Share-Economy-Plattformen. Kontroll- und Vertrauensmechanismen

Eine empirische Untersuchung


Thèse de Master, 2016

89 Pages, Note: 1,3


Extrait


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. Die Share Economy
1.1 Peer-to-Peer Sharing
1.2 Treiber der Share Economy
1.2.1 Technologische Treiber
1.2.2 Gesellschaftliche Treiber
1.2.3 Ökonomische Treiber
1.3 Rechtliche und regulatorische Aspekte der Share Economy

2. Vertrauen
2.1 Grundlagen Vertrauen im Rahmen der Share Economy
2.2 Vertrauen aus theoretischer Perspektive
2.2.1 Definition
2.2.2 Merkmale von Vertrauen: Unsicherheit und Risiko
2.2.3 Formenvon Vertrauen
2.2.4 Generalisiertes und Partikulares Vertrauen
2.3 Vertrauen im Online-Kontext
2.4 Aktuelle Vertrauensmechanismen der P2P-Portale
2.4.1 Maßnahmen zum Aufbau einer Online-Identität
2.4.2 Vertrauen in das Portal
2.4.3 Reputationssysteme
2.4.4 Übergeordnete Vertrauensportale

3. Forschungsdesign
3.1 Forschungsfrage
3.2 Methodologie
3.3 Vorstudie
3.3.1 Dokumentenanalyse
3.3.2 Teilnehmende Beobachtung
3.3.3 Experteninterviews
3.4 Datenanalyse

4. Analyse und Diskussion der Ergebnisse
4.1 Entwicklung der Share Economy und die Bedeutung von Vertrauen
4.2 Herausforderungen beim Aufbau von Vertrauen
4.3 Bewertung aktuelle Vertrauensmechanismen
4.4 Zukünftige Entwicklung der Thematik Vertrauen

5. Fazit und Ausblick

Literatur

Anhang

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Potential der ökonomischen Entwicklung der Share Economy bis zum Jahre 2025 im Vergleich zur traditionellen Verleih- und Vermietindustrie

Abbildung 2: Collaborative Economy Honeycomb 2.0

Abbildung 3: Struktur des Peer-to-Peer Modells

Abbildung 4: Gründe gegen das Prinzip Teilen

Abbildung 5: Vertrauensmatrix

Abbildung 6: Wichtigste Formen einer wissenschaftlichen Beobachtung

Abbildung 7: Traity Reputations-Profil

Abbildung 8: Trustami Vertrauenssiegel

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Einleitung

Im Jahr 2011 beschrieb das TimeMagazine die Share Economy als eine von zehn Ideen, die die Welt verändern werden (Time Magazine 2011). Fünf Jahre später ist das von einigen anderen als temporärer Trend bezeichnete Phänomen verbreiteter als je zuvor. Aus anfänglich kleinen Startups sind mittlerweile Milliarden schwere Unternehmen geworden und auch die Bandbreite der Geschäftsfelder der Share Economy hat sich erheblich vergrößert.

Inzwischen wird das Geschäftsmodell der Share Economy fast überall auf der Welt praktiziert. Leerstehende Zimmer werden spontan an Leute aus aller Welt tage- oder gar wochenweise vermietet, das eigene Auto während der Arbeitszeit für andere zur Verfügung gestellt und auch der hauseigene Parkplatz wird stundenweise an Parkplatzsuchende vermietet und als kleine Nebeneinnahmequelle genutzt. Entstanden und ermöglicht ist all dies vor allem aufgrund zweier Komponenten: zum einen aufgrund technischer Errungenschaften wie der Digitalisierung und der technologischen Fortentwicklung von deren privater Nutzbarkeit, z.B. über Smartphones und das Internet. Jene technologischen Entwicklungen ermöglichten es, zunehmend kostengünstiger und weniger zeitaufwendig von überall auf der Welt mit nahezu jedem anderen Individuum zu kommunizieren und Transaktionen abzuwickeln. Zum anderen beförderte die wachsende Unzufriedenheit und der Verlust an Vertrauen der Konsumenten in traditionelle Unternehmen und Formen des Wirtschaftens, speziell während der Weltwirtschaftskrise im Jahre 2008, das Florieren der Share Economy. Aufbauend auf dieser Unzufriedenheit entstanden mehr und mehr Unternehmen und Initiativen, deren Fokus auf dem Teilen anstatt Besitzen lag.

In der Folge dieser Entwicklung entstanden Internet-Plattformen wie Airbnb, Blablacar oder Uber, deren Ziel darin lag, vorhandene Technologie zu nutzen, um so einen Markt für Güter und Ressourcen zu kreieren, für die es vorher keinen formalen Markt gab und eine Wirtschafsform basierend auf dem Prinzip des Teilens aufzubauen. Die Plattformen treten dabei als eine Art Vermittler zwischen Anbieter und Nachfrager auf (Botsman 2012).

Dass die Entwicklung dieses Marktes ihren Sättigungspunkt noch längst nicht erreicht hat, verdeutlicht bereits ein Blick auf die Umsatzzahlen und ein Vergleich mit traditionellen Formen des Wirtschaftens.

So zeigt die nebenstehende Grafik aus einer aktuellen Studie des Wirtschaftsprüfungsunternehmen PricewaterhouseCoopers deutlich das enorme ökonomische Potential das noch vorhanden ist. Im Rahmen der Studie wird der Share Economy einen Anstieg der Umsätze von 15$ Milliarden im Jahre 2013 auf bis zu 335$ Milliarden im Jahre 2025 vorausgesagt. Darüber hinaus vermittelt das Wohnungsvermittlungsportal Airbnb beispielsweise im Durchschnitt 425.000 Gäste pro Nacht. Das sind etwa 22% mehr als die Hotelkette Hilton Worldwide (PricewaterhouseCoopers 2015a: 14). Es lohnt sich jedoch nicht nur ein Blick auf die ökonomischen Kennzahlen zu werfen, sondern ebenfalls auch auf die Nutzungsdaten der Bevölkerung. In einer repräsentativen Bevölkerungsumfrage der deutschen Bevölkerung von PricewaterhouseCoopers in Bezug auf die Share Economy Nutzung, ebenfalls aus dem Jahre 2015, sprachen 46% der Befragten davon bereits Share Economy Dienste in Anspruch genommen zu haben. Über 60% hingegen planen dies in den nächsten zwei Jahren noch zu tun (PricewaterhouseCoopers 2015b). Aus einer anfänglich kleinen Bewegung ist so innerhalb kurzer Zeit eine neue Form des Wirtschaftens entstanden.

Neben diesen ökonomischen Zielen und Entwicklungen birgt die Share Economy auch ein enormes ökologisches Potential. Hierbei ist es wiederum das Prinzip Teilen, welches beispielsweise in Verbindung mit Fahrgemeinschaften, dem Teilen von Nahrung oder generell aufgrund der Verwendung von nicht genutzten Ressourcen, anstatt diese zu erwerben, einen erheblich Beitrag zum nachhaltigen Wirtschaften leisten kann.

