Bildungserfolg und Bildungshabitus von Lehrern. Inwiefern erschwert die vorherrschende Didaktik Kindern aus bildungsfernen Milieus den Bildungserfolg?


Hausarbeit, 2020

27 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Ergebnisse zum Einfluss unterrichtlicher Merkmale auf den Bildungserfolg von Schülern aus bildungsfernen Familien

3. Gründe für Benachteiligungen durch unterrichtliche Merkmale
3.1 Didaktische Gründe, am Beispiel konstruktivistisch orientierter Unterrichtsgestaltung
3.2 Bildungsmilieus und Lehrerinnenhabitus

4. Diskussion von Lösungsansätzen

5. Zusammenfassung

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Dass der Bildungserfolg von Schülern und Schülerinnen in Deutschland immer noch von der Herkunft abhängt wird schon lange kritisiert. Seit den ersten Pisa-Studien ist diese Kritik wieder aktueller geworden, jedoch ohne dass sich bisher eine Wende abzeichnen würde (OECD 2018).

Dabei ist mit Bildungserfolg nicht gemeint, dass alle Schülerinnen und Schüler eine allgemeine Hochschulreife erlangen sollten. Aber auch wenn man in Betracht zieht, dass es Unterschiede in der Fähigkeit gibt, die schulischen Leistungsanforderungen zu erfüllen: Kinder aus Akademikerhaushalten haben eine höhere Wahrscheinlichkeit, das Gymnasium zu absolvieren. Die Ursachen für diese hartnäckige Bildungsbarriere müssen auch in der Schule gesucht werden.

Ein relevanter Bereich wird hier in der Unterrichtsgestaltung selbst vermutet. Diese wird zunächst durch didaktische und lerntheoretische Grundlagen bestimmt, also sollte eine Untersuchung diese zuerst in den Blick nehmen. Seit den neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts orientiert man sich hier zunehmend an einer konstruktivistischen bzw. gemäßigt konstruktivistischen Lerntheorie. Die Grundannahme des Konstruktivismus ist dabei, dass jede Wahrnehmung der Welt immer subjektiv konstruiert wird. Für den Lernprozess bedeutet dies dann, dass der Lernende mit seinen individuellen Lernprozessen in den Mittelpunkt der Betrachtung rückt (Witt und Czerwionka 2006, S. 60).

Diese Lerntheorie ist mittlerweile etabliert. Auffallend ist aber, dass daraus für den Unterricht sehr verschiedene Konsequenzen abgeleitet werden. Nieding et al. nennen etwa die Merkmale der aktiven Konstruktion von neuem Wissen auf der Basis des Vorwissens, des kooperativen Lernens in authentischen Lernsituationen und der Selbstregulation des Wissenserwerbes. Gleichzeitig weisen sie darauf hin, dass so konstruierte Lernsituationen auch überfordern können (Nieding et al. 2013, 48f.). Ein Einsatz kann also bei bestimmten Lerngruppen schwierig sein.

Die eher schulpraktische Rezeption konstruktivistischer Lerntheorien geht in der Regel weiter. Kersten Reich stellt etwa in einer Übersicht Merkmale konstruktivistischen und konventionellen Unterrichts folgendermaßen gegenüber:

Tabelle 1: : traditioneller und konstruktivistischer Unterricht, eigene Darstellung nach Reich (Reich 2005)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Verglichen mit dem ersten Beispiel enthält diese Übersicht sehr viel weitergehende Forderungen, z.T. auch charakterliche Zuschreibungen. Hier wird ein benachteiligendes Potential vermutet.

Fraglich ist, ob diese sich notwendig aus einer konstruktivistisch orientierten Lerntheorie ergeben. Die sich anschließende Frage soll Gegenstand dieser Arbeit sein: Wenn nicht, woher stammen diese Elemente dann? Die hier vertretene These lautet, dass es sich bei einer so verstandenen Didaktik um ein von bildungsbürgerlichen Vorstellungen geprägtes Denken handeln kann, das Schülern aus anderen Schichten den Bildungserfolg erschwert.

An Bourdieu (Bourdieu et al. 1971) anschließend, wird für diesen Umstand auch der Begriff Lehrerhabitus verwendet (Bremer 2009; Helsper 2018a). In wie weit dieser für Benachteiligungen für Angehörige anderer Bildungsmilieus, insbesondere bildungsferner Milieus, verantwortlich sein kann, soll im Folgenden untersucht werden.

Dafür sollen zwei Teilfragen beantwortet werden:

1. Welche Elemente einer (z.B. konstruktivistisch orientierten) Unterrichtsgestaltung erschweren Schülern aus bildungsferneren Milieus die erfolgreiche Teilnahme am Schulunterricht?
2. Sind diese Elemente schlüssiger aus einer, z.B. gemäßigt konstruktivistischen, Sichtweise oder als Ausdruck eines Lehrerhabitus zu erklären?

Zur Beantwortung der ersten Frage soll eine strukturierte Literaturanalyse in der Datenbank pedocs.de durchgeführt werden (Armitage und Keeble-Allen 2008). Die zweite Frage soll mit Hilfe der Theorie Bourdieus bzw. deren Anwendungen bei Bremer, Helsper u.a. sowie einer Diskussion des Verhältnisses von unterrichtlichen Merkmalen und (konstruktivistisch orientierter) Didaktik untersucht werden.

