Digitale Primärprävention im Handlungsfeld Stress. Inhaltliche Ausgestaltung von Apps der gesetzlichen Krankenversicherungen in Deutschland für Frauen zwischen 30 und 39


Bachelorarbeit, 2020

95 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhalt

Abkürzungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1. Einleitung, Zielsetzung, Fragestellung
1.1 Präventive Problemstellung
1.2 Zielsetzung und Fragestellung

2. Theoretischer Hintergrund
2.1 Stress
2.1.1 Definition und Grundlagen
2.1.2 Prävalenz und auslösende Faktoren bei 30-39-jährigen Frauen
2.1.3 Chronischer Stress und psychische Gesundheit
2.2 Hintergründe zur digitalen Stressprävention
2.2.1 Definition und Wirkung der Prävention
2.2.2 Stressprävention bei erwachsenen Frauen
2.2.3 Digitalisierung in der Prävention und Gesundheit

3. Methodisches Vorgehen
3.1 Sekundärforschung
3.2 Primärforschung

4. Befunde
4.1 Befunde der Sekundärforschung
4.1.1 Befunde bezüglich der Inputqualität
4.1.2 Befunde bezüglich der Durchführungsqualität
4.1.3 Befunde bezüglich der Outcomequalität
4.2 Befunde der Primärforschung
4.2.1 Qualitative Erhebung
4.2.2 Quantitative Erhebung

5. Ergebnisse
5.1 Zentrale Ergebnisse
5.2 Limitation der Ergebnisse

6. Diskussion

7. Handlungsempfehlungen

8. Fazit

Literaturverzeichnis

Anhang

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird in dieser Arbeit die weibliche Form für Personenbezeichnungen verwendet. Grundsätzlich sind mit dieser Bezeichnung alle Geschlechter gemeint.

Die fehlende Kennzeichnung der verwendeten Markennamen soll nicht auf die freie Verfügbarkeit schließen lassen.

Abkürzungsverzeichnis

AOK Allgemeine Ortskrankenkasse

App Applikation

AU Arbeitsunfähigkeit

BfDI Bundesbeauftragter für Datenschutz und Informationssicherheit

BKK Betriebskrankenkasse

CE frz. Conformité Européenne, Europäische Konformität

BMG Bundesministerium für Gesundheit

DEGS1 Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland

dGKV deutsche gesetzliche Krankenversicherung

DAK Deutsche Angestelltenkrankenkasse

DIN Deutsches Institut für Normung

fBZ fiktive Berechnungszahl

GfK Gesellschaft für Konsumforschung

GK Gesundheitskompetenz

ICD (engl.) International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems, Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und ver- wandter Gesundheitsprobleme

MK Medienkompetenz

NRW Nordrhein-Westfalen

GKV gesetzliche Krankenversicherung

ISO (engl.) International Organization for Standardization, Internationale Organisa- tion für Normung

RKI Robert Koch Institut

SES (engl.) Sozio economic Status, Sozio-ökonomischer Status

SM Stressmanagement

TK Techniker Krankenkasse

WHO (engl.) World Health Organisation, Weltgesundheitsorganisation

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Ein- und Ausschlusskriterien von Stress-Apps (eigene Darstellung)

Tabelle 2: Kriterienkatalog Stress-Apps der dGKV (eigene Darstellung)

Tabelle 3: Screening der App AOK Relax (eigene Darstellung)

Tabelle 4: Screening der App Lebe Balance (eigene Darstellung)

Tabelle 5: Screening der App Selfapy (eigene Darstellung)

Tabelle 6: Screening der App StudySmarter (eigene Darstellung)

Tabelle 7: Screening der App 7Mind (eigene Darstellung)

Tabelle 8: Screening der App YogaEasy (eigene Darstellung)

Tabelle 9: Screening der App headspace (eigene Darstellung)

Tabelle 10: Screening der App Otemi (eigene Darstellung)

Tabelle 11: Screening der Kaia Rücken-App (eigene Darstellung)

Tabelle 12: Erhobene Daten der Outcomequalität (eigene Darstellung in Anlehnung an Apple App Store, Google Play Store)

Tabelle 13: Ergebnisse der Durchführungsqualität (eigene Darstellung)

Tabelle 14: Berechnete Werte zur Outcomequalität (eigene Darstellung)

Tabelle 15: Darstellung der Auswertung der Inputqualität (eigene Darstellung)

Tabelle 16: Gesamtes Zahlenwerk der Outcomequalität (eigene Darstellung)

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Stresslevel nach Altersgruppen und prozentualer Häufigkeit (TK, 2016, S. 7)

Abbildung 2: Tägliche Nutzung des Internets von Unterwegs (Frees, Koch, 2018, S. 403)

Abbildung 3: Kompetenzbereiche von Stress-Apps (Lampert, Scherenberg, 2019, S. 30 zit. n. Scherenberg, Erhart, 2020, S.276)

Abbildung 4: Erhebungsmöglichkeiten von Mood-Tracking in Apps (Scherenberg, Erhart, 2020, S. 274)

Abbildung 5: Identifizierte Stress-Apps der dGKV mit App-Icon (eigene Darstellung)

Abbildung 6: Ergebnisse der Inputqualität (eigene Darstellung)

Abbildung 7: Erreichte Punkte und Rangfolge der gescreenten Apps (eigene Darstellung)

Abbildung 8: Mengenmäßige Verteilung nach dem Ansatz der Stresskompetenz (eigene Darstellung)

1. Einleitung, Zielsetzung, Fragestellung

1.1 Präventive Problemstellung

Stress beeinflusst das Leben als alltäglicher Begleiter (vgl. Nitsch, 1981a, S. 15f) und ist heute im Rahmen der zunehmenden Ökonomisierung mit veränderten Formen der Arbeitsbelastung, erhöhtem Leistungsdruck und gestiegener Angst (vgl. Hirschfeld, 2017, S. 199) sowie durch gesellschaftliche Veränderungen (vgl. Kaluza, 2018, S. 6) ein Massenphänomen, unter dem immer mehr Menschen leiden scheinen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) sieht Stress als eines der größten Gesundheitsrisiken des 21. Jahrhunderts (vgl. WHO zit. nach TK, 2013, S. 8; Scherenberg; Buchwald, 2016, S. 12) und prognostiziert dadurch einen weiteren Anstieg von psychischen Erkrankungen (vgl. WHO, 2011 zit. nach Meyer et al, 2018, S. 360). 30–39-jährige Frauen sind einem besonders hohen Stresspegel ausgesetzt (vgl. TK, 2016, S. 7; Hapke et al, 2013, S. 751). 82% der Frauen in dieser Altersgruppe[HG1] kennen regelmäßige Stresszustände, ein Drittel davon fühlt sich sogar häufig gestresst (vgl. TK, 2016, S. 7). Die Bedeutung von Stress liegt nicht in der Allgegenwärtigkeit an sich, sondern in den täglichen Herausforderungen der heutigen Lebensumstände, die durch Einseitigkeit, Dichte sowie Verbindlichkeit [HG2] die Kompensations- und Anpassungsmechanismen und damit den Handlungsspielraum gegenüber Stress immer stärker einschränken (vgl. Nitsch, 1981a, S. 16). Es entsteht ein Ungleichgewicht zwischen inneren und äußeren Anforderungen gegenüber den verfügbaren inneren und äußeren Bewältigungsmöglichkeiten (vgl. Völker, 2018, S. 247f). Stress ist damit ein bedeutender Risikofaktor für multiple Erkrankungen (vgl. TK, 2016, S. 10f). Verschiedene Einrichtungen des deutschen Gesundheitswesens, insbesondere die deutschen gesetzlichen Krankenversicherungen (dGKV), beschäftigen sich zunehmend mit dem Thema Stress, den negativen gesundheitlichen Auswirkungen und den Möglichkeiten der Prävention. Durch den hohen Leidensdruck der Betroffenen sowie den damit verbundenen hohen Krankheits- und Folgekosten für Unternehmen und Krankenversicherer (vgl. Meyer et al, 2018, S. 331ff; Elfering et al, 2018, S. 129) hat das Thema heute wie voraussichtlich auch zukünftig eine hohe Public Health Relevanz. Digitale Versorgungskonzepte im Gesundheitswesen dienen als Informations- und Kommunikationssystem der Vernetzung zwischen Nutzerin und Leistungsträger (vgl. Lux, 2019, S. 2). Laut dem „Digitale-Versorgung-Gesetz“ soll die Verbesserung der Versorgung der Versicherten durch digitale Anwendungen erreicht werden und damit gleichzeitig den dGKV die Förderung digitaler Innovationen ermöglichen (vgl. BMG, o. J., S. 1f). Viele digitale Versorgungsangebote setzen zunehmend auf das Selbstmanagement von Nutzerinnen, die sich selbstständig informieren und mit Hilfe einer digitalen Anwendung Prävention betreiben oder Hilfestellung bei der Behandlung von Gesundheitsproblemen erhalten wollen. Gesundheits- und insbesondere Stress-Apps können ein vielseitiges digitales Instrument in der Prävention sein. Die Möglichkeiten sind aber noch längst nicht voll ausgeschöpft (vgl. BMG, o. J., S. 68). Qualitativ hochwertige Angebote sind für die Nutzerin schwer auffindbar (vgl. Lampert, 2018, S. 282). Krankenkassen-Apps genießen in der Gesellschaft ein zwiespältiges Ansehen. Einerseits ist für sieben von zehn befragten Menschen das Internet für die Gesundheit eine wichtige Informationsquelle (vgl. TK, 2018, S. 25), auf der anderen Seite wird es kritisch angesehen in Bezug auf die Qualität, die Seriosität und den Datenschutz (vgl. App Marketing Agentur, 2016, zit. n. Evers-Wölk et al, 2018, S. 74; TK, 2018, S. 16). Die Zusammenwirkung einer ausgewählten Menschengruppe mit digitalen Medien und dessen komplexe Entwicklungen machen das Thema interessant, aktuell und innovativ. Dazu scheint die beschriebene Ausgangslage noch nicht ausreichend wissenschaftlich aufgearbeitet, was die Themenwahl für diese Arbeit begründet.

1.2 Zielsetzung und Fragestellung

Inhalt dieser Arbeit ist es, die folgende Forschungsfrage zu beantworten:

Sind die von den deutschen gesetzlichen Krankenversicherungen angebotenen Stress-Apps für die weibliche Zielgruppe der 30-39-jährigen im Handlungsfeld Stress derzeit so aufgebaut, dass nach dem aktuellen Stand der Forschung eine hohe Wahrscheinlichkeit der Wirksamkeit erwartet werden kann?

