Die Arbeit beschäftigt sich damit, welche kompetenzförderlichen Potentiale bei Computerspielen für Heranwachsende existieren. Dabei spielt zu Beginn eine Rolle, wie der Alltag von Jugendlichen durch digitale Spiele beeinflusst wird und weiterhin wie entwicklungsspezifische Risiken umgangen werden können und Heranwachsende vermehrt mit kompetenzförderlichen Computerspielen konfrontiert werden können.
Aus diesem Grund wird sich im ersten Kapitel überwiegend auf die zentralen Strukturelemente von Digitalität und Computerspielen bezogen. Da verschiedene Spieltypen existieren, gibt es diesbezüglich unterschiedliche Elemente, welche verwendet werden, um den Unterhaltungswert für Heranwachsende zu steigern. Im zweiten Kapitel werden Reize und Motive, welche durch Spielstrukturen gegeben sind, noch weiter konkretisiert und auf die jugendliche Lebenswelt bezogen. Im folgenden Kapitel wird der Widerspruch der nötigen Medienkompetenz und von digitalen Inhalten kritisch betrachtet.
Des Weiteren wird diskutiert, wie Sozialarbeiter*innen in der offenen Kinder- und Jugendarbeit, ‘fachfremde’ Eltern dabei unterstützen können, das erforderliche technische Wissen zu Erlangen. Zudem geht der Text darauf ein, wie Fachkräfte Jugendliche in ihrer Medienkompetenz stärken können, um angemessen auf die entwicklungsspezifischen Risiken und kompetenzförderlichen Potentiale zu reagieren.
Gliederung
1. Einleitung
2. Allgemeine Information rund um das Thema Computerspiele
2.1 Strukturmerkmale eines Computerspiels
2.2 Unterhaltungswert gemessen an den verschiedenen Genres
3. Computerspiele als Aspekt der jugendlichen Lebenswelt
3.1 Lebensweltorientierung in der Sozialen Arbeit
3.1.1 Das Konzept der Lebensweltorientierung nach Hans Thiersch
3.1.2 Digitale Medien als jugendkultureller Aspekt
3.1.3 Medien als Lebenswelt von Jugendlichen
3.2 Motive für die Computerspielnutzung
3.2.1 „Icebreaker-Funktion“ (Frölich, Lehmkuhl 2012, S.3)
3.2.2 „Ablenkung und Unterhaltung“ (Frölich, Lehmkuhl 2012, S.3)
3.2.3 „Interaktivität“ (Frölich, Lehmkuhl 2012, S.3)
3.2.4 „Emotionale Anregung“ (Frölich, Lehmkuhl 2012, S.5)
3.2.5 „Flucht aus dem Alltag“ (Frölich, Lehmkuhl 2012, S.5)
3.2.6 „Identitätsbildung- und Gestaltung“ (Frölich, Lehmkuhl 2012, S.6)
3.3 Lernförderliche Potentiale und entwicklungspsychologische Risiken von Computerspielen
3.3.1 Auswirkungen auf die soziale und emotionale Entwicklung
3.3.2 Auswirkungen auf die körperliche Gesundheit und den Schlaf
3.3.3 Auswirkungen auf die Wahrnehmung und Kognition
3.3.4 Auswirkungen auf die schulischen Leistungen
3.3.5 Förderung von Medienkompetenz
4. Soziale Arbeit und Computerspiel am Beispiel der offenen Kinder- und Jugendarbeit
4.1 Arbeitsfeldanalyse der offenen Kinder- und Jugendarbeit
4.1.1 Struktur
4.1.2 Funktionen
4.1.3 Prinzipien
4.1.4 Bezug auf das Thema Computerspielen
4.2 Medienpädagogik in der offenen Kinder- und Jugendarbeit
4.2.1 Aktive Medienarbeit nach Schell
4.2.2 Aktive Medienarbeit im Zusammenhang mit Lebensweltorientierung
4.2.3 „Identitätsarbeit mit Computerspielen“ eine Projektidee von Martin Geisler
5. Fazit
6. Literaturverzeichnis
7. Abbildungsverzeichnis
1. Einleitung
Bildschirmmedien haben in unserer Alltagsstruktur mittlerweile einen großen Stellenwert angenommen. Gegenwärtig bietet das Internet ein breites Spektrum an Nutzungsmöglichkeiten und inhaltlichen Angeboten. Im Medienkontext ergeben sich sowohl viele positive Möglichkeiten, als auch Gefahren, vor denen vor allem Heranwachsende geschützt werden müssen (vgl. Penthin et al. 2005, S.111). Durch die Bearbeitung meiner Bachelorarbeit beabsichtige ich, diesen Widerspruch reflektiert zu betrachten: Zwischen förderlichen Kulturangeboten und negativen Aspekten, wie Gewalt und Sucht, liegt oftmals nur ein schmaler Grat. Während Medienkompetenz in vielen Lebenskontexten mittlerweile eine Grundvoraussetzung ist, entgegnen viele Kritiker*innen immer wieder die negativen medialen Auswirkungen auf die Entwicklung von Heranwachsenden (vgl. Bos, Eickelmann, Gerick 2013/ Penthin et al. 2005,S.111).
Die Nutzung von Computerspielen sollte aber nicht ausschließlich aus dem negativen Kontext betrachtet werden, denn Medieninhalte können ebenso unterhaltsam als auch kreativ und lehrreich sein. In Bezug auf diesen Punkt lohnt es sich zu hinterfragen, aus welchen Gründen Jugendliche und Kinder innerhalb von virtuellen Kommunikations- und Erlebnisräumen agieren (vgl. Penthin et al. 2005, S.111). Aufgrund dessen beziehe ich mich insbesondere auf motivationale und kompetenzförderliche Potentiale von Computerspielen im Alltag von Jugendlichen. Als zentraler Begriff der Adoleszenz gilt insbesondere die Identitätsbildung, welche sich auf mehreren Ebenen konkretisieren lässt. In Bezug darauf können viele Entwicklungsaspekte durch mediale Inhalte, Angebote und Strukturen verwirklicht werden. Virtuelle Kommunikations- und Erlebnisräume bieten den Rezipient*innen vielerlei Möglichkeiten,sich sowohl auf der persönlich-individuellen, sozialen als auch der kulturell-gesellschaftlichen Ebene mit dem Selbst und der Umwelt auseinanderzusetzen. Konkret benanntbesteht die Möglichkeit, sich in medialen Strukturen mit Gleichaltrigen in Beziehung zu setzen, um dadurch Bestätigung zu erhalten und gleichzeitig auch Widerspruch zu erfahren. Außerdem haben Heranwachsende in diesem Kontext die Chance, selbstbestimmt und unabhängig die eigene Gestaltung zu erproben und sich durch erfolgreiches Handeln, innerhalb von digitalen Spielen, kompetent zu fühlen. Zusätzlich bestehen in Medienstrukturen Verbindungen zu sozialen, kulturellen, politischen und individuellen Lebenswelten, an welchen sich Jugendliche beteiligen können, indem sie ihre Position preisgeben(vgl. Wagner 2012, S.10). Ein interessanter Aspekt wäre diesbezüglich, welche grundlegenden Elemente von Spielentwickler*innen benutzt werden, um diesen Ansprüchen gerecht zu werden.Aus diesem Grund werde ich mich im ersten Kapitel überwiegend auf die zentralen Strukturelemente beziehen. Da verschiedene Spieltypen existieren, gibt es diesbezüglich unterschiedliche Elemente, welche verwendet werden, um den Unterhaltungswert zu steigern. Auch diesen Aspekt greife ich im ersten Teil meiner Arbeit auf, um zu differenzieren, inwiefern verschiedene Genres einen Reiz gegenüber Rezipient*innen erschließen. Die obengenannten Aspekte beschreiben schon grob die gegebenen Motive von virtuellen Kommunikations- und Handlungsräumen. Im zweiten Kapitel werde ich diese Reize und Motive, welche durch Spielstrukturen gegeben sind, noch weiter konkretisieren und auf die jugendliche Lebenswelt beziehen.