Im Rahmen der Arbeit wird der Fokusjedoch vornehmlich auf ökonomische und soziale Gesichtspunkte der Share Economy gelegt. Dies liegt unter anderen daran, da in diesem Zusammenhang das Konstrukt Vertrauen eine ganz besondere Rolle und Herausforderung darstellt. Innerhalb der letzten 20 Jahre hat Vertrauen im digitalen Kontext einen immer höheren Stellenwert erhalten. Angefangen mit dem Teilen von Kreditkartendetails beim Online-Shopping über die Preisgabe von privaten Informationen auf sozialen Netzwerken bis letztendlich zur Vermietung des eigenen Hauses an fremde Personen die man zuvor noch nie gesehen hat (Botsman 2012). Vertrauen hängt demnach unmittelbar mit dem Erfolg der Share Economy zusammen und stellt einen Eckpfeiler dieses Systems dar. Aufgrund ebenjener zentralen Rolle, ist das Konstrukt in den Fokus sowohl akademischer als auch wirtschaftlicher Auseinandersetzung gerückt. Im Mittelpunkt der Debatten steht dabei insbesondere die Frage, wie Vertrauen zwischen Fremden auf den Plattformen generiert werden kann.

An genau diesem Punkt soll die nachfolgende Arbeit nun einsetzen. Hierbei soll zum einen untersucht werden, wie mit Hilfe von verschiedenen Mechanismen Vertrauen auf digitalen Wege generiert werden kann. Zum anderen geht es um die generelle zukünftige Entwicklung der Share Economy im Hinblick auf die Thematik des Vertrauens. Aufgrund der relativen Neuheit des Gebietes wurde als Herangehensweise an das Themengebiet eine explorative Studie gewählt (Mayring 2007: 6). Um einen möglichst tiefen Einblick in das komplexe Feld von Vertrauen in der digitalen Welt zu erhalten, sollen in diesem Zusammenhang eine Reihe von Experten zu obiger Thematik interviewt werden. Aufbauend auf den Ergebnissen der Interviews sollen dann Aussagen über die zukünftige Entwicklung hinsichtlich der Vertrauensproblematik in der Share Economy getroffen werden.

Die vorliegende Arbeit ist dabei wie folgt gegliedert: Zunächst einmal sollen in einem ersten Schritt die theoretischen Grundlagen für die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Share Economy erörtert werden. Hierfür wird in Kapitel 1 die Share Economy samt all ihrer Ausprägungen und Dimensionen näher beschrieben. Dabei wird diese zuerst einmal genauer definiert, bevor nachfolgend in drei Unterpunkten auf die sozialen, die ökonomischen und auf die technologischen Treiber dieses Wirtschaftsbereiches eingegangen wird. Abschließend wird darüber hinaus kurz auf rechtliche und regulatorische Aspekte der Share Economy eingegangen.

Das darauf folgende Kapitel widmet sich dann dem theoretischen Konstrukt Vertrauen. Auch dieses wird zunächst einmal definiert, um anschließend die wichtigsten Merkmale herauszuarbeiten. Zudem wird auf die Besonderheit von Vertrauen im Online-Kontext hingewiesen und auf aktuelle Vertrauensmechanismen eingegangen. Das dritte Kapitel befasst sich mit der Ausgestaltung des Forschungsdesigns. Hierbei wird sowohl auf die erarbeiteten Forschungsfragen als auch auf die verwendeten wissenschaftlichen Verfahren im Detail eingegangen. Die Ergebnisse der empirischen Studie werden dann mit Hilfe eines Kategoriensystems zusammengetragen und anschließend ausgewertet. Im letzten Kapitel werden die gewonnen Erkenntnisse interpretiert und aufbauend darauf Strategien und Handlungsempfehlungen zum Aufbau von Vertrauen innerhalb der Share Economy abgeleitet.

1. Die Share Economy

Erstmals benannt wurde der Begriff der „Share Economy“ (bzw. „Sharing Economy“, dt. etwa „Ökonomie des Teilens“) von dem Harvard-Professor Martin Weitzman im Jahre 1984. Er vertrat die Auffassung, dass sich das Wohlstandsniveau aller durch eine Teilung der vorhandenen Güter erhöhe (Weitzman 1984). Die dahinterliegende Idee basiert im Grunde auf dem Konzept des Teilens, das den gemeinschaftlichen Nutzen vorhandener Ressourcen steigern soll. Das Konzept des Teilens ist dabei als soziale Praktik zu verstehen, die vornehmlich innerhalb geschlossener Gruppen wie beispielsweise der Familie oder Freunden umgesetzt wird. Anzumerken ist hierbeijedoch, dass das Konzept des Teilens per se keineswegs ökonomisch revolutionär ist und etwa bereits in Form von Leihgaben von Büchern in Bibliotheken oder Nachbarschaftsinitiativen seit Jahrhunderten praktiziert wird (Demary 2015: 4).

Dennoch unterlag diese Praktik durch die Erfindung und Verbreitung des Internets und der Digitalisierung einem fundamentalen Wandel. Vor allem diese technischen Hilfsmittel ermöglichten es erstmals, Ressourcen teils unabhängig von physischer Distanz und sozialer Beziehung zum Gegenüber zu teilen. Das Teilen zwischen fremden Personen wurde so ermöglicht (Scholl et al. 2015: 8). All dies geschah zudem im Kontext großer Rezession aufgrund der Weltwirtschaftskrise aus dem Jahre 2008. Die Menschen, deren Mentalität und Denkweise über Jahrzehnte von Konsum und Besitztum geprägt war, stellten die Art des Wirtschaftens und des Umgangs mit der Umwelt zum damaligen Zeitpunkt mehr und mehr in Frage (Gansky 2010: 4f.). Die eigenen Werte sowie der Lebensstil wurden hinterfragt und auch das Vertrauen in die großen Unternehmen der Weltwirtschaft schwand. Im Zuge dessen wurde nach neuen, alternativen Wegen des Wirtschaftens gesucht (ebd.: 44). Dabei stellte sich vor allem die Frage, wie Güter und Dienstleistungen, die die Individuen wirklich benötigen, günstiger sowohl in finanzieller als auch ökologischer Sicht zu beziehen sind (ebd.: 9). An genau diesem Punkt setzte das Geschäftsmodell der Share Economy ein, bei dem die Konsumenten nicht mehr nur konsumieren, sondern effizient und nachhaltig ihren Konsum steuern können (ebd.: 9).

