintro“, „eident“, „eintrin“ und „einter“. Auch die Lernmotivation wurde mithilfe dieser sechs Varianten differenziert. Die Ergebnisse finden sich in den folgenden sechs Grafiken:

Betrachtet man den Mittelwert der sechs Lernmotivationsvarianten, lässt sich Folgendes feststellen: Der Mathematiksummenscore (Maximalwert (MW)=17) ist umso höher, je stärker die identifizierte Motivation (MW=4,83) ausgeprägt ist. Die Punkte liegen in diesem Fall nahezu auf einer Linie. Das bedeutet, dass es eine hohe Korrelation zwischen identifizierter Motivation und guten Mathematiknoten gibt. Eine starke identifizierte Motivation führt also im Schnitt zu guten Noten im Mathematiktest. Für die anderen Lernmotivationsvarianten kann man das Gleiche nicht behaupten. Im Fall der Amotivation ist der Mathematiksummenscore (MW=5) umso niedriger, je stärker die Amotivation (MW=2,5) ausgeprägt ist.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Korrelation ist auf dem Niveau von 0,01 (2-seitig) signifikant.

Abbildung4: Korrelationsergebnistabelle (Eingangstestmotivation und Mathematiksummenscore) (eigene Darstellung).

An diesem Punkt stellt sich die Frage, ob die festgestellten Unterschiede auch signifikant sind. Mithilfe der Korrelationsrechnung wird die Stärke des statistischen Zusammenhangs ermittelt. Es geht darum zu überprüfen, ob eine Korrelation zwischen den zwei Variablen (Mathematiksummenscore und Eingangstestmotivation) besteht, und wenn ja, wie stark sie ausgeprägt ist.

Eine Messzahl für die Eindeutigkeit der Korrelation ist der Korrelationskoeffizient. Der Wert des Korrelationskoeffizienten bewegt sich zwischen -1 und +1. Der Wert +1 ist dabei der Maximalwert für die extreme positive Korrelation, der Wert -1 der Maximalwert für die extreme negative Korrelation. Beträgt der Wert 0 oder bewegt sich um 0 herum, besteht keine Korrelation. Als allgemeine Faustregel für die Interpretation des Werts des Korrelationskoeffizienten im Hinblick auf die Stärke der Beziehung zwischen zwei Variablen kann folgende gelten (vgl.Albert/Koster, 2002, S.95[W5].):

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Wie die vorliegende Ausgabetabelle (Abbildung4) verdeutlicht, ist der wichtigste Wert der r-Wert. Für jede der sechs abhängigen Variablen, das heißt für jede Art von Motivation im Eingangstest, gibt es einen eigenen r-Wert mit einem entsprechenden Mathematiksummenscore. Zwischen „Eingangstest amotiviert“ und dem entsprechenden Mathematiksummenscore besteht keine Korrelation (r= -0,091). Das heißt, dass die zwei Variablen nicht korrelieren. Diese Ergebnisse widersprechen dem Befund von Röhrig: Subjektive Lernhindernisse von Schülerinnen und Schülern sind an ihrer individuellen Einstellung zum Mathematiklernen beteiligt (vgl.Röhrig, 1996, S.94.). Das heißt: Je höher die Amotivation (MW=2,5) ist, desto niedriger ist in der Regel auch der Mathematiksummenscore (MW=5). Die stärkste Korrelation (r= 0,257) besteht zwischen „Eingangstest introjizierte Motivation“ und dem dazugehörigen Mathematiksummenscore. Das bedeutet, dass zwischen den zwei Variablen zwar eine Korrelation besteht, die jedoch nicht sehr hoch ist. Die zweithöchste Korrelation (r= 0,222) besteht zwischen „Eingangstest identifizierte Motivation“ und dem entsprechenden Mathematiksummenscore. Zwischen diesen zwei Variablen gibt es eine Korrelation, die allerdings nicht so stark ausgeprägt ist wie erwartet. Im Vergleich zu den anderen Korrelationskoeffizienten lässt sich feststellen, dass sich ein selbstbestimmt-motiviertes Lernen, z.B. im Sinne eines identifizierten bzw. introjizierten Lernens, positiv auf die mathematische Kompetenz auswirkt.

Nach dieser erstmaligen Überprüfung wird nun die zweite Mathematiksummenscore als unabhängige Variable angenommen. Als abhängige Variable fungiert das Ergebnis im Abschlusstest in Abhängigkeit von der jeweiligen Lernmotivation, die wiederum in die sechs bereits bekannten Subformen untergliedert ist: „z2amot“, „z2ext“, „z2intro“, „z2ident“, „z2intrin“ und „z2inter“. Die Ergebnisse finden sich in den folgenden sechs Grafiken:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung5: Zweiter Mathematiksummenscore bei unterschiedlicher Art von Motivation (eigene Darstellung[W6]).

Betrachtet man den Mittelwert der sechs Lernmotivationsvarianten, wird folgender Sachverhalt schnell offensichtlich: Der Summenscore im zweiten Mathematiktest (MW=18) fällt umso höher aus, je stärker die introjizierte Motivation (MW=4,111), die identifizierte Motivation (MW=5) und die intrinsische Motivation (MW=4,111) der Schülerinnen und Schüler ausgeprägt sind. Die Punkte bilden eine Linie; das heißt, dass ein hohes Ausmaß an introjizierter Motivation, identifizierter Motivation und intrinsischer Motivation gute Noten im Mathematiktest nach sich zieht.

[...]


10 siehe Anhang3.

[...]

Fin de l'extrait de 52 pages

Résumé des informations

Titre
Untersuchungen zur mathematischen Kompetenz in der Berufsbildung
Université
University of Stuttgart  (Institut für Erziehungswissenschaft und Psychologie )
Auteur
Année
2007
Pages
52
N° de catalogue
V91812
ISBN (ebook)
9783638057509
ISBN (Livre)
9783638948289
Taille d'un fichier
1140 KB
Langue
allemand
Annotations
Das „Programme for International Student Assessment“, kurz PISA genannt, das von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) durchgeführt wird, ist das bekannteste Programm, das zur Erfassung der Basiskompetenzen der heranwachsenden Generation durchgeführt wird. Ohne jeden Zweifel hat es eine vorher unvorstellbare Bewegung in die deutsche Bildungsdebatte gebracht. Die PISA-Studie umfasst drei Bereiche: die Lesekompetenz (Reading Literacy), die mathematische Grundbildung (Mathematical Literacy) und die naturwissenschaftliche Grundbildung (Scientific Literacy). Diese Kompetenzen decken nicht nur das Programm des Curriculums ab, sie definieren auch die Kenntnisse und Fähigkeiten, die für das Erwachsenenleben vorausgesetzt werden.
Mots clés
Untersuchungen, Kompetenz, Berufsbildung
Citation du texte
Ping Liu (Auteur), 2007, Untersuchungen zur mathematischen Kompetenz in der Berufsbildung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/91812

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