Welchen Stellenwert nehmen Medien in der Lebenswelt von Menschen ein? Insbesondere jüngere Generationen wachsen unter dem immer stärker werdenden Einfluss der Medien auf (vgl. Frölich, Lehmkuhl 2012, S.13). Anhand Hans Thierschs Lebensweltkonzepts, werde ich mich damit auseinandersetzen, welche medialen Bedingungen gegeben sind und wie sich diese auf die Alltagskultur von Jugendlichen auswirken. Um die Initiative innerhalb der Praxis ergreifen zu können, ist es erforderlich sich mit den Wirkungen von modernen Medien auseinanderzusetzen, um zu wissen, welche Gefahren und Potentiale innerhalb der Bildschirmmedien zu finden sind. Ich halte es daher für wichtig, in diesem Kapitel den Widerspruch der nötigen Medienkompetenz und Hinterfragung von digitalen Inhalten kritisch zu betrachten.Dementsprechend kann man anschließend präventiv und interventiv auf mögliche Risiken eingehen und Potentiale fördern (vgl. Penthin et al. 2005, S.111).
„Das Internet ist für uns alle Neuland“ (Angela Merkel, 2013 zitiert nach Waleczeck 2013)
Im Gegensatz zu den sogenannten „Digital Natives“, welche den Medienumgang von klein auf aktiv miterleben, müssen sich Erwachsene das benötigte Medienwissen erst im Nachhinein aneignen (vgl. Frölich, Lehmkuhl 2012, S.13). Der Aspekt, dass sich Medien für Heranwachsende als Strukturelement in der Alltagswelt darstellen, sollte unbedingt aufgegriffen werden (vgl. Fischer-Gese 2016, S.130). Virtuelle Spielwelten setzen zusätzlich noch auf andere Faktoren, welche von Erwachsenen ohne das nötige technische Verständnis oft in Frage gestellt werden (vgl. Theunert, Eggert 2003, S.3). Das Zitat der deutschenKanzlerin Angela Merkel, bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Barack Obama im Jahr 2013, sorgte bei der Netzgeneration für Spott (vgl. Waleczek 2013). Bedarfsgerechte Angebote können aber nur dann geschaffen werden, wenn sich die jeweiligen Akteur*innen in Politik, Pädagogik und Elternhaus mit den technischen Medien vertraut machen. Das Verständnis von spezifischen Interessengebieten eröffnet den jeweiligen Erwachsenen viele Möglichkeiten, Anknüpfpunkte zu finden. An dieser Stelle werde ich mich darauf beziehen, wie Sozialarbeiter*innen in der offenen Kinder- und Jugendarbeit, „fachfremde“ Eltern dabei unterstützen können, das erforderliche technische Wissen zu erlangen. Außerdem werde ich darauf eingehen, wie Fachkräfte Jugendliche in ihrer Medienkompetenz stärken können, um angemessen auf die entwicklungsspezifischen Risiken und kompetenzförderlichen Potentiale zu reagieren. Ich habe mich für den Hauptteil an dem Tätigkeitsfeld der offenen Kinder- und Jugendarbeit orientiert, da dieser Erfahrungsbereich besonders auf die Bedürfnisse und die Lebenswelt der jeweiligen Adressat*innen eingeht, um zusätzlich als unterstützende Sozialisationsinstanz zu fungieren(vgl. Kammerer 2015, S.44+45). In diesem Kontext habe ich die Methodik der „aktiven Medienarbeit“ ausgewählt, um diese in Zusammenhang mit Thierschs lebensweltorientiertem Konzept zu bringen. Im Anschluss beziehe ich mich innerhalb meines letzten Unterpunkts auf ein Projekt, welches von Martin Geisler entwickelt wurde, um deutlich zu machen, auf welche Weise die Identitätsarbeit in Computerspielen stattfindet.
