Achtsamkeit und Resilienz im betrieblichen Gesundheitsmanagement. Handlungsempfehlungen zur Entwicklung personaler Ressourcen


Thèse de Master, 2020

184 Pages, Note: 1,0

Anonyme


Extrait


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Zielsetzung
1.3 Aufbau der Arbeit

2 Theoretische Grundlagen
2.1 Konzepte der Achtsamkeit
2.1.1 Individuelle Achtsamkeit
2.1.2 Organisationale Achtsamkeit
2.1.3 Wirkmechanismen in Unternehmen
2.1.4 Maßnahmen zur Förderung eines achtsamen Verhaltens
2.1.5 Gesundheitsförderliche Auswirkungen von Achtsamkeit
2.2 Konzepte der Resilienz
2.2.1 Individuelle Resilienz
2.2.2 Organisationale Resilienz
2.2.3 Wirkmechanismen in Unternehmen
2.2.4 Maßnahmen zur Förderung von resilientem Verhalten
2.2.5 Gesundheitsförderliche Auswirkungen von Resilienz
2.3 Zusammenhang zwischen Achtsamkeit und Resilienz und deren Wirkung auf die Ressourcenbildung
2.4 Ableitung weiterer Forschungsfragen

3 Methodik
3.1 Konzeption der empirischen Untersuchung
3.1.1 Forschungsdesign
3.1.2 Gütekriterien qualitativer Forschung
3.1.3 Entwicklung der Erhebungsmethode
3.2 Stichprobe der qualitativen Studie
3.2.1 Auswahl der Stichprobe
3.2.2 Gewinnung von Interviewpartner
3.3 Datenerhebung
3.3.1 Voruntersuchung
3.3.2 Durchführungssystematik
3.3.3 Erfassung
3.4 Auswertung und Interpretation des Untersuchungskonzeptes
3.4.1 Qualitative Inhaltsanalyse
3.4.2 Computergestützte Auswertung

4 Ergebnisse der qualitativen Studie
4.1 Betriebliche Gesundheitsförderung
4.1.1 Gesundheitsverständnis von Unternehmen
4.1.2 Mehrwert eines betrieblichen Gesundheitsmanagements
4.1.3 Leistungsindikatoren
4.2 Personale Ressourcen als Determinanten eines achtsamen und resilienten Verhaltens
4.2.1 Gesundheitsrelevantes Verhalten
4.2.2 Persönlichkeitsmerkmale
4.3 Resilienz
4.3.1 Positive Einstellung
4.3.2 Protektive Faktoren
4.3.3 Selbstreflektion und emotionale Stabilität
4.4 Achtsamkeit
4.4.1 Emotionsregulation
4.4.2 Kognitive Neubewertung
4.4.3 Entschleunigung
4.5 Voraussetzungen zur Implementierung
4.5.1 Unternehmenskultur
4.5.2 Führungsverhalten
4.5.3 Verantwortungsbewusstsein
4.5.4 Bedarfsorientierte Maßnahmen

5 Diskussion
5.1 Überblick und Interpretation der Forschungsergebnisse
5.2 Handlungsempfehlungen zur Ressourcenentwicklung
5.3 Einschränkungen der empirischen Aussagekraft
5.4 Implikationen für die weitere Forschung

Literaturverzeichnis

Anhangsverzeichnis

Abstract

Der vorliegende Forschungsbeitrag setzt sich mit den Konstrukten der Achtsamkeit und Resilienz auseinander, die als zentrale Faktoren zur Entwicklung personaler Ressourcen betrachtet werden. Anhand einer qualitativen Untersuchung mit einer Stichprobengröße von n = 12 wurde ein teilstrukturiertes Experteninterview durchgeführt. Die Ergebnisse liefern empirische Evidenz dafür, dass sich Achtsamkeit und Resilienz wechselseitig beeinflussen und einen ressourcenfördernden Effekt aufweisen. Dahingehend lässt sich jedoch anmerken, dass es nicht ausreichend ist, über bestimmte personale Ressourcen zu verfügen, um den aufkommenden Belastungen positiv entgegenzutreten. Stattdessen ist es davon abhängig, wie ausgeprägt und in welcher Form die Ressourcen vorliegen. Eine positive Reizbewertung kann dabei als zentraler Mechanismus angesehen werden, der letztlich über ein resilientes Verhalten entscheidet. Denn eine belastende Situation ist nicht die eigentliche Ursache für die Entstehung von Stress, sondern vielmehr kommt es darauf an, wie eine Person die Situation bewertet. Vor diesem Hintergrund wird Achtsamkeit als zentrales Element der Regulation betrachtet, welches den Prozess der kognitiven Umdeutung erleichtert und die subjektive Wahrnehmung der Emotionen beeinflusst. Somit führt es zu einem selbstregulierten Verhalten und kann durch eine nicht wertende Haltung positive Gefühle hervorbringen. Allerdings geht es nicht um die Kontrolle der Empfindungen, die von einem bestimmten Reiz ausgehen, sondern um deren Akzeptanz. Hinsichtlich der Umsetzung in Unternehmen ist jedoch anzumerken, dass es keine allgemeingültigen Maßnahmen gibt, die jedem Mitarbeiter einen Mehrwert bringen. Als Voraussetzung gilt es daher einen bedarfsgerechten Ansatz heranzuziehen, wodurch langfristig stabile gesundheitsförderliche Effekte realisiert werden und die finanziellen Mittel eine zielführende Verwendung finden. Nichtsdestotrotz sollten in weiteren Studien die einzelnen Facetten eines achtsamen und resilienten Verhaltens zu unterschiedlichen Aspekten des arbeitsbezogenen Befindens untersucht werden.

Schlüsselwörter: Achtsamkeit - Resilienz - personale Ressourcen - Bewältigung - positive Umdeutung - psychische Belastungen

Abkürzungsverzeichnis

BGM betriebliches Gesundheitsmanagement

bzw. beziehungsweise

ebd. ebenda

et al. und andere

ff. folgend

N Stichprobengröße

r Koeffizient

vgl. vergleiche

z. B. zum Beispiel

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Resilienzfaktoren

Abb. 2: Wirkkomponenten der Emotionsregulation

Abb. 3: Faktoren der kognitiven Neubewertung

1 Einleitung

Ein erkenntnisorientiertes Vorgehen trägt dazu bei, theoretische Forschungsergebnisse im betrieblichen Kontext einzuordnen und sie durch bereits angewandte Maßnahmen in der Praxis zu ergänzen. Auf diese Weise soll ein wesentlicher Beitrag zum aktuellen Theoriebildungsprozess geleistet und die bereits existierende Wissensbasis erweitert werden. Darauf aufbauend soll eine konzeptionelle Vorgehensweise für die Wirtschaft abgeleitet und bestimmt werden.

1.1 Problemstellung

Aufgrund einer raschen Abfolge von Veränderungsprozessen in einer VUCA Welt, kommt es zu immer neuen Rahmenbedingungen in Unternehmen, die Anforderungen mit sich bringen und daher eine permanente Anpassung erfordern (vgl. Keller 2019, S. 214; vgl. Lorenz 2018, S. 25).

Dabei werden weniger fachliche Qualifikationen, sondern vermehrt auch persönliche und emotionale Kompetenzen immer wichtiger. Da jedoch nicht jede Person gleich gut mit Veränderungen umgeht, kann dies oft zu Stresserleben und zu einer wachsenden psychischen Belastung führen, wodurch Erkrankungen am Arbeitsplatz zunehmen (vgl. Chang-Gusk 2019, S. 3). Stresserleben wird hierbei als Ergebnis einer negativen Bilanz zwischen Anforderung und Ressourcen beschrieben (vgl. Lazarus; Folkman 1984, S. 13) und wird dann als besonders stark wahrgenommen bzw. empfunden, wenn nicht ausreichend Ressourcen zur Handhabung einer Stresssituation zur Verfügung stehen (vgl. Kalisch 2017, S. 135). Darüber hinaus können sich arbeitsbedingter Stress und psychische Belastungen wechselseitig verstärken (vgl. Heller; Gallenmüller 2019, S. 4) und damit immer mehr die Leistungsfähigkeit von Arbeitskräften beeinträchtigen (vgl. Kircanski; Joormann; Gotlib 2012, S. 309).

Entsprechend den statistischen Auswertungen der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin ergaben sich im Jahr 2018 in der Bundesrepublik Deutschland mit einer durchschnittlichen Arbeitsunfähigkeit von 17,4 Tagen je Arbeitnehmer insgesamt 708,3 Millionen Arbeitsunfähigkeitstage. Davon sind 6 bis 15 % auf emotionale Erschöpfung und psychisch bedingte Erkrankungen zurück zu führen, die je nach Branche höher oder niedriger ausfallen (vgl. Meyer; Maisuradze; Schenkel 2019, S. 416). Ausgehend von diesen Daten werden die volkswirtschaftlichen Produktionsausfälle (Lohnkosten) auf insgesamt 85 Milliarden Euro bzw. die ausgefallene Bruttowertschöpfung (Verlust an Arbeitsproduktivität) auf 145 Milliarden Euro geschätzt (vgl. Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin 2018). Damit scheint arbeitsbedingter Stress nicht nur die Gesundheit der Mitarbeiter zu belastet, sondern es bringt auch volkswirtschaftliche Konsequenzen wie Produktivitätsverlust durch steigenden Absentismus, Präsentismus und hohe Mitarbeiterfluktuation mit sich (vgl. Mainka-Riedel 2013, S. 5 ff.). Gerade jedoch in einer alternden Gesellschaft wird es immer wichtiger, die Gesundheit und damit verbunden die Arbeitsfähigkeit möglichst lange zu halten (vgl. Häfner; Pinneker; Hartmann-Pinneker 2019, S. 4).

Vor diesem Hintergrund wird die Bewältigung von neuen Herausforderungen und das Lernen aus kritischen Erfahrungen als eine wichtige Voraussetzung zur Erhaltung der Gesundheit sowie zur Steigerung der Leistungsfähigkeit bewertet (vgl. Ulich; Wülser 2018, S. 149). Um personale Ressourcen zu entwickeln und aufrechtzuerhalten, wenden sich immer mehr Unternehmen dem Konzept der Achtsamkeit und Resilienz zu (vgl. Pauls et al. 2016, S. 111). Wer resilient mit den aktuellen Anforderungen umgeht, übt Verhaltensweisen ein und gewinnt gleichzeitig Ressourcen hinzu, die auch zukünftig vor negativen Auswirkungen hoher Anforderungen schützen (vgl. Fletcher; Sarkar 2013, S. 14). Als Kernelemente der Resilienz können daher resilientes Verhalten sowie bestimmte personale Ressourcen angesehen werden, die sich wiederum positiv auf die psychische Gesundheit auswirken (vgl. Soucek et al. 2015, S. 17). Zusätzlich zu diesen Annahmen wird Achtsamkeit und Resilienz in dieser Arbeit als personale Ressourcen verstanden, die entwickelt und ausgebaut werden können (vgl. Pauls et al. 2016, S. 109; vgl. Luthans; Vogelgesang; Lester 2006, S. 28).

Allerdings gibt es in der wissenschaftlichen Theorie mehrere und unscharfe Definitionen dieser Konstrukte, die sowohl auf individueller Ebene als auch im organisationalen Kontext verstanden werden können (vgl. Kalisch 2017, S. 59; vgl. Fletcher; Sarkar 2013, S. 13). Dabei wären gerade für das bessere Verstehen von Resilienzphänomenen entsprechende Forschungsaktivitäten mit qualitativen Zugängen verstärkt notwendig, da bisherige Ergebnisse vorwiegend aus variablenzentrierten Zugängen bestehen (vgl. Hofer 2017, S. 4 ff.). Darüber hinaus sind Maßnahmen zur Resilienzförderung bislang inhaltlich sehr unterschiedlich und mit einem hohen zeitlichen Aufwand verbunden (vgl. Robertson et al. 2015, S. 534). Dieser fehlenden konzeptionellen Erschließung resilienten Verhaltens im wirtschaftlichen Kontext steht eine Vielzahl von Beratungs- und Trainingsangeboten gegenüber (vgl. Soucek et al. 2015, S. 4). Es stellen sich daher die Fragen, welche personale Ressourcen zur Förderung der Resilienz und Achtsamkeit besonders wichtig sind und durch welche betrieblichen Maßnahmen diese erfolgreich im Unternehmen implementiert werden können.

1.2 Zielsetzung

Bezugnehmend zur Problemstellung soll in dieser Forschungsarbeit herausgefunden werden, wie Achtsamkeit als Grundeinstellung die Ressourcen positiv beeinflussen kann und welche Unterstützung Resilienz bei der Handhabung belastender Situationen einnimmt. Dadurch soll es zu einer Präzisierung des Gegenstandsbereichs kommen, wodurch relevante Merkmale festgestellt und bestimmt werden können. Es geht jedoch weniger um die wissenschaftliche Definition und Abgrenzung dieser Begriffe, sondern darum deutlich zu machen, wie sie zur Aufrechterhaltung der Gesundheit und Leistung beitragen. In diesem Zusammenhang soll qualitativ festgestellt werden, welche Treiber des Forschungsgegenstandes besonders wesentlich sind und welche durch die Meinung von Interviewpartner noch dazu kommen. Hierbei sollen anwendbare Empfehlungen und Handlungsmöglichkeiten zur Ressourcenentwicklung für die Wirtschaft abgeleitet werden. Dieses Vorgehen kombiniert damit den aktuellen Stand der Wissenschaft mit Anwendungsmöglichkeiten im wirtschaftlichen Kontext.