Qualitätskriterien für die Bewertung von Gesundheits-Apps wurden in der Vergangenheit zwar in Ansätzen aufgestellt, jedoch konnte bisher kein Instrument zum Qualitätsnachweis verbindlich durchgesetzt werden (vgl. Evers-Wölk et al, 2018, S. 137; Scherenberg, 2015a, S. 28). Je nach Art der App ist die Anwendung verschiedener Qualitätskriterien zielführend (vgl. Evers-Wölk et al, 2018, S. 91). Speziell für Präventions-Apps im Handlungsfeld Stress ist die Etablierung von zugeschnittenen Qualitätskriterien noch geringer. Ziel der Arbeit ist es daher, zunächst einen objektiven Kriterienkatalog speziell für die Qualitätsbeurteilung von Stress-Apps der dGKV zu erarbeiten. Dazu wird eine Sekundärforschung durchgeführt. Dieses Instrument kann damit zukünftig eine Möglichkeit für Entwickler, Krankenversicherer, Nutzerinnen und andere Stakeholder darstellen, Stress-Apps (der dGKV) auf ihre Qualität zu überprüfen. Auch im wissenschaftlichen Bereich und der zukünftigen Forschung in der digitalen Stressprävention kann dieses Instrument Ansatzpunkte bieten. Anschließend wird anhand des erarbeiteten Kriterienkatalogs eine Wirksamkeitseinschätzung der aktuell verfügbaren Stress-Apps der dGKV vorgenommen. Im Rahmen einer Primärforschung werden aktuell verfügbare Stress-Apps der dGKV auf die Qualitätskriterien des Kriterienkatalogs gescreent. Abschließend werden in dieser Arbeit Handlungsempfehlungen für die Verbesserung von Rahmenbedingungen bezüglich Stress-Apps ausgesprochen.

2. Theoretischer Hintergrund

Der theoretische Hintergrund gliedert sich in die Unterkapitel Stress und Prävention. Diese beschreiben Inhalte, die zur Beantwortung der Forschungsfrage wichtig sind.

2.1 Stress

Die Definition von Stress bildet den Einstieg in dieses Kapitel. Es wird auf die ausschlaggebenden Faktoren sowie das Problem der fehlenden Ressourcen zur Vermeidung eingegangen. Abschließend wird das Problem der Chronifizierung sowie der Zusammenhang von Stress und psychischer Gesundheit erläutert. Damit werden wichtige Aspekte von Stress beleuchtet, die die Aktualität und weitreichende Bedeutung sowie die Notwendigkeit der Prävention stressbedingter Gesundheitsschäden hervorheben.

2.1.1 Definition und Grundlagen

Der Begriff Stress wurde erstmals von Walter Cannon im Jahre 1914 in Bezug auf Alarmsituationen verwendet (vgl. Cannon, 1914 zit. n. Lazarus & Folkman, 1984). Darauf aufbauend formulierte Hans Selye (vgl. Selye, 1936 zit. n. Lazarus & Folkman, 1984) Stress als einen körperlichen Zustand der Belastung, welcher durch Anspannung und Widerstand gegen von außen auf den Körper einwirkende Stressoren charakterisiert ist. Stressoren sind Störgrößen, die die physische und psychische innere Homöostase gefährden (vgl. Kaluza, 2018, S. 36). Hier wird zwischen persönlichen (innere Einstellungen, Motive), physikalischen (Lärm, Hitze), körperlichen (Schmerz, Verletzung), sozialen (Trennung, zwischenmenschliche Konflikte) und Leistungsstressoren (Zeitdruck, Überforderung) unterschieden (vgl. Kaluza, 2018, S. 16). Im 17. Jahrhundert stand Stress für Mühsal, Zwangslage, Not und Kummer. Im 18. und 19. Jahrhundert wandelte sich die Bedeutung und definierte ein Gewicht, einen Druck, oder eine Kraft, die von außen auf eine Person einwirkt. Diese Bedeutung hat sich bis heute gehalten (vgl. Nitsch, 1981b, S. 33f). Eine eindeutige, einheitliche Definition von Stress hat sich bis heute nicht vollständig etabliert (vgl. Sigrist, Knesebeck, 2018, S. 267).

Stress beeinflusst das Leben als alltägliches Phänomen. Er zeigt sich in sämtlichen Lebens- und Tätigkeitsbereichen. Stressoren haben eine sehr unterschiedliche Valenz und führen damit zu einem individuell unterschiedlichem Stresserleben (vgl. Kaluza, 2018, S. 44; Wiberny, 2018, S. 206). Es wird dabei zwischen positivem (Eustress) und negativem Stress (Disstress) unterschieden (vgl. Nitsch, 1981a, S. 15; Scherenberg; Buchwald, 2016, S. 28). Eustress beeinflusst den Organismus positiv. Er erhöht die Aufmerksamkeit und fördert die maximale Leistungsfähigkeit, ohne dem Menschen zu schaden. Er wirkt sich bei moderatem Auftreten positiv aus. Disstress hingegen wirkt überfordernd, unangenehm und bedrohend. Er hat negative Auswirkungen, wenn kein regelmäßiger körperlicher Ausgleich erfolgt und bringt dann einen dauerhaft negativen Anspannungszustand mit sich (vgl. Rusch, 2019, S. 188).

Stress entsteht durch eine Anpassungskrise, bei der eine Abweichung von der inneren Homöostase vorliegt, die durch die verfügbaren, routinemäßigen Reaktionen nicht mehr kompensiert werden können (vgl. Kaluza, 2018, S. 18; Scherenberg; Buchwald, 2016, S. 14; Siegrist, Knesebeck, 2018, S. 267; Faltermeier, 2018, S. 105). Es resultiert eine Stressreaktion als körperliche und psychische Antwort auf den Stressor. Das Ausmaß dieser Stressreaktion ist abhängig von individuellen Motiven sowie persönlichen Einstellungen (vgl. Kaluza, 2018, S. 16; Haurand, Weniger, 2018, S. 6) und dabei höchst situationsabhängig. Im Rahmen der Stressreaktion kann zur Bewältigung oder Kompensation der Stressoren auf Ressourcen zurückgegriffen werden. Ressourcen beschreiben soziale, personale und gesundheitliche Schutzfaktoren (vgl. Kaluza, 2018, S. 15) mit der Aufgabe, die Bewältigung der Belastung zu unterstützen und Risikofaktoren aufzufangen (vgl. Eppel, 2007, S. 88). Stressreiche Anforderungen haben einen negativen Einfluss auf den Ressourcenbestand. Stress nimmt zu, wenn viele Ressourcen (unnütz) verloren gehen, oder die Angst vorhanden ist, diese zu verlieren und dabei kein adäquater Zugewinn entsteht, sondern die Ressourceninvestition vergebens war (vgl. Scherenberg; Buchwald, 2016, S. 19f). Jedes Individuum bewertet hier nach eigens entwickelten Ausprägungen und Bedürfnissen und hat seine eigenen „Sollwerte“ (vgl. Scherenberg; Buchwald, 2016, S. 13). Die Einhaltung dieser Sollwerte ist hier von zentraler Bedeutung für das eigene psychische Gleichgewicht, das Wohlbefinden und das Selbstwertgefühl (vgl. Kaluza, 2018, S. 44). Eine Stressreaktion hat die Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung (eines neuen) Anpassungszustandes als Ziel. Die Feststellung über eine Störung sowie eine anschließende Bewältigung oder Resignation sind dabei höchst subjektiv. Es existieren drei übergreifende Reaktionstendenzen, die gleichzeitig drei Entscheidungsalternativen als Grundlage bilden: das Tolerieren (Zulassen von Stressoren, Ertragen des Stresszustands), das Kontrollieren (Beeinflussen der stressauslösenden Bedingung) oder das Resignieren (Verringern oder Aufgeben jeglicher Bewältigungsanstrengungen) (vgl. Nitsch, 1981b, S. 105). Problematisch ist, wenn die Ausnahme zur Regel und Stress zum Dauerzustand wird. Die positiven Effekte des Eustresses verlieren sich und negativer Disstress dominiert. Gereiztheit, Überforderung und Auslaugung folgen, es entwickelt sich ein unangenehmer Spannungszustand (vgl. Völker, 2018, S. 247; Scherenberg, Buchwald, 2016, S. 16).

2.1.2 Prävalenz und auslösende Faktoren bei 30-39-jährigen Frauen

Krankenversicherungen verzeichnen in den vergangenen 15 Jahren eine Zunahme der stressbedingten Arbeitsausfälle durch Angst- oder Belastungsstörungen. Von durchschnittlich 15 Fehltagen pro versicherter Person im Jahr fallen 2,5 Tage auf stressbedingte Krankschreibungen (vgl. TK, 2016, S. 2, 6). Stress ist vor allem ein Bild der mittleren Lebensdekaden (vgl. Hapke et al, 2013, S. 751; TK, 2013, S. 5; TK, 2016, S. 7). Die Generation der 30-39-jährigen sind dabei dem größten Stresspegel ausgesetzt; 82% von ihnen kennen regelmäßige Stresszustände (vgl. TK, 2016, S. 7), wie die nachfolgende Abbildung aufzeigt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Stresslevel nach Altersgruppen und prozentualer Häufigkeit (TK, 2016, S. 7)

Die Gründe hierfür liegen häufig im beruflichen sowie familiären Umfeld (vgl. TK, 2016, S. 7). Frauen sind mit 13,9% signifikant häufiger gestresst als Männer (8,2%) (vgl. Hapke et al, 2013, S. 751; TK, 2016, S. 7). Ihr Stresspegel ist in den letzten Jahren alarmierend hoch geblieben (vgl. TK, 2013, S. 4), wobei 71% der 30-39-jährigen nach eigenem Empfinden beschreiben, dass ihr Leben insgesamt in den letzten drei Jahren sogar zunehmend stressiger geworden ist (vgl. TK, 2016, S. 11). Dominierende Stressauslöser sind bei Frauen die hohen Anforderungen an sich selbst (48%), die Arbeit (39%) sowie Termine und Freizeitverpflichtungen (34%) (vgl. TK, 2016, S. 13). Der Anspruch, sowohl auf der Arbeit als auch bei der Hausarbeit immer perfekt sein zu wollen, scheint fast der Hälfte von ihnen zu schaffen zu machen (vgl. TK, 2016, S. 14). Auch Konflikte im persönlichen sozialen Umfeld beschreiben 30% der Frauen als einen belastenden Stressfaktor (vgl. TK, 2016, S. 13).

