Ursachen und Entwicklung des Gender Pay Gap. Maßnahmen zur Bekämpfung des geschlechtsspezifischen Lohngefälles


Fachbuch, 2021

77 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichni

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

1 Einleitung

2 Bestimmungsgründe für die Entgelthöhe
2.1 Bildungsabschluss
2.2 Berufserfahrung
2.3 Regionaler Tätigkeitsbereich
2.4 Branchenbereich

3 Erörterungen und Entwicklung des Gender Pay Gaps
3.1 Brutto- und Nettolöhne
3.2 Nominaler Netto- und Reallohn
3.3 Geschlechtsspezifische Entlohnungen

4 Erklärungsversuche für den Gender Pay Gap
4.1 Humankapitaltheorie
4.2 Mutterschaft
4.3 Arbeitszeitmodelle und deren Folgen für die Altersabsicherung
4.4 Arbeitsmarktsegregation
4.5 Führungskräfte
4.6 Gehaltsverhandlungen
4.7 Kompetenzeinschätzungen

5 Gender Pay Gap Lösungsansätze
5.1 Entgelttransparenz
5.2 Frauenquote
5.3 Instrumente zur besseren Vereinbarkeit vom Familien- und Berufsleben
5.4 Weitere Möglichkeiten zur Schließung der Einkommensschere

6 Fazit und Ausblick

Literaturverzeichnis

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Impressum:

Copyright © Science Factory 2021

Ein Imprint der GRIN Publishing GmbH, München

Druck und Bindung: Books on Demand GmbH, Norderstedt, Germany

Covergestaltung: GRIN Publishing GmbH

Abkürzungsverzeichnis

Mio. Millionen

bzw. beziehungsweise

z. B. zum Beispiel

Abs. Absatz

TzBfG Teilzeit- und Befristungsgesetz

OECD Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

Covid-19 Corona Virus Disease 2019

GPG Gender Pay Gap

GPGs Gender Pay Gaps

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Arbeitslosigkeit nach Bildungsabschlüssen im Zeitraum von 1976 bis 2013

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Zuwachs der medianen Brutto- und Nettolöhne im Zeitraum von 2005 bis 2019

Tabelle 2: Nominal- und Nettoreallohnzuwächse im Zeitraum von 2005 bis 2019

Tabelle 3: Entwicklung des bereinigten Gender Pay Gaps im Zeitraum von 2005 bis 2019

1 Einleitung

Die Phrase „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit!“ ordnet man aus dem Bauch heraus vermutlich zunächst den 70er Jahren, mithin den Anfängen der Emanzipation der Frau zu. Dass man mit dieser Forderung jedoch heutzutage für die Gleichberechtigung der Frau kämpfen muss, stößt zunächst auf Unverständnis, vor allem deshalb, weil Frauen in den letzten Jahrzenten immer weiter in den Arbeitsmarkt vorgedrungen sind und den Männern in Bezug auf Bildung in Nichts mehr nachstehen. Es scheint dem ein oder anderen nicht bewusst zu sein, inwieweit eine Ungleichbehandlung auf dem Arbeitsmarkt existiert. Um auf diese Thematik aufmerksam zu machen, findet in Deutschland seit 2008 jährlich der Equal Pay Day statt. Dieser symbolisiert den geschlechterspezifischen Entgeltunterschied zwischen Männern und Frauen.1 Dass es einen Aktionstag für die Problematik der geschlechterspezifischen ungleichen Bezahlung gibt, verdeutlicht wie wichtig dieses Thema ist und wie relevant es ist, darauf aufmerksam zu machen. Diese durch Geschlechtsmerkmale geprägte Lohndifferenz wird auch als Gender Pay Gap bezeichnet. Dieser stellt das prozentuale Minus des Lohnes einer Frau im Gegensatz zum Entgelt eines Mannes dar, wobei nicht einzelne Frauen im Vergleich zu Männern betrachtet werden, sondern lediglich gesamtgesellschaftliche Individuen.

