Die vorliegende Arbeit wurde im Rahmen eines Seminars an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Zürich im Frühjahr 2006 verfasst und im Hinblick auf die Publikation im Internet im Sommer 2008 aktualisiert. Inhalt:
Die am 26. März 1931 gegründete Swissair entwickelte sich zur international angesehenen Fluggesellschaft. Unter der Leitung von Philippe Bruggisser ab 1996 verschlechterte sich jedoch die finanzielle Situation des Konzerns u.a. aufgrund der Hunter-Strategie. Beim Grounding der gesamten Flugflotte Anfangs Oktober 2001 präsentierte sich die inzwischen als Konzern ausgestaltete Airline als eine komplex verschachtelte und kaum zu überblickende Anhäufung von rund 260 Einzelgesellschaften im In- und Ausland. Mario A. Corti hatte die Leitung im März 2001 nach einigen bedeutenden Postenwechseln an der Konzernspitze übernommen und schon bald eine gravierende Überschuldung festgestellt. M.E. hätte der Verwaltungsrat schon Anfangs 2001 den Insolvenzantrag an den Richter stellen müssen – ich lege in der Arbeit dar, wie dies aufgrund einer kritischen Einstellung von Exponenten in der Privatwirtschaft dem Justizwesen gegenüber unterlassen wurde.
Im Fall Swissair ermöglichten die weniger rigiden Verwertungsvorschriften des Nachlassverfahrens eine Weiterführung des (reduzierten) Flugbetriebs zu Beginn der Liquidation, bis etwa im Frühjahr 2002 – nicht zuletzt mit Hilfe von Bundesmitteln. Die frühere Tochtergesellschaft Crossair AG (heutige Swiss International Airlines AG) übernahm anschliessend den (reduzierten) Flugbetrieb der Swissair.
In allen Fällen konnten dank der Einigung des Sachwalters und Liquidators Karl Wüthrich mit den Arbeitnehmern die Masseverbindlichkeiten (sprich: v.a. die Kosten für das Nachlassverfahren) und die privilegierten Forderungen (in erster Linie Lohn- und Pensionskassengelder) durch die Aktiven der Massen gedeckt werden.
Es wurden Forderungen im Umfang von 18.8 Mia. Franken angemeldet, wovon jedoch 13.4 Mia. Franken definitiv abgewiesen wurden, da die Inhaber der Forderungen auf Anfechtung der Abweisung ihrer Forderungen mittels Kollokationsklage verzichteten.
In einem letzten Teil der Arbeit wird auf die Betriebsübernahme der Tochtergesellschaften Cargologic AG und Swisscargo AG eingegangen, insbesondere auf die Rechte der Arbeitnehmer im Rahmen von derartigen Verfahren.
Inhaltsverzeichnis
- A. Einleitung
- I. Geschichtlicher Überblick
- II. Die Konzernstruktur der Swissair-Gruppe
- 1. Definition eines Konzerns
- 2. Der Swissairkonzern im Oktober 2001
- 2.1. SAirGroup AG
- 2.2. SAirLines AG
- 2.3. Swissair Schweizerische Luftverkehr AG
- 2.4. Flightlease AG
- 2.5. Swisscargo AG und Cargologic AG
- I. Konkurs als Hauptfall der Generalexekution
- 1. Voraussetzungen des Konkurses
- 2. Rechtswirkungen des Konkurses
- 3. Besonderheit der Insolvenz eines Konzerns
- II. Das Nachlassverfahren als Alternative zum Konkurs
- 1. Zweck und Einleitung des Nachlassverfahrens
- 2. Voraussetzungen für die Bewilligung der Nachlassstundung
- I. Der Entscheid, um Nachlassstundung zu ersuchen
- 1. Feststellung der Insolvenz
- 2. Abwägung der Handlungsmöglichkeiten
- 3. Kombination von Nachlassverfahren und Auffanggesellschaft
- 4. Provisorische Nachlassstundung
- II. Mängel am geltenden Sanierungsrecht?
- 1. Zu späte Einleitung des Nachlassverfahrens
- 2. Rechtmässiges Zuwarten mit dem Insolvenzantrag?