Eine einheitliche oder allgemein anerkannte Definition der Share Economy zu finden gestaltet sich schwierig. Dennoch gibt es eine Reihe an Schlagwörtern, mit denen die Share Economy in Verbindung gebracht wird. „Teilen ist das neue Haben“ (Der Tagesspiegel 2014), „Nutzen statt Besitzen“ (Leismann et al. 2012) oder aber ,, What’s Mine Is Yours“ (Botsman und Rogers 2010) sind nur einige dieser Schlagwörter, die sich in den letzten Jahren im Zusammenhang mit der Share Economy aufgetan haben. Auch die eigentliche Bezeichnung des Phänomens variiert dabei teilweise sehr stark und nimmt viele Formen an. Die Begrifflichkeiten reichen dabei über „Collaborative Consumption“ (Botsman und Rogers 2010), „the Mesh“ (Gansky 2010), „Co-Creation” (Prahalad und Ramaswamy 2004), „Commercial Sharing Systems“ (Lamberton und Rose 2012) bis hin zu „Gig-Economy“ (Süddeutsche Zeitung 2015). Letztendlich verweisen jene Quellen trotz unterschiedlicher Bezeichnung auf dasselbe Phänomen, weshalb die Begriffe in vorliegender Arbeit synonym zum Begriff der Share Economy verwendet werden. Im Folgenden soll der Begriff der Share Economy näher beleuchtet werden, um ein treffendes Verständnis für das Phänomen zu entwickeln.

Allgemein gefasst ist die Share Economy ein in seiner spezifischen Form neu aufgekommenes Konzept des Wirtschaftens, das auf dem Prinzip des Teilens nicht genutzter Ressourcen beruht. Geteilt werden können im Rahmen des Geschäftsmodells der Share Economy eine Vielzahl an Produkten und Dienstleistungen. Die Spanne an Angeboten reicht dabei beispielsweise von Mitfahrgelegenheiten oder Übemachtungsportalen bis hin zu rein nachbarschaftlichen Initiativen (Scholl et al. 2015: 7). Der Ursprung des intemetgestützten Teilens geht dabei zurück auf File-Sharing­Plattformen wie beispielsweise Napster (ebd.: 8), wobei die Hauptbereiche des heute etablierten Marktes jedoch Transport, Dienstleistungen, Nahrung, Güter, Wohnraum, Finanzen und Medien / Unterhaltung umfassen (PricewaterhouseCoopers 2015a: 5). Für all jene Bereiche gibt es im Internet eine Plattform, über die die Teilung dieser Güter koordiniert werden kann. Eine sehr weitreichende Übersicht dieser Bereiche samt zugehöriger Unternehmen bietet die von Jeremiah Owyang entwickelte Collaborative Economy Honeycomb (Owyang 2014).

Diese Vielfalt an unterschiedlichen Wirtschafszweigen stellt ein weiteres Merkmal der Share Anmerkung der Redaktion: aus Gründen der Lesbarkeit wurde diese Abbildung entfernt. Economy dar. Zudem können die Ausgestaltungsformen des Prinzips des Teilens in der Share Economy variieren. Teilen kann hierbei sowohl mieten, leihen als auch tauschen bzw. verschenken bedeuten. Botsman und Rogers (2010: XV) definierten in diesem Zusammenhang die Share Economy bzw.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Collaborative EconomyHoneycomb 2.0 (Owyang 2014)

Collaborative Consumption als: „traditional sharing, bartering, lending, trading, renting, gifting, and swapping, redefined through technology and peer communities”. Die Umsetzung des Prinzips Teilen kann dabei im Rahmen der Share Economy sowohl kommerzielle als auch auf nicht kommerzielle Art durchgeführt werden. Die vorliegende Arbeit fokussiert sich jedoch vornehmlich auf die kommerzielle Seite mit samt der am stärksten etablierten Portale w\e Airbnb. Blablacar und weitere, da in diesem Kontext die Generierung von Vertrauen in der digitalen Welt eine große Herausforderung darstellt.

Ebenfalls auf Botsman und Rogers (ebd.: 75) zurückzuführen sind die folgenden vier Prinzipien, die als Eckpfeiler der Share Economy definiert werden. 1) eine kritische Masse, 2) nicht genutzte Kapazitäten, 3) der Glaube an das Gemeinsame sowie 4) Vertrauen zwischen Fremden (im Englischen: critical mass, idling capacity, belief in the commons, trust between strangers). Im Folgenden sollen diese Prinzipien kurz erläutert werden.

Unter einer kritischen Masse versteht man in diesem Zusammenhang eine bestimmte Anzahl an Nutzern, ab der eine Plattform für potentielle neue Nutzer attraktiv wird und somit der Zuwachs an Nutzern exponentiell ansteigt (Oliver et al. 1985: 523). Für die Plattformen ist dieser Faktor daher von entscheidender Bedeutung, da die Quantität und Qualität des Angebots abhängig von der Zahl der Nutzer ist. Veranschaulichen lässt sich dies gut am Beispiel der Übernachtungsplattform Airbnb. Hätte diese nur eine geringe Anzahl an Nutzern, so wären die vorhandenen Übemachtungsmöglichkeiten und somit die Nachfrage stark begrenzt. Aus diesem Grunde ist das Erreichen der kritischen Masse von fundamentaler Bedeutung für den Erfolg einer Plattform.

Der zweite Punkt bezieht sich auf das Vorhandensein sogenannter „idling capacities“, also nicht genutzter Ressourcen. Darunter werden vor allem Güter von hohem Wert verstanden, die zu einem bestimmten Zeitpunkt kaum oder gar nicht genutzt werden (Botsman und Rogers 2010: 83-88). Diese nicht genutzten Ressourcen und Güter, etwa Werkzeug, Fahrräder, Fahrzeuge oder Wohnräume, können nun über die Portale anderen Nutzem temporär zur Verfügung gestellt werden.

Der dritte Punkt, der Glaube an das Gemeinsame verweist darauf, dass der Community­Gedanke ebenfalls einen wichtigen Aspekt innerhalb der Share Economy darstellt. Jegliche Form der Teilnahme an der Share Economy, ob als Anbieter oder als Konsument unterstützt das Konzept und schafft so zusätzlichen Wert für die Gemeinschaft als Ganzes. Dieser zusätzliche Wert für die Gemeinschaft steht im Rahmen dieses Punktes im Fokus. Denn durch die Unterstützung einer Community generiert sich im Umkehrschluss auch ein höherer Wert für die einzelnen Individuen selbst (ebd.: 88-91).

Als letzten Punkt nannten Botsman und Rogers (2010) das Vertrauen zwischen Fremden. Da eben jener Punkt im Fokus dieser Arbeit steht und äußerst komplex ist, wird sich diesem nachfolgend noch ausführlich gewidmet.