2.1.2.1 Einflußfaktoren: Bildung, Einkommen und soziale Stellung

Der sozio-ökonomische Status (SES) bildet die individuelle Position in der Sozialhierarchie ab und wird über die Merkmale Bildungsniveau, berufliche Stellung und Einkommenssituation (vgl. Lampert; Kroll, 2009; Galobardes et al, 2006) sowie Vermögen (vgl. Wolf, 1995, S. 103) definiert. Die erste Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland (DEGS1) des Robert Koch-Instituts (RKI) aus den Jahren 2008 bis 2011 beschreibt, dass die Prävalenz starker Belastung durch chronischen Stress mit steigendem SES abnimmt. Der Belastungsgrad bei 30-44-jährigen Frauen fällt mit steigendem SES von 22,2% (Frauen mit niedrigem SES) auf 12,4% (Frauen mit hohem SES) (vgl. Hapke et al, 2013, S. 751). Im Rahmen ihrer subjektiven Selbsteinschätzung nimmt die Qualität des eigenen Gesundheitszustands mit sinkendem SES ab (vgl. Lampert et al, 2013, S. 818). Frauen im jungen bis mittleren Lebensalter, die einen niedrigen SES aufweisen, zeigen zu 16% depressive Symptomatiken auf, bei hohem SES nur 5,6% (vgl. Lampert et al, 2013, S. 817). Auch eine Untersuchung der Betriebskrankenkassen (BKK) belegt, dass Frauen mit niedrigerem Bildungsabschluss (Berufsausbildung) durchschnittlich 362 Arbeitsunfähigkeits (AU) -tage pro 100 Mitarbeiter aufgrund psychischer Störungen zu verzeichnen haben. Dem gegenüber stehen lediglich 235 AU-Tage pro 100 Mitarbeiter bei Frauen mit höhergradigem Berufsabschluss (Master, Staatsexamen) (vgl. Rennert et al, 2018, S. 67). Im Rahmen der beruflichen Anforderungen haben Frauen, die hochkomplexe Tätigkeiten bearbeiten, weniger AU-Tage (2.615 je 1.000 Mitarbeiter) durch psychische Störungen als Frauen, die nur Helfer- /Anlerntätigkeiten ausführen (4.009 je 1.000 Mitarbeiter) (vgl. Rennert et al, 2018, S. 98). Die körperliche und psychosoziale Arbeitsbelastung sowie die Unzufriedenheit mit der eigenen Arbeitssituation nehmen bei Frauen mit Anstieg des Gehaltes deutlich ab (vgl. Lampert et al, 2018, S. 305). Arbeitssuchende Menschen haben im Vergleich zu Menschen in einem Beschäftigungsverhältnis einen niedrigen SES (vgl. Rennert et al, 2018, S. 62) und kommen auf die höchste Anzahl an Krankheitstagen durch psychische Störungen (vgl. Rennert et al, 2018, S. 63). Der Status des alleinerziehenden Elternteils hat entscheidenden Einfluss auf Bildung, Einkommen und die soziale Stellung. Familienarmut ist bei alleinerziehenden Eltern besonders hoch (vgl. Geene, 2018, S. 381). Im Jahr 2014 lebten in Deutschland ca. 1,5 Mio. alleinerziehende Mütter mit mindestens einem minderjährigen Kind im Haushalt, wohingegen lediglich 180.000 Väter alleinerziehend waren (vgl. Statistisches Bundesamt, 2016, S. 47). Besonders alleinerziehende Mütter haben es durch eingeschränktere finanzielle Mittel schwerer als alleinerziehende Väter (vgl. Wagner-Winterhager, 1988, S. 651), woraus für sie eine Absenkung des individuellen SES resultiert. Besonders bei nicht schulpflichtigen Kindern betrifft diese Tatsache in überwiegender Anzahl Frauen bzw. Mütter (vgl. Geene, 2018, S. 381). Sie gehen dazu weniger schnell neue Partnerschaften ein als Männer und befürchten eher, den dann erreichten höheren Status wieder zu verlieren und dadurch an Autonomie einzubüßen (vgl. Wagner-Winterhager, 1988, S. 651). Daraus resultierend führen hier soziale Isolierung und Einsamkeit zu einer weiteren, hohen Stressbelastung (vgl. Wagner-Winterhager, 1988, S. 646). Ein niedrigerer SES scheint mit wichtigen sozialen und ökologischen Bedingungen verbunden, die zur chronischen Stressbelastung und zu dauerhaften psychischen Gesundheitsproblemen führen (vgl. Baum et al, 1999, S. 131). Personen mit niedrigem SES weisen einen schlechteren Gesundheitszustand auf, verfügen über weniger Ressourcen zur Stressregulation und sind damit einem höheren Risiko für chronische Erkrankungen und Beschwerden ausgesetzt als Personen mit hohem SES (vgl. Lampert et al, 2013, S. 819; Scherenberg, 2016, S. 49; Regulies; Siegrist, 2002 zit. n. Kaluza, 2018, S. 11). Je ungünstiger der SES, desto häufiger kommen psychosoziale Stressoren zum Ausdruck und desto stärker sind die daraus resultierenden Stresswirkungen (vgl. Siegrist, Knesebeck, 2018, S. 271). Bereits Aaron Antonovski bezeichnete unter anderem eine günstige sozioökonomische Lage, Wissen und Intelligenz als generalisierte Widerstandsreserven und damit als Ressource im Bereich der Stressbewältigung (vgl. Antonovski, 1988 zit. n. Kaluza, 2018, S. 56).

2.1.2.2 Stress bei Arbeitnehmerinnen

30-39-jährige Frauen sind die Arbeitnehmergruppe mit dem geringsten psychischen Wohlbefinden auf der Arbeit (vgl. Initiative Neue Qualität der Arbeit, 2017, S. 7f). Erwerbstätige Frauen beschreiben das häufige Auftreten von ständig wiederkehrenden Arbeitsvorgängen, die gleichzeitige Betreuung von verschiedenartigen Arbeiten, Arbeitsunterbrechungen, sehr schnell arbeiten zu müssen und das Arbeiten an der Grenze der Leistungsfähigkeit als belastend und stressauslösend (vgl. Lohmann-Haislah, 2012, S. 41). Die Erwerbstätigkeit ist ein hoher Stressfaktor und hat damit entscheidenden Einfluss auf das Stresserleben. Vollzeitarbeit stresst mehr als Teilzeitarbeit (vgl. TK, 2016, S. 8, 21; TK, 2013, S. 7). In Vollzeit beschäftige Frauen arbeiten häufig an ihrer Grenze ihrer Leistungsfähigkeit, da psychische Anforderungen besonders häufig sind (vgl. Lohmann-Haislah, 2012, S. 41). In Vollzeit beschäftige Frauen haben die meisten Beschwerden hinsichtlich Stress, fühlen sich emotional am häufigsten erschöpft und schätzen dabei ihren eigenen Gesundheitszustand am schlechtesten ein (vgl. Lohmann-Haislah, 2012, S. 95, 100). Frauen arbeiten allerdings meist in Teilzeitbeschäftigung (vgl. TK, 2016, S. 14; Rennert et al, 2018, S. 99; Lohmann-Haislah, 2012, S. 41) und erhalten durchschnittlich einen ca. 17% niedrigeren Stundenlohn als vollzeitbeschäftigte Frauen (vgl. Gallego Granados et al, 2019, S. 1ff). Nach der Kindererziehungsphase kehren sie selten wieder in eine Vollzeitarbeit zurück (vgl. Gallego Granados et al, 2019, S. 1). Durch Teilzeitbeschäftigung sind sie häufiger der Doppelbelastung von Beruf und Haushalt ausgesetzt als Männer (vgl. Rennert et al, 2018, S. 100). Auch die fehlende Vereinbarkeit mit der Familie sowie Ruf- oder Bereitschaftsdienst im Gesundheitswesen sorgen für stressauslösende Konflikte (vgl. Lohmann-Haislah, 2012, S. 51). Frauen (45%) begründen häufiger nicht genommene Pausen mit zu hohem Arbeitsanfall (Männer: 32%) (vgl. Lohmann-Haislah, 2012, S. 56). Frauen sind in geringem Maße häufiger von befristeten Arbeitsverträgen betroffen als männliche Arbeitnehmer (vgl. Lohmann-Haislah, 2012, S. 64f, 68). Sie arbeiten statistisch gesehen 2,4-mal mehr in der Fürsorgearbeit und 1,6-mal mehr in der Hausarbeit als Männer. Bei der Pflege von Angehörigen sind besonders Frauen dieser Mehrfachbelastung ausgesetzt, sie engagieren sich hier häufiger und intensiver (vgl. Hans Böckler Stiftung, 2017, S. 4f; Rennert et al, 2018, S. 100). Haus- und Familienarbeit ist von geringer gesellschaftlicher Wertschätzung und Belohnung geprägt, was zu vermehrtem Belastungserleben führt (vgl. Sperlich, Geyer, 2015). Eine starke Stressbelastung ist besonders häufig vorhanden (26,2%), wenn Menschen keine soziale Unterstützung in ihrem Umfeld vorfinden (vgl. Hapke et al, 2013, S. 751). Auch Freizeit- und Urlaubsmangel sind besonders belastende Faktoren (vgl. Posch-Eliskases et al, 2015, S. 27). Alleinerziehende Mütter sind durch die alleinige Kinderbetreuung in der Erwerbstätigkeit deutlich eingeschränkt, was sie materiell noch weiter einengt (vgl. Wagner-Winterhager, 1988, S. 646). Bezüglich der Arbeit bestehen auf individueller Ebene wesentliche Ängste darin, die eigene Arbeitskraft zu verlieren, die Kündigung zu erhalten und dadurch in den sozialen Abstieg zu geraten. Deshalb gehen erkrankte Menschen meist trotzdem zur Arbeit, da die Angst um den Arbeitsplatz ist zu groß ist (vgl. Haurand, Weniger, 2018, S. 10). Beschäftigte, die Ihren Arbeitsplatz gefährdet sehen, sind häufig stressbelastet und weisen ein höheres Risiko für psychische Erkrankungen auf als Personen in sicherer Beschäftigung (vgl. Lampert et al, 2018, S. 308).