- 3. Fazit
- III. Der Weg zur definitiven Nachlassstundung
- 1. Ausgangslage
- 1.1. SAirGroup AG
- 1.2. SAirLines AG
- 1.3. Swissair Schweizerische Luftverkehr AG
- 1.4. Flightlease AG
- 2. Überbrückungskredite und deren rechtliche Ein- und Rangordnung
- 3. Tätigkeit des provisorischen Sachwalters und der Nachlassgerichte
- 3.1. Veräusserung von Anlagevermögen
- 3.2. Darstellung der finanziellen Verhältnisse des Konzerns
- 3.3. Weisungen an die Schuldner
- 3.4. Ausarbeitung der definitiven Stundungsgesuche
- 3.5. Würdigung der Gesuche durch die Gerichte
- IV. Ausarbeitung und Bestätigung der Nachlassverträge
- 1. Inventar, Schuldenruf und Prüfung der angemeldeten Forderungen
- 2. Verkauf weiterer Konzerngesellschaften
- 3. Verlängerung der Nachlassstundungen
- 4. Ergänzung des Nachlassvertragsentwurfs
- 4.1. Ordentlicher Nachlassvertrag
- 4.2. Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung
- 5. Die Gläubigerversammlungen
- 5.1. Vorbereitung und Einberufung
- 5.2. Die Rechte der Gläubiger
- a) Wahl der Liquidatoren durch die Gläubigerversammlung
- b) Wahl der Gläubigerausschüsse und Anfechtung derselben
- c) Abstimmung über die Entwürfe der Nachlassverträge
- 6. Genehmigungen der Nachlassverträge durch die Richter
- 6.1. Erlass der Verfügungen
- 6.2. Begründungen und Rechtswirkungen der Entscheide
- a) Zustimmung der Gläubiger
- b) Besseres Ergebnis als im Konkurs
- c) Sicherstellung des Vollzugs
- d) Angemessenheit
- V. Weiterer Ablauf der Nachlassliquidation
- 1. Kollokationsverfahren, Bereinigung der Passiven
- 2. Verwertung der Aktiven
- 3. Verantwortlichkeitsklagen
- 4. Paulianische Anfechtungen
- 4.1. KPMG-Gesellschaften
- 4.2. Unique Flughafen Zürich AG
- 4.3. Teilrückzahlung eines Kredits an die ZKB
- I. Cargologic AG
- 1. Verkauf an die Crossair AG
- 2. Gesuche um Aufhebung der Nachlassstundung
- II. Swisscargo AG
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Seminararbeit analysiert das Insolvenzverfahren des Swissair-Konzerns als Fallstudie. Ziel ist es, das Verfahren im Detail darzustellen und dabei sowohl die rechtlichen Grundlagen als auch die praktischen Herausforderungen zu beleuchten. Die Arbeit untersucht, inwieweit das geltende Sanierungsrecht den Anforderungen des Falles genügte.
- Das Insolvenzverfahren nach Schweizerischem Konkursrecht (SchKG)
- Die Konzernstruktur der Swissair und deren Auswirkungen auf das Insolvenzverfahren
- Das Nachlassverfahren als Sanierungsinstrument
- Die rechtlichen Aspekte der Gläubigerrechte und -versammlungen
- Bewertung der Effektivität des angewendeten Sanierungsansatzes
Zusammenfassung der Kapitel
A. Einleitung: Dieses einleitende Kapitel liefert einen kurzen geschichtlichen Überblick über die Swissair und beschreibt die komplexe Konzernstruktur, die eine entscheidende Rolle im folgenden Insolvenzverfahren spielte. Die Darstellung der einzelnen Gesellschaften innerhalb des Konzerns legt den Grundstein für das Verständnis der nachfolgenden Kapitel, die die einzelnen Schritte des komplexen Insolvenzprozesses detailliert analysieren.
B. Insolvenzverfahren nach SchKG: Dieses Kapitel behandelt die rechtlichen Grundlagen des Insolvenzverfahrens nach Schweizerischem Recht. Es erläutert den Konkurs als Hauptfall der Generalexekution und das Nachlassverfahren als Alternative. Es werden die Voraussetzungen und Rechtswirkungen beider Verfahren detailliert dargelegt, mit besonderem Fokus auf die Besonderheiten, die sich aus der Insolvenz eines Konzerns ergeben. Der Vergleich beider Verfahren bildet die Grundlage für die spätere Analyse des gewählten Vorgehens im Fall Swissair.
C. Das Liquidationsverfahren des Swissairkonzerns: Dieses Kapitel ist der Kern der Arbeit und beschreibt den gesamten Ablauf des Liquidationsverfahrens der Swissair. Es analysiert die Entscheidung für ein Nachlassverfahren, die Herausforderungen bei der Umsetzung und die damit verbundenen rechtlichen Fragestellungen. Das Kapitel beleuchtet kritisch mögliche Mängel des geltenden Sanierungsrechts anhand des Swissair-Falls und beschreibt detailliert die Schritte von der provisorischen bis zur definitiven Nachlassstundung, inklusive der Beteiligung der Gläubiger und der Gerichte. Die verschiedenen juristischen Aspekte, wie beispielsweise die Überbrückungskredite und die Tätigkeit des provisorischen Sachwalters, werden umfassend behandelt. Die Darstellung der Veräusserung von Anlagevermögen, die Prüfung der Forderungen und die Ausarbeitung der Nachlassverträge geben einen detaillierten Einblick in den komplexen Prozess der Liquidation.
D. Das Vorgehen im Frachtbereich: Dieses Kapitel konzentriert sich auf das Vorgehen im Frachtbereich des Swissair-Konzerns, insbesondere auf die Cargologic AG und Swisscargo AG. Es beschreibt den Verkauf der Cargologic AG an die Crossair AG, die damit verbundenen rechtlichen Aspekte bezüglich der Arbeitnehmerrechte und die Gesuche um Aufhebung der Nachlassstundung. Die Analyse umfasst die Solidarhaftung des Erwerbers und die Informations- und Konsultationsrechte der Arbeitnehmer. Die Würdigung der Gesuche durch das Nachlassgericht rundet die Darstellung ab.