2. Allgemeine Information rund um das Thema Computerspiele
2.1 Strukturmerkmale eines Computerspiels
Erfahrene Marktanalysten von Statista konnten feststellen, dass im Segment Videospiele 2018 in etwa 61.042 Millionen Euro Umsatz gemacht wurde. Laut Prognosen soll dieser Marktwert im Jahr 2022 noch auf 73.891 Millionen Euro steigen (vgl. Statista 2018). Das kostenpflichtige Online Rollenspiel „World of Warcraft“ hatte, laut Angaben des Herausgebers Blizzard Entertainment, Ende 2008 mehr als 11.5 Millionen Abonnements weltweit. Das Spiel wurde für acht verschiedene Sprachen produziert (vgl. Grunewald 2009, S.58). Aber wieso sind Videospiele so erfolgreich und anziehend für die Rezipient*innen? Ein interessanter Aspekt wäre diesbezüglich, mit welchen Mitteln Entwickler*innen arbeiten, um die Nutzer*innen für ihr Spiel zu begeistern. Um sich einen Überblick über die Thematik zu verschaffen, ist es zunächst erforderlich, das Medium Videospiel in seine Strukturelemente zu unterteilen. Um diesen Bezug zu erläutern, ist es erforderlich, diesen Aspekt aus der Sichtweise derEntwickler*innen zu betrachten. Ich bediene mich diesbezüglich den Standpunkten dreier Entwickler*innen. Salen und Zimmermann (2004) definieren anhand von fünf Grundelementen, wie ein Spiel aufgebaut ist:
„A game is a system in which players engage in an artificial conflict, defined by rules that results in a quantifiable outcome. “ (Salen und Zimmermann 2004, zitiert nach Masuch und Emmerich 2016, S.158)
Um es nochmal ausführlich zu beschreiben, gehen Salen und Zimmermann davon aus, dass sich der/die Spieler*in selbst in einem virtuellen Konflikt befindet, welcher aber durch ein Regelwerk festgelegt und definiert ist. Durch die Bemühungen der Nutzer*innen führt dies irgendwann zu einem ungewissen Ende (vgl. Masuch, Emmerich 2016, S.159). Tracy Fullerton (2008) nennt in ihrer Definition die gleichen Grundaspekte, welche schon von Salen und Zimmermann genannt wurden und ergänzt diese noch um drei wichtige Faktoren, welche den Aufbau eines Spiels gut beschreiben. Zum einen nennt sie den Begriff „ Procedures “, welcher dieAktionen die ein/e Spieler*in durchführen kann, um ihr/sein Ziel zu erreichen, beschreibt. Als zweiten zusätzlichen Aspekt gibt sie die knappen und daher aufwendig zu beschaffenen „ Resources “ an, welche sich oft als Auslöser der Konfliktsituation darstellen. Das letzte Grundelement „ Boundaries “ beschreibt den konzeptionellen Rahmen des Videospiels, welcher das Spiel eingrenzt und eine klare Linie zwischen realer und virtueller Welt zieht. Dieses grundlegende Strukturschema wird dann schließlich mit dramatischen Elementen, wie „ Challenges “, „ Play “, „ Premise “, „ Character “ und Story lebendig gemacht (vgl. Masuch, Emmerich 2016, S.159).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2.1: Struktur der Computerspiele (Fritz 2006, S.120)
Er beschreibt die unterschiedlichen Elemente eines Computerspiels folgendermaßen: Das Spiel ist in drei unterschiedliche Strukturmerkmale unterteilt. Zum einen wird die Präsentation also das Erscheinungsbild des Spiels genannt, welches sich durch Grafik, Sound und Animationen kennzeichnen lässt. Der zweite Aspekt beschreibt die inhaltlichen Elemente des Spiels, wie die Spielfigur und Spielgeschichte. Wie auch schon von Salen und Zimmermann erwähnt, wird die Struktur durch ein Regelwerk definiert und eingegrenzt. Der Unterhaltungswert eines Spiels kann gesteigert werden, wenn mehrere Anregungspotentiale erfüllt werden.
Fritz setzt dabei virtuelle Welten mit lebensweltlichen Aspekten in Verbindung. Durch Wahrnehmungsaspekte, praktische Handlungen, Kognition und Kommunikation konstruiert der Mensch seine Umwelt. Mit den verschiedenen Strukturen, Eigenarten, Handlungsmustern und Erfahrungen wird ein Bezug zur geschaffenen Umwelt gesetzt. Strukturelle Gemeinsamkeiten und metaphorische Entsprechungen werden aufgegriffen, um sich in diesem Kontext wiederzufinden. In virtuellen Spiellandschaften haben Nutzer*innen die Möglichkeit, durch Handlungen ihrer Erwartungsstruktur gerecht zu werden und diese noch zusätzlich zu erweitern. Dank dieser Erlebnismöglichkeiten können Spieler*innen ihre Fähigkeiten und Wünsche einbringen und in einer reduzierten Welt leben, um durch Erfolg an ein gutes Gefühl anzuknüpfen. Dynamische Elemente, wie vielseitige Handlungsmöglichkeiten, Spannungsmerkmale und Abwechslungsreichtum bewirken, dass eine strukturelle Kopplung zwischen eigenen Erwartungshaltungen und der digitalen Spielhandlung geschieht (vgl. Fritz 2006, S.120+121). Diese Strukturmerkmale sind in den unterschiedlichen Genres differenziert zu betrachten. Der Unterhaltungswert bildet sich durch verschiedene dynamische Elemente, welche in Zusammenhang mit den Erwartungen des/der jeweiligen Spielenden stehen (vgl. Fritz 2006, S.119). Um einen Überblick über die verschiedenen Faktoren zu erhalten, durch welche die Spieler*innen angeregt werden, diverse Spielarten auszuprobieren, werde ich diese im folgenden Unterpunkt auflisten und kurz beschreiben.
2.2 Unterhaltungswert gemessen an den verschiedenen Genres
Action-Spiele: Die Action-Spiele gelten als beliebtes Spiel-Genre in der Computerbranche und sind aus der Tradition der Arcade-Spiele (zum Beispiel Pac-Man) hervorgegangen. Charakteristisch für Actionspiele ist, dass nicht die Entscheidungen für bestimmte Handlungen im Vordergrund stehen, sondern die geschickte Aufführung selbst (vgl. Jukschat 2017, S.26). Action-Spiele laufen meist in hoher Geschwindigkeit ab, sodass von Nutzer*innen eine hohe Reaktionsfähigkeit gefordert wird (vgl. Masuch, Emmerich 2016, S.164). Actionspiele haben eine große Bandbreite: Zum einen gibt es zum Beispiel Jump ´n´ Run Spiele wie Super Mario, in denen die jeweiligen Spieler*innen zum Ziel kommen, indem sie Hindernisse überwinden. Neben Autorennspielen wie Gran-Turismo gibt es dann noch die von der Gesellschaft angefochtenen Ego-Shooter, wie zum Beispiel Counterstrike. Ziel des Spiels ist es, allein oder im Team, andere gegnerische Spielende mit Schusswaffen zu bekämpfen. (vgl. Jukschat 2017, S.26). Bei dem primären Sinn des Spiels wird deutlich, warum das Thema „Killerspiele“ gesellschaftlich immer wieder im Fokus steht. Diesen Diskurs werde ich im dritten Kapitel noch weiter vertiefen.
