Intermediale Bezüge von Computerspielen und Filmadaptionen unter Einbezug der Publikumskritik

Das Beispiel "Silent Hill: Vom Kultspiel zum Splatterfilm"


Thèse de Bachelor, 2019

80 Pages, Note: 1,0


Extrait


Inhalt

Glossar

1 Einleitung

2 Vom Spiel zum Film
2.1 Videospiel und Film: Gemeinsamkeiten, Unterschiede und Wechselwirkungen
2.2 Die umstrittene Rolle von Videospielverfilmungen

3 Zahlen und Fakten zu „Silent Hill“
3.1 Das Spiel
3.2 DerFilm

4 Inhaltlicher Vergleich

5 Dramaturgischer Vergleich
5.1 Begriffseingrenzung Dramaturgie
5.2 Spiel
5.2.1 Dramaturgische Gliederung im 3-Akt-Modell
5.2.2 Erzählstruktur
5.2.3 Figurenkonstellation
5.3 Film
5.3.1 Dramaturgische Gliederung im 3-Akt-Modell
5.3.2 Erzählstruktur
5.3.3 Figurenkonstellation

6 Vergleich der Audiovisuellen Gestaltung 3
6.1 Spiel
6.1.1 Technologische Voraussetzungen
6.1.2 Cutscenes
6.1.3 Perspektive
6.1.4 Raum, Licht und Farbe
6.1.5 Auditive Gestaltung
6.2 Film
6.2.1 Perspektive
6.2.2 Raum, Licht und Farbe
6.2.3 Auditive Gestaltung

7 Publikumskritik
7.1 Spiel
7.2 Film

8 Fazit

Literaturverzeichnis

Anhang

Glossar

Im Glossar aufgeführte Begriffe sind bei erstmaligem Auftreten im Text kursiv gekennzeichnet.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

„Silent Hill“ ist ein Meilenstein unter den Horrorspielen und gilt bis heute als eine der gruseligsten Spielerfahrungen aller Zeiten. Kenner des Spiels geraten bei Erwähnung ins Schwärmen oder berichten von spätnächtlichen Spielsessions, die sie die meiste Zeit hinter einem Kissen verbrachten. Die grauenhaften Monster, der verzweifelte Hauptcharakter, die dichte Atmosphäre der Stadt, der subtile Horror ...

Kurz gesagt: „Silent Hill“ ist Kult und ebnete seinerzeit als einer der Vorreiter des Survival Horrors den Weg für dieses unter die Haut gehende Genre.

Als also 7 Jahre später eine Verfilmung angekündigt wurde, sorgte diese Nachricht für gespannte Erwartung - und viele gemischte Gefühle. Würde der Film dem Anspruch des Spiels gerecht werden können? War es überhaupt möglich, die komplexe, sich über viele Spielstunden erstreckende Story in 120 Minuten zu packen und nebenbei auch noch die durchdringende Atmosphäre des Spiels zu bewahren?

Regisseur Christophe Gans stand vor einer Herausforderung: Für ihn galt es nicht nur, einen packenden Horrorfilm für ein gruselfreudiges Kinopublikum zu drehen, er musste auch die Erwartungen erfüllen, welche das Spiel seinen Anhängern eingeprägt hatte - und die waren hoch. Zudem hatten Regisseure wie Uwe Boll bereits im Vorfeld dafür gesorgt, dass Videospieladaptionen nicht unbedingt als Krone der Filmschöpfung angesehen wurden. Im Gegenteil, die Ankündigung einer Verfilmung des eigenen Lieblingsspiels sorgte eher für besorgtes Stirnrunzeln.

Wie also konnte sich die Filmadaption „Silent Hill - Willkommen in der Hölle“ auf diesem schwierigen Terrain positionieren? Was hat funktioniert, was nicht? Wo wurde das Spiel adaptiert, wo hat Gans seine eigene Interpretation einfließen lassen? Auf diese und weitere Fragen soll im weiteren Verlauf eingegangen werden.

Zur wissenschaftlichen Einordnung soll im folgenden Abschnitt zunächst ein kurzer Überblick über Relevanz und Forschungsstand zum Thema Videospielverfilmungen und insbesondere „Silent Hill“ gegeben werden. In diesem Zuge möchte ich außerdem meinen eigenen Bezug zum Thema und die Motivation zur Erforschung erläutern. Im Anschluss soll dann die konkrete Forschungsfrage und Zielsetzung dieser Arbeit formuliert und die zur Beantwortung genutzte Methodik vorgestellt werden. Abschließend erhält der Lesende einen Überblick über Struktur und Inhalt der vorliegenden Arbeit.