Festhalten lässt sich somit, dass die Definition der Share Economy stark differenziert. Für die einen umfasst es alle Unternehmen und Formen des Teilens. Andere hingegen definieren es wesentlich enger und beschränken die Share Economy auf nicht kommerzielle Unternehmen. In allen Fällen ist eine entscheidende Komponente dieser Art des Wirtschaftens die Tatsache, dass der Besitz nicht mehr zwangsmäßig die alleinige Voraussetzung zum Konsum von Gütern darstellt. Nicht gebrauchte bzw. genutzte Ressourcen wie beispielsweise Transportmittel, Wohnfläche oder andere Konsumgüter können somit innerhalb der Share Economy über das Internet und die dortigen Vermittlungsplattformen anderen Nutzern zur Verfügung gestellt werden (Haucap 2015: 1). Dasjeweilige Gut wird somit nicht erworben, sondern lediglich temporär genutzt, was oft zu einer effizienteren Ressourcenallokation führen kann. Botsman spricht in diesem Zusammenhang von unterausgelasteten Ressourcen, die mit Hilfe von moderner Informations- und Kommunikationstechnologie genutzt werden können (Fast Company 2013). Als Folge der verbesserten Effizienz können sich sowohl finanzielle als auch ökologische Vorteile ergeben (Schor 2014: 7-9).

1.1 Peer-to-Peer Sharing

Ein wichtiger Punkt, der im Zusammenhang mit der Share Economy erwähnt werden muss, ist die Tatsache, dass sich die Share Economy nicht nur hinsichtlich der Geschäftsbereiche differenzieren lässt, sondern auch hinsichtlich der beteiligten Akteure einer Transaktion (Stokes et al. 2014: 9). Hierbei unterscheidet man typischerweise zwischen drei Modellen: Befinden sich unter den Akteuren einer Transaktion sowohl Unternehmen als auch Privatpersonen, spricht man von Business-to-Consumer­Konstellationen (B2C). Ein Beispiel hierfür sind kommerzielle Car-Sharing Angebote wie das des Automobilherstellers BMW„DriveNow“. Handelt es sich bei den beteiligten Akteuren ausschließlich um Unternehmen, bezeichnet man dies als Business-to- Business-Konstellationen (B2B). Als Beispiel dient hier die Vermittlungsplattform Liquidspace, die sich auf die geteilte Nutzung von Büroräumen spezialisiert hat (Scholl et al. 2015: 10). Der Fokus dieser Arbeit liegtjedoch auf einer dritten Variante. Hierbei stellen die beteiligten Akteure einer Transaktion ausschließlich Privatpersonen dar. In diesem Zusammenhang spricht man von Peer-to-Peer-Konstellationen (P2P) (ebd.: 10). Die Privatpersonen nehmen in diesem Kontextjeweils zwei verschiedene Funktionen ein: Sie treten zum einen als Anbieter (im Englischen: „peer provider“) und als Nachfrager (im Englischen: „peer consumer“) einer Ressource oder Dienstleistung auf (Andersson et al. 2013: 6). In diesem Model werden somit Leistungen oder Güter ausschließlich zwischen privaten Individuen geteilt. Von besonderem Interesse für die vorliegende Arbeit ist diese Marktform vor allem deswegen, da sie die eigentliche Neuheit der Share Economy darstellt: Die Individuen führen Transaktionen durch, wie beispielsweise die Vermietung des eigenen Hauses, mit Privatpersonen, die sie vorher noch nie gesehen haben. In diesem Kontext spielt die Thematik des Vertrauens eine bedeutende Rolle (Eichhorstund Spermann 2015: 11).

Eine weitere besondere Eigenschaft von P2P-Märkten stellt die Tatsache dar, dass die beteiligten Unternehmen keine eigenen Produkte oder Leistungen generieren. Sie fungieren lediglich als zwischengeschaltete Instanz als Intermediär zwischen den Individuen und somit zwischen Angebot und Nachfrage (Demary 2015: 5). Verdeutlich wird dies gut am nachfolgendem Schaubild.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3:StrukturdesPeer-to-PeerModells (EichhorstundSpermann 2015: 11)

Inzwischen gibt es eine Vielzahl von Plattformen, die als Intermediäre im P2P-Bereich tätig sind, und auch die Spanne der Geschäftsbereiche, in denen diese aktiv sind, ist sehr groß. Hierzu zählen beispielsweise Wohnungsvermittlungsplattformen (Airbnb, 9flats, Couchsurfing), Transport-Plattformen (Blablacar, Drivy, Uber, Lyft) oder auch Dienstleistungsanbieter(Taskrabbit, Upwor^)(Eichhorstund Spermann2015: 10).

Ebenfalls erwähnenswert ist die Rolle des Eigentums in P2P-Netzwerken. Hierbei lässt sich differenzieren zwischen eigentumsübertragengen und nicht-eigentumsübertragenden P2P-Geschäftsmodellen (Scholl et al. 2015: 3). Bei erstgenannten Modellen steht der Tausch, der Verkauf oder das Verschenken von Gütern im Vordergrund. Die Eigentumsrechte an den jeweiligen Gütern werden dabei somit übertragen. Schwerpunktmäßig arbeiten die Portalejedoch mit einem Geschäftsmodell, das nicht auf die Übertragung der Eigentumsrechte ausgelegt ist, wie beispielsweise das Wohnungsvermittlungsportal Airbnb oder die Mitfahrplattform Blablacar. Hier stehen der temporäre Zugang und die damit einhergehende Nutzungsintensivierung der Ressourcen im Vordergrund (ebd.: llf).

Was letztendlich die Treiber für die Entwicklung der Share Economy im Allgemeinen und speziell für den Bereich der P2P-Konstellationen sind, wird im nächsten Abschnitt ausführlich beschrieben.

1.2 Treiber der Share Economy

Nach Owyang (2013) ist der Aufstieg der Share Economy in den letzten Jahren vor allem auf drei Faktoren zurückzuführen. Diese wären zum einen technologische Treiber und Entwicklungen, ökonomische Treiber als auch gesellschaftliche Treiber. Um die Entwicklung der Share Economy besser nachvollziehbar zu machen, werden auf diese in den nächsten drei Abschnitten näher eingegangen.

1.2.1 Technologische Treiber

Der wohl wichtigste Treiber der Share Economy ist die technologische Komponente (Demary 2015: 7). Erst durch die zunehmende Digitalisierung und die damit einhergehende immer stärkere Verbreitung des Internets und der Smartphones bzw. der App-Anwendungen konnte die Share Economy ab etwa dem Jahre 2010 stetig wachsen und an Relevanz gewinnen (Fraunhofer IAO 2015: 24). Während in der Vergangenheit temporäres Teilen, wie es in der Share Economy vornehmlich praktiziert wird, aufgrund hoher Transaktionskosten (z.B. Such- und Anbahnungskosten) bisher vor allem aus ökonomischen Gründen scheiterte, sind diese Kosten durch die Digitalisierung und insbesondere durch das (mobile) Internet massiv gesunken (Haucap 2015: 1). Ressourcen, die vom Eigentümer nicht dauerhaft genutzt werden, werden über das Internet und die webbasierten Vermittlungsplattformen (Intermediäre) anderen Nutzern kostengünstig bereitgestellt und der Zugang zu diesen Ressourcen somit erheblich erleichtert (ebd.: 1). Auch wenn das Prinzip des Teilens nichts Neues darstellt, wurde doch vor allem das kurzeitige und kleinteilige und gleichzeitig kosteneffiziente Teilen von Ressourcen massiv durch die Digitalisierung vereinfacht und gefördert.