Die Ergebnisse dieser Analyse sollen zu einem Erkenntnisgewinn beitragen, indem zum einen die Merkmalausprägungen der untersuchten Konstrukte beschrieben werden und zum anderen deren Abhängigkeit untersucht wird. Im Verlauf des Forschungsprozesses werden dadurch die wesentlichen Zusammenhänge der relevanten Variablen ermittelt und in Beziehung zueinander gesetzt. Durch dieses Vorgehen sollen verallgemeinerbare Aussagen getroffen werden, die einen Mehrwert für das Gesundheitsmanagement im Unternehmen liefern. Gleichzeitig sollen aus den Forschungsergebnissen weitreichende Analogieschlüsse gezogen und Lösungsperspektiven aufgezeigt werden, wodurch diese Studie an weitere oder in der Theorie noch nicht berücksichtigte Vorschläge für ein Konzept der Ressourcenentwicklung gelangt.

Um die Bedeutung von Achtsamkeit und Resilienz für das Arbeitsleben abschätzen zu können, ist zunächst eine inhaltliche Klärung notwendig. Darüber hinaus werden zum einen deren Wechselwirkungen mit anderen personalen Ressourcen bestimmt und zum anderen deren Einfluss auf die psychische Gesundheit untersucht. Um vor allem das Konzept der Resilienz für die Wirtschaft erschließen zu können, werden zunächst die Kernelemente der Resilienz herausgearbeitet und Verhaltensweisen beschrieben, durch welche sich resiliente Menschen auszeichnen. Ein weiteres Anliegen dieser Arbeit liegt darin begründet, Anhaltspunkte zu finden, ob achtsamkeitsbasierte Maßnahmen zu einer Verbesserung der Gesundheit beitragen und wie es sich in einem Unternehmen umsetzen lässt.

Im Sinne der Primärprävention und Gesundheitsförderung besteht die Herausforderung im organisationalen Zusammenhang somit darin, ein effektives und bedarfsgerechtes Gesundheitsmanagement zu implementieren, dass eine belastungsreduzierende Wirkung aufweisen soll. Die personalen Ressourcen und Potenziale sollen für die Person gezielt verfügbar und im Unternehmen nutzbar gemacht werden. Die forschungsleitende und zentrale Frage dieser Untersuchung lautet daher, inwieweit das Konzept der Achtsamkeit und Resilienz zur Ressourcenentwicklung im Unternehmen beiträgt. Unter Integration theoretischer und praktischer Aspekte, wird zusätzlich die Fragestellung beantwortet, inwiefern Achtsamkeit einen geeigneten Ansatzpunkt zur Förderung von resilientem Verhalten und zur Minderung der emotionalen Erschöpfung darstellt.

1.3 Aufbau der Arbeit

Im Rahmen eines qualitativen Forschungsbeitrags soll untersucht werden, inwieweit Unternehmen von Achtsamkeit und Resilienz profitieren können. Darauf aufbauend geht es anschließend um die Frage nach der Herausbildung persönlicher Ressourcen und um die Bedingungen, die für eine solche Entwicklung hemmend oder förderlich sind. Im ersten Schritt des geplanten Erkenntnisprozesses steht jedoch ein wissenschaftliches Defizit hinsichtlich einer konzeptionellen Erschließung der berücksichtigten Konstrukte. Da Achtsamkeit und Resilienz in bisher wenigen empirischen Forschungen unter der Perspektive eines organisationswissenschaftlichen Zusammenhangs betrachtet wurde, lassen sich Rückschlüsse nur in einem begrenzten Maße treffen.

Daher besteht die Notwendigkeit in einem nächsten Schritt die inhaltlichen Grundlagen darzulegen, die sich aus einem theoriebasierenden Kontext ergeben. Basierend auf den Erkenntnissen der theoriegeleiteten Erhebung steht im darauf folgenden Kapitel die Entwicklung eines methodischen Untersuchungsablaufs im Vordergrund. Im Sinne der Generierung des Forschungsgegenstandes werden die zu diesem Zweck angewandte methodische Vorgehensweise und Erstellung eines geeigneten Erhebungsinstrumentes zur Erfassung der untersuchten Konstrukte vorgestellt. Das nächste Kapitel verfolgt das Ziel, eine empirische Generalisierung auf Basis der erhobenen Daten vorzunehmen und inhaltliche Schwerpunkte darzustellen, die zur Beantwortung der forschungsleitenden Frage beitragen. Innerhalb des letzten Kapitels wird zunächst die Vorgehensweise dieser Arbeit kritisch diskutiert, ehe abschließend die gewonnenen Befunde zusammengefasst werden. Darauf aufbauend werden inhaltliche und methodische Implikationen für das weitere Forschungsvorhaben formuliert.

2 Theoretische Grundlagen

Ausgehend vom bisherigen Forschungsprozess erfolgt im nachfolgenden Kapitel eine Darstellung der theoretischen Grundlagen und empirischen Ergebnisse, die essenziell für eine konzeptionelle Entwicklung eines betrieblichen Gesundheitsmanagements sind. Eine theoriegeleitete Erhebung dient hierbei als Voraussetzung und Grundlage für die Erläuterung der relevanten Sachverhalte und deren Zusammenhänge. Darüber hinaus werden die grundlegenden Indikatoren für den Methodenteil aus geeigneten Theorien und Studien bestimmt. Diese Untersuchung führt letztlich dazu, dass eine Präzisierung der Problemstellung erfolgt, aus der weitere Forschungsfragen abgeleitet werden.

2.1 Konzepte der Achtsamkeit

Obwohl Achtsamkeit in den Gesundheitswissenschaften als ein wesentliches Konzept etabliert ist (vgl. Hiendl 2019, S. 200 ff.), hat deren gesundheitsbezogene Wirkung im organisationswissenschaftlichen Zusammenhang noch kaum Beachtung gefunden (vgl. Kohls; Berzlanovich; Sauer 2013, S. 165). Darüber hinaus kann noch nicht von einer fundierten wissenschaftlichen Untersuchungsbasis gesprochen werden (vgl. Bauer 2019, S. 101), da die empirische Evidenz der psychologischen Forschung zur Achtsamkeit noch nicht hinreichend erschlossen wurde (vgl. Mander; Blanck 2018, S. 259). Daher sind Aussagen über die spezifische Wirksamkeit von achtsamkeitsbasierten Maßnahmen im betrieblichen Kontext noch nicht möglich (vgl. Goyal et al. 2014, S. 358 ff.). Vor diesem Hintergrund wurden lediglich die Effekte einer achtsamen Verhaltensweise auf ihre stressmindernde Wirkung erforscht (vgl. Yong et al. 2011, S. 285 ff.), wobei die vorliegenden Resultate darauf hindeuten, dass Achtsamkeit im betrieblichen Kontext auch eine belastungsreduzierende Wirkung aufweist (vgl. Khoury et al. 2015, S. 521; Walach et al. 2007, S. 195 ff.). Diese weitgehende Erkenntnisleere hinsichtlich der Wirkmechanismen von Achtsamkeit im Unternehmen wird als Anlass genommen, im folgenden Kapitel zu untersuchen, was unter organisationaler Achtsamkeit verstanden wird und welchen Einfluss es auf die Führungskräfte und Mitarbeiter ausübt. Darüber hinaus soll verdeutlicht werden, welche Maßnahmen zur Förderung einer achtsamen Verhaltensweise beitragen und ob ein Zusammenhang zu Resilienz besteht. Bereits in der theoriegeleiteten Erhebung wird somit untersucht, inwieweit sich Achtsamkeit auf die Gesundheitsförderung auswirkt, sowie zur Stärkung und Erhaltung der personalen Ressourcen beiträgt.

2.1.1 Individuelle Achtsamkeit

Eine Voraussetzung, um diese Untersuchung fundiert und zielgerichtet voranzutreiben, ist die wissenschaftliche Definition von Achtsamkeit und ihre Einbettung in vorhandene psychologische Theorien, da Achtsamkeit als spirituelles Konzept ohne theoretische Einbettung aus der buddhistischen Tradition entlehnt wurde (vgl. Heidenreich et al. 2020, S. 27). Ein einheitlicher Konsens über die Definition von Achtsamkeit bzw. eine organisationswissenschaftliche Theorie der Achtsamkeit besteht jedoch keineswegs (vgl. Bauer 2019, S. 101). Je nach psychologischer Fachrichtung wählen Wissenschaftler unterschiedliche Konzepte zur theoretischen Einbettung (vgl. Schraud 2019, S. 43; vgl. Michalak; Meibert; Heidenreich 2018, S. 24). Da sich jedoch die buddhistische Lehre und die westliche Psychologie in wesentlichen Zielsetzungen unterscheiden, betonen einige Autoren die Spannungsverhältnisse, die sich aus der Übernahme des Konzepts der Achtsamkeit ergeben (vgl. Rose; Walach 2009, S. 35). Aufgrund der weitgehenden Erkenntnisleere hinsichtlich der Wirkmechanismen von Achtsamkeit, ist auch unklar, inwieweit ein Verzicht auf solche Aspekte das Potential achtsamkeitsbasierter Ansätze einschränkt (vgl. Bauer 2019, S. 101). Losgelöst von expliziten Bezügen auf spirituelle Hintergründe wird Achtsamkeit in dieser Studie als Ansatz im Umgang mit Stress und zur Förderung der Gesundheit eingesetzt (vgl. Heidenreich et al. 2020, S. 26).

Nach Kabat-Zinn (1990, S. 47) wird Achtsamkeit (Mindfulness) als ein spezifischer und trainierbarer Bewusstseinszustand verstanden, der auf das direkte und nicht wertende Gewahrsein dessen abzielt, was in jedem augenblicklichen Moment geschieht (vgl. Heidenreich; Michalak 2003, S. 264). Achtsamkeit beschreibt eine Bewusstseinshaltung, die sich dadurch auszeichnet, dass ein Individuum ganz im Modus des Präsenzerlebens ist und eine Situation folglich so objektiv wie möglich wahrnimmt, ohne sich dabei zu potenziell unbewusst ablaufenden bewertenden Interpretationen hinreißen zu lassen (vgl. Kohls; Berzlanovich; Sauer 2013, S. 163). Zudem charakterisiert es eine Form der Aufmerksamkeitslenkung auf den aktuellen Moment, was bedeutet, dass eine Person sich im Kontakt mit dem gegenwärtigen Augenblick befindet und nicht in Erinnerungen oder Zukunftsplanungen gefangen ist (vgl. Kumar Nehra et al. 2013, S. 200 ff.). Eine gesteigerte Aufmerksamkeit gegenüber den eigenen affektiven Reaktionen erleichtert die Bewältigung von negativen Emotionen, da diese frühzeitig erkannt werden (vgl. Soucek et al. 2018, S. 6).

Goleman und Davidson (2017, S. 9 ff.) definieren in ihrer Untersuchung das Konstrukt der Achtsamkeit hingegen als die Kompetenz, seine eigenen Gedanken und Emotionen bewusst wahrzunehmen (vgl. Hoffmann 2019, S. 128), um einen inneren Abstand von auftauchenden Gefühlen zu gewinnen, anstatt sich mit diesen zu identifizieren und sich von ihnen mitreißen zu lassen (vgl. Weiss; Harrer; Dietz 2019, S. 23). Darüber hinaus fördert eine achtsame Haltung die Sensibilisierung der eigenen Körperwahrnehmung (vgl. Bub; Heiss 2019 S. 279 ff.), wodurch ein besseres Verständnis für die eigenen Ressourcen eintritt (vgl. Steiner 2016, S. 161). Die Wahrnehmung der Gefühle bildet demzufolge den Antrieb des Denkens (vgl. Frank; Storch 2013, S. 54).

Achtsamkeit ermöglicht es daher, Dinge wahrzunehmen und zu erkennen, die in einem unruhigen oder unaufmerksamen Geist mit vielen blinden Flecken weniger möglich sind (vgl. Tamdjidi; Stephan 2015, S. 7). Weist eine Person ein achtsames Verhalten auf, dann holt sie das Bewusstsein wieder in den gegenwärtigen Augenblick zurück und bringt es mit der aktuellen Tätigkeit in Übereinstimmung (vgl. Goldin; Gross 2010, S. 85). Nach James (2008, S. 127) ist Achtsamkeit somit das Vermögen, eine wandernde Aufmerksamkeit willentlich zurück zu bringen, wodurch sie als eigentliche Wurzel von Urteilskraft und Wille gilt (vgl. Schraud 2019, S. 43). Gleichzeitig ist es wichtig, eine offene Geisteshaltung zu erreichen, die Reize aus dem Umfeld wahrnimmt, ohne sie zu bewerten (vgl. Steiner 2016, S. 166). Amberg (2016, S. 16) merkt diesbezüglich an, dass Achtsamkeit die bewusste Lenkung der eigenen Aufmerksamkeit auf den gegenwärtigen Augenblick darstellt, verbunden mit der Bereitschaft, nicht sofort und bewusst auf das Wahrgenommene zu reagieren (vgl. Jamieson; Tuckey 2017, S. 182).

Das achtsame und bewusste Erleben einer Situation unterscheidet sich demnach von der automatisierten Verfassung der Aufmerksamkeit, die häufig durch den sogenannten Autopilotenmodus beschrieben wird (vgl. Heidenreich; Junghanns-Royack; Michalak 2011, S. 70). Dieser Modus ist dadurch gekennzeichnet, dass die Umgebung und die aktuellen Emotionen so gut wie gar nicht zur Kenntnis genommen werden. Gleichwohl wird das Handeln nicht bewusst wahrgenommen, da es automatisiert nach einem vorher verinnerlichten Schema abläuft (vgl. Heidenreich; Michalak 2003, S. 265 ff.). Eine zentrale Annahme wissenschaftlicher Erkenntnisse ist in diesem Zusammenhang, dass der Autopilotenmodus situatives Handeln erschwert, da er starre Verarbeitungsmuster begünstigt (vgl. Michalak; Bläser; Heidenreich 2012, S. 246). Nach Amberg (2016) ist es jedoch die bewusste Aufmerksamkeitssteuerung, die dem Individuum hilft, sich von den umgebenen Eindrücken der Gedanken und Gefühle zu lösen und mit Achtsamkeit einen bestimmten Fokus zu wählen (vgl. Amberg 2016, S. 18).