Unter dem Begriff „Ludologie“ hat sich die Forschung zum Thema Digitale Spiele in den letzten Jahren als wissenschaftliches Feld mit wachsender Relevanz in der Gesellschaft etabliert. Im Wintersemester 2015/16 wurde beispielsweise an der Universität Bayreuth mit dem Fach „Computerspielwissenschaften“ der bis dato erste Masterstudiengang zu diesem Thema eingeführt (Hartmann, 2015), dem aktuell deutschlandweit stetig weitere Bildungsangebote folgen. (Ausbildungskompass Games, 2018)

Innerhalb dieses Forschungsfeldes wird die Spielreihe „Silent Hill“ immer wieder aufgegriffen. Zahlreiche Abhandlungen adressieren verschiedenste Aspekte des Franchise auf verschiedensten Wegen - von Affekt über Gestaltung bis hin zu dessen Rolle in der Games-Historie und von der Erwähnung in einem Nebensatz bis hin zur umfangreichen wissenschaftlichen Ausarbeitung. Zu erwähnen sind hier beispielsweise Bernard Perrons Monografie „Silent Hill: The Terror Engine“ (Perron, 2012) oder der Sammelband „»See? I'm real...« - Multidisziplinäre Zugänge zum Computerspiel am Beispiel von >Silent Hill<“ von Britta Neitzel, Matthias Bopp und Rolf F. Nohr. (Lange, 2010) Auch zum Verhältnis von Videospielen und deren filmischen Adaptionen wurde bereits geforscht, siehe beispielsweise das Werk „Entertainment-Hybride - Transmediale Austauschprozesse zwischen Kinofilm und Videospiel“ von Martin Boldt (Boldt, 2011), auf welches auch in dieser Arbeit zurückgegriffen wird.

Hier setzt mein persönliches Interesse an - schon immer habe ich leidenschaftlich gern „gezockt“, mich bis zur Haarspitze ins Spiel vertieft und mich auch außerhalb der virtuellen Welt mit den Hintergründen von Spielen beschäftigt. Irgendwann kam die Frage auf, warum kein (oder zumindest kaum ein) Film bisher diese Wirkung bei mir erzielen konnte, trotz oft bombastischer Grafik und mitreißenden Storylines. Was macht die Beschäftigung mit Videospielen so viel leidenschaftlicher?

Als ich den Film „Silent Hill - Willkommen in der Hölle“ schaute, wusste ich zwar, dass dieser auf einem Videospiel basiert, kannte dieses bis dato aber noch nicht aus eigener Spielerfahrung. Interessehalber schaute ich mir daher die öffentlichen Reaktionen auf diese Adaption an und bemerkte, dass es der Spielverfilmung wie so vielen davor nicht gelungen zu sein schien, an den Erfolg des spielerischen Originals anzuknüpfen. Dabei zielte ein Großteil der Kritik nicht auf den Film als autarkes Produkt ab, sondern vielmehr auf dessen Umgang mit seiner Vorlage. Sprich: die meiste Kritik basierte auf Vergleichen zum Spiel. Damit bestätigte sich für mich die These, dass es Faktoren in Videospielen gibt, deren Übersetzung in einen Film in der Regel nicht funktionieren.

Hieraus formuliere ich meine konkrete Forschungsfrage: Welche intermedialen Faktoren spielen bei der Bewertung von filmischen Videospieladaptionen eine Rolle und wie werden diese im Beispiel „Silent Hill - Willkommen in der Hölle“ vom Publikum bewertet?

Einer dieser Aspekte ist die durch Interaktion generierte Immersion. Diese Immersion lässt den Spielenden seine Realität gegen die des Spiels eintauschen, ihn seine Umwelt und sein Selbst vergessen. Der Spielende wird Teil des Spiels und das Spiel Teil des Spielenden - und das macht den unvergleichlichen Reiz der Spielwelt aus.

Dennoch soll in dieser Arbeit das Thema Immersion nicht den alleinigen Schwerpunkt der Analyse bilden - nicht zuletzt, weil eine intensive Untersuchung immersiver Wirkweisen vermutlich den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde -, sondern als einer von mehreren Faktoren behandelt werden, die das Rezeptionserleben bzw. die Wirkung des Produkts auf den Rezipienten beeinflussen. Wie genau hierbei verfahren wird und unter welchen Gesichtspunkten, soll im folgenden Abschnitt erörtert werden.

Um zunächst einen Überblick über das Verhältnis von Spiele- und Filmindustrie zu geben, befasse ich mich zu Beginn mit grundlegenden Parallelen und Unterschieden zwischen beiden Medienformaten. Im Anschluss daran nehme ich anhand einiger repräsentativer Beispiele eine übergreifende Bewertung des Prinzips „Spieladaption“ vor. Hier werden bereits einige Faktoren angesprochen, die in der daran anschließenden Analyse eine Rolle spielen werden.

Zum Verständnis der Analyse wird eine Kenntnis der Inhalte des Films und Spiels „Silent Hill“ vorausgesetzt. Eine kurze Inhaltsangabe und Beschreibung der Charaktere beider Medienformate habe ich zur Vergegenwärtigung dennoch an diese Ausarbeitung angehängt (Anhang 1a), eine Einordnung der allgemeinen Zahlen und Fakten wird der Analyse vorangestellt.

Diese umfasst ihrerseits die Kategorien Inhalt, Dramaturgie und audiovisuelle Gestaltung. Hierbei vergleiche ich zunächst den narrativen Inhalt des Films mit dem der spielerischen Vorlage, um entscheidende Parallelen und Unterschiede zu ermitteln.