Abschließend sollen Möglichkeiten abgeleitet werden, mit denen eine Benachteiligung nicht akademischer Bildungsmilieus vermieden werden kann, auch ohne berechtigte Forderungen einer konstruktivistisch orientierten Didaktik aufzugeben.

2. Ergebnisse zum Einfluss unterrichtlicher Merkmale auf den Bildungserfolg von Schülern aus bildungsfernen Familien

Empirische Untersuchungen zur Unterrichtsqualität finden sich in den letzten Jahren vermehrt (Wieser und Clemens 2013; Hattie und Beywl 2015). Die Wiederentdeckung der empirischen Bildungsforschung im Anschluss an die ersten Pisa-Studien rückte dabei zunehmend das Problem der Bildungsgerechtigkeit wieder in den Vordergrund (Hansel 2003). In der Folge wurden vermehrt Studien durchgeführt, die Unterrichtsmerkmale auch im Hinblick auf die soziale Herkunft der Schüler betrachteten (s.u.). Dabei werden zur Analyse häufig zwei Betrachtungsebenen unterschieden: Sicht- und Tiefenstrukturen des Unterrichts (Kunter und Trautwein 2018). Während die Sichtstruktur die Oberfläche des Unterrichts, also etwa verwendete Methoden und Sozialformen, feststellt, beschreibt die Tiefenstruktur, wie diese umgesetzt werden. Sie gilt als bedeutsamer für die Qualität des Unterrichts. Besonders häufig werden für die Tiefenstruktur Merkmale wie Klassenführung, kognitive Aktivierung und Unterstützung genannt (Dumont 2019, S. 264).

Um diese beiden Merkmale am Beispiel einer konstruktivistisch orientierten Didaktik und ihrer Wirkung auf Schüler aus bildungsfernen Milieus zu bestimmen, wurde in dieser Arbeit eine Literatursuche in der Datenbank Pedocs durchgeführt. Dabei wurden die Begriffe Konstruktivismus und Didaktik als Freitext mit dem Schlagwort empirische Forschung kombiniert. Die Suche ergab 27 Quellen, die in einem ersten Lesedurchgang ausgewertet wurden. Dabei wurden solche Quellen ausgeschlossen, die sich nicht empirisch mit Unterrichtsmerkmalen im Hinblick auf die soziale Herkunft der Schüler auseinandersetzten. Anschließend wurde eine Rückwärtssuche über die Literaturverzeichnisse durchgeführt. Schließlich wurden Ergebnisse aus sieben Quellen ausgewählt, die im Folgenden vorgestellt werden.

Gemeinsam ist allen Quellen, dass sie für Schüler aus bildungsfernen Familien einen stärker strukturierten, unterstützenden Unterricht als Bedingung für Unterrichtserfolg ansehen.

So stellt Nina Bohlmann in einer Untersuchung zum Mathematikunterricht in Grundschulen fest, dass implizite Unterrichtsstrukturen wie undeutliche Strukturierung, undeutliche Bewertungskriterien oder Fokussierung auf internale Prozesse statt gezeigter Leistung für Schüler aus sozial benachteiligten Familien schwer verstehbar seien und diese benachteiligten (Bohlmann 2016, S. 107) . Stattdessen fordert sie für bestimmte Strukturen explizite, deutliche Kommunikation, um soziale Benachteiligung zu verringern. Hierzu gehören etwa die Beziehung zwischen Lernenden und Lehrenden und die Bewertungskriterien. (Bohlmann 2016, 139f.) Diese Forderungen stehen im Gegensatz zu dem o.a. Verständnis der Lehrerrolle bei Reich.

Ähnliche Ergebnisse finden sich in einer Untersuchung von Rahel Jünger bei Schweizer Grundschülern. Unter Bezug auf Bourdieu unterscheidet sie sozial unterprivilegierte, mäßig privilegierte und privilegierte Milieus und ordnet ihnen unterschiedliche schulische Logiken zu. Diese Logiken bilden den schulbezogenen Teil des Habitus (vgl. Kap. 3.2) und hemmen im Falle der Nichtpriveligierten den erfolgreichen Kompetenzerwerb. So fehle ihnen z.B. Wissen über die erfolgreiche Vorgehensweise beim Lernen ebenso wie über die konkreten Inhalte der Fächer (Jünger 2008). Diese und weitere Ergebnisse der gefundenen Quellen werden in Tabelle 2 zusammengefasst.

[...]

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Details

Titel
Bildungserfolg und Bildungshabitus von Lehrern. Inwiefern erschwert die vorherrschende Didaktik Kindern aus bildungsfernen Milieus den Bildungserfolg?
Hochschule
FernUniversität Hagen  (Bildungssoziologie)
Veranstaltung
Gesellschaftliche Rahmenbedingungen von Bildung
Note
1,0
Autor
Jahr
2020
Seiten
27
Katalognummer
V923391
ISBN (eBook)
9783346249005
ISBN (Buch)
9783346249012
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Lehrerhabitus, Benachteiligung, konstruktivismus
Arbeit zitieren
Heiko Hemjeoltmanns (Autor:in), 2020, Bildungserfolg und Bildungshabitus von Lehrern. Inwiefern erschwert die vorherrschende Didaktik Kindern aus bildungsfernen Milieus den Bildungserfolg?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/923391

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