Eine achtsame Grundeinstellung wirkt somit dem Autopilotenmodus entgegen, da eine absichtsvolle Haltung eingenommen wird, die darauf ausgerichtet ist, das emotionale Erleben in der aktuellen Situation zuzulassen und bewusst wahrzunehmen (vgl. Mander; Blanck 2018, S. 254). Gleichzeitig zeichnet sich Achtsamkeit durch eine nicht wertende Haltung und Einstellung aus, weil die auftretenden Bewusstseinsinhalte weder positiv noch negativ kategorisiert werden (vgl. Heidenreich; Michalak 2003, S. 265 ff.). Die Aufmerksamkeitslenkung erfolgt somit nicht wertend, weshalb evaluative Vorgänge so gut es geht unterlassen werden (vgl. Heidenreich et al. 2020, S. 26 ff.). Zwar werden Bewertungen von Gedanken und Gefühlen wahrgenommen, aber weder verliert sich die Person in diesen noch handelt sie danach, sofern sie eine achtsame Haltung einnimmt (vgl. Bishop et al. 2004, S. 232). Darüber hinaus beschreibt das untersuchte Konstrukt die Fähigkeit zur Hemmung elaborierter Informationsverarbeitung von aufkommenden Wahrnehmungen, die Glomb et al. (2011, S. 119 ff.) als kognitiven Filter bezeichnen. Basierend auf diesen Bewusstseinszustand kann erwartet werden, dass durch eine Hemmung Aufmerksamkeitskapazitäten frei werden, welche sonst gebunden werden würden (vgl. Altner 2004, S. 596). Diese können nun zu einer direkten Wahrnehmung gegenwärtiger Erfahrungen genutzt werden, welche nicht durch Überzeugungen und Erwartungen gefiltert ist (vgl. Bauer 2019, S. 102).

Shapiro et al. (2006, S. 379) gehen zudem davon aus, dass die mentalen Prozesse, die der Achtsamkeit zugrunde liegen, dazu führen, dass die Selbstwahrnehmung von den bisherigen Erfahrungen entkoppelt wird, wodurch das Selbstwertgefühl einer Person auch in negativen Situationen erhalten bleibt (vgl. Mesmer-Magnus et al. 2017, S. 9). Darüber hinaus fördert Achtsamkeit die Wahrnehmung einer ganzheitlichen Sicht auf die Umwelt und die Notwendigkeit, vor dem Ergreifen von Maßnahmen nachzudenken und innezuhalten (vgl. Herndon 2008, S. 34 ff.). Da Achtsamkeit mit einem höheren Bewusstsein über die eigenen Werte und Bedürfnisse einhergeht, was eine entsprechend orientierte Verhaltensregulation fördert (vgl. Brown; Ryan 2003, S. 831), ist zudem davon auszugehen, dass achtsame Personen sich auch häufiger in Situationen befinden, die ihren Werten und Bedürfnissen gleichkommen (vgl. Bauer 2019, S. 124) .

Inhaltlich bezeichnet Achtsamkeit somit eine offene und unvoreingenommene Haltung gegenüber neuen Erfahrungen (vgl. Langer 2005, S. 216). Eine achtsame Haltung regt dazu an, neue Situationen nicht unmittelbar zu bewerten, wodurch es erleichtert wird, schwierige Situationen aus verschiedenen Perspektiven wahrzunehmen (vgl. Hülsheger et al. 2013, S. 313). Dadurch werden belastende Situationen als weniger bedrohlich empfunden, weshalb sie als Herausforderungen und somit als Gelegenheit angesehen werden, die eigenen Fähigkeiten einzubringen (vgl. Pauls et al. 2016, S. 111 ff.). Eine unvoreingenommene Wahrnehmung beugt demzufolge unmittelbaren Reaktionen vor, indem sie eine Lücke zwischen Reiz und verhaltenseigenen Reaktion entstehen lässt, in der eine angemessene Antwort auf die vorliegende Situation abgewogen werden kann (vgl. Weiss; Harrer; Dietz 2019, S. 72). Ferner fördert Achtsamkeit die Konzentration und trägt dazu bei, sich von aktuellen Vorhaben weniger ablenken zu lassen (vgl. Dane 2011, S. 999).

2.1.2 Organisationale Achtsamkeit

Im arbeitswissenschaftlichen Zusammenhang findet der Begriff von Achtsamkeit zwar auch in der Betrachtung des Individuums Anwendung (vgl. Brown; Ryan 2003, S. 823 ff.), allerdings wird eine Verschiebung des Fokus vom individuellen Verhalten auf die Verhältnisse im Arbeitskontext deutlich (vgl. Schnetzer 2014, S. 7). Zwar entspricht das Erklärungsmuster weitgehend dem auf individueller Ebene, jedoch ist die Achtsamkeit bei der organisationalen Berücksichtigung stärker in den Strukturen eines Unternehmens verankert (vgl. Chang-Gusko 2019, S. 7). Weick und Sutcliffe (2011) gehen in diesem Zusammenhang davon aus, dass Achtsamkeit zu einer möglichst präzisen Identifizierung potenzieller Probleme beiträgt und dabei hilft, unerwartete Probleme einzudämmen (vgl. Weick; Sutcliffe 2011, S. 53 ff.). Dadurch wird es Unternehmen ermöglicht, bei einer von der Routine abweichenden Situation, durch Reflektionsmechanismen Fehler zu erkennen und deren Folgen einzuschränken (vgl. Jordan; Messner; Becker 2009, S. 466). Wer dabei gelernt hat, seine mentalen Ressourcen effizient zu nutzen, kann für auftretende Probleme effektive und vor allem kreative Lösungen finden (vgl. Kohls; Berzlanovich; Sauer 2013, S. 169). Organisationale Achtsamkeit bezeichnet somit ein ausgeprägtes Bewusstsein für aufkommende Herausforderungen und die Fähigkeit, das organisationale Handeln neu auszurichten (vgl. Vogus; Sutcliffe 2012, S. 723).

Ray; Baker; Plowman (2011) betonen in ihrer Studie jedoch, dass die organisationale Achtsamkeit nicht die Aggregation individueller Prozesse ist, sondern vielmehr eine Eigenschaft einer Organisation darstellt (vgl. Ray; Baker; Plowman 2011, S. 189). Als dynamischer sozialer Prozess (vgl. Vogus; Sutcliffe 2012, S. 731 ff.) umfasst sie ein fortlaufendes Hinterfragen bestehender Annahmen und Abneigung gegen vereinfachte Interpretationen (vgl. Weick; Sutcliffe 2011, S. 54 ff.). Dies wird erreicht, indem eine ausgeprägte Sensibilität für betriebliche Abläufe vorherrscht (vgl. Becke et al. 2013, S. 19). Darüber hinaus fördert eine organisationale Achtsamkeit die Akzeptanz und das Verständnis von Rückschlägen als Gelegenheit zum Lernen sowie den Respekt vor fachlichen Wissen (vgl. Weick; Sutcliffe 2011, S. 55). Diese Aspekte sollen zu einer unvoreingenommenen Wahrnehmung augenblicklicher Ergebnisse führen, was eine Voraussetzung zur Bewältigung von Krisen im Sinne resilienten Verhaltens ist (vgl. Soucek et al. 2018, S. 7).

Dick et al. (2017) weißen in ihrer Studie daraufhin, dass die organisationale Achtsamkeit zwar das Engagement der Beschäftigten fördert, jedoch die psychische Beanspruchung nicht verringert (vgl. Dick et al. 2017, S. ). Diese differenzierten Effekte können darauf zurückgeführt werden, dass organisationale Achtsamkeit vor allem auf eine effiziente Zusammenarbeit abzielen, aber keine Aspekte der emotionalen Unterstützung beinhaltet (vgl. Soucek et al. 2018, S. 16).

2.1.3 Wirkmechanismen in Unternehmen

Gerade bei Führungskräften gibt es viele komplexe Interaktionsprozesse, auf die nur durch situationsspezifische Modulation des Verhaltens adäquat reagiert werden kann. Häufig wird jedoch auf solche Umstände mit automatisierten Verhaltensweisen reagiert, die in der Vergangenheit erlernt wurden (vgl. Fischer; Frey; Greitemeyer 2005, S. 365). Hierbei kann Achtsamkeit helfen, um die vermeintlich bekannte Situation, aus einer anderen Perspektive zu betrachten und dadurch die Möglichkeit zu entwickeln, auf diese individuell einzugehen (vgl. Kohls; Berzlanovich; Sauer 2013, S. 166). Personen, die dabei regelmäßig Achtsamkeitsübungen praktizieren, sind nicht nur in der Lage, ihre Gegenwartswahrnehmung zu stabilisieren (vgl. Sauer et al. 2012, S. 752 ff.), sondern können bedingt durch eine verbesserte Allokation ihrer kognitiven Ressourcen auch automatisierte Verhaltensreaktionen bewusst reflektieren (vgl. Teper; Inzlicht 2013, S. 88). Werden häufig achtsamkeitsbasierte Maßnahmen in einem Unternehmen umgesetzt, verbessert sich die Präsenzwahrnehmung der Beteiligten, wodurch relevante Details in vermeintlich bekannten Situationen erkannt und dadurch neue Verständnisperspektiven entwickelt werden (vgl. Kohls; Berzlanovich; Sauer 2013, S. 169). Achtsamkeit kann daher der Optimierung von Entscheidungsfindungen dienen und soziale Interaktionen in Organisationen stärken (vgl. Northouse 2013, S. 19; vgl. Bono; Judge 2003, S. 555; vgl. Sheldon et al. 2003, S. 268).

Gerade jedoch im Arbeitskontext ist es wichtig, eine bewusste Wahrnehmung über die verrichtete Tätigkeit zu erlangen. Eine achtsame Verhaltensweise führt dabei zu weniger Fehlern und bewussten Entscheidungen sowie einer besseren Kommunikationsfähigkeit (vgl. Glomb et al. 2011, S. 128). Hinze (2001, S. 85) weist überdies in seiner Studie darauf hin, dass sich die Fähigkeit, sowohl auf eine Aufgabe zu fokussieren als auch einen Gedankengang zuzulassen, durch achtsamkeitsbasierte Maßnahmen steigern lässt. Achtsamkeit beinhaltet somit grundsätzlich ein Zusammenwirken von Aufmerksamkeit und Konzentration (vgl. Weiss; Harrer; Dietz 2019, S. 163). Ferner führen eine achtsame Verhaltensweise und eine bewusste Haltung zu einer verstärkten Aufgeschlossenheit für Perspektivenvielfalt in Problemlösungsprozessen (vgl. Chang-Gusko 2019, S. 10). Diese Aufgeschlossenheit ermöglicht nicht nur eine Abschätzung der eigenen, sondern auch der Konsequenzen des Handelns anderer Personen. Gleichzeitig kann diese Erweiterung der Perspektiven zu einer größeren Sensibilität für die Kontextabhängigkeit des eigenen Handelns führen (vgl. Becke 2011, S. 37) und daher zur Förderung von Empathie und zu einer Veränderung der Selbstwahrnehmung beitragen (vgl. Glomb et al. 2011, S. 128).

Wird in diesem Kontext der bereits erwähnte Ansatz von Goleman und Davidson (2017) verfolgt, dass emotionale Intelligenz eine Metafähigkeit ist, von der es abhängt, wie gut die Mitarbeiter ihre Fähigkeiten zu nutzen verstehen, wird deutlich, welche Tragweite diese auch für den Ansatz der Achtsamkeit hat (vgl. Schuster 2018, S. 247). Gerade im beruflichen Alltag ist es oft nicht ausreichend, die Situation gedanklich und auf Basis einer Sachebene zu beleuchten, wodurch es notwendig wird, die eigenen und fremden Emotionen wahrzunehmen (vgl. Dölz; Siems 2018, S. 337). Hierbei kann die Selbstwahrnehmung als Grundlage der Achtsamkeit bezeichnet werden (vgl. Schrör 2016, S. 77), um den eigenen emotionalen Mustern auch im Unternehmenskontext nicht ausgeliefert zu sein, sondern Gefühle und Denkmuster bewusst wahrzunehmen und zu erkennen, um so den Blick auf eine konkrete Situation zu erlangen (vgl. Amberg 2016, S. 50). Zudem gelingt es durch eine achtsame Haltung die Fähigkeit auszubilden, die Gefühle anderer und deren Perspektive zu verstehen (vgl. Bosch; Michel 2018, S. 29). Durch eine offene Beobachtung der eigenen Erfahrungen, soll es schließlich dazu kommen, dass Personen mehr über ihre eignen Gedanken, Gefühle und Wahrnehmungen lernen (vgl. Bishop et al. 2004, S. 231). Diese emotionale Bewusstheit sollte gerade Führungskräfte dabei helfen, die Komplexität der Beziehungen im Unternehmen besser zu erkennen (vgl. Bauer 2019, S. 103).

Eine Studie von Hülsheger et al. (2013) verdeutlicht in diesem Zusammenhang, dass achtsamkeitsbasierte Interventionen dazu beitragen, arbeitsbedingtem Stress gezielt vorzubeugen. Hierbei korreliert das Konstrukt der Achtsamkeit signifikant negativ mit der emotionalen Belastung eines Individuums (r = - .36), wodurch sich bestätigen lässt, dass Achtsamkeit einen Beitrag leistet, um mit Herausforderungen in belastenden und emotionalen Situationen besser umgehen zu können (vgl. Hülsheger et al. 2013, S. 321). Die Entstehung von Stressreaktionen ist dabei zu einem großen Teil von der subjektiven Bewertung einer Gegebenheit und den eigenen Lösungsmöglichkeiten abhängig (vgl. Wagner-Link 2010, S. 18). Dadurch ergibt sich ein individueller Freiraum, der einen Abstand zwischen äußeren Reizen und inneren Gedanken bzw. Reaktionen ermöglicht (vgl. Good et al. 2016, S. 116) und es gleichzeitig jeder Person selbst überlässt, ob sie eine Situation als Auslöser für Stress bewertet (vgl. Queckenstedt 2017, S. 310 ff.). Damit Stressreaktionen gar nicht erst entstehen können, soll ein achtsames Verhalten dazu beitragen, ressourcenzehrende Faktoren frühzeitig zu erkennen und mit diesen effizient umzugehen (vgl. Rosman; Kohtes 2014, S. 239). In diesem Zusammenhang konnte festgestellt werden, dass Achtsamkeit nicht nur das Stressempfinden sinken lässt (vgl. Schraud 2019, S. 50), sondern zugleich die Arbeitsleistung erhöht (vgl. Reb; Narayanan; Wie Ho 2015, S. 111).