Danach untersuche ich auf dramaturgischer Ebene die jeweiligen Storys hinsichtlich ihrer Gliederung, hier basierend auf dem 3-Akt-Modell nach Syd Field (Field, 2011), und ihrer Erzählstruktur, insbesondere unter Einbezug des Faktors der spielerischen Interaktivität im Gegensatz zur passiven Filmrezeption. Auch die Figurenkonstellation der jeweiligen Story soll hier als dramaturgischer Einflussfaktor beleuchtet werden. Im Abschnitt der filmischen Analyse ziehe ich dann ein zusammenfassendes Fazit, auf welche Weise sich die jeweiligen dramaturgischen Ausprägungen im Film auf dessen Rezeptionserleben auswirken und wie sie sich vom spielerischen Original unterscheiden. Dieses soll dann als Grundlage für das finale Fazit der Arbeit dienen, in dem ich unter Einbezug der Publikumskritik den Erfolg dieser Ausprägungen im Vergleich zum spielerischen Original beleuchten werde.

Als weiteren entscheidenden beeinflussenden Faktor analysiere ich zudem die audiovisuelle Gestaltung von Spiel und Film. Hier geht es mir insbesondere um die Kernaspekte (Kamera-)Perspektive, Raum, Licht und Farbe als ästhetische Komposition und die auditive Gestaltung. Als zusätzliche Komponenten des Spiels, welche für den Film keine Relevanz haben, werde ich außerdem die technologischen Voraussetzungen und die eingebauten Cutscenes als zusätzliches Element zum Gameplay behandeln. Wie bereits im Kapitel „Dramaturgie“ soll auch hier zum Ende der filmischen Analyse eine kurze Einordnung der Wirkung der eingesetzten audiovisuellen Elemente auf das Rezeptionserleben und ein Vergleich zur spielerischen Vorlage vorgenommen werden.

Nach Abschluss der Analyse erfolgt eine Auswertung der Reaktionen, die sowohl Spiel als auch Film bei ihren Rezipienten ausgelöst haben. Hierzu ziehe ich sowohl Bewertungen aus der öffentlichen Mediendatenbank IMDb (Internet Movie Database) als auch aus (fach-)journalistischen Quellen heran.

Mein Ziel ist es dabei sowohl ein umfassender Überblick über das allgemeine Feedback zum jeweiligen Medium als auch die Herausarbeitung spezifischer positiver und negativer Kritikpunkte, um auf deren Basis im anschließenden Fazit die zentrale Frage zu beantworten: Wo funktioniert die Filmadaption „Silent Hills“, wo funktioniert sie nicht?

2 Vom Spiel zum Film

2.1 Videospiel und Film: Gemeinsamkeiten, Unterschiede und Wechselwirkungen

Die Relevanz von Videospielen ist heutzutage so groß wie nie. In Deutschland erfährt die Games-Branche von Jahr zu Jahr eine stetige Absatz-Steigerung und brachte es im Jahre 2017 auf einen Umsatz von 3,3 Mrd. Euro1 (game-Verband der deutschen Games­Branche, 2018). Im Vergleich dazu: die Umsätze in der Filmbranche lagen im Jahre 2017 bei knapp über 3 Mrd. Euro2 (Statista, 2019). Damit zeigt sich: Film- und Gamebranche begegnen sich inzwischen auf Augenhöhe. Dass beide Branchen sich jedoch nicht konkurrierend gegenüberstehen müssen, sondern auf vielfältige Weise voneinander profitieren können, zeigt sich in diversen Wechselwirkungen, die sich zwischen den Medien Videospiel und Film ergeben.

Grundlage für diese Wechselwirkungen, die im Folgenden aufgeführt werden, sind die gemeinsamen Merkmale:3 beide Medienformate sind audiovisuelle Produkte, die in der Regel über einen Bildschirm mit Tonausgabe rezipiert werden. Hieraus ergibt sich ein entscheidender Erfolgsfaktor in der gelungenen Gestaltung von Bild und Ton.

Zudem bauen sich sowohl Filme als auch Spiele inhaltlich meist um eine konkrete Problematik, Fragestellung oder Zielsetzung auf, welcher durch einen oder mehrere Protagonisten nachgegangen wird. Dramaturgie und Charakterentwicklung werden hierdurch zu grundlegenden Elementen der narrativen Gestaltung.

Das grundsätzlich differenzierende Element stellt hingegen die Interaktivität des Spiels in Kontrast zur passiven Rezeption des Films dar. Daraus ergeben sich Konsequenzen für die jeweilige Gestaltung, welche auch in den späteren Analysen noch von Bedeutung sein werden.

Während Bild und Ton beim Film durch den linearen Verlauf sowohl aufeinander als auch auf den Handlungsstrang im Voraus abgestimmt, geplant und optimiert werden können, müssen diese Elemente im Videospiel adaptiv gestaltet sein. Der gestalterische Aufwand bei der Entwicklung adaptiver Videospiele variiert dabei je nach Größe der Spielwelt und Linearität der Spielhandlung.

Das Maß der Linearität beeinflusst auch die dramaturgische Konzeption: während der Autor4 einer Filmhandlung seine Storyline unabhängig und in fester Abfolge planen kann, beeinflusst der Rezipient eines Videospiels in der Regel den dramaturgischen Ablauf. (Wages R., 2010, S. 41ff.)