2.1.2.3 Einflussfaktor fehlende Ressourcen

Die natürliche Ausstattung des Menschen mit Anpassungsmechanismen und Ressourcen zur Stressbewältigung können mit dem heutigen rasanten Tempo der Evolution sowie der technischen, sozialen und kulturellen Entwicklung nicht mithalten. Eine Neuanpassung der evolutionstechnischen Ausstattung des Menschen dauert über 10.000 Jahre. Daraus entsteht ein Defizit bezüglich der Anpassung in Bezug auf heutige Stressoren (vgl. Haurand, Weniger, 2018, S. 8). In der heutigen hoch industrialisierten Dienstleistungsgesellschaft muss der Einzelne immer mehr soziale, kognitive und emotionale Herausforderungen bewältigen. Psychischer Stress wird erzeugt, Stressrelation scheint im alltäglichen Handeln aber sozial unerwünscht und ist nur noch begrenzt möglich (vgl. Badura, Knesebeck, 2016, S. 198). Seit dem Jahr 2000 ist die Zeit von multiplen Unsicherheiten behaftet (vgl. Haurand, Weniger, 2018, S. 9). Ausschlaggebende Gründe waren die geplatzte „New Economy Blase“ auf dem Aktienmarkt (vgl. Flassbeck, 2001, S. 6ff), Terroranschläge, Finanzkrisen, die Unsicherheit des Euros, Anstieg der Arbeitslosigkeit, Sorge bezüglich des Klimawandels und vor gesundheitlichen Risiken mit Angst als Hauptstressor (vgl. Haurand; Weniger, 2018, S. 10). Diese Angst als starke Emotion überlagert verfügbare Anpassungsmechanismen und führt zu Ablenkung des physiologischen Betrachtungsumfangs (vgl. Easterbrook, 1959 zit. n. Lazarus, Launier, 1981, S. 248). Bestimmte bestehende Persönlichkeitseigenschaften wie Ungeduld, Perfektionismus oder Selbstüberforderung können Stress intensivieren und dadurch Ressourcen herabsetzen (vgl. Scherenberg, Buchwald, 2016, S. 15). Auch negative Vorerfahrungen werden bewusst oder unbewusst bei der Einschätzung einer neuen Situation herangezogen und führen zur Angst, diesen Stressor erneut nicht bewältigen zu können (vgl. Scherenberg, Buchwald, 2016, S. 24). Menschen, die in unsicheren sozialen Verhältnissen groß geworden sind und in ihrer Kindheit körperlicher Gewalt ausgesetzt waren, zeigen im Erwachsenenalter eine erhöhte Stressreagibilität und haben damit reduzierte Ressourcen (vgl. Fries, 2008). Die Art und Weise, wie Menschen Stress bewältigen, scheint wichtiger für Lebensmoral und Gesundheit als die Häufigkeit der Stressepisoden (vgl. Lazarus, Launier, 1981, S. 241). Entscheidend sind die Bewältigungsprozesse („ Coping “) und wie Sie im Lebensstress tatsächlich angewendet werden können (vgl. Cohen; Lazarus, 1973 zit. n. Lazarus; Launier, 1981, S. 242). Als Coping werden alle kognitiven sowie verhaltensmäßigen Bemühungen betitelt, um mit dem Stressor umzugehen und diesen effektiv zu bewältigen (vgl. Franzkowiak, Franke, 2020). Der Wunsch nach Beständigkeit und Stabilität führt in der Stressbewältigung zu Einschränkungen. Wenn Anpassung wirksam sein soll, muss man auf Veränderung eingestellt sein. Stabilität steht für eine unflexible, statische Person ohne Variabilität in der Bewältigungsreaktion. Ist ein Bewältigungsprozess wirksam, besteht trotzdem die Möglichkeit, dass es einen noch Effektiveren gibt. Für die Stressbewältigung ist es am besten, ständig Alternativen zu erproben, um die Variabilität der möglichen Reaktionen zu vervielfachen. Der Mensch lässt sich dazu verleiten, nach Stabilität zu suchen, obwohl Veränderung und Dynamik hier wichtiger erscheinen (vgl. Breznitz zit. n. Lazarus; Launier, 1981, S. 242). Der wichtigste Vermittlungsprozess scheint der kognitive Weg zu sein und beinhaltet Wahrnehmen, Denken und Urteilen. Kognitive Bewertungen verhelfen der Betroffenen zu verfügbaren, unterschiedlichen Bewältigungsstrategien (vgl. Lazarus; Launier, 1981, S. 259). Die Stresssituation kann günstig beeinflusst werden durch die positive Veränderung der eigenen subjektiven Einschätzung einer Situation. Allein diese veränderte Perspektive, aus der die gleiche Situation betrachtet wird, bewirkt eine Stressreduktion (vgl. Scherenberg, Buchwald, 2016, S. 15). Entscheidend ist die eigene Stresswahrnehmung und -verarbeitung, die persönliche Einstellung und Bewertung der Stressoren und der Einsatz von eigenen Bewältigungsressourcen (vgl. Scherenberg, Buchwald, 2016, S. 18). Menschen, die extremem Stress ausgesetzt waren, erlebten einen Zuwachs an innerer Reife und ihre Stärken anschließend bewusster (vgl. Scherenberg, Buchwald, 2016, S. 24).

2.1.3 Chronischer Stress und psychische Gesundheit

Wenn auf Anspannung über einen längeren Zeitraum keine Entspannung folgt, wird Stress zur Belastung und damit zum dauerhaften Gesundheitsrisiko (vgl. TK, 2016, S. 6, 10; Ducki, Greiner, 1992, S.187; Zapf, Semmer, 2004; Scherenberg, Buchwald, 2016, S. 30). Hier ist insbesondere der negative Disstress als schädigend anzusehen (vgl. Caplan et al, 1982 zit. n. Scherenberg, Buchwald, 2016, S. 31). Die alltäglich wiederkehren den kleinen Belastungen im Rahmen von „daily hassles“ wie Auseinandersetzungen mit Kollegen, Verkehrsstau, jegliche lange Wartezeiten oder Beziehungsprobleme haben eine langfristig negative Wirkung durch einen ständig steigenden Cortisol-Spiegel im Körper (vgl. Scherenberg, Buchwald, 216, S. 18; Haurand, Weniger, 2018, S. 10). Der anhaltende Stress unter dauerhafter uneffektiver Ressourceninvestition ohne Stressreduktion kann als Verlustspirale verstanden werden, die immer bitterer wird, je mehr die Ressourcenreserve minimiert wird (vgl. Hobfoll, Buchwald, 2004 zit. n. Scherenberg; Buchwald, 216, S. 20). Langfristige Folgen von Dauerstress sind Frustration, Arbeitsunzufriedenheit sowie ein verschlechterter psychischer und körperlicher Gesundheitszustand, der zu chronischen Folgeerkrankungen führen kann (vgl. Scherenberg, Buchwald, 2016, S. 17). 53% der Personen, die in den vergangenen drei Jahren seelische Beschwerden hatten, beschreiben sich als gestresst. Damit korreliert (chronischer) Stress in hohem Maße mit psychischer Gesundheit (vgl. TK, 2016, S. 10f; Hapke, 2019, S. 20ff). Chronischer Stress hat negative Auswirkungen auf die Schlafregulierung und die Schlafqualität (vgl. Brand, 2018, S. 305) sowie auf Lern-, Gedächtnis- und Aufmerksamkeitsprozesse (vgl. Chrousos, 2009). Auch die Assoziation zwischen Stressbelastung und Depressionen gilt als belegt (vgl. Hammen, 2005). Stress ist damit ein entscheidender Faktor für das Entstehen und Fortschreiten psychischer Auffälligkeiten und Störungen (vgl. Hapke et al, 2013, S. 749). Laut einer Vielzahl von Studien erhöht psychosozialer Stress das Erkrankungsrisiko an bestimmten Tumorarten wie zum Beispiel Brustkrebs (vgl. Rensing, Rippe, 2009, S. 787). Chronischer Stress führt zur Degeneration von Nervenzellen im zentralen Nervensystem. Das Volumen des Hippocampus, der die Gefühlsverarbeitung des Menschen steuert, nimmt signifikant ab. Die Struktur der Nervenzellen ist pathologisch verändert und deren Neuaufbaurate herabgesetzt. Auch die Gedächtnisleistung und das Gefühlsleben ist negativ verändert (vgl. Weniger, 2018, S. 214f). Stresssituationen sind mit einer hyperaktiven Amygdala verbunden (vgl. Hölzel et al, 2010, S. 13). Der Entgegenwirkung von Stress und psychischen Erkrankungen mit teilweise verbundenen langen Ausfallzeiten kommt eine besondere Bedeutung zu (vgl. Meyer et al, 2018, S. 360), da es für den Betroffenen, für Unternehmen sowie für die Krankenversicherungen eine hohe Belastung darstellt und vielseitige und folgenreiche Kosten verursacht. Neben Fehlzeiten und Produktivitätsverlust für Organisationen trägt der Mensch selbst die Kosten für die herabgesetzte Lebensqualität und die gesundheitlichen Nachteile (vgl. Elfering et al, 2018, S. 129). Im Jahr 2017 lagen psychische Erkrankungen auf Platz drei des Fehlzeitengeschehens (11,2%) und sind damit im Vergleich zum Vorjahr um 0,2% angestiegen. Seit 2008 haben die Krankheitstage aufgrund psychischer Erkrankungen um 67,5% zugenommen, was die Wichtigkeit der Vorsorge in diesem Krankheitsfeld deutlich macht (vgl. Meyer et al, 2018, S. 331). Die durchschnittliche Falldauer psychischer Erkrankungen war in 2017 mit 26,1 Tagen je Fall mehr als doppelt so hoch wie der Durchschnitt aller somatischen Erkrankungen (11,8 Tage) (vgl. Meyer et al, 2018, S. 331). Eine Befragung von Mitgliedern der BKK kam hier sogar auf eine durchschnittliche Krankheitsdauer von 38,9 Tagen pro Fall im Bereich der psychischen Störungen. Damit liegen diese Erkrankungen auf die Länge der Krankheitsdauer bezogen nach wie vor an der Spitze (vgl. Rennert et al, 2018, S. 46). Diese Untersuchung zeigt auch auf, dass in 2017 bei 30-39-jährigen Frauen die AU-Tage (12.084 bei 30-34-jährgen, 13.514 bei 35-39-jährigen Frauen) und AU-Fälle (1.196 bei 30-34-jährgen, 1.205 bei 35-39-jährigen Frauen) höher waren als bei Männern (AU-Tage: 10.393 bei 30-34-jährgen, 12.049 bei 35-39-jährigen; AU-Fälle 1.039 30-34-jährgen, 1.089 bei 35-39-jährigen, alle Zahlen bezogen auf je 1.000 Mitglieder.) (vgl. Rennert et al, 2018, S. 50). Die meisten Fehltage aufgrund psychischer Erkrankungen entfielen dabei auf 35-39-jährige (13,5%) und auf 30-34-jährige (13,2%) Frauen (vgl. Meyer et al, 2018, S. 332f, 361). Auch die Befragung der BKK-Versicherten bestätigt, das bei 30-39-jährigen Frauen psychische Störungen die meisten AU-Tage ausmachen (vgl. Rennert et al, 2018, S. 52). Die Deutsche Angestelltenkrankenkasse (DAK) bestätigt, dass Frauen in 2018 fast doppelt so oft wegen Seelenleiden krankgeschrieben waren als Männer (vgl. DAK, 2019, S. 2). Psychische Erkrankungen liegen bei Frauen nach den Muskel-/Skeletterkrankungen auf Platz zwei (vgl. Meyer et al, 2018, S. 332f, 361; Rennert et al, 2018, S. 51). Die Anzahl der AU-Tage durch psychische Störungen hat bei Frauen von 2007 (1.589 Tage auf 1.000 Mitglieder) bis 2017 deutlich zugenommen (3.553 Tage auf 1.000 Mitglieder) (vgl. Rennert et al, 2018, S. 56). In 2017 war bei Frauen die häufigste AU-Ursache die Diagnose „Reaktionen auf schwere Belastungen und Anpassungsstörungen“ (ICD-10-Code F43), die 297 AU-Fälle mit 786 AU-Tagen je 1.000 Mitglieder zählte (vgl. Rennert et al, 2018, S. 55ff). Frauen gehen vor allem Berufen nach, die Kontakt mit Menschen wie Kunden und Patienten beinhalten, was eine hohe psychische Belastung mit sich bringt. Weiter sind psychische Erkrankungen besonders in der Branche des Gesundheits- und Sozialwesens vorzufinden (vgl. Meyer et al, 2018, S. 332f, 352; Rennert et al, 2018, S. 78ff; DAK, 2019, S. 2). Spitzenreiter ist die Altenpflegebranche mit 5.481 AU-Tagen je 1.000 Personen in 129 AU-Fällen mit 42,5 Tagen je Krankheitsfall (vgl. Rennert et al, 2018, S. 93). Auch als Ursache in der Frühinvalidität haben psychische Erkrankungen zugenommen. Fast jede zweite Frühberentung (43%) geht auf psychisch bedingte Erwerbsminderung zurück (vgl. Deutsche Rentenversicherung Bund, 2016 zit. nach Meyer et al, 2018, S. 360).