Auch Mars und Abbey (2010) stellen in ihrer Untersuchung fest, dass weniger gestresste Führungskräfte nicht nur leistungsfähiger sind, sondern auch zugewandter mit ihren Mitarbeitern umgehen (vgl. Mars; Abbey 2010, S. 56). Achtsamkeit trägt somit dazu bei, dass Führungskräfte selbstkongruenter und authentischer auftreten können, wodurch sie ihr Handeln glaubwürdiger an persönlichen Überzeugungen ausrichten können (vgl. Avolio; Gardner 2005, S. 317). Darüber hinaus kann durch Achtsamkeit egozentrierten Handlungstendenzen entgegengewirkt werden, die häufig ein wesentlicher Grund dafür sind, dass Mitarbeiter unzufrieden mit den sozialen Interaktionsprozessen sind (vgl. Kohls; Berzlanovich; Sauer 2013, S. 173). Das bedeutet, dass in allen Handlungen, die bewusste Aufmerksamkeitssteuerung eine hohe Wichtigkeit einnimmt, um eine offene Geisteshaltung zu erlangen und gezielt auf die Probleme der Mitarbeiter einzugehen (vgl. Schraud 2019, S. 46). Insbesondere vorschnelle und impulsive Reaktionen von Vorgesetzten, die aufgrund eines zunehmenden Entscheidungsdrucks ausgelöst werden, können auf diese Weise durch Einübung achtsamkeitsbasierter Rituale eingeschränkt werden (vgl. Isermann; Diegelmann 2016, S. 218).

Eine Metaanalyse zu personalen und berufsrelevanten Korrelaten von Achtsamkeit im Arbeitsleben legen hierbei Mesmer-Magnus et al. (2017) vor. Die Analysen ergeben signifikante positive Zusammenhänge mit Lebenszufriedenheit (r = .36), Selbstvertrauen (r = .39) und psychischer Gesundheit (r = .38), wobei diese Aspekte die subjektive Wirksamkeit widerspiegeln. Gleichzeitig zeigt diese Studie einen negativen Effekt mit wahrgenommenen Belastungen (r = -.43), negativen Emotionen (r = -.40), Angst (r = -.34) und Depression (r = -.38). Darüber hinaus merken die Autoren in ihren Ergebnissen darauf hin, dass Achtsamkeit einen positiven Einfluss auf Arbeitszufriedenheit (r = .29) und Leistung (r = .34) hat und die zwischenmenschliche Beziehungen (r = .31) fördern kann (vgl. Mesmer-Magnus et al. 2017, S. 19 ff.). Durch Achtsamkeit können sich die Mitarbeiter vermehrt in der Lage sehen, Vorgänge schneller und auch effizienter zu erfassen (vgl. Avey; Wernsing; Luthans 2008, S. 60 ff.; vgl. Hinze 2001, S. 117). Die Gedanken sind dadurch ebenfalls geordneter, was zu einer veränderten Wahrnehmung führt und die Bereitschaft für eine Zusammenarbeit fördert (vgl. Queckenstedt 2017, S. 312). Achtsame Interventionen am Arbeitsplatz bewirken zudem eine Zunahme von Empathie und fördern die Fähigkeit, sich schneller von belastenden Situationen erholen zu können (vgl. Irving; Dobkin; Park 2009, S. 62).

Eine mögliche Relevanz für die Führungsforschung zeigt die Studie von Dunning, Heath und Suls (2004), in der aufgezeigt werden konnte, dass Führungskräfte dazu neigen, eine Illusion der eigenen Überdurchschnittlichkeit zu entwickeln, was ihren Umgang auf andere Personen beeinträchtigen kann (vgl. Dunning et al. 2004, S. 86). Achtsamkeit ermöglicht an dieser Stelle eine nicht voreingenommene Sichtweise und verhindert gleichzeitig, dass die Wahrnehmung unbewusst der Selbstüberschätzung verfällt (vgl. Sauer et al. 2011, S. 2). Zudem gehört das untersuchte Konstrukt zu den Prozessen, die Führungskräfte dabei unterstützen, an Selbsterkenntnis zu gewinnen (vgl. Schnetzer 2014, S. 5 ff.) und mehr durch das eigene Vorbild als durch Kontrolle zu führen (vgl. Dopfer 2019, S. 112). In diesem Zusammenhang erwähnen Hunt und Weintraub (2006) die Wirkung von Achtsamkeit auf das Führungsverhalten und stellen dabei fest, dass die Bedürfnisse der Mitarbeiter durch ein achtsames Verhalten besser reflektiert werden können (vgl. Hunt; Weintraub 2006, S. 20).

2.1.4 Maßnahmen zur Förderung eines achtsamen Verhaltens

Das systematische Einüben von Achtsamkeit bietet großes Entwicklungspotential für Mitarbeiter und Führungskräfte, ihre Aufgaben in Organisationen nicht nur effizienter und authentischer, sondern auch mit weniger Belastung und in einer kooperativeren Weise auszuführen (vgl. Kohls; Berzlanovich; Sauer 2013, S. 171). Um jedoch eine achtsame Verhaltensweise zu fördern, gilt es zunächst die Aufmerksamkeit systematisch zu trainieren (vgl. Denninger 2019, S. 17; vgl. Stocker et al. 2019, S. 8 ff.). In diesem Zusammenhang werden achtsamkeitsbasierte Programme und Wahrnehmungsübungen in das gegenwärtige Geschehen des Unternehmens bei routinemäßigen Handlungen integriert, um verschiedene Tätigkeiten achtsam zu vollziehen (Heidenreich; Michalak 2004, S. 265). Dadurch wird ermöglicht, dass sich Personen unabhängig ihrer Aufgabe in Achtsamkeit üben können (vgl. Stahl; Goldstein 2019, S. 20). Ziel ist es, dass sich die Organisationsmitglieder ganz dem gegenwärtigen Moment in voller Absicht widmen und sich auf ihre aktuelle Aufgabe fokussieren (vgl. Heidenreich; Junghanns-Royack; Michalak 2011, S. 318). Gleichzeitig soll durch diese Maßnahmen den Mitarbeitern der psychologische Hintergrund erörtert werden, was ihnen ein Bewusstsein über mentale Vorgänge schaffen soll (vgl. Kabat-Zinn et al. 2006, S. 319).

Doch obwohl sich die Wirksamkeit von achtsamkeitsbasierten Maßnahmen nachweisen lässt (vgl. Rosmann; Kohtes 2014, S. 20 ff.), scheitert es häufig an der Umsetzung im Unternehmen und verfehlt somit das Ziel der Akzeptanz bei den Zielpersonen (vgl. Chang-Gusko 2012, S. 7). Ferner bringt eine systematische Einübung ein generelles Problem mit sich, da vor allem achtsamkeitsbasierten Interventionen zu den Maßnahmen gehören, die an der Person und ihrem Bewusstsein ansetzt (vgl. Kohls; Berzlanovich; Sauer 2013, S. 171). Somit bedarf es der Annahme einer neuen inneren Haltung und eines bewussten aufmerksamen Umgangs mit sich selbst, was für viele Personen eine Herausforderung darstellt (vgl. Schraud 2019, S. 46 ff.). Letztlich haben jedoch die Teilnehmer selbst entscheidenden Einfluss auf das Gelingen von achtsamkeitsbasierten Maßnahmen (vgl. Hiendl 2019, S. 203).

2.1.5 Gesundheitsförderliche Auswirkungen von Achtsamkeit

Auch wenn noch kein einheitlicher Konsens über das untersuchte Konstrukt vorliegt, deuten die Ergebnisse vieler Studien darauf hin, dass das Üben von Achtsamkeit positive gesundheitliche Effekte mit sich bringt (vgl. Bauer 2019, S. 111; vgl. Shapiro 2005, S. 166). Eine Metaanalyse von Grossmann et al. (2004) nimmt jedoch in diesem Kontext die konstante und stabile Wirksamkeit achtsamkeitsbasierter Programme in Bezug auf mentale Gesundheit, einschließlich Wohlbefinden und der Bewältigungsfähigkeit von Stress an (vgl. Grossman et al. 2004, S. 36). Auch die Studienergebnisse von Chiesa; Calati; Serretti (2011, S. 454) lassen den Rückschluss zu, dass Achtsamkeit nicht nur hilfreich ist, um leichter mit Belastungen umzugehen, sondern auch um Strategien zur Stressregulation zu entwickeln (vgl. Kohls; Berzlanovich; Sauer 2013, S. 166 ff.). Vor diesem Hintergrund kann belegt werden, dass Achtsamkeit eine gute Maßnahme zum Abbau von Stress darstellt und gleichzeitig zum Aufbau von Resilienz beiträgt (vgl. Chiesa; Calati; Serretti 2011, S. 455). Darüber hinaus lässt sich eine Reduktion des selbstempfundenen Stresslevels nachweisen (vgl. Yong et al. 2011, S. 282; Shapiro et al. 2008, S. 841 ff.). Zudem ermöglicht das Einüben von Achtsamkeit, dass Personen konzentrierter arbeiten (vgl. Walach et al. 2007, S. 191) und emotional ausgeglichener handeln (vgl. Michalak; Heidenreich; Bohus 2006, S. 248).

Kabat-Zinn (2008) merkt diesbezüglich an, dass die Steuerung der Aufmerksamkeit zu mehr Selbstregulierung führen soll, die folglich ein Kennzeichen von Gesundheit ist. Nimmt ein Individuum ein grundlegendes Unwohlsein wahr, ist es somit die Folge von Unaufmerksamkeit, Unverbundenheit und Fehlwahrnehmung (vgl. Kabat-Zinn 2008, S. 132 ff.). Achtsamkeit scheint zudem auch über einen Mechanismus zu verfügen, um ein positives emotionales Erleben zu fördern (vgl. Garland et al. 2015, S. 294) sowie mittels parasympathischer Aktivierung die Wahrscheinlichkeit physiologischer Stressreaktionen zu reduzieren (vgl. Tan; Martin 2016, S. 65). Beide Aspekte stellen ein Gegengewicht zu negativen emotionalen Beanspruchungsreaktionen dar (vgl. Bauer 2019, S. 127). Eine achtsame Haltung verändert jedoch nicht die Krankheitssymptome, sondern die Einstellung und die Sicht des Individuums auf diese und folglich die Bereitschaft und die Fähigkeit, mit den unveränderten Symptomen zu leben (vgl. Sauer et al. 2011, S. 343). Daher können Aspekte der Achtsamkeit das subjektive Wohlbefinden verbessern (vgl. Northouse 2013, S. 240; vgl. Mars; Abbey 2010, S. 58), indem sie einer Person von ungünstigen Verhaltensmuster zu einem gesünderen Umgang mit psychischer Belastung verhelfen (vgl. Mesmer-Magnus et al. 2017, S. 19; vgl. Gunkel; Böhm; Tannheimer 2014, S. 264).

Achtsamkeitsbasierte Verfahren werden somit für eine Bandbreite von psychischen Problemen und Beschwerden als auch als flankierende Maßnahmen bei chronischen Erkrankungen eingesetzt (vgl. Hofmann et al. 2010, S. 177), wodurch ein effektiver Weg zur betrieblichen Gesundheitsförderung gestaltet werden kann (vgl. Michalak; Bläser; Heidenreich 2012, S. 246). In diesem Kontext legen weitere Forschungsbefunde nahe, dass durch regelmäßiges Üben eines achtsamen Verhaltens auf physiologischer Ebene morphologische Hirnstrukturen und neuronale Aktivierungsmuster beeinflusst werden, die einen positiven Effekt auf das Immunsystem haben können (vgl. Kohls; Berzlanovich; Sauer 2013, S. 167). Auch Tang et al. (2009) gehen davon aus, dass sich die Effekte von Achtsamkeit auf neuronaler Ebene nachweisen lassen und dabei für die Emotionsregulierung von zentraler Bedeutung sind (vgl. Tang et al. 2009, S. 8866).

2.2 Konzepte der Resilienz

Die Ergebnisse der wissenschaftlichen Literatur machen bisher deutlich, dass Resilienz nicht direkt gemessen werden kann (vgl. Rönnau-Böse; Fröhlich-Gildhoff 2020, S. 13), sondern sich aus der Berücksichtigung von Umgang mit Risiken und dessen positiver Bewältigung erschließt (vgl. Luthar; Zelazo 2003, S. 511 ff.). Somit bleiben resiliente Personen auch unter wachsenden Anforderungen psychisch stark und leistungsfähig (vgl. Soucek et al. 2015, S. 4 ff.). Allerdings wird das Konstrukt der Resilienz in der Arbeitswissenschaft wenig beachtet (vgl. Luthans; Vogelgesang; Lester 2006, S. 28) und unscharf definiert (vgl. Fletcher; Sarkar 2013, S. 13 ff.). Der Begriff der Resilienz beschreibt dabei die erfolgreiche Bewältigung von Krisen, gleichwohl beschäftigt sich die aktuelle Forschung zunehmend mit den Einflussfaktoren und der Wirkungsweise von Resilienz (vgl. King; Newman; Luthans 2015, S. 784). Das nachfolgende Kapitel untersucht daher spezifische Wirkmechanismen und Prozesse im Zusammenhang mit Resilienz und versucht, der Komplexität des Konstruktes gerecht zu werden. Der daraus entstehende Forschungsstrang befasst sich mit den empirischen Grundlagen sowie mit dem präventiven Charakter zur Förderung der Gesundheit. Als gesonderte Ansatzpunkte zur Entwicklung der personalen Ressourcen, kommt es dabei zu einer Differenzierung zwischen individueller und organisationaler Resilienz. Diese differenzierte Betrachtung ist vor allem damit zu erklären, um eine gewisse Parallelität in der Untersuchung der Konstrukte herzustellen. Ferner sollen die Kernelemente der Resilienz herausgearbeitet und Verhaltensweisen beschrieben werden, durch welche sich resiliente Personen im Unternehmen auszeichnen.