Speziell beim Blick auf die Transaktionskosten werden die Vorteile der Digitalisierung für die Share Economy deutlich. Durch die Bündelung von Angebot und Nachfrage an einem zentralen Ort (der vermittelnden Plattform) müssen Anbieter und Nachfrager nicht mehr nacheinander suchen, die spezifischen Konditionen der Transaktion aushandeln oder aber die Abwicklung des Geschäfts organisieren (Demary 2015: 7). Jene Prozesse werden nun an webbasierte Portale ausgelagert. Die Suchkosten werden so immens verringert und auch das Informationsproblem, d.h. dem fehlenden Vertrauen zwischen Anbieter und Nachfrager, kann durch verschiedene Bewertungs- und Reputationsmechanismen sowie identitätsbildenden Maßnahmen überwunden werden (Haucap 2015: 3). Transaktionen die früher aufgrund von fehlendem Vertrauen zwischen Anbieter und Nachfrager oder aufgrund von zu hoher Such- und Anbahnungskosten scheiterten, können nun realisiert werden. Auch die starke Verbesserung und Vereinfachung der Bezahlmethoden ist in diesem Zusammenhang ein wichtiger Faktor. So benutzen 27 von 30 untersuchten Share-Economy-Portalen online oder mobile Bezahlsysteme, welche den Prozess des Bezahlens erheblich erleichtern und beschleunigen (Owyang 2013: 6).

Im Rahmen der fortschreitenden Digitalisierung und der Verbreitung des Internets spielen auch soziale Medien bzw. soziale Netzwerke eine wichtige Rolle für die Share Economy. Durch virale Netzwerkeffekte erreichen nicht nur die einzelnen Communities schnell eine kritische Masse, sondern die Netzwerke stellen zudem eine Möglichkeit dar, vor allem im P2P-Bereich, Angebot und Nachfrage schnell zusammenzubringen (ebd.: 6). Des Weiteren eröffnen soziale Netzwerke speziell für die Intermediäre die Möglichkeit neue Geschäftsmodelle zu etablieren (DB Research 2013).

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass ohne die technologische Komponente samt Smartphones und dem Internet die Verbreitung der Share Economy, wie sie heute existiert, vor allem aus Kostengründen nicht möglich gewesen wäre.

1.2.2 Gesellschaftliche Treiber

Ein weiterer wichtiger Treiber stellt die gesellschaftliche Komponente dar. In diesem Zusammenhang spielt der gesellschaftliche Wertewandel eine wichtige Rolle. Dieser Wandel hat dabei eine Reihe von Facetten und Ausprägungen. Von besonderer Bedeutung ist vor allem das immer stärker werdende Bewusstsein der Konsumenten über potentielle Alternativen, d.h. nachhaltigen Wegen des Konsums (Owyang 2013: 5). Vor dem Hintergrund des kontinuierlichen Wachstums der Erdbevölkerung, der immer stärker werdenden Urbanisierung, der wachsenden Lebenserwartung sowie des stetig zunehmenden Konsums zeichnete sich insbesondere bei der jüngeren Bevölkerung eine Veränderung des individuellen Wertesystems in diese Richtung ab (Rinne 2013). Der Wunsch nach einem nachhaltigen Lebensstil, der sich aus dem Bewusstsein für die Umwelt und der eigenen Rolle für deren Entwicklung ergab, erfuhr vor allem in den letzten Jahren eine starke Ausprägung (ebd.). Dies spiegelt sich daher sowohl in den Formen des Konsums als auch im Umgang mit Besitz und Eigentum wider. Um zu konsumieren, muss ein Gut oder eine Ressource nicht mehr dauerhaft besessen werden, sondern der temporäre Zugang rückt hierbei in den Vordergrund (Fraunhofer IAO 2015: 25). Genau hier setzt dann die Share Economy ein.

Ein weiterer Punkt im Kontext der gesellschaftlichen Treiber der Share Economy bezieht sich auf die zunehmende Bevölkerungsdichte insbesondere in urbanen Gebieten. Durch die zunehmende Urbanisierung wird die Nutzung der Share Economy in diesen Ballungsgebieten erheblich vereinfacht. Wie bereits erwähnt ist einer der Schlüsselfaktoren zur starken Entwicklung der Share Economy in den vergangenen Jahren eine ausreichende Anzahl an Nutzern, der sogenannten kritische Masse (Botsman und Rogers 2010: 75f). Basierend auf aktuellen Studien leben 2050 geschätzt 70% der Weltbevölkerung in Städten (Fast Company 2012). Diese Entwicklung trägt maßgeblich zum Erreichen einer kritischen Masse auf engem geographischen Raum bei. Mehr Menschen und demnach eine höhere Bevölkerungsdichte bedeuten in der Share Economy auch gleichzeitig mehr Angebot und mehr Anfrage (Owyang 2013: 5). Diese geographische Nähe ermöglicht es so noch kostengünstiger Ressourcen teilen zu können.

Als dritten Aspekt der gesellschaftlichen Treiber der Share Economy ist der Community­Gedanke zu nennen. Im Rahmen der Share Economy findet dieser Gedanke darin Ausdruck, dass die Menschen sich nicht mehr nur auf Unternehmen verlassen möchten, sondern vielmehr eher den direkten zwischenmenschlichen Kontakt suchen. Ein gutes Beispiel hierfür stellen generell die Wohnungsvermittlungsportale wie Airbnb oder Couchsurfing dar, bei dem das anonyme Hotel durch den direkten Kontakt mit dem Gastgeber ersetzt wird (ebd.: 5). Akteure der Share Economy favorisieren demnach vielmehr sozialen Kontakt und zwischenmenschlichen Austausch über Anonymität und Gesichtslosigkeit von Unternehmen und Marken (ebd.: 5).

1.2.3 ÖkonomischeTreiber

Als dritten und letzten Aspekt gilt es, die ökonomischen Treiber der Share Economy zu erläutern. Als Ausgangspunkt der Entstehung der Share-Economy-Portale wird hierbei oft die Finanzkrise aus dem Jahre 2008 angeführt (CTO Corner 2014). Ursache hierfür war der Verlust des Vertrauens in traditionelle Unternehmensmodelle und Marken und damit einhergehend eine Veränderung des Konsumverhaltens (Owyang 2013: 6). Die Krise diente somit als Ursprung der Entstehung einer Reihe von Plattformen.

