I. Einleitung
In den Wirren der Revolution von ’48 kommt es in Frankfurt zur Revolte der Arbeiterschaft. Arthur Schopenhauer – besorgt um seine Habe und auch sonst wenig Verständnis für den „verwässerten Linkshegelianismus“ der aufständischen „Canaille“ zeigend – lässt die Soldaten am 18. September 1848 in seine Wohnung, um ihnen das Zielen auf die Aufrührer zu erleichtern; dem Truppenführer gibt er gar seinen „Opernkucker“- als Visier. Dazu schreibt Rüdiger Safranski: „Gerade während der Revolutionstage packt ihn die Furie der Selbsterhaltung, die ihn gänzlich stumpf macht gegen die Qualen des sozialen Elends und der politischen Bedrückung, Qualen, für die er sonst in seiner Mitleidsphilosophie ergreifende Worte gefunden hat. Da hockt er in seinem Haus ‚Schöne Aussicht Nr.17’ und verteidigt sein Principium individuationis auf eine Art, die Don Quichote alle Ehre gemacht hätte. Denn sein Hab und Gut ist wahrlich nicht gefährdet, und ihm selbst will keiner ans Leder. Aber wie nasses Leder zieht er sich um seinen Geldsack zusammen.“
Dieser misanthropische Philosoph bekannt als Begründer des metaphysischen Pessimismus und als notorisch schlechter Dienstherr einer zum Krüppel Geschlagenen ist also Schöpfer einer Mitleidsethik – eine Tatsache, die an die Pädagogik eines Rousseau erinnert, der seine Kinder allesamt ins Findelhaus gibt. Die gelebte Pädagogik ist dem einen so fremd wie dem anderen aktives Mitleid mit zum Äußersten getriebenen Menschen. Trotzdem machen beide Handlungen Sinn – ihrer scheinbaren Widersinnigkeit zum Trotz. Dies zu begründen soll die Eingangsfrage der Seminararbeit sein – im Übrigen ein lohnender Aufhänger für eine Themeneinheit ‚Schopenhauer’ im Philosophieunterricht. Denn gerade die Mitleidsethik ist ein fruchtbarer Einstieg in die Philosophie dieses Menschen- und Lebensfeindes. Sein Mitleidskonzept nämlich führt direkt in „Die Welt als Wille und Vorstellung“ als einer metaphysischen Erklärung einer nicht auf irgendeinem Helfersyndrom begründeten Ethik und schließt mit seiner Askese und Kunstvorstellung. Letztere beeinflusste die Avantgarde des 19. und 20. Jahrhunderts sicherlich mehr als die Philosophie – was einen möglichen Exkurs zu Richard Wagner ermöglichen würde – als prominentestes Beispiel eines Kunstjüngers von Arthur Schopenhauer.
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung
- II. Schopenhauers Willensphilosophie
- Schopenhauers Willensphilosophie
- III. Mitleidsethik
- Mitleid
- Die zwei Kardinaltugenden (§17-18)
- IV. Wege der Willensverneinung - Askese und Ästhetik
- Askese
- Kunst
- Die verschiedenen Stufen der Objektivation des Willens in der Kunst
- Die bildenden Künste
- Die Poesie
- Die Musik
- Resümee
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Seminararbeit analysiert Schopenhauers Mitleidsphilosophie, insbesondere im Kontext von Kunst und Askese. Sie untersucht die Beziehung zwischen Mitleid und der Verneinung des Willens, welche Schopenhauer als die einzige Möglichkeit zur Erlösung vom Leiden sieht.
- Schopenhauers pessimistische Weltanschauung und seine Kritik an der rationalistischen Philosophie
- Die Rolle des Mitleids als Grundlage für eine ethische Handlungsweise
- Die Verneinung des Willens als Weg zur Befreiung vom Leiden durch Askese und Ästhetik
- Die Bedeutung von Kunst als Mittel zur Objektivation des Willens und zur Erlösung vom Leiden
- Der Einfluss von Schopenhauers Philosophie auf die Avantgarde des 19. und 20. Jahrhunderts
Zusammenfassung der Kapitel
I. Einleitung
Die Einleitung stellt Schopenhauer als einen misanthropischen Philosophen vor, der trotz seiner negativen Sichtweise auf die Welt eine Mitleidsethik entwickelt hat. Die Arbeit zielt darauf ab, die scheinbare Widersprüchlichkeit seiner Philosophie aufzudecken und die Bedeutung der Mitleidsethik als Einstieg in Schopenhauers Werk aufzuzeigen.
II. Schopenhauers Willensphilosophie
Dieses Kapitel präsentiert Schopenhauers idealistischen Standpunkt, der sich von Hegel abgrenzt. Schopenhauer sieht die Welt als Ausdruck eines blinden und unersättlichen Willens, der stets nach Befriedigung strebt. Diese Sichtweise führt ihn zu einem pessimistischen Blick auf das menschliche Dasein, das er als von grundlosem Leiden geprägt betrachtet.
III. Mitleidsethik
Dieses Kapitel erklärt die Rolle des Mitleids in Schopenhauers Ethik. Mitleid wird als die einzige moralische Grundlage für menschliches Handeln betrachtet. Es ermöglicht uns, uns vom eigenen Willen zu lösen und uns mit dem Leid anderer zu identifizieren.
IV. Wege der Willensverneinung - Askese und Ästhetik
Schopenhauer erörtert verschiedene Wege zur Verneinung des Willens, die zu einer Erlösung vom Leiden führen können. Askese wird als eine radikale Form der Selbstverleugnung präsentiert, während die Kunst als Mittel zur ästhetischen Betrachtung und zur Befreiung vom Willen fungiert.
Schlüsselwörter
Schlüsselwörter, die die Kernpunkte von Schopenhauers Philosophie und der Seminararbeit widerspiegeln, sind: Mitleid, Wille, Verneinung des Willens, Askese, Kunst, Ästhetik, Pessimismus, Erlösung, Leiden.
- Quote paper
- David Liebelt (Author), 2007, Zu Schopenhauers Mitleidsphilosophie - Mitleid und Kunst, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/92361