2.2.1 Individuelle Resilienz

Im Mittelpunkt der Resilienzforschung steht die positive Entwicklung von Individuen trotz schwieriger Bedingungen (vgl. Heller; Gallenmüller 2019, S. 4). Nach Soucek et al. (2015) beschreibt resilientes Verhalten konkrete Handlungsstrategien zur Bewältigung von belastenden Situationen und umfasst verschiedene Facetten, die eine emotionale Bewältigung sicherstellen (vgl. Soucek et al. 2015, S. 15). Resilienz beschreibt somit personale Ressourcen und Verhaltensweisen, die auch unter hohen Anforderungen die psychische Gesundheit schützen (vgl. Pauls et al. 2016, S. 107). Der Fokus liegt daher zum einen auf den protektiven Faktoren (vgl. Gabriel 2005, S. 207) und zum anderen auf den individuellen Ressourcen von Menschen, unter gleichzeitiger Berücksichtigung der Risiken (vgl. Rönnau-Böse; Fröhlich-Gidhoff 2020, S. 11). Nach Wustmann (2004, S.18) wird Resilienz hingegen als innere Widerstandsfähigkeit gegenüber belastenden Umständen und Ereignissen verstanden. Somit gilt es als die Fähigkeit der gelungenen Bewältigung belastender Lebensumstände (vgl. Masten; Best; Garmezy 1990, S. 426). Darüber hinaus sind resiliente Personen dazu in der Lage, belastende Situationen unter Rückgriff auf personale Ressourcen zu meistern (vgl. Welter-Enderlin; Hildebrand 2006, S. 13) und zudem als Anlass für Entwicklungen zu nutzen (vgl. Caza; Milton 2012, S. 897). Aufgrund der schützenden Wirkung von Resilienz nehmen Pauls et al. (2016) in ihren Untersuchungen an, dass eine Zunahme des resilienten Verhaltens mit einer Reduktion der emotionalen Erschöpfung einhergeht (vgl. Pauls et al. 2016, S. 102).

Bei dem Konstrukt der Resilienz geht es demzufolge nicht nur um die Feststellung von Risikofaktoren (vgl. Rönnau-Böse; Fröhlich-Gidhoff 2020, S. 12), sondern vor allem um die erfolgreiche Bewältigung von Entwicklungsaufgaben, die in jeder Altersstufe bestehen (vgl. Wustmann 2004, S. 20 ff.). Bewältigt eine Person diese Anforderungen erfolgreich, entwickeln sich protektive Ressourcen (vgl. Bengel; Rottmann; Lyssenko 2010, S. 1067) und Stresssituationen werden nicht mehr bedrohlich, sondern als lösbare Herausforderungen wahrgenommen (vgl. Siemon; von Wedel 2020, S. 66). Eine weitere Perspektive kann das untersuchte Konstrukt dahingehend einnehmen, dass Resilienz eine Pufferwirkung aufweist, wodurch es in bestimmten Situationen gar nicht erst zu einer Belastungsreaktion kommt (vgl. Bonanno 2004, S. 22). Darauf aufbauend führt ein resilientes Verhalten dazu, dass eine kurzfristige Belastung erbracht werden kann, wobei sich die Person schnell erholt und regeneriert (vgl. Bengel; Lyssenko 2012, S. 101; vgl. Agaibi; Wilson 2005, S. 197). Gleichzeitig umfasst es die Anpassungsfähigkeit von Verhaltensweisen und sozialen Kognitionen nach einer belastenden Situation (vgl. Walsh 2006, S. 263 ff.). Reich; Zautra und Murray (2010) sehen einen wesentlichen Bestandteil von Resilienz darin, dass Personen ihre Lebensfreude und das Festhalten an einem Sinn nicht verlieren (vgl. Reich; Zautra; Murray 2010, S. 5).

Die Fähigkeit zur Resilienz wird somit unter Belastungen aktiviert und manifestiert sich dann als persönliche Widerstandkraft (vgl. Rönnau-Böse; Fröhlich-Gildhoff 2020, 17). Nach Fingerle (2011) bedeutet es zudem, Ressourcen zu identifizieren, zu nutzen und vor allem über sie zu reflektieren, um eigene Ziele zu erreichen (vgl. Fingerle 2011, S. 213 ff.). Personale Ressourcen sind somit direkt mit Widerstandskraft verbunden und machen daher einen Teil der Konzeption von Resilienz aus (vgl. Hobfoll et al. 2003, S. 635). Darüber hinaus beinhaltet es Aspekte, die sowohl eine emotionale Bewältigung als auch eine positive Umdeutung fördern (vgl. Folkman; Lazarus 1980, S. 220). Ferner umfasst ein resilientes Verhalten kognitive Aspekte und beschriebt die Besinnung auf die eigenen Stärken sowie eine optimistische Einschätzung der Situation (vgl. Vanhove et al. 2015, S. 4). Gleichzeitig beinhaltet es auch eine affektive Komponente, die den Umgang mit herausfordernden Situationen erleichtern kann. Damit ist insbesondere gemeint, dass sich eine Person nicht aus der Ruhe bringen lässt und auch in kritischen Situationen den Ärger unter Kontrolle hat (vgl. Soucek et al. 2015, S. 7).

Obwohl Resilienz die adaptive Bewältigung von Krisen beschreibt (vgl. Pangallo et al. 2015, S. 4), wird im wissenschaftlichen Diskurs angenommen (vgl. Lösel; Bender 2008, S. 58), dass resilientes Verhalten eine relativ stabile Persönlichkeitseigenschaft ist und in dynamischer Wechselwirkung zwischen Individuum und Umwelt steht (vgl. Heller; Gallenmüller 2019, S. 8 ff.; vgl. Werner; Smith 2001, S. 18). Allerdings kann sich die persönliche Widerstandskraft im Laufe des Lebens eines Menschen verändert, abhängig von den Erfahrungen und den bewältigten Herausforderungen (vgl. Rutter 2000, S. 667). Dieser wissenschaftliche Beitrag geht deshalb davon aus, dass Resilienz neben den stabilen Eigenschaften auch veränderliche Bestandteile enthält, wodurch es gezielt für Interventionen zugänglich ist (vgl. Luthans; Vogelgesang; Lester 2006, S. 28). Diese Ansicht vertreten auch Leipold und Greve (2009), wobei sie in ihrer Studie zusätzlich annehmen, dass die Fähigkeit des Copings, welche eine erfolgreiche Bewältigung von Herausforderungen beschreibt, einen zentralen Bestandteil von Resilienz verkörpert (vgl. Leipold; Greve 2009, S. 43; vgl. Harland et al. 2005, S. 10 ff.). Resilienz kann demzufolge als ein integratives Konstrukt aufgefasst werden (vgl. Petermann; Schmidt 2006, S. 121), dass sowohl überdauernde personale Ressourcen als auch veränderliche Copingstrategien umfasst (vgl. Soucek et al. 2015, S. 5). Um Kompetenzen angesichts belastender und stressiger Situationen unter Beweis zu stellen, müssen Personen die Überzeugung besitzen, dass sie dazu in der Lage sind (vgl. Vanhove et al. 2015, S. 4). Darüber hinaus ist eine Zunahme des resilienten Verhaltens mit einer Reduktion der emotionalen Erschöpfung verbunden (vgl. Pauls et al. 2016, S. 124).

Nach Luthans, Youssef und Avolio (2007) wird Resilienz als der Prozess angesehen, bei dem Individuen Fähigkeiten und Ressourcen erfolgreich einsetzen, um sich vor nachteiligen Erfahrungen und den damit verbundenen negativen Folgen zu schützen (vgl. Luthans; Youssef; Avolio 2007, S. 5). Diese Fähigkeiten und Ressourcen werden dabei als Schutzfaktoren bezeichnet (vgl. Richardson 2002, S. 308). Allerdings merken Cicchetti und Rogosch (2002) an, dass Schutzfaktoren nicht isoliert existieren, sondern kumulativ vorliegen. Diese Annahme begründen sie damit, dass diejenigen, bei denen das Risiko besteht, dass sie erheblichen Stress erfahren, häufig anfälliger dafür sind, mehreren Stressfaktoren gleichzeitig ausgesetzt zu sein (vgl. Cicchetti; Rogosch 2002, S. 7). Daher sind Ressourcen immer gleichermaßen zu fördern, damit eine Person nicht nur auf eine bestimmte Belastung vorbereitet ist (vgl. Zapf; Semmer 2004, S. 1103 ff.). Als wesentliche Einflussfaktoren von resilienten Verhalten können folglich personale Ressourcen angesehen werden (vgl. Caza; Milton 2012, S. 898). Personale Ressourcen werden in diesem Zusammenhang als Eigenschaften bezeichnet, die die Gesundheit schützen und eine schnelle Wiederherstellung nach Belastung ermöglichen (vgl. Hobfoll et al. 2003, S. 634). Zudem konnte nachgewiesen werden, dass sich Resilienz positiv auf die Haltung und das Verhalten von Mitarbeitern gegenüber Veränderungen auswirkt (Shin; Taylor; Seo 2012, S. 731).

Eines der zentralen Elemente von Resilienz ist die Wahrnehmung von der Einstellung zu einer bestimmten Situation (vgl. Bonanno 2004, S 23) und die Möglichkeit, diese positiv umzudeuten (vgl. Soucek et al. 2015, S. 14). Resiliente Personen können auf Anforderungen in wechselnden Situationen flexibel reagieren und behalten dadurch eine gewisse Belastbarkeit bei (vgl. Rolfe 2019, S. 24).

2.2.2 Organisationale Resilienz

Personen, die sich resilient verhalten, beugen psychische Beanspruchung vor, indem negative Emotionen schneller bewältigt werden und Herausforderungen am Arbeitsplatz als Gelegenheit verstanden werden, die eignen Kompetenzen einzubringen (vgl. Soucek et al. 2018, S. 7 ff.). Mache et al. (2014) verstehen hingegen organisationale Resilienz als eine Ressource, die zur besseren Bewältigung von Problemen beitragen kann und belegen den Einfluss von Resilienz auf das Arbeitsengagement (vgl. Mache et al. 2014, S. 493). Darüber hinaus ist es von zentraler Bedeutung, die Stressquellen innerhalb des Unternehmens zu identifizieren (vgl. Johnson; Cooper 2003, S. 182), da diese negative Auswirkungen sowohl auf die individuelle Gesundheit als auch auf die organisatorische Funktionsweise haben (vgl. Johnson et al. 2005, S. 179 ff.). Daher fließt ein bewusst eingesetztes Verhalten zur Bewältigung von Arbeitsanforderungen in die Konzeption von Resilienz ein (vgl. Soucek et al. 2015, S. 6). Diesbezüglich weist ein resilientes Verhalten eine vorausschauende Planung und die Abwägung verschiedener Lösungen bei arbeitsbezogenen Problemen auf (vgl. Pauls et al. 2015, S. 110). Organisationale Resilienz bedeutet somit, dass Unternehmen lernen, mit den aktuellen Belastungen und Herausforderungen wirksam umzugehen (vgl. Ritz 2015, S. 4).

Resiliente Organisationen, die bereits in guten Zeiten vorsorgen und in Kenntnis über ihre Ressourcen sind, finden schneller wieder in ein Gleichgewicht zurück oder können sogar von Krisen profitieren (vgl. McManus et al. 2008, S. 82). Ferner fördert es die Fähigkeit zu lernen und zu agieren (vgl. Denovan; Crust; Clough 2017, S. 134), ohne zu wissen, wie die entsprechende Situation in Zukunft aussehen wird (vgl. Linnenluecke 2017, S. 8). Die Stärkung organisationaler Resilienz nimmt somit eine wichtige Rolle bei dem Management von Ungewissheit ein (vgl. Heller; Elbe; Linsenmann 2012, S. 215). In diesem Zusammenhang geht es darum, unter herausfordernden Bedingungen positive Anpassung beizubehalten und daraus für die Zukunft zu lernen (vgl. Sutcliffe; Vogus 2003, S. 95). Somit beschreibt es die Fähigkeit eines Unternehmens, sich von Rückschlägen zu erholen, die während organisationaler Veränderungsprozesse auftreten und über sich hinauszuwachsen, um erfolgreich zu sein (vgl. Avey et al. 2010, S. 17).

2.2.3 Wirkmechanismen in Unternehmen

Werden die einzelnen Facetten resilienten Verhaltens verglichen, so zeigt sich, dass insbesondere ein adäquater emotionaler Umgang mit Problemen am Arbeitsplatz für den Erhalt der psychischen Gesundheit förderlich ist (vgl. Soucek et al. 2015, S. 13). Diese Annahme bestätigen auch Pauls et al. (2015), in dem sie resilientem Verhalten den erfolgreichen Umgang mit emotionalen Reaktionen auf arbeitsbezogene Probleme nachsagen (vgl. Pauls et al. 2015, S. 110). Die Prävention psychosozialer Belastungen führt somit zu einer Erhöhung des individuellen Wohlbefindens und hat eine positive Auswirkung auf die organisationale Leistung (vgl. Rigotti; Mohr 2008, S. 49). Darüber hinaus begünstigt es einen Perspektivwechsel, erschließt kreative Lösungswege und schafft positive Erlebnisse durch ein fokussiertes Arbeiten (vgl. Soucek et al. 2015, S. 16). Ein resilientes Verhalten führt dazu, die eigenen Fähigkeiten weiterzuentwickeln und bei aufkommenden Problemen konzentriert an Lösungen zu arbeiten (vgl. Pauls et al. 2015, S. 110 ff.). Diesbezüglich merken Denovan, Crust und Clough (2017) an, dass resiliente Personen auch in anderen Menschen positive Gefühle fördern, indem sie in einer engen Beziehung angemessene Unterstützung bieten (vgl. Hurtienne; Koch 2018, S. 148; vgl. Denovan; Crust; Clough 2017, S. 145).