In der Arbeitsmarktökonomik wird unterstellt, dass es für die gleiche Tätigkeit keinerlei geschlechtsspezifische Lohnunterschiede gibt. Doch wie ist diese Aussage mit den Daten des statistischen Bundesamtes, welches das Lohngefälle zwischen Frauen und Männern in selbiger Tätigkeit erhebt, vereinbar? Es lassen sich also folgende, für die vorliegende Arbeit relevante, Forschungsfragen ableiten: Existiert tatsächlich ein GPG? Falls ein GPG existiert, lässt sich dieser faktisch auf das Geschlecht zurückführen und welche Ursachen sind hierfür verantwortlich? Bevor sich der Frage, ob und inwieweit ein GPG existiert, gewidmet wird, werden in der folgenden Arbeit zunächst die allgemeinen Faktoren in Bezug auf die Bestimmung der Entgelthöhe präsentiert. Hierbei soll insbesondere der Einfluss von Bildung und Berufserfahrung sowie regionale und branchenspezifische Besonderheiten untersucht werden. Anschließend soll die Lohnentwicklung der letzten 14 Jahre aufgezeigt und analysiert werden und anhand dieser Daten die Entwicklung des GPGs erforscht werden. Im nächsten Schritt soll sich umfassend der Suche nach möglichen Ursachen der Lohndifferenz zwischen Frauen und Männern hingegeben werden und vor allem untersucht werden, ob ein Lohngefälle tatsächlich allein auf das Geschlecht zurückzuführen ist, oder ob nicht vielmehr das Zusammenwirken mehrerer Faktoren für den GPG verantwortlich ist. Letztlich sollen die politischen und unternehmenspolitischen Maßnahmen, die zur Bekämpfung der GPG eingeführt wurden, genauer betrachtet und sich der Frage gestellt werden, in welchem Maß diese tatsächlich reale Wirkung entfalten. Basierend hierauf stellt die Arbeit letztlich einen Ausblick möglicher zukünftiger Maßnahmen vor. Die vorliegende Arbeit verfolgt nicht nur das Ziel, umfassend über das Bestehen und die verantwortlichen Ursachen des GPGs zu informieren, vielmehr soll sie dazu anreizen, die Thematik in dem Umfang ernst zu nehmen, wie er besteht und die Anregung zu schaffen, die durch gesellschaftliche Stereotypen aufgezogenen Mauern einzureißen.

2 Bestimmungsgründe für die Entgelthöhe

Um einen umfassenden Überblick hinsichtlich der Entgeltentwicklung zu erlangen werden nachfolgend die einzelnen Faktoren, welche Einfluss auf die Bestimmung des Entgelts nehmen, dargestellt. So soll zunächst analysiert werden, welche Wirkung der Bildungsgrad, die gesammelte Berufserfahrung sowie die Zugehörigkeit zu bestimmten Branchen und Tätigkeitsfeldern auf die Entgelthöhe hat. Obwohl die Produktivität und Effektivität einer bestimmten Person ebenfalls eine Rolle bei der Entgeltbestimmung spielen, bleiben diese Aspekte in diesem Kapitel unberücksichtigt.

2.1 Bildungsabschluss

Sicherer Job, guter Verdienst, viele individuelle Entwicklungsmöglichkeiten“ – damit wirbt die Website „ Berufliche Bildung – Praktisch unschlagbar” der Bundesministerien für Bildung, Forschung sowie Wirtschaft und Technologie.2 Doch welche Vorteile bringt das Aneignen eines hohen Bildungsgrades wirklich mit sich? Diese Frage soll nachfolgend unter Betrachtung und Abwägung der zu verzeichnenden Opportunitätskosten und dem tatsächlichen Unterschied diverser Bildungsgrade hinsichtlich der Entgelthöhe, beantwortet werden.

Eine zentrale Bestimmungsgröße für die individuellen Zugangschancen in der Arbeitswelt ist – neben und in Kombination mit anderen Merkmalen - der Bildungserfolg.3

Ungleichheiten auf dem Arbeitsmarkt und Differenzen hinsichtlich der Gehaltsspanne werden oft mit Unterschieden in den individuellen Bildungsabschlüssen legitimiert. Der meritokratische Zusammenhang zwischen Bildungsgrad und Beschäftigung ist ein Merkmal aller modernen Gesellschaften. Der Stellenwert der Bildung hat in den letzten Jahrzenten enorm zugenommen und die Zahl der Arbeitnehmer ohne qualifizierten Abschluss nimmt erheblich ab. Tatsächlich lag der Anteil der Personen ohne berufliche Qualifikation 1976 (West-deutschland) noch bei 38 %, im Jahr 2013 (ganz Deutschland) nur noch bei 16 %.4 Wird unter gleichen Bedingungen, die Arbeitslosenquote nach Bildungsabschlüssen herangezogen, so kann die Tendenz noch deutlicher zum Vorschein gebracht werden.