Strategie-Spiele: Strategie-Spiele erfordern ein planvolles Vorausdenken und ein Abwägen von kurz- und längerfristigen Konsequenzen des Handelns. Zielgerichtet geht es darum, die verschiedenen knappen Ressourcen richtig einzusetzen, um zum Erfolg zu kommen. Neben den klassischen strategischen Brettspielen, wie Schach, welche digital umgesetzt wurden, gibt es noch eine Reihe an Spielen bei denen der/die Spieler*in den eigenen Stützpunkt ausbauen und weiterentwickeln muss, um sich gegenüber dem/der Mitspieler*in einen Vorteil zu erarbeiten. Meistens gelingt dieser Prozess mithilfe von verschiedenen Rohstoffen (wie zum Beispiel Ernährung, Bildung, Verkehrswesen, Wirtschaft, Rüstung usw.), welche im Spiel erworben werden können, aber nur eine begrenzte Zeit zur Verfügung stehen (vgl. Jukschat 2017, S.27). Es gibt primär zwei Arten in dieser Kategorie; zum einen die rundenbasierten und zum anderen die Echtzeit Strategie-Spiele. Ein bekannter Ableger im Bereich der Echtzeit Strategie-Spiele wäre beispielsweise „Age of Empires“, wo es darum geht, schneller als der/die Gegenspieler*in die eigene Siedlung weiterzuentwickeln und auf die Aktionen verfeindeter Truppen zu reagieren. Im Gegensatz zu rundenbasierten Strategie-Spielen, erfordert dies ein hohes Maß an Reaktionsgeschwindigkeit. Rundenbasierte Strategie-Spiele setzen ihren Fokus stark auf die komplexe Planung von strategischen Aktionen. Beide Arten werden aus der Globalperspektive (Blick von oben herab) gesteuert. Tower Defense Spiele, welche man auch unter dem Begriff Strategie-Spiele fassen kann, unterscheiden sich in einigen Punkten von den obengenannten Strategie-Spielen (vgl. Ensemble Studios, Mac Play/Masuch, Emmerich 2016, S.165). In Tower Defense Spielen muss sich der/die Spieler*in auftauchenden gegnerischen Truppen stellen und Verteidigungsmaßnahmen treffen, um die eigene Basis zu schützen. Eineweitere Unterkategorie für dieses Genre sind die momentan beliebten „Multiplayer Online Battle Arena“ (kurz MOBA) Spiele. Ein populäres Beispiel für ein solches Spiel ist das Online Strategie-Spiel „League of Legends“. Hier treten zwei Teams auf einer arenaartig aufgebauten Karte gegeneinander an. Ziel des Spiels ist, das zentrale Gebäude der Gegenspieler*innen zu zerstören. Dabei steuert jede/r Spieler*in bestimmte Held*innen (vgl. Jukschat 2017, S.28). Dass Strategie-Spiele sehr beliebt sind, zeigt die JIM(Jugend, Information, (Multi-) Media) -Studie von 2017, welche das Medienverhalten von 14-19-jährigen Jugendlichen untersucht. In diesem Kontext sollten die Befragten ihre drei Lieblingsspiele benennen. Unter den mehrfach genannten Spielen, befinden sich unteranderem die Smartphone Spielapplikationen „Clash of Clans“ mit einem Anteil von 7% und „Clash Royal“ mit 6%, welche man in die Rubrik Strategie-Spiel einordnen kann. Auch das bereits erwähnte Online-Spiel „League of Legends“ wurde von 6% der Jugendlichen als Lieblingsspiel aufgezählt (vgl. Medienpädagogischer Forschungsverband Südwest 2017).
Aufbau-, Wirtschafts- und Lebenssimulationen: Auch in dieser Art von Spielen, geht es um das Management verschiedener Einheiten und Ressourcen. Der Unterschied zu den obengenannten Strategie-Spielen liegt darin, dass es keine/n direkte/n personifizierte/n Gegenspieler*in gibt, sondern Teile der wirtschaftlichen und sozialen Gesellschaft simuliert werden (vgl. Masuch, Emmerich 2016, S.166). Dabei gibt es verschiedene Schwerpunkte: Der/die Spieler*in leitet beispielsweise eine Farm, einen Freizeitpark oder ein Krankenhaus. In Applikationen wie „Farmville“ stellt die Bewirtschaftung der Felder, die Versorgung der Tiere und die Vermarktungen der eigenen Produkte den Hauptbestandteil des Spiels dar. Jedes Produkt hat dabei seine eigene Entwicklungszeit, weshalb von dem/der Spielenden gefordert wird zeitlich genau zu planen (vgl. Jukschat 2017, S.28).
Rollenspiele: In einem Rollenspiel schlüpft der/die Spieler*in in einen bestimmten Avatar, welcher sich im Verlauf des Spiels weiterentwickeln kann. Die Spielstruktur verläuft in erzählender Form. Um einen Spielfortschritt zu erzielen, muss der/die Spieler*in bestimmte Aufgaben erledigen (vgl. Jukschat 2017, S.166). Er/sie muss zum Beispiel Rätsel lösen, Gegenstände sammeln und virtuelle Spielcharaktere aufsuchen. Das Lösen der Haupt- und Nebenmissionen führt dazu, dass die Geschichte fortgeführt wird. Die Hauptbestandteile eines Rollenspiels, liegen bei der Weiterentwicklung des Charakters und der Exploration der Spielwelt. Im Zuge dessen, sind die Rahmenbedingungen meist so gestaltet, dass die Spielfigur zu einem großen Teil individualisiert werden kann, worauf ich im nächsten Kapitel noch weiter eingehen werde. In manchen Rollenspielen wird dem/der Spieler*in sogar die Möglichkeit gegeben, den Spielverlauf in einem gewissen Rahmen mitzuentscheiden (vgl. Masuch, Emmerich 2016, S.166+167).
Adventures: Abenteuerspiele, wie die klassischen Point-and-Click-Adventures, legen ihren Fokus zumeist auf Narration und Rätsel. Im Gegensatz zu Rollenspielen, gibt es aber in diesem Genre kaum actionreicheKämpfe oder Geschicklichkeitsaufgaben. Mit dem Ziel in der Spielnarration voran zu kommen, ist es die Aufgabe der Spieler*innen die Spielwelt zu erkunden, Kombinationsrätsel zu lösen und Dialoge zu führen. Die meist in einzelne Szenen aufgeteilte Spielwelt, verbirgt meist kleine Rätsel in Form von Gegenständen, welche der/die Spieler*in kombinieren muss, um diese an einer anderen Stelle sinnvoll einzusetzen. In manchen Fällen, wie in dem 2016 veröffentlichten Adventure-Spiel „Life is Strange“, ist es der/dem Nutzer*in sogar möglich, den Ausgang bzw. Verlauf der Geschichte durch getroffene Entscheidungen und der Interaktion mit nicht-spielbaren Charakteren mitzubestimmen (vgl. Masuch, Emmerich 2016, S.167+168/ Square Enix (Hrsg.) 2016).
Sport- und Fahrzeugsimulationen: Sämtliche existierende Sportarten wurden auch in digitalisierter Form für Computer, Handy und Konsolen produziert. Sport- und Fahrzeugsimulationen orientieren sich an Wettbewerben der jeweilig ausgewählten Sportart. Ein Beispiel für dieses Genre ist das beliebte Fußballspiel „FIFA“. Das Spiel hat die Wettbewerbsgegebenheiten und das Regelwerk von der realen Sportdisziplin Fußball komplett übernommen. Das Genre wird zumeist mit mehreren Spieler*innen gespielt, ist aber dennoch auch alleine spielbar (vgl. Masuch, Emmerich 2016, S.168+169). 14% der Jugendlichen gaben in Befragungen der JIM-Studie an, dass „FIFA“ zu einem ihrer Lieblingsspiele gehört (vgl. Medienpädagogischer Forschungsverband Südwest 2017).