In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, welche personenbezogenen Ressourcen im beruflichen Kontext besonders relevant sind und sich durch ein resilientes Verhalten fördern lassen (vgl. Soucek et al. 2015, S. 5). Wang, Li und Li (2017) stellen hierbei in ihrem Forschungsbeitrag eine positive Korrelation zwischen Arbeitsengagement und Resilienz fest (vgl. Wang; Li; Li 2017, S. 701), wobei diese Wechselwirkung (r = .54) ebenfalls Soucek et al. (2018, S. 11) in ihrer Studie belegen konnten. Im Rahmen der Forschung zum psychologischen Kapital (vgl. Luthans; Vogelgesang; Lester 2006, S. 29) wurden Selbstwirksamkeit und Optimismus mit Resilienz in Verbindung gebracht, die im Rahmen einer Metaanalyse auch nachgewiesen werden konnten (vgl. Lee et al. 2013, S. 273). Diese beiden Faktoren werden als zentrale Ressourcen im Umgang mit Stress betrachtet und hängen mit der erfolgreichen Bewältigung von herausfordernden Situationen zusammen (vgl. Harland et al. 2005, S. 3 ff.). Bewältigung umfasst dabei kognitive und verhaltensbezogene Anstrengungen, um die Stressquelle zu reduzieren oder zu beseitigen (vgl. Folkman; Lazarus 1980, S. 220 ff.). Diesbezüglich konnten Sorensen et al. (1998) feststellen, dass bereits eine geringe Wirkung auf individueller Ebene zu erheblichen Vorteilen auf organisatorischer Ebene führen kann (vgl. Sorensen et al. 1998, S. 381). Resilienz kann daher als zentraler Wettbewerbsvorteil betrachtet werden, da er im gesamten Unternehmen wirkt (vgl. Hoffmann 2017, S. 83).

Da Resilienz nicht als Zustand, sondern als individuelles und systemisches Verhalten betrachtet werden kann (vgl. Heller; Gallenmüller 2019, S. 8; vgl. Mallak 1998, S. 10), ist es ein Zusammenwirken mehrerer Faktoren, die zu diesem Phänomen beitragen (vgl. Hoffmann 2017, S. 143). All diese Wirkmechanismen sind jedoch nur im konkreten Kontext beschreibbar, denn die Schutzfaktoren und Ressourcen erweisen sich in ihrer Funktion letztlich erst in einer konkreten Situation (vgl. Zander 2008, S. 40).

2.2.4 Maßnahmen zur Förderung von resilientem Verhalten

Die Förderung von Resilienz ist ein salutgenetischer Ansatz, der sich jedoch in ersten Studien als wirksam erwiesen hat (vgl. Vanhove et al. 2015, S. 2; vgl. Rutter 2000, S. 653). Das untersuchte Konstrukt bezieht sich hierbei auf den Prozess des gesunden Funktionierens angesichts von Widrigkeiten (vgl. Dougherty; Masten; Narayan 2013, S. 17; vgl. Zautra; Hall; Murray 2010, S. 12). Die meisten Programme zum Aufbau von Resilienz zielen darauf ab, die Personen mit Ressourcen und Fähigkeiten auszustatten, um potenziell negative Auswirkungen einer psychischen Belastung durch Stressfaktoren zu verhindern (vgl. Karoly 2010, S. 148). Der Grund für die Förderung von Resilienz am Arbeitsplatz ist auf das erneute Interesse an der Gesundheit des Mitarbeiters (vgl. Seligman; Csikszentmihalyi 2000, S. 7) und an dem allgemeinen Wohlbefinden (vgl. Diener et al. 1999, S. 281) zurückzuführen (vgl. Pauls et al. 2016, S. 109). Allerdings sind Maßnahmen zur Resilienzförderung bislang sehr unterschiedlich und mit einem hohen zeitlichen Aufwand verbunden (vgl. Robertson et al. 2015, S. 534).

Bei resilienzfördernden Maßnahmen geht es jedoch nicht darum, personale Ressourcen den teilnehmenden Personen anzueignen, sondern vielmehr darum, Entwicklungsanreize zu bieten und Unterstützungsmöglichkeiten aufzuzeigen (vgl. Rönnau-Böse; Fröhlich-Gildhoff 2020, S. 15). Fingerle (2011) macht hierbei deutlich, dass die Förderung von einzelnen personalen Ressourcen im Hinblick auf eine nachhaltige und ganzheitliche Unterstützung nur zeitlich begrenzt effektiv ist (vgl. Fingerle 2011, S. 132). Dies trifft insbesondere dann zu, wenn die Maßnahmen nicht auf die Zielgruppe adaptiert werden kann und so nur ein bestimmter Teil davon profitiert (vgl. Jansen 2013, S. 121). Daher plädiert Wustmann (2011) dafür, bereits im betrieblichen Alltag Erfahrungsräume zu schaffen, um selbstwirksames und resilientes Handeln zu bewirken (vgl. Wustmann 2011, S. 350). Das Prinzip der Selbstwirksamkeit kann dabei allen Resilienzfaktoren unterstellt werden, um generell die Ressourcenbildung (vgl. Luthar 2006, S. 742) und die eigene Entwicklung zu fördern (vgl. Huber 2019, S. 30). Die vermittelten Inhalte können jedoch ohne eine kontinuierliche Resilienzförderung nur kurzfristig Wirkung erreichen (vgl. Rönnau-Böse; Fröhlich-Gildhoff 2020, S. 16) und nehmen mit der Zeit ab (vgl. Arthur et al. 1998, S. 61 ff.). Um diesen Effekt entgegenzuwirken und vor dem Hintergrund der Ergebnisse bisheriger Interventionen zu Resilienz, scheinen mehrere zeitlich verteilte Maßnahmen für eine erfolgreiche Umsetzung entscheidend zu sein (vgl. Michel; Bosch; Rexroth 2014, S. 735; vgl. Aikens et al. 2014, S. 722). Zudem gibt Pauls et al. (2016) zu bedenken, dass sich ein Zuwachs an resilientem Verhalten vor allem dann bemerkbar macht, wenn ein besonders hohes Ausmaß an Belastung auftritt (vgl. Pauls et al. 2016, S. 125).

Diesbezüglich konnte Gabriel (2005) in seiner Studie feststellen, dass Ressourcen nicht nur auf der individuellen Ebene Bedeutung erlangen, sondern dass vor allem auch eine stabile emotionale Bindung zu einer Bezugsperson einen bedeutenden Stellenwert für eine gesunde Entwicklung hat (vgl. Gabriel 2005, S. 210). Da das soziale Umfeld im Unternehmen dazu beiträgt, die individuelle Belastbarkeit zu steigern (vgl. Dougherty et al. 2013, S. 18), gilt es eine Unternehmenskultur zu schaffen, in der sich die Mitarbeiter wohl fühlen (vgl. Meredith et al. 2011, S. 3 ff.). Es ist somit nicht ausreichend, über resilienzfördernde Einstellungen und Fähigkeiten zu verfügen, sondern der Erfolg hängt von der Unterstützung ab, die eine Person aus dem Umfeld erfährt (vgl. Kalisch 2017, S. 86 ff.). Dabei gilt es resilienzfördernde Ressourcen der Mitarbeiter bereits vor dem Veränderungsvorhaben zu stärken, um die mit einem Wandel verbundene Belastung abzufedern und das Commitment der Mitarbeiter zu erhöhen (vgl. Shin; Taylor; Seo 2012, S. 728). Grawe (2004) merkt an dieser Stelle an, dass zur Resilienzförderung die Sensibilisierung für die psychologischen Grundbedürfnisse des Menschen dazugehören (vgl. Grawe 2004, S. 183). Darüber hinaus spielt die persönliche Haltung (vgl. Haas 2015, S. 20) und die Stärkung der Selbststeuerung bei Resilienz eine große Rolle (vgl. Rolfe 2019, S. 8).

2.2.5 Gesundheitsförderliche Auswirkungen von Resilienz

Das Konstrukt der Resilienz umfasst verschiedene Facetten, die eine Bewältigung von Problemen am Arbeitsplatz unterstützen und dadurch die Gesundheit sicherstellen (vgl. Robertson et al. 2015, S. 536). Auch die Metastudie von Färber und Rosendahl (2018) verdeutlicht einen signifikanten Zusammenhang zwischen Resilienz und psychischer Gesundheit (vgl. Färber; Rosendahl 2018, S. 625). Somit bleiben resiliente Personen auch unter wachsenden Anforderungen psychisch stark und leistungsfähig (vgl. Soucek et al. 2015, S.4). In diesem Zusammenhang kann angemerkt werden, dass Resilienz personale Ressourcen und Verhaltensweisen umfasst, die die psychische Gesundheit schützen (vgl. Pauls et al. 2016, S. 107). Dahingehend merken Manzano García und Ayala Calvo (2012) an, dass das resiliente Verhalten eines Individuums negativ mit psychischer Beanspruchung zusammenhängt (vgl. Manzano García; Ayala Calvo 2012, S. 103). Darüber hinaus haben wissenschaftliche Ergebnisse aufgezeigt, dass selbst eine geringfügige Steigerung der Belastbarkeit zu einer Verbesserung der Gesundheit beiträgt (vgl. Vanhove et al. 2015, S. 2). Ferner konnte bewiesen werden, dass eine positive Grundeinstellung einen starken Einfluss auf die psychischen Gesundheitsergebnisse hat (vgl. Karoly 2010, S. 148; vgl. Richardson; Rothstein 2008, S. 70).

Die Effekte von Resilienz wurden auch im Hinblick auf das Wohlbefinden untersucht, wobei sich hieraus eine Bandbreite an Merkmalen ergeben hat, die ebenfalls signifikant mit einem resilienten Verhalten korrelieren (vgl. Vanhove et al. 2015, S. 9). Vor allem kann eine positive Beeinflussung zum Thema Angst (vgl. Grime 2004, S. 354 ff.), Müdigkeit (vgl. Sood et al. 2011, S. 858) und ineffektive Bewältigungsstrategien (vgl. Harms et al. 2013, S. 105) nachgewiesen werden. Darüber hinaus dient eine positive Sichtweise (vgl. Carver; Scheier 2002, S. 233) als Mittel zum Schutz vor negativen Auswirkungen von Stress (vgl. Vanhove et al. 2015, S. 4).

2.3 Zusammenhang zwischen Achtsamkeit und Resilienz und deren Wirkung auf die Ressourcenbildung

Achtsamkeit wird als wichtige Ressource des psychischen Befindens am Arbeitsplatz betrachtet (vgl. Hülsheger et al. 2013, S. 322), wodurch Stress reduziert werden kann (vgl. Aikens et al. 2014, S. 724 ff.). Soucek et al. (2018) verdeutlichen hierbei, dass Achtsamkeit den Personen hilft, sich in belastenden Situationen resilient zu verhalten (Soucek et al. 2018, S. 5 ff.). Demzufolge kann durch eine achtsame Grundeinstellung die Resilienz gesteigert werden (vgl. Glomb et al. 2011, S. 124 ff.), was Empathie und Zufriedenheit zur Folge hat (vgl. Isermann; Diegelmann 2016, S. 218). Darüber hinaus stellen Soucek et al. (2018) in ihrer Studie fest, dass individuelle und organisationale Achtsamkeit unabhängig voneinander zu einem resilienten Verhalten beitragen (vgl. Soucek et al. 2018, S. 2). Überdies haben wissenschaftliche Beiträge dargelegt, dass Interventionen zur Achtsamkeit ein resilientes Verhalten am Arbeitsplatz fördern können (vgl. Knox-Haly; Bednall; Walker 2014, S. 49; vgl. Burton; Pakenham; Brown 2010, S. 274). Auch Pauls et al. (2016) zeigen in ihren Ergebnissen auf, dass die Zunahme der Achtsamkeit zu einer Verbesserung des resilienten Verhaltens führt. Diese Vermutung konnten sie in einer Studie empirisch bestätigen, in dem sie eine positive Korrelation von (r = .52) festgestellt haben (vgl. Pauls et al. 2016, S. 108).

In diesem Zusammenhang stellt der negative Einfluss von resilientem und achtsamen Verhalten auf die emotionale Erschöpfung einen Beleg für die gesundheitsfördernde Wirkung dieser beiden Konstrukte dar (vgl. Soucek et al. 2015, S. 14). Entgegen der bisherigen wissenschaftlichen Perspektive, die die Aspekte von Resilienz und Befinden isoliert betrachten (vgl. Burton; Pakenham; Brown 2010, S. 267; vgl. Millear et al. 2008, S. 218), berücksichtigen Pauls et al. (2016) mit dem resilienten Verhalten einen Prozess, der als Mediator zwischen Achtsamkeit und psychischem Wohlbefinden auftritt (vgl. Pauls et al. 2016, S. 124). Diesbezüglich kann Achtsamkeit als personale Ressource angesehen werden, die für die Entwicklung von resilientem Verhalten eine wichtige Rolle spielt (vgl. Soucek et al. 2015, S. 15). Dahingehend kann beiden Konstrukten ein ressourcenfördernder Effekt nachgesagt werden, der zur Bewältigung von betrieblichen Herausforderungen und dem Erhalt der psychischen Gesundheit beiträgt (vgl. Pangallo et al. 2015, S. 6; vgl. Hülsheger et al. 2013, S. 312).