Seit den 1970er Jahren ist die Arbeitslosenquote von Menschen mit höherer Bildung kaum angestiegen, stattdessen stieg die der gering Qualifizierten nicht unerheblich an (Abb. 1).5

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Arbeitslosigkeit nach Bildungsabschlüssen im Zeitraum von 1976 bis 2013

Quelle: Piopiunik, Marc/Kugler, Franziska/Wößmann, Ludger (2017): Einkommenserträge von Bildungsabschlüssen im Lebensverlauf. Aktuelle Berechnungen für Deutschland. In: ifo Schnelldienst. 70. Jg., H. 7, S. 22.

Ein höherer Bildungsabschluss verringert nicht nur die Wahrscheinlichkeit einer etwaigen Arbeitslosigkeit, sondern schafft enorme Einkommensvorteile gegenüber gering qualifizierten Mitarbeitern. Dass Bildung finanziell geschätzt wird, zeigt eine Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung. Hochschulabsolventen verdienen durchschnittlich im Laufe ihres Lebens 1,2 Mio. € mehr, als Menschen ohne Berufsausbildung.6 Noch ersichtlicher werden die Einkommensunterschiede bei einer Betrachtung der Einstiegsgehälter nach Bildungsabschlüssen. Menschen, die erfolgreich eine Promotion vorlegen konnten, welche zugleich in Deutschland den höchsten erreichbaren akademischen Grad darstellt7, können ein jährliches durchschnittliches Einstiegsgehalt von 54.735 € Brutto aufweisen.8 Wohingegen gering Qualifizierte, ohne Berufsausbildung im Alter von 20 Jahren lediglich ein Bruttojahresentgelt von durchschnittlich 10.338 € erwerben.9 Die anfänglichen finanziellen Verluste und Aufwendungen, die mit einem höheren Bildungsabschluss einhergehen, stehen in keinem Verhältnis zu den im gesamten Leben generierten Profitvorteilen. Aufgrund der deutlich höheren Einstiegsgehälter können die Opportunitätsverluste schnell ausgeglichen werden.

Es lässt sich also feststellen, dass Bildung direkten Einfluss auf das Lebenseinkommen der deutschen Bevölkerung nimmt und ein zentraler Akteur in der volkswirtschaftlichen Darstellung der Arbeitslosenquote ist. Durch den Grad der Bildung können für Arbeitnehmer Türen geöffnet werden, die entscheidend für die zukünftige Karriere sind.

2.2 Berufserfahrung

Berufserfahrung ist eines der wichtigsten Kriterien für Arbeitgeber zur Beurteilung von Bewerbern. So geht aus einer Studie hervor, dass 67% der Arbeitgeber bei der Auswahl von Bewerben mit Hochschulabschluss einen hohen Wert auf berufliche Erfahrung legen und dieser sogar einen höheren Stellenwert zumessen, als betriebswirtschaftlichem Interesse und Kenntnissen. Es wird erwartet, dass Bewerber bereits mit der Arbeitswelt vertraut sind und mit Stresssituationen umgehen können. Darunter fallen Kandidaten, die bereits die Unternehmensstrukturen, die Hierarchie, die Teamarbeit oder eine 40-Stunden Arbeitswoche aus der Praxis kennen.10 Definitionsgemäß wird Berufserfahrung als die Erlangung von Wissen und Kenntnissen in Bezug auf eine bestimmte Tätigkeit, die sich eine Person auf dem jeweiligen Gebiet aneignen konnte, indem diese über einen eingegrenzten Zeitraum hinweg aktiv war.11

Langjährige Firmenangehörigkeit wird für Unternehmen immer bedeutender, weshalb es kaum verwundert, dass sich die Gehälter mit zunehmendem Alter positiv entwickeln. Deskriptiv erzielten 20-jährige Arbeitnehmer im Jahr 2018 ein durchschnittliches Bruttojahreseinkommen von 30.056 €, wohingegen das durchschnitt­liche Entgelt von 60-jährigen bei 58.229 € lag. Dies entspricht einem prozentualer Gehaltsanstieg von 94 % während des definierten Erwerbzeitraums.12