Schlüsselwörter
Swissair, Insolvenzverfahren, SchKG, Nachlassverfahren, Konkurs, Konzerninsolvenz, Sanierungsrecht, Gläubigerrechte, Gläubigerversammlung, Liquidation, Überbrückungskredite, Fluggesellschaft, Cargologic AG, Swisscargo AG, Crossair AG.
Häufig gestellte Fragen zur Seminararbeit: Insolvenzverfahren der Swissair
Was ist der Gegenstand dieser Seminararbeit?
Diese Seminararbeit analysiert detailliert das Insolvenzverfahren der Swissair-Gruppe als Fallstudie. Sie untersucht die rechtlichen Grundlagen und praktischen Herausforderungen des Verfahrens und bewertet die Effektivität des angewendeten Sanierungsansatzes im Hinblick auf das geltende Schweizerische Recht.
Welche Aspekte des Insolvenzverfahrens werden behandelt?
Die Arbeit beleuchtet verschiedene Aspekte, darunter das Insolvenzverfahren nach Schweizerischem Konkursrecht (SchKG), die Konzernstruktur der Swissair und deren Auswirkungen auf das Verfahren, das Nachlassverfahren als Sanierungsinstrument, die rechtlichen Aspekte der Gläubigerrechte und -versammlungen, sowie die einzelnen Schritte des Liquidationsprozesses, von der Entscheidung für ein Nachlassverfahren bis zur finalen Abwicklung.
Welche Rolle spielt die Konzernstruktur der Swissair?
Die komplexe Konzernstruktur der Swissair (SAirGroup AG, SAirLines AG, Swissair Schweizerische Luftverkehr AG, Flightlease AG, Swisscargo AG und Cargologic AG) wird eingehend beschrieben und ihre Auswirkungen auf das Insolvenzverfahren werden analysiert. Die einzelnen Gesellschaften und ihre Verflechtungen werden detailliert dargestellt.
Was sind die Unterschiede zwischen Konkurs und Nachlassverfahren?
Die Arbeit erläutert die Voraussetzungen und Rechtswirkungen von Konkurs und Nachlassverfahren nach SchKG und vergleicht beide Verfahren im Detail. Der Fokus liegt dabei auf den Besonderheiten, die sich aus der Insolvenz eines Konzerns ergeben. Die Wahl des Nachlassverfahrens für die Swissair wird im Kontext dieser Unterschiede analysiert.
Wie verlief das Nachlassverfahren der Swissair im Detail?
Das Kapitel C beschreibt den gesamten Ablauf des Nachlassverfahrens: von der Entscheidung für ein Nachlassverfahren, über die provisorische und definitive Nachlassstundung, die Beteiligung der Gläubiger und Gerichte, die Veräusserung von Anlagevermögen, die Prüfung der Forderungen, die Ausarbeitung der Nachlassverträge bis hin zur finalen Liquidation. Es werden auch mögliche Mängel im geltenden Sanierungsrecht diskutiert.
Welche Rolle spielten die Gläubiger und die Gerichte?
Die Arbeit beschreibt detailliert die Rechte und Pflichten der Gläubiger, die Gläubigerversammlungen, die Wahl der Liquidatoren und Gläubigerausschüsse, sowie die Abstimmung über die Nachlassverträge. Die Rolle der Gerichte bei der Genehmigung der Nachlassverträge und die Begründung ihrer Entscheide werden ebenfalls analysiert.
Wie wurde der Frachtbereich (Cargologic AG und Swisscargo AG) behandelt?
Der Verkauf der Cargologic AG an die Crossair AG wird detailliert dargestellt, inklusive der damit verbundenen rechtlichen Aspekte, wie Arbeitnehmerrechte und Gesuche um Aufhebung der Nachlassstundung. Die Situation der Swisscargo AG wird ebenfalls behandelt.
Welche Schlussfolgerungen werden gezogen?
Die Arbeit bewertet die Effektivität des angewendeten Sanierungsansatzes und diskutiert mögliche Mängel im geltenden Sanierungsrecht anhand des Swissair-Falls. Sie bietet eine umfassende Analyse des komplexen Insolvenzverfahrens und liefert wertvolle Einblicke in die rechtlichen und praktischen Herausforderungen bei der Sanierung eines großen Konzerns.
Welche Schlüsselwörter beschreiben den Inhalt der Arbeit?
Die Schlüsselwörter umfassen: Swissair, Insolvenzverfahren, SchKG, Nachlassverfahren, Konkurs, Konzerninsolvenz, Sanierungsrecht, Gläubigerrechte, Gläubigerversammlung, Liquidation, Überbrückungskredite, Fluggesellschaft, Cargologic AG, Swisscargo AG, Crossair AG.
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- Raphael Schmid (Autor), 2008, Das Insolvenzverfahren des Swissair-Konzerns, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/92256