Achtsamkeit ist demnach eine personale Ressource, die häufig im Zusammenhang mit Resilienz untersucht wurde (vgl. Aikens et al. 2014, S. 723) und für deren Entwicklung eine entscheidende Rolle spielt (vgl. Soucek et al. 2015, S. 14). In beiden Konzepten wird zudem davon ausgegangen, dass ein Individuum Ressourcen zur Verfügung hat, die ihm helfen, mit belastenden Bedingungen umzugehen (vgl. Rolfe 2019, S. 30 ff.). Ressourcen können hierbei eine moderierende Funktion im Sinne einer Pufferwirkung einnehmen, da sie die Bewältigung von psychischen Belastungen und Stress unterstützen sowie mögliche gesundheitsschädliche Auswirkungen reduzieren (vgl. Rochnowski 2018, S. 60). Ressourcen beinhalten Komponenten, die es erlauben, die eigenen Ziele anzustreben und unangenehme Einflüsse zu reduzieren (vgl. Richter; Hacker 1998, S. 25). Sie sind dabei nicht auf einzelne Merkmale beschränkt, sondern beinhalten sowohl emotionale als auch kognitive Aspekte (vgl. Christian; Garza; Slaughter 2011, S. 94; vgl. Udris et al. 1992, S. 17).

Entsprechend theoretischen Modellen (vgl. Rochnowski 2018, S. 65) und empirischen Ergebnissen wird eine gesundheitsbeeinträchtigende Wirkung von Stressoren durch vorhandene Ressourcen abgefedert (vgl. Gunkel; Böhm; Tannheimer 2014, S. 259). Die Bewältigung von Anforderungen ist somit maßgeblich von den zur Verfügung stehenden Ressourcen eines Individuums abhängig (vgl. Hobfoll et al. 2003, S. 635). Krankheiten sind demnach Folgen eines Ressourcen verzehrenden Prozesses, die sich auf kognitiver, emotionaler und verhaltensbezogener Ebene aufzeigen (vgl. Wüster 2014, S. 31). Das Konzept der Achtsamkeit und Resilienz wirkt dem entgegen und trägt gleichzeitig zur Erhaltung der personalen Ressourcen bei (vgl. Rochnowski 2018, S. 119).

2.4 Ableitung weiterer Forschungsfragen

Die verallgemeinerten Ergebnisse aus der Theorie geben bereits erste Aufschlüsse über die Wirkungsweisen und Zusammenhänge der untersuchten Phänomene. Allerdings wird zweifelsfrei ein noch stärkeres empirisches Fundament benötigt, um die Relevanz von Achtsamkeit und Resilienz hinsichtlich der Ressourcenentwicklung im Unternehmen zu verdeutlichen. Gerade bei der Darstellung des Forschungsstandes kann aufgezeigt werden, dass zwar einige Studien zur konzeptionellen Erschließung eines betrieblichen Gesundheitssystems vorliegen, aber eine explizite Untersuchung über die Entwicklung von achtsamem und resilientem Verhalten im wirtschaftlichen Kontext bislang fehlt. Die hierbei vorgenommene Differenzierung kann in zwei Themenbereiche unterteilt werden, die zum einen auf Maßnahmen bei der Implementierung und zum anderen auf Aspekte einer erfolgreichen Umsetzung abzielen. Die Untersuchung beschränkt sich somit auf die praktische Anwendung in einem Unternehmen und berücksichtigt die aufkommenden Hemmnisse bei der Einführung eines ressourcenfördernden Konzeptes. Denn gerade während eines Implementierungsprozesses ist mit inneren Widerständen zu rechnen, die unter anderem darauf zurückzuführen sind, dass der Mehrwert eines betrieblichen Gesundheitsmanagements nicht erkannt wird. Vor diesem Hintergrund gilt es weitere Fragestellungen zu formulieren, die im Rahmen dieser empirischen Studie zu beantworten sind.

Mittlerweile liegen eine Reihe von Befunden vor, die einen deutlichen Zusammenhang zwischen Leistung und Gesundheit nahe legen (vgl. Ford et al. 2011, S. 189 ff.). Auch Avey et al. (2011) fanden in ihrer Studie signifikante Zusammenhänge zwischen dem resilienten Verhalten von Mitarbeitern und der Leistungsbereitschaft (vgl. Avey et al. 2011, S. 128). Die wissenschaftlichen Ergebnisse deuten somit konsistent darauf hin, dass das Üben von Achtsamkeit und Resilienz positive gesundheitliche Effekte hat (vgl. Bauer 2019, S. 111). Allerdings steht die Forschung zu arbeitsbezogenen Effekten von Achtsamkeit und Resilienz erst am Anfang (vgl. Mesmer-Magnus et al. 2017, S. 5). Für den weiteren Forschungsverlauf lassen sich daher folgende Fragen subsumieren, die auf ein körperliches Wohlbefinden (vgl. Hofmann; Kurz 2016, S. 75) und eine psychische Gesundheit in belastenden Situationen abzielen (vgl. Hasselmann; Schauerte; Schröder 2017, S. 48).

(1a) Welches Gesundheitsverständnis liegt den Unternehmen zugrunde?
(1b) Was verstehen Unternehmen unter Achtsamkeit und Resilienz?

In diesem Zusammenhang ist es wichtig, die Bewältigungsfähigkeiten von Individuen und Organisationen zu stärken, um den dauernden Wandel zu bewältigen. Dabei sollten die gesundheitsförderlichen Maßnahmen langfristige Belastungen einbeziehen und über die Bewältigung des Arbeitsstresses hinausgehen (vgl. Scharnhorst 2008, S. 52 ff.). Als Kernelemente der Gesundheitsförderung im Unternehmen können somit Achtsamkeit und Resilienz betrachtet werden (vgl. Pauls et al. 2016, S. 4), da sie auch zukünftig vor negativen Auswirkungen hoher Anforderungen schützen (vgl. Fletcher; Sarkar 2013, S. 14 ff.). Personen, die in hohem Maß auf ihre Ressourcen zurückgreifen können, sind demnach widerstandsfähiger gegenüber Krisen (vgl. Robertson et al. 2015, S. 536) und entwickeln zudem mehrere Handlungsstrategien, um ihre Gesundheit aufrechtzuerhalten (vgl. Franke 2012, S. 38). Daraus lassen sich folgende Fragen ableiten.

(2a) Welche Konzepte zur Ressourcenentwicklung sind in der betrieblichen Praxis bereits vorhanden?
(2b) Wie wirken Achtsamkeit und Resilienz auf individueller und organisatorischer Ebene?
(2c) Welche individuellen Ressourcen werden durch ein achtsames und resilientes Verhalten beeinflusst?

Shin, Taylor und Seo (2012) konnten in einer Studie nachweisen, dass Resilienz und Achtsamkeit die Bereitschaft fördern, Veränderungen im Unternehmen zu unterstützen (vgl. Shin; Taylor; Seo 2012, S. 732). Darüber hinaus zeigen Forschungsergebnisse auf, dass die Haltung der Mitarbeiter gegenüber einer Veränderung mit der organisationalen Leistung und dem Führungsverhalten verbunden sind (vgl. Rolfe 2019, S. 7; vgl. Kim; Mauborgne 2003, S. 129). Im Hinblick auf das Kriterium der psychischen Gesundheit zeigt sich, dass das Führungsverhalten einen positiven Einfluss von (r = .30) auf die emotionale Erschöpfung hat (vgl. Gregersen; Vincent-Höper; Nienhaus 2013, S. 245). Aus diesen Erkenntnissen ergeben sich folgende Fragen.

(3a) Wie können organisationale Achtsamkeit und Resilienz gestärkt werden?
(3b) Wie lässt sich eine gelebte Unternehmenskultur und ein gesundheitsförderliches Bewusstsein entwickeln?
(3c) Wie können Vorgesetze von achtsamkeitsbasierten und resilienzfördernden Maßnahmen überzeugt werden?

3 Methodik

Basierend auf den Erkenntnissen der theoriegeleiteten Erhebung steht im nachfolgenden Kapitel die Entwicklung eines methodischen und konzeptionellen Untersuchungsablaufs im Vordergrund. Im Sinne der Generierung des Forschungsgegenstandes werden die zu diesem Zweck angewandte Methodik sowie die daraus notwendige Beschreibung der Stichprobe und Vorgehensweise bei der Auswertung vorgestellt.

3.1 Konzeption der empirischen Untersuchung

Die aus dem vorherigen Kapitel erwähnten Anforderungen an die Forschungsmethode machen deutlich, welcher methodologischen Ausrichtung der hier verwendete Ansatz folgen muss. Da es vordergründig darum geht, neue Erkenntnisse über die personale Ressourcenentwicklung im Kontext von Achtsamkeit und Resilienz zu erhalten und dabei der subjektiven Sicht ein besonders hoher Stellenwert eingeräumt wird, kommt nur ein Ansatz in Frage, der es beabsichtigt und ermöglicht, tatsächliche Anforderungen an ein betriebliches Gesundheitsmanagement ganzheitlich zu erfassen. Aufgrund der weitgehenden Erkenntnisleere hinsichtlich der konzeptionellen Erschließung resilienten Verhaltens im wirtschaftlichen Kontext ergibt sich die Notwendigkeit einer explorativen Untersuchung innerhalb eines qualitativ orientierten Forschungsdesigns.

3.1.1 Forschungsdesign

Da in dieser Arbeit der Versuch unternommen wird, zum einen inhaltliche Sachverhalte und Beziehungen zwischen Achtsamkeit und Resilienz im Rahmen einer personalen Ressourcenentwicklung in der Wirtschaft aufzudecken und zum anderen auf Grundlage des wissenschaftlichen Erkenntnisprozesses ein Konzept zur Gesundheitsförderung zu entwickeln, bietet sich in diesem Fall ein explorativer Untersuchungsansatz an (vgl. Döring; Bortz 2016, S. 149). Dieses Vorgehen soll dem betrieblichen Forschungsbedarf gerecht werden, anwendbare Empfehlungen und Lösungsperspektiven aufzuzeigen, die es ermöglichen, einen Mehrwert für das Gesundheitsmanagement im Unternehmen zu erbringen. Die in dieser Untersuchung angesetzte Exploration liefert damit angemessene Daten, die sowohl zu einem klaren Verständnis des Forschungsproblems beitragen (vgl. Lamnek 2016, S. 50) als auch die Besonderheiten des Gegenstandes verdeutlichen und hervorheben (vgl. Mayring 2010, S. 225). Generell eignen sich für Forschungsfragen, die auf eine Erklärung der Sachverhalte abzielen und daher die Zusammenhänge und Ursachen zu ergründen versuchen, eine qualitative und an dem Gegenstand orientierte Vorgehensweise (vgl. Gläser; Laudel 2010, S. 63).

Als Erhebungsinstrument bietet sich in diesem Zusammenhang ein teilstrukturiertes Interview an, dass eine holistische und tiefgreifende Forschungsperspektive ermöglicht (vgl. Misoch 2019, S. 13). Dieser explorative Ansatz soll bei der Datenerhebung zu mehr Gegenstandsangemessenheit führen und auch die Aufdeckung nicht erwarteter Aspekte ermöglichen (vgl. Döring; Bortz 2016, S. 26). Das Charakteristikum dieses Vorgehens liegt somit darin begründet, innerhalb der Interviews eine größtmögliche Ausschöpfung des spezifischen Informationspotentials zu erreichen (vgl. Kromrey; Roose; Strübing 2016, S. 109). Auch wenn in der Literatur betont wird, dass qualitative Forschung mehr als eine Exploration unbekannter Phänomene oder eine Erschließung von Gegenstandsbereichen mit geringem theoretischen Erkenntnisstand umfasst (vgl. Lamnek 2016, S. 103), liegen doch gerade in dieser Vorgehensweise und der darauf aufbauenden Suche nach erklärenden Zusammenhängen die zentralen Stärken dieser Forschungsmethodik (vgl. Miles; Huberman 1994, S. 10). Darüber hinaus erfasst ein qualitativer Ansatz vorwiegend Aussagen über den Charakter eines Phänomens (vgl. Kvale 2007, S. 67) und ist damit in der Lage, die Konstruktion sozialer Wirklichkeit durch Kommunikation zu rekonstruieren (vgl. Flick 2016, S. 14; vgl. Gläser; Laudel 2010, S. 29). In dieser Studie wird somit etwas rekonstruiert, das bereits in sich sinnhaft ist und dessen Sinn es sowohl zu erschließen als auch in ein betriebliches Konzept zu übertragen gilt (vgl. Przyborski; Wohlrab-Sahr 2019, S. 106).

Im Rahmen eines teilstrukturierten Verfahrens mit überwiegend offenen Interviewfragen geht es darum, umfassendes Datenmaterial zu erheben und interpretativ auszuwerten, um auf dieser Basis den Untersuchungsgegenstand detaillierter zu beschreiben (vgl. Scheu 2018, S. 2). Dadurch soll eine größere Präzision der untersuchten Konstrukte erreicht werden, was die Untersuchung empirisch gehaltvoller macht (vgl. Kromrey; Roose; Strübing 2016 S. 211). Im Unterschied zu quantitativen Methoden geht es jedoch nicht darum, im Vorfeld ein theoretisches Modell zu konstruieren, da die qualitative Forschung darauf verzichtet, vor der Datenerhebung bereits alle relevanten Merkmale exakt festzulegen (vgl. Döring; Bortz 2016, S. 25). Nichtsdestotrotz eröffnet sich durch die Orientierung an einen theoretischen Bezugsrahmen die Möglichkeit, dieses Wissen als weitere Datenquelle zu betrachten und im weiteren Verlauf der Untersuchung mit einzubeziehen. Dieser Bezugsrahmen darf jedoch die Betrachtungsperspektive nicht einschränken, da ansonsten die Gefahr besteht, Wirkungsbeziehungen oder alternative Variablen nicht zu erkennen (vgl. Atteslander 2010, S. 131). Damit werden auf Basis des Forschungsstandes einige offene Fragen formuliert, um zahlreiche individuelle Antworten zu generieren, die in ihrer Gesamtheit zur Klärung der Forschungsfragen beitragen (vgl. Möhring; Schlütz 2013, S. 184). Die Ergebnisse dieser Untersuchung werden somit induktiv aus dem Interview gewonnen, wodurch inhaltlich gehaltvolle und valide Informationen abgeleitet werden können, die eine gebotene Aussagekraft besitzen (vgl. Töpfer 2012, S. 179).