Vorrangig profitieren von den mit gesammelter Berufserfahrung einhergehenden Vorteilen die Erwerbstätige, die an Tarifverträge gekoppelt sind. Bei der Ermittlung der entsprechenden Entgeltordnung im Rahmen der Tarifverträge wird generell die einschlägige Berufserfahrung herangezogen. Als einschlägige Berufserfahrung wird die berufliche Erfahrung in der übertragenen oder einer auf die Aufgabe bezogenen entsprechende Tätigkeit definiert. Beispielsweise werden im Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst Arbeitnehmer ohne Berufserfahrung in die Entgeltordnung 1 eingestuft und steigen nach einem Jahr ununterbrochener Tätigkeit innerhalb derselben Entgeltordnung auf Stufe 2 auf. Die Stufe 3 wird nach zweijähriger Tätigkeit innerhalb der Entgeltordnung 2 erreicht. Die Einstufung in die höchste Entgeltordnung 6 erfolgt nach 15-jähriger ununterbrochener Tätigkeit.13

Man kann also zu dem Schluss kommen, dass Unternehmen eher zu Kandidaten tendieren, die bereits Praxiserfahrung aufzeigen können und bereit sind, diese entsprechend zu honorieren. Ein Teil der Erwerbstätigen erhält, unabhängig von der geleisteten Produktivität, bei gleichbleibender Tätigkeit eine Entgeltsteigerung, die lediglich auf die Dauer der Betriebsangehörigkeit zurückzuführen ist. Resümierend ist die Berufserfahrung ein gravierender Aspekt, welcher als weiterer zentraler Akteur einen nicht unerheblichen Anteil bei der Bestimmung der Entgelthöhe ausmacht.

2.3 Regionaler Tätigkeitsbereich

Darüber hinaus sind auch regionale unterschiedliche Lohnniveaus für die bestimmungshöhe der Entgelte verantwortlich. Neben der allseits bekannten Kluft von Ost und West hinsichtlich der Gehaltsstruktur, lässt sich bei näherer Betrachtung der 16 Bundesländer feststellen, dass auch diese sich untereinander enorm unterscheiden. Folgend sollen einige Bundesländer hinsichtlich des Bruttodurchschnittsverdiensts verglichen und Ursachen für Differenzen ermittelt werden.

Im Osten erhalten Erwerbsempfänger 23,9 % weniger Gehalt als im Westen Deutschlands. In den letzten Jahren hat die Ost-West Gehaltslücke sich dennoch verringert. Dessen ungeachtet veranschaulichen die Zahlen, einen noch immer extremen ungleichen Lohnspiegel.14 2017 lag der bundesweite monatliche Bruttodurchschnittsverdient von Vollbeschäftigten bei 2.915 €.15 Das Bundesland Hamburg konnte sich mit einem durchschnittlichen Bruttoentgelt von 3.619 € als Spitzenreiter etablieren und einen Durchschnittsverdienst erzielen, welcher 20% über dem bundesweiten Median lag.16 Ein Grund hierfür könnte die Erhöhung der Tarifgehälter, aber auch ein steigender Anteil hoch qualifizierter Beschäftigter, die höhere Entgelte beziehen, sein.17 Das niedrigste Erwerbseinkommen können Angestellte in Mecklenburg-Vorpommern mit 2.391 € aufweisen. Das entspricht fast 22 % weniger als dem bundesweiten monatlichen Durchschnittsverdienst.18 Verantwortlich dürfte die niedrige Industriedichte und die geringe Tarifbindung der Unternehmen im Osten sein.19

Die Ausprägungen der regionalen Einkommensunterschiede werden bei Betrachtung der Städte noch deutlicher zum Vorschein gebracht. In der Automobilmetropole Ingolstadt werden Erwerbstätige monatlich durchschnittlich mit 4.635 € vergütet. Ingolstadt liegt damit annähernd 37 % über dem bundesweiten Durchschnitt und ist die Stadt, in der die Unternehmen, die deutschlandweit ansässig sind, die höchsten Bruttoentgelte an ihre Angestellten ausbezahlt. Arbeitnehmer im sächsischen Landkreis Görlitz verdienen am geringsten, denn im selben Betrachtungszeitraum lag hier das mediane monatliche Bruttoeinkommen lediglich bei 2.183 €. Ergebend aus den Zahlendaten, entspricht das beinahe 34 % unter dem bundesweiten Monatsdurchschnitt.20 Trotz Beschäftigung im kongruierenden Land, verdienen Erwerbstätige durchschnittlich in Ingolstadt mehr als doppelt so viel wie dergleichen im Landkreis Görlitz.