Auch die Gestaltung von Immersion basiert bei Spiel und Film auf verschiedenen Vorgehensweisen. Während der Zuschauende einen Film passiv rezipiert und dabei durch gedankliche und emotionale Beteiligung in das Medium „eingesogen“ werden muss, fungiert der Spielende als aktiver Gestalter des virtuellen Geschehens und erfährt Immersion durch seine direkte Interaktion mit der Spielwelt. Dabei spielen die Stimmigkeit der fiktiven Umgebung, das realistische Verhalten der Spielfiguren, vielfältige Interaktionsmöglichkeiten sowie der grafische Detailgrad eine entscheidende Rolle bei der Ausprägung. (Grau, 2005, S. 70 ff.)

Nicht zuletzt unterscheidet sich häufig auch der zeitliche Umfang beider Medienprodukte. Während Filme meist auf das klassische 90-120 Minuten-Modell limitiert oder aber auf die Aufteilung der Handlung in mehrere Episoden angewiesen sind, kann der Umfang von Videospielen und die daraus resultierende Spielzeit in einem gewissen Rahmen frei bestimmt werden - wobei mit größerem Umfang natürlich auch Aufwand und Kosten steigen. (Unterholzner, 2014) (Rauscher, 2015, S. 11-15)

Inzwischen kommt es bei der Gestaltung sowohl von Filmen als auch von Spielen zunehmend zur Adaption von Features des jeweils anderen Mediums. Dies kann sich wie folgt darstellen:

Auf Videospielseite werden Bild und Ton qualitativ zunehmend auf ein filmähnliches Niveau gebracht. Hierzu stehen neben einer oftmals aufwändigen, teils orchestralen Vertonung auch visuelle Techniken wie Motion- oder Performance Capture zur Verfügung. (Boldt, 2015) Eines der prominentesten Beispiele hierfür ist das Spiel „Beyond: Two Souls“, in dem die Schauspieler Ellen Page und Willem Dafoe als Protagonisten auftreten. (Unterholzner, 2014) Auch Cutscenes innerhalb eines Spiels nehmen teilweise filmreife Ausmaße an. Beispielhaft ist hier die Reihe „Metal Gear Solid“, deren längste Cutscene knapp 30 Minuten andauert. (Rouner, 2014)

Das spielerische Interface, welches Lebensanzeige, Inventar und weitere Spielfeatures umfasst, kann zugunsten der realistischeren Wirkung in die Umgebung bzw. den Protagonisten selbst integriert werden, wie beispielsweise im Spiel „Dead Space“ - hier trägt der Protagonist seine Lebensanzeige als in den Anzug integrierte Leuchtleiste auf dem Rücken. (Fittkau, 2015) Diesem Zweck ist auch die Motion Control-Steuerung zuträglich, mittels derer der Spielende seinen Körper statt eines Controllers zur Spielsteuerung nutzen kann. (Bishop, 2013)

Auf dramaturgischer Ebene kommt es vor allem zu Adaptionen filmischer Techniken in Videospielen. Je linearer ein Spiel konzipiert ist, desto eher kann - und wird häufig - eine Dramaturgie etabliert werden, die der des klassischen Spielfilms ähnelt. (Wages R., 2010) Interessant für diese Abhandlung sind allerdings speziell Elemente, die aus dem Spielekosmos in die Filmbranche übernommen wurden.

Auf gestalterischer Ebene ist hier unter anderem das Einnehmen der First-Person­Perspektive relevant. Filme wie beispielsweise „Cloverfield“ bedienen sich dieser Methode, bei der durch den Einsatz einer wackligen Handkamera das Gefühl vermittelt wird, der Zuschauende selbst befinde sich in der dargestellten Szenerie. Doch auch bei einer Third-Person-Perspektive kann durch gezielte Kameratechnik eine spielähnliche Immersion generiert werden. Dies funktioniert beispielsweise durch den Einsatz einer mit wenigen Schnitten auf das wesentliche Geschehen konzentrierten Kameraführung, die einen auf die Wahrnehmung des Protagonisten fokussierten Eindruck vermittelt. (Moitzheim, 2016)

Auf inhaltlicher Ebene ist das Einbinden von Videospielelementen ebenfalls ein beliebtes filmisches Stilmittel. Während Filme wie „Tron“ oder „Gamer“ Videospiele als thematischen Inhalt behandeln, stehen in anderen Beispielen spielerische Strukturen im Mittelpunkt. In „Edge of Tomorrow“ beispielsweise wird die Thematik der immer wiederkehrenden Erlebbarkeit einer bestimmten Szenerie aufgegriffen, die sich an der spielerischen Möglichkeit orientiert, in einer Ausscheidesituation vom letzten Speicherort aus einen erneuten Versuch zu starten.

Inwieweit diese oder andere Stilmittel aus der Spielwelt im Falle von „Silent Hill“ filmisch adaptiert wurden, wird in einem späteren Kapitel beleuchtet werden.