In Kontext der Finanzkrise und des damit einhergehenden steigenden Konsumbewusstseins ergab sich für Individuen nun die Möglichkeit kaum oder wenig genutzte Ressourcen zu teilen und so zu monetisieren. Rachel Botsman (2012) illustrierte dies an dem Beispiel der durchschnittlichen Nutzungszeit einer Bohrmaschine pro Person in den USA. Diese liege bei ca. 12 Minuten pro Jahr (Owyang 2013: 6). Diese sogenannten „idle capacities“ können nun über die Portale monetisiert werden. In diesem Zusammenhang ebenfalls zu erwähnen ist die Bereitstellung von Dienstleistungen wie der Zusammenbau von Möbeln, das Helfen beim Umziehen etc. und das so entstandene Mikro-Unternehmertun (ebd.: 6). Als Folge ergeben sich eine höhere finanzielle Unabhängigkeit und Flexibilität der Individuen.

Ein weiterer ökonomischer Treiber, bezieht sich auf den Vorzug des temporären Zugangs zu Ressourcen anstatt des dauerhaften Besitzes. Der ökonomische Vorteil dahinter liegt in der Tatsache, dass bestimmte Güter nicht fürjeden Konsumenten erschwinglich sind. Individuen, die sich den dauerhaften Besitz bestimmter Güter nicht leisten können, können diese nun temporär über verschiedene Plattformen beziehen (ebd.: 6). Darüber hinaus können auch Unternehmen von diesem temporären Zugang zu Ressourcen profitieren, etwa durch die temporäre Nutzung von Büroräumen oder Arbeitskräften (ebd.: 6). Aus ökonomischer Perspektive stellt dieser nur temporäre Zugriff zu Ressourcen eine Win-Win-Situation sowohl für Anbieter als auch Nachfrager dar. Individuen oder Unternehmen, die finanziell nicht in der Lage sind bestimmte Güter zu besitzen, erhalten so dennoch den temporären Zugriff auf ebenjene. Für die Besitzer der Güter und Ressourcen handelt es sich dabei vornehmlich um „idle capacities“, also nicht dauerhaft genutzte Ressourcen. Durch die temporäre Bereitstellung dieser können diese zum Teil refinanziert werden (ebd.: 6). Beide Parteien können somit davon profitieren.

1.3 Rechtliche und regulatorische Aspekte der Share Economy

Neben den angesprochen Treibern gibt es darüber hinaus noch eine weitere Dimension, die die Share Economy in ihrer Entwicklung wesentlich beeinflusst. Diese umfasst rechtliche, regulatorische und politische Rahmenbedingungen. Auch wenn im Rahmen der Arbeit die rechtliche Komponente allein aufgrund ihrer länderspezifischen Ausprägung und der damit verbundenen Komplexität des Themas nicht im Fokus der Ausarbeitungen liegt, sollten diese vor allem aufgrund der Aktualität und wesentlichen Bedeutung für die weitere Etablierung der Share Economy Erwähnung finden.

Im Zusammenhang mit technologischen und ökonomischen Neuerungen ist die gesellschaftliche Entwicklung der rechtlichen und politischen meist voraus (Solmecke und Lengersdorf 2015: 495). Dieses rechtliche Vakuum bildet auch im vorliegenden Falle die Grundlage für Interessenskonflikte zwischen Share-Economy-Portalen auf der einen und einer Reihe von Akteuren wie beispielsweise traditionelle Unternehmen, dem Staat oder aber den Nutzer der Portale auf der anderen Seite (ebd.: 495). So kann es durch die Erschließung neuer Märkte des Geschäftsmodells der Share Economy zu einem Ansteigen der Intensität des Wettbewerbs zwischen traditionellen Unternehmen und Share-Economy-Portalen kommen (Eichhorst und Spermann 2015: 16). Als Folge treten sogenannte Verdrängungseffekte auf (ebd.: 21). In diesem Kontext macht es Sinn, über eine entsprechende rechtliche Rahmengebung verschiedene Interessen zu berücksichtigen und so Konflikte für die Zukunft zu reduzieren.

Ein populäres Beispiel ist hierbei die Beziehung zwischen Wohnungsvermittlungsplattformen (beispielsweise Airbnb) auf der einen und dem Staat bzw. den Städten des jeweiligen Landes auf der anderen Seite. Der Interessenkonflikt beruht hierbei auf der Tatsache, dass einige Anbieter auf solchen Plattformen die Vermittlung von Wohnungen nicht mehr im Sinne des Prinzips des Teilens durchführen, sondern als Haupteinnahmequelle nutzen. Wohnungen werden gekauft oder angemietet und über die Vermittlungsplattformen refinanziert. Aufgrund dieses kommerziellen Missbrauchs der Portale und der allgemein vorherrschenden Verknappung an Wohnraum in Großstädten, sind Vermittlungsplattformen in einigen Städten wie beispielsweise New York City zum Teil verboten (ebd.: 495). Darüber hinaus spielen in diesem Zusammenhang auch mietrechtliche Aspekte eine entscheidende Rolle. So ist seit 2014 in Berlin beispielsweise die tage- oder wöchentliche Weitervermietung von Wohnraum genehmigungspflichtig (Service-Portal Berlin 2014). Zudem ergeben sich Fragen, ab wann eine Weitervermietung über die Portale nicht mehr privater Natur sondern von gewerblichen Interesse ist. All diese und weitere Aspekte stellen Konfliktpunkte in der Beziehung zwischen Staat und den Share-Economy-Portalen dar.

Diese Ansatzpunkte beziehen sich jedoch nicht ausschließlich auf Wohnungsvermittlungsplattformen. Rechtliche Aspekte zwischen dem Staat und den Unternehmen spielen auch im Zusammenhang mit Mitfahrplattformen eine tragende Rolle. Hierbei ist es vor allem der Versicherungsschutz, das missachten des Personenbeförderungsgesetztes in Deutschland, sowie die Auswirkungen der Plattformen auf die Entwicklung traditioneller Unternehmen, die im Fokus der Debatten stehen. Insbesondere in Deutschland haben Mitfahrplattformen, und dabei vornehmlich die auf Kurzfahrten ausgerichteten Plattformen wie Uber, einen schweren Stand. Dies liegt daran, dass es durch die neuen Geschäftsmodelle Verdrängungseffekte in Bezug auf das Taxigewerbe gibt (Eichhorst und Spermann 2015: 21). Sowohl von Seiten des Staates als auch von Seiten der Taxiindustrie wird den Unternehmen das Missachten des Personenbeförderungsgesetztes vorgeworfen (Solmecke und Lengersdorf 2015: 496). Die Taxiindustrie sieht sich hierbei als Opfer des Umgehens des Personenbeförderungsgesetzes und fürchtet um ihre Existenz. Neben Deutschland gibt es noch eine Reihe weiterer Länder wie China, Belgien und Frankreich, die vor allem die inzwischen stark expandierende Mitfahrplattform Uber in ihren Städten verboten haben (ebd.: 496).