Hiernach sind einer der Hauptgründe für die enorme Lohndifferenz zwischen Ost und West Deutschland finanzkräftige Unternehmen, diese prägen signifikant das Lohnniveau einer Region oder einer Stadt. Trotz dieser äußerst fragwürdigen Gehaltslücke liegen die Lebenshaltungskosten im Osten Deutschlands ersichtlich geringer als im Westen.21 Demgemäß können diese zumindest einen Teil der Gehaltsunterschiede aufzerren. Der Ort, an dem der Beschäftigte seine Tätigkeit verrichtet, ist für die Bestimmung des Entgelts bedeutend und führt zu extremen Einkommensunterschieden.

2.4 Branchenbereich

Einen weiteren Faktor hinsichtlich der Entgelthöhe stellt die Angehörigkeit zu einer bestimmten Branche dar. Nachstehend soll die in Deutschland bestzahlende Branche mit der am geringsten zahlenden Branche verglichen werden, um diese eklatanten branchenspezifischen Lohnunterschiede zu verdeutlichen.

Die Finanz- und Versicherungsbranche gilt als bundeweiter Spitzenreiter hinsichtlich der Entgelthöhe. So konnten Angestellte im Bereich der Finanz- und Versicherungsdienstleistungen im vierten Quartal 2019 ein durchschnittliches Monatsbruttoentgelt von 5.447 € erreichen. Am schlechtesten schnitt das Gastgewerbe ab, in welchem die Arbeitnehmer lediglich 2.480 € durchschnittlich erzielen konnten.22 Allein dieser prozentuale Unterschied von mehr als 219 %, macht deutlich, was für eine Auswirkung die Branchenwahl der Erwerbstätigen auf die Entgelthöhe hat.

Demnach lässt sich erheben, dass sich diverse Wirtschaftszweige nicht nur in der auszuübenden Tätigkeit unterscheiden, sondern auch erheblich im Gehaltsniveau. Eben diese Eigenschaften, die die Ausübung eines Berufes mit sich bringt, gehen Hand in Hand mit den beruflichen Qualifikationen des Arbeitnehmers. Eine Person, die im Gastgewerbe beschäftigt ist, benötigt einen anderen Bildungsabschluss bzw. ist geringer qualifiziert, als ein Angestellter in einem Bankenunternehmen.

Das Entgelt wird demzufolge von mehreren, teilweise in sich greifenden, Faktoren beeinflusst. Fast alle genannten Einflussgrößen, bis auf die Berufserfahrung, können eigenständig von den Entgeltempfängern influenziert werden. Nach Auffassung der bisherigen Erkenntnisse sollten Erwerbstätige mit übereinstimmenden Voraussetzungen, wie z. B. der gleichen Qualifikation, der gleichen Berufserfahrung, dem gleichen Arbeitsort, der gleichen Branche und derselben Tätigkeit in ihrer Entgeltvergütung nicht differenziert werden.

3 Erörterungen und Entwicklung des Gender Pay Gaps

Auf der Suche nach Gründen für unterschiedliche Entlohnung fiel immer wieder eine Ursache ins Auge: das Geschlecht. Ausgehend davon ist anzunehmen, dass ein signifikanter Verdienstunterschiede zwischen den Geschlechterrollen besteht. Das Geschlecht eines Menschen haftet ihm an und kann im Gegensatz zur Bildung oder Berufserfahrung, weder angeeignet noch angepasst werden. Bevor sich jedoch einer geschlechtsspezifischen Differenzierung gewidmet wird, sollen zunächst die theoretischen Aspekte der Lohn- und Gehaltsentwicklung grundlegend dargestellt werden, gefolgt von einer analytischen Gegenüberstellung der nominalen Nettolöhne und Reallöhne. Hierauf basierend werden die unterschiedlichen Entlohnungen weiblicher und männlicher Erwerbstätiger im gleichen Zeitraum durchleuchtet. Letztlich wird sich mit der Entgeltlücke sowie deren Entwicklung und Faktoren befasst.