2.2 Hintergründe zur digitalen Stressprävention

Durch die demografische Entwicklung mit Rückgang der Geburtenrate und einem Anstieg der pflegebedürftigen Menschen besteht die Gefahr, dass soziale Sicherungssysteme wie die dGKV zukünftig in Not geraten. Eine abnehmende Zahl an Beitragszahlern bei gleichzeitig zunehmenden Ausgaben lassen die Kosten der Leistungsträger weiter ansteigen. Deutschland muss mehr in Prävention investieren und damit mehr Verantwortung für die eigene Gesundheit übernehmen (vgl. Andelfinger, 2016, S. 25). Der überwiegende Teil der deutschen Bürger ist es gewohnt, sich erst dann um seine Gesundheit zu kümmern, wenn diese bereits beeinträchtigt ist. Er hat stets die Gewissheit, fachliche Einrichtungen um sich herum zu haben, die alle Beeinträchtigungen beheben. Deutschlands Gesundheitssystem ist ein „Reparaturbetrieb“. Ärzte werden derzeit überwiegend für Behandlung und nicht für Krankheitsvermeidung bezahlt (vgl. Andelfinger, 2016, S. 26). Aktuell legt das Gesundheitssystem in Deutschland seinen Schwerpunkt auf Therapie und Kuration (vgl. Hurrelmann et al, 2018, S. 29). Durch die Veränderung des Krankheitsspektrums ist eine Weiterentwicklung der Versorgungstrukturen und des bisher vorherrschenden Versorgungsmodells zwingend notwendig (vgl. Hurrelmann et al, 2018, S. 30). Experten sind sich einig, dass die Kosten der Gesundheitsversorgung zukünftig nur noch mit deutlich mehr Verantwortung der Versicherten und der Patienten zu bewältigen sind. Das beinhaltet neben der Verantwortung während einer Behandlung auch die Verantwortung für Prävention (vgl. Andelfinger, 2016, S. 26). Eine Ausrichtung des Versorgungssystems auf aktivierende Prinzipien (wie die Stärkung der Gesundheitskompetenz) ist im Rahmen des zukünftig weiter ansteigenden Versorgungsbedarfs obligat (vgl. Hurrelmann et al, 2018, S. 30). Es ist belegt, das präventive Maßnahmen in den Bereichen Ernährung, Bewegung, Stress und Entspannung positive Auswirkungen auf die Gesundheit, die Leistungsfähigkeit und die Lebenserwartung haben (vgl. Andelfinger, 2016, S. 26). Es ist zwingend notwendig, in der Bevölkerung mehr Gesundheitskompetenz bezüglich der Prävention aufzubauen. Nur Menschen, die wissen, was gesund ist, können richtige Entscheidungen für positive Veränderungen hinsichtlich ihres Gesundheitsverhaltens treffen (vgl. Andelfinger, 2016, S. 27).

2.2.1 Definition und Wirkung der Prävention

Bereits vor über 2000 Jahren formulierte Hippokrates mit dem Satz „Schön ist es, für die Kranken besorgt zu sein, ihrer Gesundheit wegen; viel schöner, für die Gesunden besorgt zu sein, ihres Nichterkrankens wegen“ (Hippokrates, 400 Jahre v. Chr. zit. n. Frank, 2010, S. 100) einen ersten Grundgedanken, der Krankenvorsorge betraf. Die moderne Prävention entsprang im 19. Jahrhundert der Sozialmedizin aus der Debatte um die Hygiene und die Volksgesundheit. Die Begrifflichkeiten Vorbeugung, Vorsorge, Prophylaxe und Prävention beschreiben allesamt Interventionen, die zur Vermeidung des Auftretens von Krankheiten und damit der Verringerung ihrer Ausbreitung sowie der Abmilderung von deren Auswirkungen zum Ziel haben. Die zentrale Strategie besteht darin, Auslöser von Krankheiten zurückzudrängen oder komplett auszuschalten, Folgestörungen zu vermeiden und Folgekrankheiten zu reduzieren. (vgl. Hurrelmann et al, 2016, S. 661f, 665; Hurrelmann et al, 2018, S. 23ff). Voraussetzung ist die Kenntnis über die unterschiedlichen Entwicklungs- und Verlaufsstadien des Krankheitsgeschehens (vgl. Hurrelmann et al, 2016, S. 663). Durch eine gezielte präventive Maßnahme wird zu einem bestimmten Zeitpunkt, an dem Risikofaktoren oder erste Krankheitszeichen auftreten, aktiv in die Dynamik der sozialen, psychischen und physischen Pathogenese eingegriffen, die einen positiveren Verlauf nehmen soll, als es ursprünglich erwartet wird. Durch gezielte Aktivität wird eine Gesundheitsschädigung weniger wahrscheinlich, Krankheitslast reduziert und damit ein Gesundheitsgewinn erzielt (vgl. Hafen, 2005). Krankheitsprävention lässt sich in verschiedene Strukturen differenzieren. Hier werden der Zeitpunkt, die Zielgruppe und die Zielsetzung unterschieden (vgl. Hurrelmann et al, 2016, S. 665f). Caplan entwickelte 1964 die heute noch bekannteste Einteilung nach dem Interventionszeitpunkt und unterschied in Primär-, Sekundär- und Tertiärprävention. Primärprävention soll die Inzidenz einer Erkrankung senken, Sekundärprävention zielt auf eine Senkung der Prävalenzrate ab und Tertiärprävention soll eine Chronifizierung einer Krankheit vermeiden (vgl. Caplan, 1964 zit. n. Kryspin-Exner; Pintzinger, 2018, S. 36; Hurrelmann et al, 2016, S. 666). Bezüglich der Zielgruppe werden universelle und zielgruppenspezifische Ansätze unterschieden. Universelle Strategien sind ohne eine bestimmte Auswahl ihrer Empfänger konzipiert und werden flächendeckend oder bevölkerungsweit ausgerichtet. Zielgruppenspezifische Strategien sprechen hingegen nur bestimmte Segmente der Bevölkerung, eine bestimmte Zielgruppe an. Ein zentrales Kriterium ist hier der Risikostatus für spezifische Störungen in bestimmten Personengruppen (vgl. Leppin, 2018, S. 50). Bezüglich des strategischen Ansatzpunktes wird in Verhaltens- und Verhältnisprävention unterschieden. Verhaltensprävention nimmt Einfluss auf den individuellen Gesundheitszustand oder das individuelle Gesundheitsverhalten (vgl. Hurrelmann et al, 2016, S. 672). Verhältnisprävention nimmt Einfluss auf Gesundheit oder Krankheit, indem Lebensbedingungen oder die Umwelt von Personen beeinflusst werden. Dazu gehören auch politische und gesetzliche Vorgaben (vgl. Leppin, 2018, S. 51f). Das Handlungsfeld Stress bildet in der Prävention neben Ernährung, Bewegung und Sucht eine der vier großen Säulen (vgl. GKV-Spitzenverband, 2018, S. 49f). Ob präventive Handlungen umgesetzt werden, hängt von inneren Einstellungen ab. Diese werden im Vorfeld durch automatisch abgerufene positive Assoziationen geprägt (vgl. De Houwer et al, 2009). Positive Auswirkungen und damit verbundene Belohnungen sind als Verhaltensbeschleuniger zu sehen und werden vom Schweregrad, der Überzeugungsstärke und dem zeitlichen Eintritt der positiven Konsequenz beeinflusst (vgl. Kreddig, Karimi, 2013, S. 36, 38). Lernt der Mensch aus Freude und damit aus intrinsischer Motivation, wird das Erlernte im Gehirn an einer bestimmten Stelle abgespeichert, wo es mit kreativen, entwicklungs- und wachstumsorientierten Perspektiven verbunden wird (vgl. Spitzer, 2002). Daraus resultierend führt eine positive gefühlsmäßige Beteiligung zu einer höheren Stressbewältigungskompetenz. Um die Wahrscheinlichkeit der positiven Verhaltensänderung zu erhöhen, sind motivationale Ziele und emotionale Beteiligung von wichtigem Ausmaß (vgl. Scherenberg, 2016, S. 48). Positive Emotionen sind damit ein Schlüssel für das Unterbewusstsein. (vgl. Häusel, 2007). Mit präventiven Maßnahmen können sowohl das Motiv der Stimulation als auch die Dominanz angesprochen werden. Die Gewichtung der Motive ist dabei abhängig von Alter, Geschlecht, sozialem Status und dem Gesundheitszustand. Bei Frauen steht eher Sicherheit im Vordergrund, bei Männern eher die Dominanz (vgl. Scherenberg, 2016, S. 49).