Wie anhand dieser kurzen Ausführungen deutlich wird, erhöhen sich mit zunehmender Verbreitung der Share-Economy-Geschäftsmodelle auch der Druck und die Herausforderungen auf die Gesetzgeber. Dabei geht es jedoch nicht schlicht um die Wahrung des Status Quo (GOV.UK 2015). Vielmehr müssen die Regierungen Regularien schaffen, in denen der technologische Fortschritt und innovativen Geschäftsmodelle der Share Economy ihr Potential, sowohl in ökonomischer als auch ökologischer Hinsicht im Sinne einer gesamtgesellschaftlichen Wohlfahrtssteigerung entfalten können, gleichzeitig jedoch auch die Rechte der anderen Akteure wie traditionellen Unternehmen, Nutzem und staatlichen Akteuren geschützt werden.

2. Vertrauen

2.1 Grundlagen Vertrauen im Rahmen der Share Economy

Damit das Konzept der Share Economy überhaupt funktioniert, bedarf es neben den bereits angesprochenen Treibern einer weiteren Komponente, die des Vertrauens. In einer immer komplexer werdenden Welt, geprägt durch globalisierte Märkte und einer starken wirtschaftlichen Dynamik, hat die Komponente Vertrauen als Erfolgsfaktor für das Fortbestehen von Akteuren am Markt eine wesentliche Bedeutung erhalten (Milankovic und Lentz 2004: 2). Für die Share Economy ist es dabei vor allem das Vertrauen zwischen den einzelnen Nutzern der Portale, das den Schlüsselfaktor zum Erfolg des Zustandekommens und Umsetzens von Transaktionen darstellt und aus eben jenem Grunde von zahlreichen Experten als die wichtigste Komponente in der positiven Entwicklung von Share-Economy-Portalen bewertet wird (Botsman und Rogers 2010: 91-93).

Die Bedeutung der Rolle von Vertrauen wird vor allem durchjene Szenarien verdeutlicht, in denen es missbraucht wurde. Dies zeigen einige Beispiele.

Ein populäres Beispiel für ein solches Szenario ergab sich etwa im Jahre 2012, als das Luxus-Car-Sharing-Portal HiGear seinen Betrieb aufgrund von illegalen Machenschaften einstellen musste. Das Unternehmen fiel einer kriminellen Gruppierung zum Opfer, die mit Hilfe von gestohlenen Kreditkarten und Personalausweisen die von HiGear installierten Kontrollmechanismen umging und so Fahrzeuge im Wert von über 400.000$ erbeutete (TechCrunch 2012). Auch drei Jahre später stellen derartige Fälle von Vertrauensmissbrauch die Share Economy weiterhin vor großen Herausforderungen, wie ein weiterer Fall aus Calgary, Kanada im Jahre 2015 verdeutlichte. Eine kanadische Familie bot ihr Haus über das Wohnungsvermittlungsportal Airbnb an. Als die Familie ihr Haus nach ihrer Abwesenheit in Augenschein nehmen wollte, fanden sie es vollständig zerstört auf. Der dort verursachte Schaden wurde von der Polizei auf 75.000$ beziffert (Huffington Post 2015).

Auch wenn diese Fälle von Vertrauensmissbrauch und kriminellen Machenschaften vorwiegend Ausnahmen darstellen, führten sie den Akteuren der Share Economy im Laufe der Entwicklung immer wieder vor Augen wie wichtig Vertrauen und ausreichende Kontrollmechanismen sind, um diese Form des Teilens zwischen fremden Privatpersonen auch in der Zukunft erfolgreich praktizieren zu können.

Verdeutlicht wird die Bedeutung des Faktors Vertrauen durch eine Studie aus dem Jahre 2012 von der Marketingagentur McCann Minneapolis (damals Campbell Mithun) in Kooperation mit dem Marktforschungsunternehmen Carbonview Research. Hierbei wurden die Hindernisse gegenüber der Teilnahme an der Share Economy untersucht. Mit über 60% war der Mangel an Vertrauen mit Abstand der Hauptgrund der Befragten, sich gegen eine Nutzung der Share Economy zu entscheiden (Campbell Mithun 2012).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: Gründe gegen dasPrinzip Teilen (CampbellMithun 2012)

Diesen Mangel abzubauen und Vertrauen zu generieren, ist jedoch ein zeitintensives Unterfangen und erfolgt in der Share Economy vor allem durch soziale Interaktion mit Hilfe verschiedener Mechanismen (Hilker 2015: 3). Als Reaktion auf die damaligen Geschehnisse wie dem HiGear-Vorfaü bei einer gleichzeitig immer größer werdenden Anzahl an Share-Economy-Portalen entwickelten sich im Laufe der Zeit verschiedene Arten von Kontrollmechanismen wie zum Beispiel Reputationssysteme. Diese sollen dabei helfen, die Unsicherheit zwischen den Mitgliedern abzubauen und somit die soziale Interaktion zu fördern (Josang et al. 2007: 625). Seit dem Veröffentlichen der Studie im Jahre 2012 hat sich die Share Economy und mit ihr auch die Vertrauens- und Kontrollmechanismen erheblich weiterentwickelt und den Aufbau von Vertrauen weiter professionalisiert. Das Konstrukt Vertrauen nahm eine stetig bedeutendere strategische Rolle für die vermittelnden Portale ein. So führte Airbnb beispielsweise im Jahre 2013 die Identitätsprüfung ein (Forbes 2015). Insbesondere zum Abbau der Anonymität des Marktes können solche Mechanismen entscheidend beitragen (Haucap 2015). Auf die

Vielzahl der einzelnen Mechanismen wird im Laufe der Arbeit noch intensiv eingegangen, während sich der nächste Abschnitt der Arbeit, zum besseren Verständnis des Phänomens Vertrauen, zunächst mit der rein theoretischen Sichtweise aufVertrauen befasst.

2.2 Vertrauen aus theoretischer Perspektive

Vertrauen ist ein äußerst vielschichtiges und komplexes Konzept. Das Konstrukt einer konkreten Wissenschaftsdisziplin zuzuordnen ist somit äußerst schwierig. So beschäftigten sich beispielsweise bereits Disziplinen wie die Sozialwissenschaften, die Wirtschaftswissenschaften, die Psychologie oder die Philosophie mit der Untersuchung des Vertrauensbegriffs (Wang et al. 2012: 4). Vor allem aufgrund dieser multidisziplinären Zuständigkeit ist es bis dato nicht gelungen, ein einheitliches Vertrauensverständnis und eine disziplinenübergreifende Definition herauszuarbeiten. Zudem ist das Konstrukt stark kontextabhängig und findet auch im nicht­wissenschaftlichen Bereich Anwendung. So kann man beispielsweise Vertrauen in den Wetterbericht, in das Versprechen eines Freundes oder aber in die Entwicklung der Wirtschaft haben (Fladnitzer 2006: 9). All diese Faktoren stellen Herausforderungen bei der Suche nach einer einheitlichen Definition von Vertrauen dar, was bereits in einer Vielzahl von wissenschaftlichen Abhandlungen thematisiert wurde (Zucker 1986: 56; Blois 1999: 197).