3.1 Brutto- und Nettolöhne

Die folgenden Datenerhebungen basieren auf Erhebungen im Zeitraum von 2005 bis 2019. Innerhalb des Betrachtungszeitraums lässt sich eine immer deutlich werdende Tendenz zu steigenden Löhnen erkennen. Im Jahr 2005 lag der Bruttoverdienst je Arbeitnehmer bundesweit durchschnittlich noch bei 2.228 € im Monat. 2019 lag dieser schon im Median von 3.099 €, dies entspricht einem Anstieg von 28%. Die Nettolöhne lagen im Jahr 2005 monatlich bei 1.524 €, was einen Steuerabzug von knapp 32 % verdeutlicht. 2019 hingegen lagen die Nettolöhne bei 2079 € im bundesweiten monatlichen Median.

Dies entspricht einem Anstieg von knapp 27 %. An den steuerlichen Abgaben hat sich geringfügig etwas mit beinahe 33 % verändert (Tab. 1).23

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1: Zuwachs der medianen Brutto- und Nettolöhne im Zeitraum von 2005 bis 2019

Quelle: In Anlehnung an destatis.de (2020), https://www.destatis.de/DE/Themen/Wirtschaft/Volkswirtschaftliche-Gesamtrechnungen-Inlandsprodukt/Publikationen/Downloads-Inlandsprodukt/inlandsprodukt-vorlaeufig-pdf-2180140.pdf?__blob=publicationFile, Abruf am 30.04.2020, S. 51.

Demzufolge stellt sich die Frage, inwieweit sich die gestiegenen Brutto- und Nettolöhne auf die tatsächliche Kaufkraft des Geldes auswirken. Die reine Betrachtung von Brutto- und Nettolöhnen ist wenig aufschlussreich, da die Veränderungen in keiner Weise die Inflation oder Deflation berücksichtigen.24

3.2 Nominaler Netto- und Reallohn

In der Volkswirtschaft wird zwischen Nominal- und Reallohn unterschieden. Unter Nominallohn kann das gezahlte Entgelt für geleistete Arbeit verstanden werden. Beim Reallohn werden zusätzlich zu den steuerlichen Abzügen des Bruttoentgeltes noch Preisveränderungen berücksichtigt. Da der Nominallohn die gleichen Eigenschaften annehmen kann, wie der Brutto- oder Nettolohn, jedoch bei Betrachtung beider Werte, verschiedene Aussagekräfte entstehen, wird der Nominallohn dem Nettolohn gleichgesetzt. Der Reallohn gibt damit tatsächlich an, über wie viel Kaufkraft die Arbeitnehmer verfügen.25

Obwohl die Nominallöhne im Jahr 2006 um lediglich 0,1 % sanken, zeigte der preisbereinigte Reallohn einen Kaufkraftverlust von 1,7 % an. Demnach fand im Jahr 2006 die stärkste Deflation der letzten 14 Jahre statt, wohingegen es im Jahr 2010 eine Inflation mit einem Reallohnzuwachs von 3,1 % gab. Entsprechend war das Jahr 2010 das stärkste Inflationsjahr der letzten 14 Jahre. Insgesamt stieg die Kaufkraft bundesweit in den letzten 14 Jahren um 12,3 % an (Tab. 2).26

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

[...]


1 Vgl. equalpayday.de (o.J.), https://www.equalpayday.de/ueber-epd/, Abruf am 22.05.2020.

2 Schmillen/Stüber (2014), http://doku.iab.de/kurzber/2014/kb0114.pdf, Abruf am 29.04.2020, S. 1.

3 Vgl. Walter et al. (2006), S. 125.

4 Vgl. Piopiunik/Kugler/Wößmann (2017), S. 21.

5 Vgl. Piopiunik/Kugler/Wößmann (2017), S. 22.

6 Vgl. Schmillen/Stüber (2014), http://doku.iab.de/kurzber/2014/kb0114.pdf, Abruf am 29.04.2020, S. 1.

7 Vgl. mba-studium.net (o. J.), https://www.mba-studium.net/promotionm Abruf am 29.04.2020, Abruf am 29.04.2020.

8 Vgl. gehaltsreporter.de (2020), https://gehaltsreporter.de/absolventengehaelter/, Abruf am 30.04.2020.

9 Vgl. Piopiunik/Kugler/Wößmann (2017), S. 7.

10 Vgl. absolventa.de (o. J.), https://www.absolventa.de/karriereguide/berufseinsteiger-wissen/berufserfahrung-fundierte-einschlaegige, Abruf am 30.04.2020.