Die qualitative Forschung wird somit von den Prinzipien der Offenheit und Flexibilität geleitet, wodurch sie sich wesentlich von quantitativen Ansätzen unterscheidet (vgl. Lamnek 2016, S. 33). Eine auf Exploration ausgerichtete Untersuchungsmethode zielt damit auf eine Öffnung des Forschungsprozesses gegenüber dem im empirischen Feld vorhandenen Wissen (vgl. Kromrey; Roose; Strübing 2016, S. 108). Dies bedeutet, dass im Hinblick auf die Exploration der Erkenntniszusammenhänge über weite Strecken des Studiendesigns eine hohe Variabilität zugelassen ist, aus der sich erst allmählich die schließlich eingenommene Perspektive entwickelt (vgl. Töpfer 2012, S. 243). Dadurch wird dem Forschungsprozess viel Raum gelassen, um jeweils situationsspezifisch mehr oder minder viele Informationen des untersuchten Sachverhaltes in die Datenerhebung einzubeziehen und vor allem auch flexibel entscheiden zu können, welche Aspekte der Erfahrungswirklichkeit einen wie großen Stellenwert für das Forschungsproblem haben (vgl. Döring; Bortz 2016, S. 322). Dementsprechend befinden sich die Fragestellungen dieser Arbeit in fortlaufender Interaktion mit dem Forschungsfeld, wodurch sie immer wieder überprüft und angepasst werden (vgl. Przyborski; Wohlrab-Sahr 2019, S. 110). Unter Umständen werden auch in einer späteren Untersuchungsphase nochmal Daten erhoben, bis eine inhaltliche Sättigung eintritt, bei der grundsätzlich keine relevanten Unterschiede feststellbar sind oder neuen Aspekte mehr hinzukommen (vgl. Kelle; Kluge 2010, S. 53).

3.1.2 Gütekriterien qualitativer Forschung

Für die Bewertung des Zustandekommens der Forschungsergebnisse sind Gütekriterien zwingend notwendig, um von vornherein die Gefahr einer willkürlichen Interpretation oder der Missachtung qualitativer Prinzipien auszuschließen (vgl. Steinke 2008, S. 321). Um eine hohe Qualität der Ergebnisse sicherzustellen, sollte allerdings die zugrunde gelegte Gütebeurteilung die jeweiligen Eigenschaften der Untersuchung berücksichtigen (vgl. Flick 2019, S. 472; vgl. Lamnek 2016, S. 142). Vor diesem Hintergrund werden in dieser Arbeit Gütekriterien herangezogen, die sowohl dem gewählten Ansatz als auch den Besonderheiten einer qualitativen Forschung gerecht werden. Der kontextnahe und gegenstandsabhängige Charakter dieser qualitativen Erhebungsmethode erfordert somit ein anpassungsfähiges Kriteriensystem (vgl. Flick 2019, S. 473).

Als erstes Gütekriterium kann der Anspruch auf intersubjektive Nachvollziehbarkeit und Transparenz zur Validierung der qualitativen Untersuchung angeführt werden (vgl. Steinke 2008, S. 320). Zwar kann aufgrund der begrenzten Standardisierbarkeit undlimitierten Replikationsmöglichkeiten bei qualitativen Forschungsansätzen nicht derAnspruch auf eine vollständige Überprüfbarkeit erhoben werden, jedoch werden die Voraussetzungen für die Überprüfung und Bewertung der Ergebnisse in dieser Arbeit geschaffen (vgl. Döring; Bortz 2016, S. 112). Darüber hinaus kann die Kohärenz der Daten als weiteres Kriterium zur Gütebeurteilung qualitativer Ansätze herangezogen werden. Diese bezieht sich auf die hervorgebrachten Interpretationen und erläutert, wie widerspruchsfrei und stimmig mit den Daten in dieser Studie umgegangen wird (vgl. Flick 2017, S. 36). In diesem Zusammenhang können die empirische Verankerung und Gültigkeit der Untersuchungen als zusätzliches Gütekriterium aufgeführt werden (vgl. Döring; Bortz 2016, S. 113). Durch das Kriterium soll abgesichert werden, dass das Datenmaterial weder frei erfunden ist noch die Ergebnisse ein Zufallsprodukt darstellen (vgl. Steinke 2008, S. 322). Überdies soll beurteilt werden, inwieweit reale Phänomene durch die Untersuchung abgebildet werden können (vgl. Goulding 2005, S. 302). Es muss demnach sichergestellt werden, dass die abgeleiteten Forschungsfragen auf den qualitativen Daten beruhen und durch diese begründbar sind (vgl. Steinke 2008, S. 328). Ferner wird in dieser Arbeit eine Limitation vorgenommen, indem angegeben wird, auf welche weiteren Bedingungen sich die Forschungsergebnisse verallgemeinern lassen (vgl. Döring; Bortz 2016, S. 113). Im Zentrum steht somit die Frage der Übertragbarkeit der Ergebnisse auf andere Situationen und die Grenzen der Gültigkeit der Ergebnisse (vgl. Steinke 2008, S. 323).

Da in diesem qualitativen Ansatz die Ausarbeitung des Forschungsdesigns im Voraus stattfindet und das Umsetzen der Ablaufschritte einer festgelegten Methodik entspricht, kann die Durschaubarkeit des Forschungsprozesses sichergestellt werden (vgl. Mayring 2010, S. 225). Dabei sollen alle für das Untersuchungsthema relevanten Inhalte und Kontextfaktoren abgebildet werden (vgl. Lamnek 2016, S. 163). Demnach ist es für die qualitative Darstellung wesentlich, dass ausreichend Informationen aus dem Interview gewonnen werden, damit die Interpretation der Daten nachvollziehbar wird (vgl. Kaiser 2014, S. 92). In diesem Zusammenhang gilt es die Dynamik der geführten Interviews und die damit verbundenen Phänomene gegenstandsangemessen zu beschreiben, um einen Anspruch auf Geltung erheben zu können (vgl. Steinke 2008, S. 325). Auch wenn es bislang keine konsensfähigen und einheitlichen Kriterien in der qualitativen Forschung gibt, ist eine gewisse methodische Strenge erforderlich (vgl. Noyes et al. 2008, S. 573).

In dieser qualitativen Untersuchung wurde dies durch eine offene Interviewführung und eine damit verbundene Dokumentation der einzelnen Schritte des Forschungsprozesses gewährleistet. Darüber hinaus wurde das theoretische Vorverständnis in Bezug auf die Problemstellung ausführlich diskutiert und der Gang der Untersuchung begründet. Durch die Offenlegung der Erhebungsmethode und der Auswertung des Datenmaterials kann weiterhin ein erheblicher Zugewinn an Transparenz sichergestellt werden. Zudem verdeutlicht die Auswahl einer heterogenen Stichprobe in einem betrieblichen Kontext, dass der Inhalt des Forschungsgegenstandes aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet wurde. Da der Prozess der Datenerhebung solange durchgeführt wurde, bis kein neuer Erkenntniszuwachs aufzeigt werden konnte, lässt sich deshalb annehmen, dass das Themenfeld ausführlich ausgewertet und untersucht wurde. In diesem Zusammenhang konnte ein weiteres Qualitätsmerkmal dahingehend eingehalten werden, dass im Laufe der explorativen Forschung bei einigen Fragestellungen die Formulierung angepasst oder modifiziert wurde. Innerhalb dieser Gütebeurteilung liegt somit eine systematische Vorgehensweise vor, die sicherstellen soll, dass sich die Erkenntnisse der Arbeit nicht intern widersprechen, sondern zusammenhängend sind.

In der qualitativen Forschung ist sowohl das Interpretieren des Datenmaterials als auch die Zusammenführung aller Ergebnisse für das Aufzeigen des Gesamtbildes von großer Bedeutung. Gerade bei der Auswertung des Interviews kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass subjektive Sichtweisen einen Einfluss auf den Forschungsprozess ausüben, weshalb es sie im Zuge dieser Untersuchung umfassend zu dokumentieren und kritisch zu reflektieren galt.

3.1.3 Entwicklung der Erhebungsmethode

Aufgrund des explorativen Charakters dieser Studie ergibt sich die Notwendigkeit, eine offene Befragung in Form eines leitfadengestützten Interviews zu führen (vgl. Meuser; Nagel 2009, S. 472 ff.). Dahingehend bildet die Gesprächsgrundlage ein auf Basis des theoretischen Bezugsrahmens entwickelter Interviewleitfaden, welcher die relevanten Themen und Fragestellungen vorgibt, aber sich auf keine Reihenfolge festlegt. Auf die Gestaltung des Gesprächsverlaufs ist jedoch große Sorgfalt zu verwenden, weil davon die Güte und Brauchbarkeit der erhobenen Daten abhängt (vgl. Helfferich 2019, S. 669). Um dies sicherzustellen, wird ein einheitlicher Interviewleitfaden erarbeitet, der sowohl ein themenfokussiertes als auch problemzentriertes Gespräch ermöglicht, aber keine Antwortkategorien vorgibt (vgl. Mey; Mruck 2010, S. 428). Somit können die befragten Personen frei antworten und ihre Gedanken äußern (vgl. Döring; Bortz 2016, S. 372).

Dieses flexible Vorgehen erstattet den Interviewpartnern einen bestimmten Spielraum für Nachfragen und Vertiefungen (vgl. Mayring 2010, S. 225), wodurch sie in eigenen Worten, beruhend auf ihre Überlegungen, antworten können (vgl. Döring; Bortz 2016, S. 365). Auf diesem Weg ergeben sich weitere Nachfragen, die dem Forschungsprozess ermöglichen, tiefgreifende Perspektiven auf die zentrale Forschungsfrage zu gewinnen und den jeweiligen Kontext zu erfassen (vgl. Mayring 2010, S. 225). Darüber hinaus wird der Interviewablauf dynamisch gestaltet, so dass neue Fragen spontan aufgeworfen und weiterverfolgt werden können, wenn sich das aus der Interviewsituation ergibt (vgl. Helfferich 2019, S. 670; vgl. Döring; Bortz 2016, S. 365). Der Aufbau des Leitfadens sollte somit dem Argumentationsfluss des Gesprächspartners folgen und sicherstellt, dass genügend Freiraum für individuelle Aussagen und Anmerkungen vorzufinden ist (vgl. Helfferich 2019, S. 677). Hierbei sind sämtliche Informationen relevant, die mit der Forschungsfrage in Bezug gebracht werden können (vgl. Riesenhuber 2009, S. 3). Um jedoch eine Vergleichbarkeit innerhalb der Daten sicherzustellen, orientiert sich das Interview thematisch am Leitfaden und es muss darauf geachtet werden, dass sich die gestellten Fragen ähneln (vgl. Helfferich 2019, S. 675). Die Nutzbarkeit der Daten hängt dabei wesentlich mit ihrem Informationsgehalt zusammen (vgl. Misoch 2019, S. 13).

Der Interviewleitfaden dieses wissenschaftlichen Beitrags beruht auf der bewussten methodologischen Entscheidung, eine großmöglichste Offenheit und Flexibilität aus Gründen des Forschungsinteresses zu erreichen (vgl. Kaiser 2014, S. 145). Für die meisten Fragestellungen ist es jedoch notwendig, den Interviewablauf in einem gewissen Maß zu steuern, um ein grundsätzliches Vorgehen zu wahren (vgl. Helfferich 2019, S. 670). Gleichzeitig sollte beim Aufbau des Interviewleitfadens die Psychodynamik der Interviewsituation berücksichtigt werden, die insbesondere bei Expertengesprächen von entscheidender Bedeutung ist (vgl. Abels; Behrens 2009, S. 162). Der Untersuchung wird dadurch ein flexibler Handlungsspielraum ermöglicht, wodurch der explorative Charakter des Forschungsdesigns verdeutlicht wird (vgl. Gläser; Laudel 2010, S. 42). Daneben ermöglicht das Interview eine zielorientierte mündliche Kommunikation, die ausgehend von der leitenden Forschungsfrage, auf die inhaltlich relevanten Sachverhalte abzielt (vgl. Blöbaum; Nölleke; Scheu 2016, S. 175 ff.) Dennoch kann es innerhalb des Interviews passieren, dass sich das Gespräch thematisch von dem Leitfaden entfernt. Um den Charakter der natürlichen Gesprächssituation nicht zu gefährden, darf in solchen Fällen der Interviewpartner von der Fragestellung abweichen, soweit sich seine Antwort nicht zu weit von den eigentlichen Themen entfernt (vgl. Holstein; Gubrium 1995, S. 4).

[...]

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Titre
Achtsamkeit und Resilienz im betrieblichen Gesundheitsmanagement. Handlungsempfehlungen zur Entwicklung personaler Ressourcen
Université
Nürtingen University
Note
1,0
Année
2020
Pages
184
N° de catalogue
V944447
ISBN (ebook)
9783346279576
ISBN (Livre)
9783346279583
Langue
allemand
Mots clés
achtsamkeit, resilienz, gesundheitsmanagement, handlungsempfehlungen, entwicklung, ressourcen
Citation du texte
Anonyme, 2020, Achtsamkeit und Resilienz im betrieblichen Gesundheitsmanagement. Handlungsempfehlungen zur Entwicklung personaler Ressourcen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/944447

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