Serious Games: Die Bezeichnung „SeriousGames“ beschreibt zwar eine bestimmte Kategorie von digitalen Spielen, kann aber genau genommen nicht als ein Computerspiel-Genre behandelt werden, da sich diese nicht durch bestimmte Mechaniken oder die Art der Interaktion auszeichnet. Serious Games fokussieren sich vielmehr auf ihren Anwendungszweck, nämlich der Vermittlung bestimmter Inhalte. Ein solches Spiel kann daher jedem der eben genannten Genres angehören. Die Spiele sind nämlich so ausgerichtet, dass anhand des Anwendungskontexts ein Lernziel erfolgen soll. Je nach Lernkonzept, wird dann ein Genre ausgesucht, da manche Inhalte sich mit verschiedenen Spielformen besser vermitteln lassen. Wenn zum Beispiel das Ziel sein soll, das Allgemeinwissen zu fördern, eignet sich ein simples Quiz oder ein Adventure mit entsprechenden Rätseln (vgl. Masuch, Emmerich 2016, S.170).
Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass sich bei verschiedenen Spielarten auch unterschiedliche Reize bilden. Während bei Sportsimulationen der Schwerpunkt auf die Wettbewerbsorientierung gesetzt wird, fokussieren sich Abenteuer- und Rollenspiele eher auf die Erkundung der Spielwelt und die fortführende Narration. Fakt ist: Computerspiele haben einen großen Unterhaltungswert und geben in der Hinsicht viele verschiedene Freiheiten, um sich im Handeln zu erproben. Dies könnte einer der Gründe dafür sein, dass Computerspiele eine hohe Alltagsrelevanz insbesondere für Jugendliche haben. Diese These werde ich im folgenden Kapitel wieder aufgreifen.
3. Computerspiele als Aspekt der jugendlichen Lebenswelt
In Bezug auf das Thema Computerspiele gibt es Faktoren, welche von vielen Eltern und Pädagog*innen kaum wahrgenommen werden. Gleichzeitig sind Computerspiel-Clans, E-Sport und LAN(Local Area Networks) -Partys für viele Jugendliche ein wichtiger Bestandteil der Alltagskultur und Lebenswelt. Aufgrund der offensichtlichen Fremdheit gegenüber dieser Kultur, haben viele Erwachsene, die mit dieser Art von digitaler Technik nicht vertraut sind, Bedenken was das Thema Computerspiele angeht (vgl. Geisler 2009, S.11). Noch dazu kommt die hitzige öffentliche Diskussion in Medien und Politik über die sogenannten „Killerspiele“. Meines Erachtens ist genau dies der Punkt, weswegen viele Eltern und Pädagog*innen dieser Art von Lebenswelt mit Unsicherheit und Skepsis begegnen.
In der Debatte um diese Thematik wird oftmals übersehen, welche Potentiale sich aus alltagskulturellen Freizeitbeschäftigungen wie Computerspiele ergeben (vgl. Ganguin/Hoffmann 2010, S.13). Die jungen Erwachsenen haben in dieser Welt die Möglichkeit, für kurze Zeit die momentanen Belastungen des Alltags zu vergessen. Außerdem bieten Videospiele ein gewisses Maß an Spielraum, in welchem Jugendliche zum selbstbestimmten Tun befähigt sind (vgl. Fritz 2014, S.20). Um Jugendliche in pädagogischen Einrichtungen zu erreichen, müssen sich Fachkräfte mit Bewältigungsstrukturen des Alltags befassen. Dazu gehören neben anderen Freizeitaktivitäten auch Computerspiele (vgl. Fischer-Gese, S. 327). Angaben der JIM-Studie (Jugend, Information, (Multi-) Media) von 2017 bestätigen, dass das Thema Videospiele noch immer aktuell ist. Bei einer Gesamtzahl von 1200 befragten 12-19-jährigen Jugendlichen gaben drei von fünf an, mehrmals pro Woche digitale Spiele zu spielen (vgl. Medienpädagogischer Forschungsverband Südwest 2017, S. 13). Dieser Bereich ist zwar noch in einzelne Kategorien, wie zum Beispiel Handy- und Onlinespiele, zu unterteilen, dennoch wird deutlich, dass Videospiele noch immer eine beliebte Freizeitbeschäftigung bilden (vgl. Medienpädagogischer Forschungsverband Südwest 2017, S. 49). Um bedarfsgerecht handeln zu können, ist es wichtig, die Lebenswelt der Jugendlichen kennenzulernen, da dies viele Anknüpfpunkte eröffnet. Zuerst widme ich mich der Frage welchen Stellenwert Medien und insbesondere Computerspiele in der Lebenswelt der Jugendlichen einnehmen. Um dies bestimmen zu können, werde ich vorab das Konzept der Lebensweltorientierungvon Hans Thiersch erklären und dieses im Anschluss auf das Thema Medien beziehen. Bedarfsgerechte Förderung erfordert das Wissen über alltagsbezogene Tätigkeiten der Adressat*innen. Im Zuge dessen, werde ich daraufhin wissenschaftlich darlegen, welche Reize Computerspiele den Nutzer*innen bieten.
3.1 Lebensweltorientierung in der Sozialen Arbeit
In den unterschiedlichen Lebensphasen müssen Jugendliche individuelle, entwicklungspsychologische und lebenslaufspezifische Herausforderungen bewältigen (vgl. Köngeter 2016, S.130). Parallel sind die Lebensverhältnisse teilweise in Institutionen, Normen und Werten schon gesellschaftlich determiniert, sodass Jungen und Mädchen sich mit ihrer konkreten Situation arrangieren müssen (vgl. Mengedoth 2005). Die Aufgabe der Sozialen Arbeit ist es an dieser Stelle, Jugendliche ganzheitlich in der Bewältigung ihrer spezifischen Probleme zu unterstützen. Dabei spielt insbesondere der eigene Alltag und die dazugehörige Lebenswelt eine zentrale Rolle (vgl. Grunwald, Thiersch 2016, S. 24). Mithilfe von Partizipation werden die individuellen Ressourcen aktiviert, um Adressat*innen in den pädagogischen Einrichtungen in ihrem Alltag zu stabilisieren (vgl. Grunwald, Thiersch 2016, S. 24). Im folgenden Beitrag werde ich die Ansätze der Lebensweltorientierung von Hans Thiersch genau erklären.
3.1.1 Das Konzept der Lebensweltorientierung nach Hans Thiersch
Das theoretische Rahmenkonzept Lebenswelt- oder Alltagsorientierung wird mittlerweile praktisch als Orientierungshilfe, sowohl in Konzepten sozialpädagogischen Handelns, als auch in institutionellen Programmen und Modellentwicklungen verwendet. Zusätzlich konkretisiert es sich in Vorstellungen von sozialpolitischen Rahmenbedingungen (vgl. Grunwald, Thiersch 2008, S.13).