Um Vertrauen jedoch im wissenschaftlichen Kontext anwenden zu können, bedarf es trotz der Vielschichtigkeit des Konzeptes einer inhaltlich fundierten Ausgestaltung des Begriffes (Fladnitzer 2006: 9).

2.2.1 Definition

Wie oben bereits geschildert fand die Annäherung an das Phänomen Vertrauen aus multidisziplinarer Perspektive statt. So definierten Rousseau, Sitkin, Burt und Camerer (1998: 395) Vertrauen beispielsweise wie folgt: „Trust is a psychological state comprising the intention to accept vulnerability based upon positive expectations of the intentions or behavior of another.” Hierbei wird Vertrauen auf Merkmale wie die Verletzlichkeit, Unsicherheit als auch das Risiko zurückgeführt. Umfangreiche Rezeption erlangte auch die Ausarbeitung von Mayer, Davis und Schoorman (1995: 712). Diese definierten Vertrauen als: “The willingness of a party to be vulnerable to the actions of another party based on the expectation that the other will perform a particular action important to the trustor, irrespective of the ability to monitor or control that other party.” Neben den in der Definition von Rousseau, Sitkin, Burt und Camerer (1998) bereits erwähnten Merkmalen greift die Ausarbeitung von Mayer, Davis und Schoorman damit zusätzlich noch die Komponente des Kontrollverzichtes auf.

Als defmitorische Schnittmenge lässt sich nun bei vielen Vertretern und Definitionen von Vertrauen festhalten, dass Vertrauen stark subjektiv geprägt ist und aus mehreren charakteristischen Merkmalen besteht (Freitag und Traunmueller 2009). Diese disziplinübergreifenden Merkmale weisen jedoch ebenfalls innerhalb der Definitionen keine vollständige Konsistenz auf. Aufbauend auf der in dieser Arbeit präferierten Vertrauensdefinition von Mayer, Davis und Schoorman (1995) werden als charakteristische Merkmale von Vertrauen auf die Ausarbeitungen von Petermann (1996) - Unsicherheit, Kontrollverzicht, Risiko und die Zeitperspektive - als auch die Faktoren von McKnight et al. (2002) - Risiko und Unsicherheit - zurückgegriffen. Um eine noch genauere Definition und besseres Verständnis von Vertrauen liefern zu können, sollen auf die zwei letztgenannten Merkmale darüber hinaus im Detail eingegangen werden.

2.2.2 Merkmale von Vertrauen: Unsicherheit und Risiko

Unsicherheit und Risiko werden von vielen Autoren als die zwei wichtigsten Merkmale des Konstruktes Vertrauen beschrieben (Hoßfeld 2005: 2). So sind viele Wissenschaftler der Auffassung, das Vertrauen von Natur aus ein risikobehaftetes Verhalten darstellt (Luhmann 2000; Wang und Emurian 2005). Auf der einen Seite verringert man durch den Akt des Vertrauens Unsicherheit, auf der anderen Seite jedoch verursacht man gerade dadurch ein Risiko, nämlich jenes des Missbrauchs des Vertrauens, das man der Person oder dem Subjekt entgegenbringt (Bachmann 2001: 6). Simmel (1908: 346) beschreibt Vertrauen in diesem Zusammenhang als einen Zustand „zwischen Wissen und Nichtwissen.“ Er vertritt in diesem Kontext die Ansicht, dass „der völlig Wissende [...] nicht zu vertrauen [braucht], der völlig Nichtwissende [...] vernünftigerweise nicht einmal vertrauen [kann]“ (ebd.: 346). Vertrauen beginnt somit genau dort, wo Transparenz endet. Die hier vorherrschende Unsicherheit, die auch als Informationsproblem oder Informationsasymmetrie gedeutet werden kann (Luhmann 2014: 38), kann sich sowohl auf Umweltereignisse (exogene Unsicherheit) als auch auf die Akteure, mit denen agiert wird, beziehen (endogene Unsicherheit) (Salman 2004: 38f). Im weiteren Verlauf dieser Arbeit wird sichjedoch ausschließlich auf die endogene Unsicherheit bezogen, weil diese für die Share Economy eine wesentliche Rolle spielt.

Ein vertrauensvolles Verhältnis ist zudem abhängig von zwei weiteren Faktoren: zum einen, dass die eine Seite gute Absichten hegt (Freitag und Traunmueller 2009: 788) und zum anderen, dass die andere Seite über die notwendige Kompetenz verfügt, die Absichten richtig zu deuten und wahrzunehmen (Yamagishi und Yamagishi 1994: 131). In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass auch die Komponente der Erwartungshaltung eine nicht zu vernachlässigende Rolle einnimmt. Nach Singh und Sirdeshmukh (2000: 154) bezieht sich Vertrauen auf die positive Erwartungshaltung des Vertrauensgebers, der sich auf die Handlungen und Absichten des Vertrauensnehmers bezieht.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Vertrauen sehr viele Facetten und somit auch eine Vielzahl an unterschiedlichen Definitionen aufweist. Auch wenn größtenteils ein Konsens über die Wichtigkeit der Merkmale Unsicherheit und Risiko in der Vertrauensforschung besteht, gibt es auch Ansätze, die zusätzliche Dimensionen in ihre Definition miteinbringen. Abhängig von der Herangehensweise an das Konstrukt und folglich der Definition ergeben sich unterschiedliche Schwerpunkte als auch unterschiedliche Typen und Formen von Vertrauen. Welche Typen des Vertrauens es im Einzelnen gibt und welche für die nachfolgende Arbeit vom besonderen Interesse sind, wird im nächsten Abschnitt herausgearbeitet.

2.2.3 Formen von Vertrauen

Wie bereits angesprochen, ist Vertrauen stark kontextabhängig. Abhängig von den jeweils vorherrschenden Bedingungen kann Vertrauen auf unterschiedlichste Art und Weise auftreten und definiert werden. Um das Konstrukt nun in seiner Gänze verstehen zu können, ist es entscheidend zu wissen, um weiche jeweilige Art des Vertrauens es sich handelt. Auch hierbei gibt esjedoch wieder eine Reihe von Interpretationsmöglichkeiten, nach denen Vertrauen differenziert werden kann.

[...]

Fin de l'extrait de 89 pages

Résumé des informations

Titre
Share-Economy-Plattformen. Kontroll- und Vertrauensmechanismen
Sous-titre
Eine empirische Untersuchung
Université
University of Bayreuth  (Innovationsmanagement)
Note
1,3
Auteur
Année
2016
Pages
89
N° de catalogue
V948075
ISBN (ebook)
9783346313911
ISBN (Livre)
9783346313928
Langue
allemand
Mots clés
Sharing Economy, Share Economy, New Business, P2P, Vertrauen, Trust, Airbnb, Uber, Netzwerke, Plattformen, Peer to Peer sharing, peer to peer, Rolle von Vertrauen, Definition von Vertrauen
Citation du texte
Vincent Henning (Auteur), 2016, Share-Economy-Plattformen. Kontroll- und Vertrauensmechanismen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/948075

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