2.2 Die umstrittene Rolle von Videospielverfilmungen

Die erste Realspielverfilmung eines Videospiels erschien im Jahre 1993 mit der Adaption des beliebten Nintendo-Spiels „Super Mario Bros.“. Mit einer Wertung von 4 von 10 Sternen in der Filmdatenbank Imdb konnte diese dem Erfolg des Spiels allerdings nicht gerecht werden - dieses erzielte auf der gleichen Plattform eine Wertung von 9,1 von 10 Sternen.5

Neben dieser gefloppten Adaption gab es in den 90er Jahren auch erfolgreichere filmische Adaptionen wie beispielsweise „Mortal Kombat“, welches zumindest ansatzweise mit dem Erfolg des zugrundeliegenden Spiels mithalten konnte.5

In den 00er Jahren erreichte eine wahre Welle filmischer Adaptionen die Kinos. Doch auch hier konnte kaum eine Produktion an den Erfolg des spielerischen Vorbildes anknüpfen - besonders eindrucksvoll zu erkennen beispielsweise an der von Uwe Boll, bekannt als Produzent einer Vielzahl von Videospieladaptionen, verfilmten Version von „Far Cry“. Während das Spiel mit einer Wertung von 90% auf Gamestar.de großen Erfolg verbuchen konnte, erreichte dessen filmische Adaption lediglich einen Wert von 3,1 von 10 Punkten auf Imdb.5

Dennoch gibt es auch Beispiele von Adaptionen, die - zumindest auf wirtschaftlicher Ebene - erfolgreicher waren. Eines der frühesten und bekanntesten Beispiele ist der 2001 erschienene Film „Tomb Raider“, welcher bis zum Jahre 2010 als die erfolgreichste Videospielverfilmung aller Zeiten galt, bis er von „Prince of Persia - Der Sand der Zeit“ abgelöst wurde. (GP, o.D.)

Generell sagt der finanzielle Erfolg noch wenig über die abweichende Beliebtheit zwischen Spielvorlage und Filmadaption aus. Auch bei den hier genannten Erfolgsbeispielen ist noch eine deutliche Diskrepanz zwischen der Bewertung des Spiels und der des Films zu erkennen (siehe auch Tabelle Anhang 2).

Pauschal gesagt können also Filmadaptionen von Videospielen in der Regel nicht an den Erfolg der Vorlage anknüpfen. Hierzu gibt es verschiedene Erklärungen:

Zum einen steht durch den interaktiven Charakter des Spiels häufig der Spaß am Gameplay im Vordergrund. Hierzu ist nicht immer eine ausgeklügelte Story notwendig. Eine eher durchschnittliche Handlung kann im entsprechenden passiv rezipierten Film jedoch nur schlecht kompensiert werden. —

Bietet ein Videospiel jedoch tatsächlich eine filmreife, gut durchdachte Story, ist diese oft auf viele Stunden Spielzeit verteilt, in denen nicht nur die Kernhandlung abgehandelt, sondern auch zahlreiche Hintergrundinformationen zu Orten, Personen und Geschehnissen gegeben werden. Diese Zusatzinhalte müssen bei einem 90-120­minütigen Film meist reduziert werden.

Zudem besteht häufig eine Diskrepanz zwischen der Erwartungshaltung der Videospielfans, die in der Regel die primäre Zielgruppe der jeweiligen Adaption darstellen, und dem tatsächlichen Endprodukt. Die Stimmung des Spiels kann meist nur unzureichend transportiert und die Komplexität der Handlung und Charaktere kaum wiedergegeben werden - auch, weil die Identifizierung mit dem Protagonisten durch die unterschiedliche Immersionsmechanik von Spiel und Film in der Filmadaption in der Regel weniger ausgeprägt ist. (Boldt, 2011, S. 34 ff.)

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Komplexität der Spiele sowie der interaktive, den Rezipienten involvierende Charakter Elemente sind, die sich filmisch nur schwer umsetzen lassen und daher die durch das Spiel generierte Erwartungshaltung nur selten erfüllt werden kann.

Ob und wie diese Problematik sich auch auf das hier thematisierte Beispiel „Silent Hill“ auswirkt, wird im weiteren Verlauf der Arbeit beleuchtet werden.

3 Zahlen und Fakten zu „Silent Hill“

3.1 Das Spiel

Das erste Spiel der Reihe „Silent Hill“ wurde von der Spielefirma Konami in den USA am 2. Februar 1999 für die PlayStation mit einer USK-Freigabe ab 18 Jahren veröffentlicht. (IMDb, o. D.) Konzipiert für den internationalen Markt zeigte es sich dort äußerst erfolgreich: 1,5 Mio. mal verkaufte sich der erste Teil der Reihe weltweit. (Lange, 2010, S. 15) Die Spielzeit beträgt etwa 3-5 Stunden, wobei diese je nach Spielstil deutlich abweichen kann4.

Nach dem ersten Teil folgten bis heute zehn weitere Spiele der Reihe - die Produktionsarbeiten am aktuellsten Ableger „Silent Hills“, welcher 2015 erscheinen sollte, wurden jedoch vorzeitig nach Veröffentlichung des populären spielbaren Teasers „P.T.“ abgebrochen. (Lasaj, 2018)

Entstanden ist die Spielreihe im Zuge der Survival Horror-Game-Welle, welche vom 1996 veröffentlichen und inhaltlich und gestalterisch ähnlich aufgebauten Spiel „Resident Evil“ ausgelöst wurde.