2.2.2 Stressprävention bei erwachsenen Frauen

Angesichts der beschriebenen fehlenden Ressourcen, der Stresschronifizierung und der Häufigkeit von Stressoren im Alltag werden Bedeutung und potentieller Nutzen von Interventionen der Stressprävention deutlich (vgl. Siegrist, Knesebeck, 2018, S. 271). Stressprävention, Stressbewältigung oder Stressmanagement (SM) beschreiben verhaltensorientierte und intrapsychische Anstrengungen gegenüber Stress, aber auch das Vermeiden, Aushalten und Tolerieren (vgl. Lazarus, Launier, 1981, S. 213ff). Es lassen sich drei Hauptwege des individuellen SMs differenzieren. Das instrumentelle SM hat zum Ziel, Stressoren zu reduzieren oder ganz auszuschalten (vgl. Kaluza, 2018, S. 63). Das mentale SM greift an persönlichen Stressverstärkern an. Stressverschärfende Motive, Einstellungen und Denkmuster sollen in stressvermindernde, förderliche Denkmuster und Einstellungen transformiert werden. Das regenerative SM beeinflusst die Regulierung und Kontrolle der physiologischen und psychischen Stressreaktion. Stressemotionen wie Angst, Ärger oder Kränkung sollen in ihrer Intensität gemildert werden und damit den quälenden Spannungszustand reduzieren (vgl. Kaluza, 2018, S. 64). Erfolgreiches Stressbewältigungsverhalten ist mit der Kompetenz verbunden, die eigenen Kontrollmöglichkeiten der jeweiligen Situation entsprechend real einschätzen zu können. Effektiv sind auch positive Neubewertungen im temporalen („Wie geht es mir im Vergleich zum letzten Jahr?“) oder sozialen Bereich („Wie geht es mir im Vergleich zu anderen?“) (vgl. Kaluza, 2018, S. 66). Im Rahmen der Stressprävention geht von verhältnispräventiven Maßnahmen mehr positive Wirkung aus als von verhaltenspräventiven Maßnahmen (vgl. Siegrist, Knesebeck, 2018, S. 272). Im Vergleich zu unspezifischen, allgemeinen Maßnahmen sind spezifische, zielgerichtete Programme, die auf Evidenz beruhen mit einer höheren Wahrscheinlichkeit der Wirksamkeit behaftet (vgl. Mohr, Semmler, 2002). Im Rahmen der Ressourcen weisen Frauen im Vergleich zu Männern eine kritischere Wahrnehmung bezüglich gesundheitsrelevanter Themen auf und setzen sich auch intensiver mit Gesundheitsproblematiken auseinander (vgl. Christsteiner, 1999). Frauen leben eher ein ganzheitliches Gesundheitsverständnis, sind sich der Bedeutung mehr bewusst und demnach für Präventionsmaßnahmen besser zugänglich als Männer (vgl. Merbach, Brähler, 2018, S. 424). Auf der anderen Seite zeigen Frauen im Vergleich zu Männern ein niedrigeres Kohärenzgefühl (vgl. Singer, Brähler, 2007, S. 24), welches als Bewältigungsressource dienen würde, indem die Widerstandsfähigkeit gegenüber Stressoren gestärkt wird (vgl. Antonovsky, 1987 zit. n. Merbach, Brähler, 2018, S. 424). Frauen weisen eine höhere Klagsamkeit auf und nehmen das medizinische System öfter im Anspruch als das männliche Geschlecht (vgl. Merbach, Brähler, 2018, S. 428).

2.2.3 Digitalisierung in der Prävention und Gesundheit

Deutschland ist zunehmend auf dem Weg zur digitalen Gesellschaft (vgl. Bundesverband für digitale Wirtschaft, 2013, S. 71). Die Digitalisierung im Gesundheitswesen kann für die Prävention wichtige Unterstützung leisten (vgl. Bertelsmann Stiftung, 2016, S. 2). Durch die breite und vielfältige Nutzung des Internets sind Inhalte und Informationen zu Gesundheit nahezu überall und zu jeder Zeit zugänglich. Menschen können sich diese Informationen selbst beschaffen und sind nicht mehr von Dritten abhängig (vgl. Andelfinger, 2016, S. 27). In Deutschland rangiert das Internet als Informationsquelle für Gesundheitsthemen auf Platz eins (vgl. GfK Verein und GfK Switzerland, 2014, S. 6). Auch die dGKV nutzen das Internet, um multiple Gesundheitsinformationen für Ihre Versicherten kostengünstig zur Verfügung zu stellen (vgl. Scherenberg, 2011, S. 214).

2.2.3.1 Digitales Mediennutzungsverhalten in Prävention und Gesundheit

Die zunehmende Digitalisierung sorgt dafür, dass immer mehr Menschen heute selbstverständlich mit digitalen Medien aufwachsen (vgl. Rutz et al, 2016, S. 116), was nachhaltig auch das Mediennutzungsverhalten von 30-39-jährigen Frauen verändert. Immer mehr Menschen besitzen ein Smartphone (vgl. Bundesverband für digitale Wirtschaft, 2013, S. 71), dass sie den ganzen Tag angeschaltet bei sich tragen (vgl. Miller, 2012). Besonders die Zahl der Unterwegsnutzer ist mit dessen Aufkommen deutlich gestiegen. In 2018 waren 63,3 Mio. Bundesbürger online, was einem Anteil von über 90% der Gesamtbevölkerung entspricht (vgl. Frees, Koch, 2018, S. 398). Das Smartphone wird dabei am häufigsten als mobile Internetzugangsquelle genutzt (vgl. Frees und Koch, 2018, S. 412). Im Rahmen der ARD/ZDF-Onlinestudie wurden Personen ab 14 Jahren zur Häufigkeit der täglichen Internetnutzung von unterwegs aus befragt. Diese stieg bei Frauen von 2016 bis 2018 von 24% auf 36%. Bei den 30-49-jährigen (hier bezogen auf beide Geschlechter) ist die Häufigkeit der Unterwegsnutzung von 2016 bis 2018 von 36% auf 49% gestiegen und liegt damit über dem Tagesdurchschnitt der mobilen Nutzung (37%) (vgl. Frees und Koch, 2018, S. 401, 403). Die nachfolgende Abbildung visualisiert die genannten Zahlen, die die tägliche Nutzung in Prozentangaben darstellen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Tägliche Nutzung des Internets von Unterwegs (Frees, Koch, 2018, S. 403)

Insbesondere die Markteinführung des Apple iPhone 1G im Jahr 2007 kann als wegweisend betrachtet werden, da sich von diesem Zeitpunkt an der App-Markt entwickeln konnte. Mit dem Slogan „there‘s an App for that“ wurde der Apple App Store 2008 eröffnet. Begonnen wurde hier mit zunächst 500 verschiedenen Apps, in 2013 waren bereits 850.000 verfügbar (vgl. Pramann, Albrecht, 2014, S. 1ff). Im Jahr 2016 nutzten 90% der Smartphone-Nutzer Android oder iOS-Geräte (vgl. Semler, 2016, S. 195). Apps sind ein wachsender Sektor, der auch zunehmend Einzug in die Gesundheitsversorgung nimmt (vgl. Pramann, Albrecht, 2014, S. 1ff). Der durchschnittliche Nutzer berührt sein Smartphone 2.617-mal am Tag und verbringt 145 Minuten an seinem Gerät, wobei Extremnutzer sogar auf 5.427 Berührungen und 225 Minuten täglich kommen (vgl. Dscout INC, 2016, S. 8).