„Die Lebenswelt ist der Inbegriff der Wirklichkeit, die erlebt, erfahren und erlitten wird. Sie ist aber auch eine Wirklichkeit die im Tun bewältigt wird, und die Wirklichkeit, in welcher und an welcher – unser Tun scheitert. Vor allem für die Lebenswelt des Alltags gilt, dass wir in sie handelnd eingreifen und sie durch unser Tun verändern.“ (Schütz, Luckmann 1984 zitiert nach Schmidt-Grunert 2009, S.230)
Die lebensweltorientierte Soziale Arbeit geht zum einen auf die Adressat*innen direkt ein und orientiert sich dabei an ihren Deutungen von Lebensverhältnissen, Lebensschwierigkeiten und ihren Ressourcen (vgl. Füssenhäuser 2006, S.127). Das heißt Fachkräfte nehmen die subjektiven alltäglichen Strukturelemente und das Selbstverständnis des/der Adressat*in wahr.Die Lebensweltforschung verhilft zum ganzheitlichen Verständnis aller wichtigen Alltagsbereiche aus der Sicht des Subjekts. (vgl. Schmölz 2015, S.12).
„Unterschiedliche Lebenslagen sind nicht nur individualistisch zu erschließen, vielmehr ist der Einbezug gesellschaftsbezogener Lebensbezüge erforderlich, da sich subjektives Alltagsbewusstsein nie isoliert, sondern stets im Kontext sozialer Wirklichkeit konstituiert und auch nur so erklärbar werden kann.“ (Schmidt-Grunert 2009, S.235)
Auf der anderen Seite werden aber auch die subjektbezogenen, sowie die gesellschaftlichen Bedingungen berücksichtigt und reflektiert (vgl. Füssenhäuser 2006, S.127). Es wird sich die Frage gestellt, von welchen gesellschaftlichen Lebenslagen das alltägliche Leben beeinflusst wird. Teilweise sind die Lebensbedingungen des Subjekts bereits gesellschaftlich determiniert. Ein Beispiel für dieses Phänomen ist die Armut, in welche die jeweiligen Adressat*innen in der Regel hineingeboren werden. Die damit verbundenen Werte und Normen sind teilweise nicht beeinflussbar und das Subjekt muss sich mit den gegebenen Verhältnissen und Rahmenbedingungen arrangieren (vgl. Mengedoth 2005).
Dem Lebensraum der Adressat*innen kommt dabei eine zentrale Bedeutung zu. Mit dem Ziel einen gelingenderen Alltag zu ermöglichen, bezieht sich die lebensweltorientierte Soziale Arbeit auf die Stärkung der Lebensräume, wie Schule, Familie und Beruf. Gleichzeitig aktiviert das alltagsorientierte Konzept Ressourcen, sowie (Selbst-)Hilfemöglichkeiten um gemeinsam mit den Adressat*innen an einem subjektbezogenen qualitativen Leben zu arbeiten. Dementsprechend werden Menschen unter der Berücksichtigung ihrer individuellen Lebenswelt von Fachkräften in sozialen Einrichtungen aus den Verstrickungen des Alltags heraus begleitet (vgl. Füssenhäuser 2006, S.127).
Thiersch unterteilt die Lebensweltorientierung in sechs Handlungsmaximen, welche ich nach Füssenhäuser (2006) unten aufgeführt habe. Diese sind zwar sehr allgemein gehalten, dienen aber als Orientierungshilfe für die Wertorientierung innerhalb sozialer Einrichtungen. Die Handlungsmaximen erfordern eine auf die einzelnen Handlungsfelder bezogene Konkretisierung (vgl. Füssenhäuser 2006, S.135).
1. „Prävention “: Lebensweltorientierte Soziale Arbeit stabilisiert die subjektbezogenen Kompetenzen der Lebensbewältigung und stellt unterstützende Infrastrukturen her. Die Soziale Arbeit greift dabei vor der Verhärtung der Problemlagen ein. Präventive Maßnahmen werden rechtzeitig getroffen, um drohenden Lebenskrisen, wie Scheidung und Arbeitslosigkeit vorzubeugen(vgl. Füssenhäuser 2006, S.133).
2. „ Dezentralisierung/Regionalisierung“: Die Regionalisierung zielt auf die Nutzung der regionalen Infrastrukturen ab, damit bestimmte individuelle Schwierigkeiten im Blick auf Zugangsmöglichkeiten abgebaut werden. Die Aufgabe der Sozialen Arbeit ist es im Zuge dessen, in den sozialräumlichen Gegebenheiten, gut erreichbare Angebote und Institutionen zu schaffen. Die Bürger und Bürgerinnen sollen so die Möglichkeit bekommen, sich in einem sozialen Netzwerk gut aufgehoben zu fühlen.(vgl. Füssenhäuser 2006, S.133-134).
3. „Alltagsorientierung“: Bei dem Aspekt der Alltagsnähe ist es wichtig, sowohl an den Abbau von Zugangsbarrieren, als auch an einer ganzheitlichen Ausrichtung der professionellen Unterstützungsangebote zu arbeiten. Um den komplexen Lebensverhältnissen und Selbstdeutungen der Adressat*innen gerecht zu werden, müssen diese Angebote ganzheitlich geschaffen werden(vgl. Füssenhäuser 2006, S.133-134).
4. „Integration“: Der Begriff Integration beschreibt einerseits die Akzeptanz bzw. den Respekt vor verschiedenen Persönlichkeiten und Alltagskonzepten und wird außerdem noch mit der Sicherung der Ressourcen und Rechten verbunden, welche sich als Voraussetzung für das Gleichheitsprinzip darstellen. An dieser Handlungsmaxime wird deutlich, dass eine Einbindung der Sozialen Arbeit in die Politik nötig ist, um soziale Gerechtigkeit herzustellen (vgl. Füssenhäuser 2006, S. 134).
5. „Partizipation“: Partizipation bedeutet Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Beteiligungs- und Mitbestimmungsmöglichkeiten sind nur dann gegeben, wenn die in der Integration erläuterte Gleichheit gewährleistet ist und die Menschen befähigt sind, ihre Rechte und Ressourcen ganzheitlich wahrzunehmen (vgl. Füssenhäuser 2006, S.134).
6. „Einmischung“: Das Prinzip der Einmischung beschreibt den oben bereits erwähnten Aspekt der Einbindung der Sozialen Arbeit in die Politik. Politische Entscheidungen beeinflussen sowohl die Arbeit in sozialen Institutionen, als auch die Lebensverhältnisse der Adressat*innen. Gute kritische Soziale Arbeit kann nur dann stattfinden, wenn Fachkräfte von ihrem sozialpolitischen Mandat Gebrauch machen, um sich für die Rechte der Adressat*innen stark zu machen (vgl. Füssenhäuser 2006, S.134+135).