„Silent Hill“ bedient sich der Third-Person-Perspektive, in der der Spielende den Protagonisten durch eine 3D-Welt steuert. Ein prägendes Merkmal dabei stellt die düster-klaustrophobisch anmutende Atmosphäre dar - actionreiche Passagen spielen in „Silent Hill“ eine weniger ausgeprägte Reihe als beispielsweise im artverwandten „Resident Evil“. (Lange, 2010, S. 15-16) Das Spiel bietet je nach Entscheidungen im Spielverlauf vier verschiedene Endvarianten, welche bei Interesse in Anhang 1b einzusehen sind. Für das Verständnis dieser Arbeit ist dies jedoch nicht notwendig.

3.2 Der Film

Die filmische Horror-Adaption des Videospiels „Silent Hill“ kam mit dem Titelzusatz „Willkommen in der Hölle“ am 21. April 2006 in die amerikanischen Kinos, am 11. Mai folgte die Veröffentlichung in Deutschland. Die Altersbeschränkung wurde aufgrund von „strong horror violence and gore, disturbing images, and some language“ bei 16 Jahren angesetzt (IMDb, o. D.).

Gans entschied sich laut eigener Aussage aus Begeisterung für die Spiele für die filmische Adaption. Das Einholen der Rechte bei Konami gestaltete sich schwierig, da das Entwicklerteam fürchtete, durch ein nicht überzeugendes Franchiseprodukt dem Ruf des Spiels zu schaden. Gans benötigte fünf Jahre, um die Verantwortlichen zu überzeugen. Letztendlich entstand der 120 Minuten lange Film unter Mitbeteiligung der Produktionsfirma Konami, insbesondere des Sound Directors Akira Yamaoka, der sowohl für das Spiel als auch den Film die Musik kreierte. (About, 2005)

Obwohl die Story des Films im Wesentlichen auf dem ersten Teil der Spielserie basiert, wurden auch Elemente des zweiten und dritten Spiels eingebunden.

Im Jahre 2012 erschien mit „Silent Hill 2: Revelation 3D“ eine Fortsetzung der Reihe. (Filmstarts, o. D.)

4 Inhaltlicher Vergleich

Trotz eines ähnlichen Plots innerhalb der Story gibt es grundlegende Unterschiede zwischen Spiel und Filmadaption. Neben Abweichungen in der Hintergrundgeschichte wurden in der Filmadaption auch Elemente zugefügt, unter anderem aus dem zweiten und dritten Teil des Films, bzw. ausführlicher behandelt oder aber weggelassen bzw. reduziert dargestellt. Die prägnantesten Divergenzen seien im Folgenden kurz dargestellt, um eventuelle Wirkungen auf das Rezeptionserlebnis bestimmen zu können. Das Spiel beginnt mit Harrys Erwachen in Silent Hill nach dem Autounfall. Es werden kaum Informationen zum Vorgeschehen gegeben, lediglich im Intro sieht man eine kurze Szene der Autofahrt von Harry und Cheryl sowie Cybils verunfalltes Motorrad.

Der Film dagegen startet mit einem Prolog, der Sharons Schlafwandeln und ihre Verbindung zu Silent Hill und Alessa andeutet, sodass der Zuschauende bereits mit Grundlagenwissen in die Handlung des Films einsteigt.

Die Reise nach Silent Hill wird im Film ebenfalls ausführlicher behandelt als im Spiel und erleichtert dem Zuschauenden so weiterhin den Einstieg in die Handlung. Hier wird noch einmal Sharons Verbindung zu Silent Hill durch von ihr gemalte Bilder verdeutlicht sowie die Figur Cybil eingeführt.

Ab dem durch Alessa verursachten Unfall verlaufen die Geschehnisse in Film und Spiel zunächst größtenteils analog, bis Harry bzw. Rose im Diner erwacht. Harry hat hier seine erste Begegnung mit Cybil und erhält von ihr seine Waffe. Rose hingegen erwacht allein und nimmt unbewaffnet die Suche nach ihrer Tochter auf.

Gleichzeitig wird um Roses Ehemann Chris im Film ein zweiter Handlungsstrang eingeführt. Durch seine Recherche zu Silent Hill vermittelt er dem Zuschauenden hier wesentliche Informationen zur Hintergrundgeschichte. In der Spielvorlage ist diese Informationssammlung Teil der spielerischen Zielsetzung.

Im weiteren Verlauf von Spiel und Film suchen sowohl Harry als auch Rose verschiedene Orte auf, an die sie durch Hinweise oder Anweisungen geführt werden. In beiden Fällen leitet sie eine Zeichnung der verschwundenen Tochter zunächst zur Schule, wo mit dem Auffinden eines gekreuzigten Leichnams eine Schlüsselszene stattfindet. Im Spiel bleibt dieser Leichnam unidentifiziert und hat keine weitere Relevanz, im Film spielt er als einstiger Vergewaltiger Alessas eine Rolle in deren Hintergrundgeschichte. Zudem tritt er als eines der prägnantesten Monster des Films in Erscheinung.