2.2.3.2 Präventions-Apps

Gesundheits- und Präventions-Apps sind nach wie vor auf dem Vormarsch (vgl. Scherenberg, Kramer, 2013, S. 45). Laut einer Umfrage durch Bitkom nutzen 45% der Deutschen Gesundheits-Apps (vgl. Bitkom, 2017) und rund jeder dritte (32,9%) Smartphone-Besitzer hat mindestens eine Gesundheits-App aus dem Bereich Bewegung oder Ernährung installiert (vgl. Fittkau & Maaß Consulting, 2015). Eine Möglichkeit der Kategorisierung von Gesundheits-Apps in drei Bereiche stammt von Peters und Klenke. Sie beschreiben die professionelle Ebene, die Verwaltungsebene und die Verbraucherebene, welche in dieser Arbeit die Hauptrolle einnimmt. Diese umfasst alle Anwendungen aus dem privaten Gebrauch, die der Aufrechterhaltung oder Steigerung der eigenen Gesundheit dienen (vgl. Peters, Klenke, 2016, S. 111f; Pramann, Albrecht, 2014, S. 5). Auch Apps, die durch Wissensbildung sowie Aufklärung die Stärkung der Gesundheitsressourcen ansteuern, werden hier berücksichtigt (vgl. Scherenberg, Liegmann, 2018, S. 246). Präventions-Apps dokumentieren, analysieren und informieren die Nutzerin und sollen dabei unterstützen, Verhaltensänderungen besser anzustoßen, die Compliance von Usern zu verbessern und Risikofaktoren zu minimieren (vgl. Becker et al, 2012, S. 744; Evers-Wölk et al, 2018, S. 9; Scherenberg, 2018, S. 234). Sie sind als ganzheitliche, mobile Anwendungssoftware zu sehen, die eine Verbesserung des körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens anhand wissenschaftlicher Erkenntnisse zum Ziel haben (vgl. Strotbaum, Reis, 2017, S. 361ff). Digitale Aufklärung, Bildung und Beratung haben Potential (vgl. Bertelsmann Stiftung, 2016, S. 2, 5). 70% der Nutzer sind offen dafür, mit Hilfe von Apps über Gesundheitsthemen informiert zu werden und gesundheitsbezogene Verhaltensratschläge zu erhalten (vgl. Bitkom, 2017). Weiter erleichtern Apps die ausführliche Beobachtung der eigenen Gesundheit und helfen dem Individuum, das Wissen über die eigene Gesundheit zu vertiefen und damit eine Verbesserung im Gesundheitsverhalten zu erreichen (vgl. Lupton, 2015, S. 5). In Apps lassen sich gesundheitsrelevante Impulse kostengünstig und maßgefertigt vermitteln. Die Anwendung erfolgt im privaten, geschützten Umfeld ohne Stigmatisierungen, die in personellen Angeboten der Gesundheitsberatung vorkommen könnten (vgl. Morris, Aguilera, 2012). Befürworter erkennen eine Schärfung der Körperwahrnehmung durch dessen Anwendung (vgl. Pritz, 2016, S. 143). Das Angebot von Präventions-Apps bei Krankenkassen ist mit Hinblick auf die Versorgungsverbesserung oder für Wirksamkeitsuntersuchungen relevant, da Krankenkassen über den Zugang zu wichtigen Nutzergruppen sowie auch über das relevante Systemwissen verfügen (vgl. Evers-Wölk et al, 2018, S. 75). Sie engagieren sich stark im Bereich der Primärprävention (vgl. Scherenberg, Kramer, 2013, S. 47). Der offensichtlich nachhaltige Trend, dass Menschen sich für Gesundheit interessieren und dabei zunehmend Apps auf Smartphones nutzen, ist eine große Möglichkeit für die dGKV, ihre Produkte und Dienstleistungen zu verbessern und dabei dem Wunsch der Menschen nach Lebensbegleitung, Ratschlägen und Beistand beim Erhalt ihrer Gesundheit nachzukommen (vgl. Andelfinger, 2016, S. 28; GKV-Spitzenverband, 2018, S. 16). Die sichtbare Beliebtheit von Gesundheits-Apps bietet den dGKV neue Möglichkeiten der Zielgruppenerreichung. Sie nutzen dieses Instrument, um ihrer gesetzlichen Pflicht in der Aufklärung und Beratung nachkommen (§1 SGB V) sowie zur präventiven Kosteneinsparung und zur Neukundengewinnung (vgl. Scherenberg, Kramer, 2014, S. 51, 53). Um (Stress-) Apps im vollen Umfang nutzen zu können, benötigen Nutzerinnen drei Zugangsschlüssel: Gesundheitskompetenz (GK), Medienkompetenz (MK) und Vertrauen (vgl. Kramer, 2015, S. 90; Kramer, Lucht, 2015a, S. 15). GK beschreibt die Fähigkeit, Gesundheitsinformationen zu finden, zu verstehen, zu beurteilen und sie anzuwenden, damit angemessene Entscheidungen zur Gesundheit getroffen werden können. GK beinhaltet Wissen, Motivation und Handlungskompetenz (vgl. Faltermaier, 2018, S. 107). Sie wird in Bereichen der Krankheitsbewältigung und Prävention für die Person selbst und seinen Nächsten benötigt. Eine gute GK befähigt dazu, eine bestimmte Lebensqualität während des gesamten Lebens zu erhalten und zu verbessern (vgl. Sørensen et al, 2015). In einer Befragung mit 997 Frauen wiesen 7,5% eine exzellente, 37% eine ausreichende, 45% eine problematische und sogar 10,4% eine inadäquate GK auf (vgl. Schaeffer et al, 2016, S. 8). Im Rahmen der MK müssen Nutzerinnen in der Lage sein, die für sie hilfreichen Apps aufzufinden, auszuwählen und diese sicher zu bedienen, um die eigenen Ressourcen gesundheitsförderlich stärken zu können oder den Zugang zu ihnen zu erleichtern (vgl. Kramer, 2015, S. 90). Es ist eine gesteigerte Lese- und Schreibfähigkeit mit wahrnehmenden, analytischen, interpretativen, bewertenden und gestalterischen Komponenten erforderlich (vgl. Schulz-Zander, 1998 zit. n. Schulz-Zander, Tulodziecki, 2011, S. 43). Weiter muss die Nutzerin Bilder analysieren und interpretieren können sowie eine Kompetenz zur Entschlüsselung von Informationen in Medienbotschaften besitzen. Die Chance der Persönlichkeitsentfaltung kann hier genutzt werden. Online-Lernen kann einen Beitrag zur Weiterentwicklung der Medienkompetenz leisten und damit eine Voraussetzung für gesellschaftliches Handeln schaffen (vgl. Schulz-Zander, Tulodziecki, 2011, S. 43ff). Eine kritische Auseinandersetzung mit der Auswahl und dem Umgang von Präventions-Apps ist im Rahmen der Qualitätsbeurteilung unentbehrlich und verbindet MK und GK eng miteinander (vgl. Scherenberg, 2018, S. 42). Nur die Nutzerinnen, die Vertrauen aufbauen und in Apps hilfreiche, glaubwürdige und sichere Unterstützung vermuten, werden diese auch nutzen. Vertrauen hat daher hohe Priorität für die Akzeptanz und Nutzung des digitalen Angebots (vgl. Kramer, 2015, S. 90; Kramer, Lucht, 2015a, S. 15; Scherenberg, 2015a, S. 29).

2.2.3.3 Qualität und Wirksamkeit von Stress-Apps

Wirksamkeit und Nutzen hängt von Qualität ab (vgl. Ärztliches Zentrum für Qualität in der Medizin, 2020). Ohne eine Wirksamkeit entsteht kein Nutzen (vgl. Köbberling, 2009, S. 249f). Effektivität kann als Kriterium für den Zielerreichungsgrad gesehen werden (vgl. Scherenberg, 2011, S. 180). Die Effizienz beschreibt im Rahmen der Zielerreichung die Eignung und Zweckmäßigkeit (vgl. Scherenberg, 2011, S. 181) eines Produktes. Präventions-Apps fallen im Medizinproduktegesetz überwiegend unter die Risikoklasse I, da sie keinen definierten medizinischen Zweck erfüllen (vgl. Kramer, Lucht, 2015a, S. 7f; GKV-Spitzenverband, 2019, S. 5). In dieser Risikoklasse gibt es aktuell keine rechtlichen Regelungen für den Marktzugang und solche werden in naher Zukunft auch nicht angestrebt (vgl. GKV-Spitzenverband, 2019, S. 5). Damit dürfen Präventions-Apps ohne vorherige Prüfung auf den Markt gegeben werden (Scherenberg, 2019, S. 225). Der App-Markt ist intransparent. Die dynamische Entwicklung (vgl. Scherenberg, 2019, S. 225), mangelnde fundierte Orientierungshilfen, eine mangelnde Studienlage zu spezifischen Qualitätskriterien für (Stress-) Apps (vgl. Evers-Wölk et al, 2018, S. 91f; Scherenberg, 2015a, S. 28) sowie kaum Evidenz bezüglich der Wirksamkeit (vgl. Bertelsmann Stiftung, 2016, S. 1, 5, 7) stellen zusätzliche Schwierigkeiten dar. Dazu ist die Marktentwicklung bisher primär angebotsorientiert und noch zu wenig an Bedürfnissen der Prävention ausgerichtet (vgl. Bertelsmann Stiftung, 2016, S. 1, 6). App-Store Anbieter überprüfen Apps vor der Veröffentlichung lediglich auf technische Mängel (vgl. Scherenberg, Liegmann, 2018, S. 246f). Zur Qualitätsbeurteilung speziell von Stress-Apps (der dGKV) sind individuell zugeschnittene Qualitätskriterien erforderlich. Diese können Nutzerinnen Orientierungshilfe geben (vgl. Scherenberg, 2019, S. 225), Rückschlüsse auf die Qualität und den persönlichen Nutzen aufzeigen (vgl. Scherenberg, Kramer, 2013, S. 47) und damit positiv auf die Wirksamkeit einwirken (vgl. Scherenberg, 2015a, S. 29). Allgemeingültige Qualitätskriterien für Präventions-Apps sind hier nur eingeschränkt anwendbar, da sie die spezifischen Anforderungen einer Stress-App nicht hinreichend beleuchten. Zugeschnittene Qualitätsstandards können dem ohnehin schon bestehenden Trend von Präventions-Apps weiteren Aufwind verleihen. Sie können das Vertrauen in neue Medien stärken und damit helfen, deren Potenzial für die Gesundheitsverbesserung noch besser zu nutzen (vgl. Kramer, Lucht, 2015a, S. 5) sowie evidenzbasierte Strategien im SM an die Nutzerin liefern (vgl. Coulon et al, 2016, S. 95).

3. Methodisches Vorgehen

Die Methodik gliedert sich in eine Sekundärforschung und eine darauf aufbauende Primärforschung. Da es sich in der Forschungsfrage um eine qualitative Betrachtung handelt, ist eine alleinige Literaturrecherche im Rahmen der Sekundärforschung zur Beantwortung nicht ausreichend und die Erhebung von Primärdaten notwendig. Zunächst wird die Sekundärforschung beschrieben, und anschließend auf die Primärforschung eingegangen. Die Gesamtheit der Forschung mit systematischer Sammlung, Aufbereitung und Analyse von empirischen Daten hat den wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn als Ziel (vgl. Döring, Bortz, 2016, S. 5).