Lebensweltorientierte Soziale Arbeit orientiert sich zusammenfassend an zeitlichen Strukturen im Lebenslauf und den damit zusammenhängenden Bewältigungsaufgaben und Kompetenzen, um den zu betreuenden Adressat*innen eine bedarfsgerechte Hilfe zu ermöglichen. Im Zuge dessen werden auch kleinere und unauffällige Bewältigungsaufgaben respektiert.Dabei werden die obengenannten Handlungsprinzipien aktiv in den Hilfeprozess miteinbezogen. Gleichzeitig agieren Akteur*innen in der lebensweltorientierten Sozialen Arbeit mit Blick auf den jeweiligen Erfahrungsraum. Räumliche Verhältnisse, wie ländlich geprägte Strukturen oder städtische Milieus, werden diesbezüglich berücksichtigt, um innerhalb des verengten Lebensraums neue Optionen zur Verfügung zu stellen.(vgl. Grunwald, Thiersch 2008, S.32+33). Soziale Bezüge bergen des Öfteren sowohl Ressourcen, als auch Spannungsfelder. Beide Optionen werden von der lebensweltorientierten Sozialen Arbeit betrachtet und in den Hilfeprozess integriert. Insgesamt zielt das Konzept auf den Aspekt „Hilfe zur Selbsthilfe“ ab. Neben den zu betrachtenden Bewältigungsaufgaben werden deshalb auch aktivierbare Ressourcen und Stärken beachtet, um die Kompetenz der Lebensbewältigung zu stärken (vgl. Grunwald, Thiersch, 2008S.34+35).
Für viele Handlungsfelder bietet die Lebensweltorientierung eine Handlungsgrundlage, um die Situation von Adressat*innen ganzheitlich erfassen zu können (vgl. Grunwald, Thiersch, 2008 S.34+35). Die Wertbeschreibungen und Handlungsmaxime werde ich im Kapitel drei noch auf den Bereich der offenen Kinder- und Jugendarbeit beziehen. Im nächsten Unterpunkt werde ich moderne Medien mitindividuellenLebenswelten in Verbindung setzen, da diese strukturelle Kopplungen zwischen Motivationspotential und jugendlichen Lebenskontexten aufgreifen. Dabei werde ich mich insbesondere auf Computerspiele beziehen. Spieler*innen stellen durch thematische Spielbezüge, spezifische Rollenangebote und dynamische Elemente, Bezugspunkte zur eigenen Realität her. Befürworter*innen von medienbezogener Erziehung und Bildung greifen den Aspekt als ein Kulturelement auf. Welche Argumente bringen diese Meinungsträger*innen? Die Argumentationen werde ich im nächsten Teil hervorbringen und anschließend wissenschaftlich reflektieren.
3.1.2 Digitale Medien als jugendkultureller Aspekt
Für die Jugendlichen selbst eröffnen die digitalen Mediengeräte, wie Smartphones und Computer, zahlreiche Erfahrungsräume (vgl. Krotz, Schulz 2014, S.31). Befürworter*innen aus Politik und Gesellschaft sehen Computerspiele als eine Art Jugend- und Kulturgut und setzen sich diesbezüglich für mehr Anerkennung ein. Zusätzlich wird gefordert, dass die verschiedenen Spieltypen differenziert betrachtet werden (vgl. Griefhahn, 2008, S.118). In Bezug darauf wurden 2007 Preise initiiert, welche darauf zielen qualitativ hochwertige, sowie kulturell und pädagogisch wertvolle Spiele hervorzuheben. Ob online oder im realen Leben, aus Computerspiellandschaften entstehen komplett neue Kulturen und Szenegruppen. Die wachsende Begeisterung führt zu einer Reihe von Veranstaltungen, welche ausschließlich auf Computerspielaspekte ausgelegt sind. Ganz im Gegensatz zu dem gesellschaftlichen Vorurteil, bezogen auf die/den sozial isolierte/n Computerspieler*in, bilden Nutzer*innen heute zahlreiche Gemeinschaften, welche durch ein soziales Miteinander geprägt sind (vgl. Ganguin 2016, S.4). Neben LAN - Partys, bei welchen sich gleichgesinnte Jugendliche treffen können, um gemeinsam zu spielen - ob im privaten Haushalt oder auf größeren Events - gibt es noch Spieler*innen, die online Kontakte knüpfen (vgl. Vogelgesang 2003, S.67).In Bezug auf LAN-Partys gibt es zusätzlich noch größere Events, wie beispielsweise die „DreamHack“, wo sich zahlreiche Spieler*innen treffen, um sich ein ganzes Wochenende mit Computerspielen zu beschäftigen. Diese Veranstaltung kommt ursprünglich aus Schweden, wurde aber im Laufe der Zeit auch in anderen Ländern, unteranderem in Deutschland, initiiert (vgl. Dreamhack.com o.D). Hier finden sich viele Anknüpfpunkte, um sich „fachlich“ über die neueste Technik auszutauschen. Die Entstehung von fachbezogenen Sprachen, gekoppelt mit der kreativen Auseinandersetzung verschiedener Spielszenarien, sprechen dafür, dass sich innerhalb von Computerspielgemeinschaften szenegeprägte Gruppen entwickelt haben (vgl. Vogelgesang 2003, S.67).
Einmal jährlich treffen sich viele spielbegeisterte Menschen in Köln zu einer der größten Computerspielmessen, der gamescom, um dort die neueste digitale Technik und Hardware1 zu testen (vgl. Quandt, Kröger 2014, S.232+233). Zusätzlich wurde 2008, als die gamescom Premiere feierte, der Bundesverband der Computerspielindustrie (G.A.M.E) als Mitglied in den Deutschen Kulturrat aufgenommen. Im Zuge dessen, wurden digitale Spiele offiziell als Kulturgut anerkannt (vgl. Quandt, Kröger 2014, S.232). Befürworter*innen argumentieren damit, dass Computerspiele schon längst Teil der jugendlichen Alltagskultur sind. In Bezug auf diese These ist erneut auf die JIM-Studie hinzuweisen, welche bestätigt, dass bei einer Gesamtzahl von 1200 befragten Jugendlichen drei von fünf angaben, mehrmals pro Woche digitale Spiele zu spielen (vgl. Medienpädagogischer Forschungsverband Südwest 2017, S. 49). Auch in Hannover gibt es Veranstaltungen, auf denen die digitale Jugendkultur zum Ausdruck gebracht wird. Bei dem Videospiel-Event „Pixelpokal“ wird Spieler*innen die Gelegenheit gegebensich auszutauschen und gemeinsam oder gegeneinander zu spielen. Die Veranstalter*innen stellen zahlreiche ältere und neuere Spielekonsolen zur Verfügung, an denen sich die Besucher*innen ausprobieren können. Für spielbegeisterte Besucher*innen werden zahlreiche Preise zur Verfügung gestellt, welche durch Erfolge an den Konsolen erworben werden können. Außerdem treten verschiedene Spieler*innen in verschiedenen Disziplinen gegeneinander an (vgl. Pixelpokal 2018). Um deutlich zu machen, welches Ziel mit diesem Projekt verfolgt wird, zitiere ich im Folgenden eine Äußerung der Veranstalter*innen:
„Die Initiative Pixelpokal möchte die Videospielkultur in Deutschland fördern. Dazu bringen wir Menschen zusammen, die sich für Videospiele interessieren. Neben dem Aspekt des Zockens möchten wir unseren Besuchern auch die kulturelle und historische Seite näherbringen und zum Austausch anregen. Wer sich in einem sportlichen Wettkampf mit anderen messen möchte, kann an unserem Leinwand-Turnier teilnehmen. Hierbei werden Spielerinnen und Spieler vor allem in ihrem taktischen Denken, Reaktionsvermögen und der Hand-Augen-Koordination gefordert.“ (Pixelpokal 2018)
Darüber hinaus gibt es in Berlin sogar ein Computerspielmuseum, in welchem verschiedene Spielgeräte ausgestellt werden, welche die Computerspiel-Geschichte geprägt haben (vgl. Gamehouse gGmbH). Die verschiedenen Veranstaltungen und Kulturelemente, welche im Zusammenhang mit der digitalen Kultur geschaffen wurden, sprechen für mehr Anerkennung im Bereich der Videospiele. Gegenwärtig kann man den Fortschritt, im Hinblick auf Computerspielanerkennung, auch im aktuellen Koalitionsvertrag der CDU, CSU und SPD von 2018 lesen. E-Sports Landschaften werden demnach zukünftig als eigene Sportart mit vollständigen Vereins- und Verbandsrecht toleriert. Begründet wird dieser Auszug mit der Schulung wichtiger Fähigkeiten, welche nicht nur in der digitalen Welt von Bedeutung sind. Um welche Fähigkeiten es sich hierbei genau handelt, wurden nicht weiter definiert (vgl. Bundesregierung 2018). E-Sports ist eine besondere Form des Computerspielens, da sie ausschließlich auf den Wettbewerbscharakter ausgelegt ist (vgl. Adamus 2010, S.203). Im Zuge dessen sind innerhalb von wettbewerbsbezogenen Spieleneine Reihe an Kompetenzen, wie zum Beispiel Reaktionsschnelligkeit erforderlich (vgl. Adamus 2010, S. 205).