Sind in der ersten Hälfte die Handlungsstränge noch im Wesentlichen analog, weichen die Inhalte von Spiel und Film in der zweiten Hälfte deutlich voneinander ab:

Die Figur Michael Kaufmann kommt im Film nicht vor. Auch Lisa Garland, eine wichtige Schlüsselfigur des Spiels, hat im Film nur einen kurzen Auftritt ohne weitere Hintergründe.

Im Spiel führen Lisas Hinweise Harry in ein Seegebiet, in dem sich mehrere storyrelevante Schlüsselszenen ereignen. Im Anschluss daran findet im Krankenhaus letztendlich die Auflösung des Konflikts zwischen Dahlia, Alessa und Harry sowie der finale Kampf zwischen Harry und dem Dämon statt.

Im Film hingegen gelangt Rose nach einer kurzen Begegnung mit Alessa in die Kirche, wo sie auf Christabella trifft. Durch deren Hinweis findet Rose Alessa schließlich im Keller des Krankenhauses und ermöglicht dieser, mit ihrer Hilfe das finale Massaker in der Kirche anzurichten.

So enden sowohl das Spiel als auch der Film mit einem Kampf - im Spiel einer klaren Gut-gegen-Böse-Struktur folgend („Der gute Vater Harry gegen den zerstörerischen Dämon“), im Film mit einer moralisch weniger eindeutig abgegrenzten Gegenüberstellung („Rose und Alessa als Urheber des Kirchenmassakers gegen Christabella und ihren fanatischen Kult“).

Neben diesen Abweichungen innerhalb der Handlung hat auch die jeweils übergeordnete antagonistische Motivation in Spiel und Film Auswirkungen auf die Story. Für Dahlias Handlungen im Spiel sind religiöse und mythologische Motive ausschlaggebend, die die Hintergrundgeschichte rund um Dahlias Kult und Silent Hill prägen. Diese Elemente - u.a. die mystischen Zeichen oder der Dämon Samael sowie Alessas Rolle als dessen Brutkasten - werden im Film nicht behandelt.

Christabellas Motivation im Film ist dagegen mit dem Wunsch nach göttlicher Gunst und Kontrolle über die Dorfgemeinde sowie der damit verbundenen „Hexen“-Verbrennung Alessas vergleichsweise simpel. Die komplexe Geschichte um den Kult, den damit verbundenen Drogenhandel und die mythologischen Aspekte wird dadurch ausgespart. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Spiel von Beginn an wenige Informationen über die Hintergründe der Story preisgibt und es dem Spielenden überlässt, diese zusammenzufügen. Die Sammlung von Hintergrundinformationen durch den Protagonisten spielt daher hier eine stärker ausgeprägte Rolle als im Film, wo diese Aufgabe größtenteils an einen Nebencharakter fällt und die Komplexität der Story deutlich reduziert wurde.

Während die Motivation der Protagonisten mit der Rettung ihrer Tochter in Film und Spiel analog ist, sind die unterschiedlichen Motive der Antagonisten in Film und Spiel entscheidend für die Abweichungen innerhalb der Story verantwortlich.

5 Dramaturgischer Vergleich

5.1 Begriffseingrenzung Dramaturgie

Um den Begriff der Dramaturgie näher zu definieren und gemäß der für diese Arbeit relevanten Aspekte einzugrenzen, sollen die folgenden von Hickethier in seinem Buch „Film- und Fernsehanalyse“ (Hickethier, 1996) behandelten Aspekte als Grundlage für die vorliegenden Analysen dienen.

Hickethier beschreibt die Dramaturgie zunächst „als strukturierende Form [...], die Einteilung eines Geschehens in einzelne Szenen, diese zusammenfassend in Akten“. Weiterhin definiert er sie als eine Anspannung erzeugende Anlage der Handlung, welche sich als eine „Kette von Ausschnitten [...], die wiederum wesentliche Momente des Geschehens zeigen“, darstelle. Das bedeute, dass die dem Zuschauenden gezeigten Inhalte „in der Regel auch für den Konflikt und dessen Lösung für wichtig gehalten werden“ und das Geschehen so auf seine wesentlichen Kernereignisse komprimiert werden könne, ohne dass relevante Hintergrundinformationen verloren gingen. Die so entstehenden Lücken böten dem Rezipienten Spielraum für eigene Interpretationen bzw. dienten dazu, langatmige Passagen ohne Mehrwert für den Spannungsbogen der Geschichte zu vermeiden. (Hickethier, 1996, S. 91)

In diesem Kontext sollen auch verschiedene Aspekte der Erzählstrategien wie beispielsweise Zeitraffung, -dehnung und parallel stattfindende Handlungsstränge sowie die Figurenkonstellationen als Anteil an der dramaturgischen Strategie in die Analyse einbezogen werden.

5.2 Spiel

5.2.1 Dramaturgische Gliederung im 3-Akt-Modell

Wie bereits vorweggenommen ist ein Aspekt der Dramaturgie die Gliederung des Geschehens in einzelne Szenen, die unter Anwendung des 3-Akt-Modells jeweils in die drei Abschnitte Exposition, Konfrontation und Auflösung zusammengefasst werden können. Die folgenden Beschreibungen basieren auf der Definition des 3-Akt-Modells nach Syd Field (Field, 2011) - dieses bezieht sich in erster Linie auf die Erstellung von Film-Drehbüchern, lässt sich aber ebenso auf narrative Videospiele anwenden.