11 Vgl. juraforum.de (o. J.), https://www.juraforum.de/lexikon/berufserfahrung, Abruf am 30.04.2020.

12 Vgl. personalmarkt.de (2018), https://cdn.personalmarkt.de/cms/Gehaltsbiografie-2018.pdf , Abruf am 29.04.2020, S. 6.

13 Vgl. bund-verlag.de (o. J.), https://www.bund-verlag.de/personalrat/tvoed/basiswissen/stufenzuordnung, Abruf am 29.04.2020.

14 Vgl. gehalt.de (2019), https://www.gehalt.de/news/gehaltsatlas-2019, Abruf am 01.05.2020.

15 Vgl. destatis.de (2020), https://www.destatis.de/DE/Themen/Wirtschaft/Volkswirtschaftliche-Gesamtrechnungen-Inlandsprodukt/Publikationen/Downloads-Inlandsprodukt/inlandsprodukt-vorlaeufig-pdf-2180140.pdf?__blob=publicationFile, Abruf am 03.05.2020, S. 51.

16 Vgl. Hallfahrt (2018), https://www.deutschland.de/de/topic/wirtschaft/gehaelter-in-deutschland-durchschnitt-und-regionale-unterschiede, Abruf am 02.05.2020.

17 Vgl. welt.de (2019), https://www.welt.de/wirtschaft/article197252073/Bundesagentur-fuer-Arbeit-Hamburger-verdienen-viel-Goerlitzer-wenig.html, Abruf am 02.05.2020.

18 Vgl. Hallfahrt (2018), https://www.deutschland.de/de/topic/wirtschaft/gehaelter-in-deutschland-durchschnitt-und-regionale-unterschiede, Abruf am 02.05.2020.

19 Vgl. welt.de (2019), https://www.welt.de/wirtschaft/article197252073/Bundesagentur-fuer-Arbeit-Hamburger-verdienen-viel-Goerlitzer-wenig.html, Abruf am 02.05.2020.

20 Vgl. Bakir (2018), https://www.stern.de/wirtschaft/geld/gehaltsvergleich--in-diesen-10-staedten-verdient-man-am-besten-8196998.html, Abruf am 02.05.2020.

21 Vgl. zdf.de (2019), https://www.zdf.de/nachrichten/heute/ostgehaelter-weiter-unter-westniveau-plan-fuer-angleichung-gefordert-100.html, Abruf am 02.05.2020.

22 Vgl. statista.com (2020), https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1789/umfrage/durchschnittseinkommen-in-deutschland-nach-branchen/, Abruf am 02.05.2020.

23 Vgl. destatis.de (2020), https://www.destatis.de/DE/Themen/Wirtschaft/Volkswirtschaftliche-Gesamtrechnungen-Inlandsprodukt/Publikationen/Downloads-Inlandsprodukt/inlandsprodukt-vorlaeufig-pdf-2180140.pdf?__blob=publicationFile, Abruf am 03.05.2020, S. 51.

24 Vgl. bpb.de (o. J.), https://www.bpb.de/nachschlagen/lexika/lexikon-der-wirtschaft/20175/nominallohn, Abruf am 03.05.2020.

25 Vgl. bpb.de (o. J.), https://www.bpb.de/nachschlagen/lexika/lexikon-der-wirtschaft/20175/nominallohn, Abruf am 03.05.2020.

26 Vgl. destatis.de (2020), https://www.destatis.de/DE/Themen/Wirtschaft/Volkswirtschaftliche-Gesamtrechnungen-Inlandsprodukt/Publikationen/Downloads-Inlandsprodukt/inlandsprodukt-lange-reihen-pdf-2180150.pdf?__blob=publicationFile, Abruf am 03.05.2020, S. 37.

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Details

Titel
Ursachen und Entwicklung des Gender Pay Gap. Maßnahmen zur Bekämpfung des geschlechtsspezifischen Lohngefälles
Autor
Jahr
2021
Seiten
77
Katalognummer
V930237
ISBN (eBook)
9783964872791
ISBN (Buch)
9783964872807
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Entgelttransparenz, Frauenquote, Gleichberechtigung, Lohnschere, Humankapitaltheorie
Arbeit zitieren
Adriano Gueli (Autor:in), 2021, Ursachen und Entwicklung des Gender Pay Gap. Maßnahmen zur Bekämpfung des geschlechtsspezifischen Lohngefälles, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/930237

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