3.1 Sekundärforschung

Bei der Sekundärforschung werden nach Beschaffung der Originaldaten die bestehenden Datensätze auf die Fragestellung operationalisiert, neu bewertet, analysiert und ausgewertet (vgl. Bortz, Döring, 2016, S. 191). Im Rahmen einer systematischen Literaturanalyse wird ermittelt, welche Maßnahmen, Elemente, Interventionen oder Inhalte in einer Stress-App aus wissenschaftlicher Sicht die Wahrscheinlichkeit der Wirksamkeit erhöhen können. Ziel ist, aus den Befunden einen zusammenfassenden Kriterienkatalog zu erstellen, anhand dessen eine Qualitätsbeurteilung von Stress-Apps (der GKV) möglich ist. Dabei wird sich auf gesundheitsbezogene Inhalte, die Usability und User Experienc[SB3] e konzentriert. Um einen positiven Gesundheitsbeitrag leisten zu können, müssen neben gesundheitlichen, didaktischen und technischen Merkmalen (vgl. Scherenberg, 2015a, S. 28) auch inhaltliche und verhaltenspsychologische Aspekte (vgl. Scherenberg, Liegmann, 2018, S. 245) berücksichtigt werden. Mit Usability ist die Brauchbarkeit, Nutzbarkeit oder Nutzungsqualität gemeint (DIN EN ISO 9241-11 zit. n. Pataki et al, 2005, S. 213ff). Sie beschreibt, wie gut die Nutzerin dabei unterstützt wird, mit dem Produkt ihre Ziele zu erreichen. Je effektiver, effizienter und einfacher die Handhabung einer App ist, desto höher ist die Usability. Effizienz beschreibt hierbei, wie wirkungsvoll ein Produkt die ihm zugedachte Aufgabe erledigt. Je schneller diese gelöst wird, desto effizienter arbeitet das Produkt (vgl. Semler, 2016, S. 199). Das Fraunhofer Institut bezeichnet Usability auch als eine pragmatische Qualität im Hinblick auf Zielerreichung. Das beinhaltet eine leichtere Erlernbarkeit von Systemen, eine geringe Fehlerrate bei der Anwendung, eine gesteigerte Produktivität, niedrigere Schulungskosten und eine verbesserte Benutzerakzeptanz (vgl. Frauenhofer FIT, 2010 zit. nach Ecker, 2015, S. 9). Der Begriff User Experience beschreibt die Wahrnehmungen und Reaktionen einer Person, die aus der tatsächlichen und erwarteten Benutzung eines Produkts erfolgen. Diese resultiert aus der Darstellung, Funktionalität, Systemleistung, dem interaktiven Verhalten und den unterstützenden Ressourcen eines Systems, sowie auch aus den Erfahrungen, Einstellungen, Fähigkeiten, Gewohnheiten und der Persönlichkeit der Nutzerin. Mit einer entsprechenden User Experience können geeignete, auf Menschen bezogene Verfahren, die Wahrscheinlichkeit deutlich erhöhen, dass ein Vorhaben erfolgreich umgesetzt werden kann (vgl. DIN ISO 9241-210 zit. n. Heimgärtner, 2017, S. 105f). Die Grundsätze von Usability und User Experience sollen bei der Entwicklung von Elementen zum Lernen konsequent angewendet werden (vgl. Ecker, 2015, S. 2).

Um die Anzahl der einzelnen Kriterien für den Kriterienkatalog übersichtlich zu halten, soll diese 20 nicht übersteigen. Die Literaturrecherche wird anhand der elektronischen Springer-Datenbank und PubMed durchgeführt (vgl. Döring, Bortz, 2016, S. 906). Weiter werden Studien, Fachbücher und Fachartikel berücksichtigt und auch Publikationen von öffentlichen Institutionen wie Krankenversicherungen oder Ministerien. Der Abruf- und Recherchezeitraum beläuft sich auf Februar und März 2020. Dabei wird insbesondere Literatur der letzten sechs Jahre berücksichtigt (Jahrgang 2014 - 2020). Digitalisierung in der Prävention, im Krankenkassenwesen sowie auch Stress-Apps sind ein aktuelles, innovatives Thema. Es wird sich auf nationale Studien beschränkt, da sich gesellschaftliche und politische Rahmenbedingungen stark unterscheiden. Für die Suche nach wissenschaftlichen Quellen kommen folgende Schlagworte zur Anwendung[HG4] (vgl. Döring, Bortz, 2016, S. 158): „App“, „Applikation“, „Digitalisierung“, „Effizienz, „Frauen“, „Instrument“, „Intervention“, „Maßnahme“, „mental health“, „mhealth“, „Prävention“, „Qualität“, „Primärprävention“, „Stress“ und „Wirksamkeit“. Zur Erweiterung des Suchspektrums werden alle Suchbegriffe mit einer UND/ODER-Verknüpfung angewendet wie beispielsweise „Stress AND mental Health“ oder „Apps OR Application“. Alle aufgeführten Begriffe werden zur Erweiterung des Suchspektrums ins Englische übersetzt. Es wird deutsch- und englischsprachige Literatur berücksichtigt (vgl. Döring, Bortz, 2016, S. 94, 158), Veröffentlichungen in anderer Sprache werden ausgeschlossen. Bedingung für die Aufnahme eines Qualitätskriteriums in den Kriterienkatalog ist, dass im Rahmen der Literaturrecherche mindestens drei valide, evidente Quellen aufgezeigt werden können, aus denen eine hohe Wahrscheinlichkeit der Wirksamkeit hervorgeht, belegt wird oder in hohem Maße vermutet werden kann. Das Kriterium bzw. die Intervention müssen in eine App integriert oder darin umgesetzt werden können. Abschließend werden die ermittelten Qualitätskriterien in einem Kriterienkatalog zusammengefasst (vgl. Döring, Bortz, 2016, S. 107).

3.2 Primärforschung

Im Rahmen einer Primärforschung werden die Daten selbstständig erhoben und ausgewertet (vgl. Bortz, Döring, 2016, S. 191, 612). Diese Forschungsmethode wird durch das Screening der verfügbaren Stress-Apps der dGKV umgesetzt. Screening beschreibt hier ein Verfahren der Durchleuchtung und Bewertung eines Produktes (vgl. Kyrer, 2001, S. 501) nach Merkmalsausprägungen (vgl. Döring, Bortz, 2016, S. 444). Es handelt sich um eine deskriptive Studie, die der Gegenstandsbeschreibung (Stress-Apps der dGKV) dient, sowie der Erfassung der Ausprägung von bestimmten Merkmalen (Qualitätskriterien) (vgl. Döring, Bortz, 2016, S. 57). Im Rahmen des deskriptiven Studiendesigns werden qualitative und quantitative Daten erhoben. Die Datengewinnung und Umsetzung der Primärforschung erfolgt unter Beachtung der wissenschaftlichen Gütekriterien Objektivität (Nachvollziehbarkeit, Unabhängigkeit der Forscherin), Reliabilität (Wiederholbarkeit der Forschung) und Validität (unverfälschtes Ergebnis, erhobene Daten dienen zur Beantwortung der Forschungsfrage) (vgl. Döring, Bortz, 2016, S. 184). Im Zuge der quantitativen Voranalyse wird ermittelt, wie viele Apps im Handlungsfeld Stress aktuell durch die dGKV auf dem Markt angeboten werden. Für die Identifikation der von den dGKV angebotenen Stress-Apps wird eine Internetrecherche auf den Webseiten der geöffneten dGKV durchgeführt und im Google Play Store (Betriebssystem: Android) und Apple App Store (Betriebssystem: iOS) explizit nach Stress-Apps gesucht, die entweder den Namen einer dGKV beinhaltet oder bei denen aus der Internetrecherche ersichtlich ist, dass sie von einem Kostenträger selbst angeboten wird oder eine eindeutige Kooperation zu einer dGKV existiert. Die beiden aufgeführten Stores sind Marktführer, wobei Android aktuell mit 86,6% die meisten Anteile hat und iOS lediglich 13,4% (vgl. IDC, 2020). Die genannten beiden Anbieter werden nachfolgend zusammenfassend nur noch als App-Store aufgeführt. Die kleineren App-Stores wie BlackBerry World oder Windows Phone App Store werden auf Grund ihres geringen Marktanteils (vgl. IDC, 2020; Albrecht et al, 2016, S. 78) nicht berücksichtigt. Zur systematischen und dokumentierten Bereinigung werden Ein- und Ausschlusskriterien festgelegt (vgl. Döring, Bortz, 2016, S. 96). Zu den Einschlusskriterien gehört, dass die App der Stressprävention zugeordnet werden kann. Ausschlaggebend ist hier die Beschreibung der App im App Store so wie die Beschreibung des Anbieters im Rahmen der eigenen Internetpräsenz. Weiter muss die Stress-App von einer dGKV selbst angeboten werden oder eine Kooperation zwischen App-Anbieter und einer oder mehrerer dGKV bestehen. Dabei kann die Stress-App von der dGKV selbst entwickelt worden sein oder von dem kooperierenden Unternehmen. Apps von spezialisierten externen Anbietern verfügen über eine höhere technologische Expertise mit besserer Bedienbarkeit und Funktionalität (vgl. App Marketing Agentur, 2016, zit. n. Evers-Wölk et al, 2018, S. 74), daher erfolgt der Einschluss von Kooperations-Stress-Apps. Die Stress-App muss kostenlos, ohne Zugangsbarrieren und in deutscher Sprache über den App-Store verfügbar sein. Es werden Stress-Apps eingeschlossen, die sowohl als Medizinprodukt (Einteilung in eine Risikoklasse und Konformitätsbewertung) als auch als Lifestyleprodukt (ohne Einteilung in eine Risikoklasse und Konformitätsbewertung) betitelt sind. Dem gegenüberstehend werden folgende Ausschlusskriterien festgelegt: die Stress-App ist nicht der Stressprävention zuzuordnen, die Stress-App ist nicht in deutscher Sprache verfügbar, es kann keine Verbindung zu einer dGKV hergestellt werden, die Stress-App ist kostenpflichtig oder es existieren Zugangsbarrieren. Die nachfolgende Tabelle zeigt eine Gesamtübersicht der Ein- und Ausschlusskriterien.

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Ende der Leseprobe aus 95 Seiten

Details

Titel
Digitale Primärprävention im Handlungsfeld Stress. Inhaltliche Ausgestaltung von Apps der gesetzlichen Krankenversicherungen in Deutschland für Frauen zwischen 30 und 39
Hochschule
APOLLON Hochschule der Gesundheitswirtschaft in Bremen
Note
1,7
Autor
Jahr
2020
Seiten
95
Katalognummer
V958642
ISBN (eBook)
9783346322746
ISBN (Buch)
9783346322753
Sprache
Deutsch
Schlagworte
ehealth, mhelath, Primärprävention, Apps, Stressmanagement, GKV
Arbeit zitieren
Sandra Bönicke (Autor:in), 2020, Digitale Primärprävention im Handlungsfeld Stress. Inhaltliche Ausgestaltung von Apps der gesetzlichen Krankenversicherungen in Deutschland für Frauen zwischen 30 und 39, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/958642

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