Gleichzeitig soll seitens des Bundes eine Förderung von „Games“ (Verband der deutschen Games Branche) zur Entwicklung hochwertiger Spiele eingeführt werden, um Entwickler*innen in Deutschland zu fördern und international wettbewerbsfähig zu machen. Unter Beteiligung der Gamesbranche soll der deutsche Computerspielpreis, auf welchen ich oben bereits hingewiesen habe, weiter ausgebaut werden (vgl. Bundesregierung 2018). Diese Änderungen, welche im aktuellen Koalitionsvertrag niedergeschrieben sind, sprechen für mehr Anerkennung in Bezug auf das Kulturelement.
Wenn man die gegenwärtigen Argumentationen, mit denen aus der Vergangenheit vergleicht, wird deutlich, dass digitale Spiele in der Gesellschaft immer weiter integriert und toleriert werden. Dieser Aspekt hängt damit zusammen, dass digitale Medien einen immer größeren Stellenwert in unserem Alltag einnehmen. Die technischen Möglichkeiten sind sowohl in unserem Freizeitverhalten, als auch im Berufsalltag integriert. (vgl. Frölich, Lehmkuhl 2012, S.13). Beispiele für dieses Phänomen lassen sich tagtäglich beobachten. Das Smartphone wird während der Bahnfahrt aus der Tasche genommen, um sich die Zeit zu vertreiben. In der JIM-Studie von 2017 gaben 99% der Befragten an, im Haushalt über ein Smartphone zu verfügen (vgl. Medienpädagogischer Forschungsverband Südwest 2017). Erwachsene haben ihren Alltag erst im späteren Verlauf des Lebens medial angepasst, und werden aus diesem Grund „Digital Immigrants“ genannt. Im Gegensatz dazu, werden Kinder und Jugendliche, welche unter den Bedingungen der digitalen Medienumwelt aufwachsen, als „Digital Natives“ bezeichnet (vgl. Frölich, Lehmkuhl 2012, S.13). Vergleicht man die aktuellen JIM Studien mit denen aus der Vergangenheit, wird deutlich welche Jugendlichen als „Digital Natives“ aufgewachsen sind. Bereits 1998 gaben 48% der Befragten an, täglich bzw. mehrmals die Woche den Computer zu nutzen (vgl. Medienpädagogischer Forschungsverband Südwest 1999). Ergänzt werden diese Angaben heute mit Nutzung von neueren Mediengeräten wie Smartphones.
Digitale Geräte sind mittlerweile viel mehr als eine Freizeitbeschäftigung. Auch unser Berufsleben, sowie der Schulalltag, wird durch die modernen digitalen Medien bestimmt. Die Thematik der Medienkompetenz hat mittlerweile einen bedeutsamen Stellenwert innerhalb von Berufs- und Schulalltag eingenommen. Mittlerweile hat sich insbesondere das Internet, sowohl bei Jugendlichen als auch bei Erwachsenen, zu der Hauptquelle für den Informations- und Wissenserwerb entwickelt. Die EU-Kommission erarbeitet diesbezüglich Strategien, um den Medienkompetenzerwerb zu stärken und eine Grundausbildung von IT- und PC-Ausbildungen an Schulen zu ermöglichen. Schulen sollen gefördert werden, um in der Zukunft digitale Unterrichts- und Lerntechnologien benutzen zu können. Für diese Zwecke sollen Gelder zur Verfügung gestellt werden, um Bildungseinrichtungen digital besser auszustatten (vgl. Frölich, Lehmkuhl 2012, S.51). Auch im aktuellen Koalitionsvertrag der CDU, CSU und SPD wird deutlich Bezug auf die zunehmende Digitalisierung genommen. Im Bildungsbereich werden deshalb auch Maßnahmen zur Weiterbildung von Lehrpersonal geschaffen, um Auszubildenden und Schüler*innen eine ganzheitliche digitale Ausbildung zu ermöglichen. Digitale Elemente sollen mit in den Unterricht einbezogen werden, um bildungsgerechten Medienumgang zu lehren. Besonders interessant ist der Aspekt, dass die Bundesregierung vorsieht, auch den Einsatz von adaptiven Lernsystemen und den bereits genannten „Serious Games“, auf welche ich im Verlauf meiner Arbeit noch weiter eingehen werde, zu unterstützen (vgl. Bundesregierung 2018). Diese Argumente bestärken die These, dass ein souveräner Medienumgang mittlerweile eine Grundvoraussetzung ist. Meines Erachtens ist es zusätzlich wichtig, diese gesellschaftlichen Veränderungen auch in außerschulischen sozialen Institutionen zu berücksichtigen, um der bedarfsgerechten Förderung gerecht zu werden. Medien haben in unserem Alltag eine hohe Alltagsrelevanz angenommen. Können medienbezogene Inhalte und digitale Erlebniswelten im Zuge dessen auch als Lebenswelt betrachtet werden?
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1 „ (im Unterschied zur Software) Gesamtheit der technisch-physikalischen Teile einer Datenverarbeitungsanlage“ (Bibliographisches Institut GmbH, 2018)
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