Das 3-Akt-Modell stellt sich wie folgt dar:

1. Die Exposition:

In diesem einleitenden Abschnitt werden die Hauptfiguren vorgestellt und grundlegende Informationen zum Verständnis der Geschichte gegeben. Meist kommt es anschließend zu einem Ereignis, welches die bisherigen Strukturen aus dem Gleichgewicht bringt und den/die Protagonisten zum Handeln zwingt. I.d.R. beansprucht dieser Teil etwa ein Viertel der Gesamtzeit der Handlung, wobei Field betont, dass die wesentlichen Informationen in den ersten zehn Minuten gegeben werden sollten, da diese maßgeblich für die initiale Bewertung durch den Rezipienten seien.

2. Die Konfrontation:

Im Hauptteil oder der Konfrontation wird die Hauptfigur mit dem grundlegenden Konflikt und der antagonistischen Kraft der Story konfrontiert, welche sie am Erreichen ihrer Ziele hindert. Hierbei kann es sich um Personen, aber auch um Zustände wie Krankheit o.Ä. oder aber um Übernatürliches handeln. Es kommt zu einer Abfolge von Handlungen, in denen der Protagonist gegen die widrigen Umstände ankämpft und zum Ende des zweiten Aktes häufig droht, zu scheitern. Meist wird die äußere Handlung dabei von einer inneren Entwicklung des Protagonisten begleitet. Der Anteil des zweiten Aktes umfasst etwa die Hälfte der Gesamthandlung.

3. Die Auflösung:

Der letzte Handlungsabschnitt beinhaltet die Klimax der Story, bei der die bisherigen Handlungen auf die finale Konfrontation zwischen Protagonist und Antagonist hinauslaufen. Durch die resultierende Auflösung des Konflikts wird der Bogen wieder zurück zur Exposition gespannt, in der die Bedürfnisse und Ziele des Protagonisten begründet liegen. Bei erfolgreichem Ausgang der Handlung werden diese nun erreicht. Wie auf die Exposition entfällt auch auf die Auflösung etwa ein Viertel des gesamten Handlungsumfangs.

4. Plot Points:

Geschehnisse, die eine Wendung in der Geschichte evozieren, werden als Plot Points bezeichnet. Diese dienen regulär als Überleitung zwischen jeweils erstem und zweiten und zweitem und drittem Akt, können jedoch durch weitere Plot Points im Verlauf der Handlung ergänzt werden. Zusätzlich markiert der Mid Point in Form eines entscheidenden Umschwungs Höhepunkt und ungefähre Mitte der Erzählung. Hier sorgen bisherige Entwicklungen oder akute Ereignisse dafür, dass der Protagonist neue Wege geht, sich bisherige Strukturen neu ordnen oder die Handlung eine entscheidende Wendung nimmt.

Diese 3-Akt-Struktur soll nun konkret auf die Handlung des „Silent Hill“-Spiels bezogen und im Anschluss grafisch dargestellt werden.

Die Exposition des Spiels findet nicht im Gameplay, sondern im Intro statt: hier werden zunächst alle wichtigen Figuren in kurzen Sequenzen dargestellt, allerdings in keinen weiteren Kontext gesetzt. Der zum Abschluss des Intros dargestellte Unfall markiert den Beginn des Gameplays - Harry befindet sich nun im Ort Silent Hill und sieht sich mit der grundlegenden Problemstellung des Spiels, Cheryls Verschwinden, konfrontiert. Die Exposition ist mit diesem Plot Point beendet und damit wesentlich kürzer als der im Modell benannte Anteil von einem Viertel der Gesamthandlung.

Die Phase zu Beginn des zweiten Aktes dient dem Spielenden auf ludischer Ebene zunächst dazu, sich hinsichtlich Spielumgebung und -handling zu orientieren und endet mit dem nächsten Plot Point: Harry wird von Feinden überwältigt und erwacht im Diner, wo er einen der Haupt- NPCs, Cybil, kennenlernt und einige Basis-Items erhält.

Im anschließenden Abschnitt erkundet Harry die Umgebung und evoziert mit der Entdeckung erster Hinweise zur Hintergrundgeschichte und eines mystischen Symbols in der Schule sowie dem Kennenlernen des NPCs Dahlia in der Kirche weitere Plot Points. Als handlungstreibendes Schlüsselelement hat Dahlia fortan erheblichen Einfluss auf den Verlauf der Story, ihre Antagonistenrolle ist dabei aber noch nicht klar ersichtlich.

Im Krankenhaus lernt Harry anschließend zunächst Michael Kaufmann und im weiteren Verlauf Lisa kennen, die neben Dahlia eine neue Informationsquelle und damit einen weiteren handlungsbeeinflussenden Faktor darstellt. Ihre Hinweise leiten Harry zum Seegebiet und initiieren damit den Mid Point und entscheidenden Wendepunkt des Hauptteils, in dem Dahlia sich als Alessas Mutter und zugleich als Antagonistin zu erkennen gibt.

Im zweiten Teil der Konfrontation werden die Ereignisse nun dramatisch in Richtung Höhepunkt vorangetrieben. Ein emotionaler Bruch entsteht durch den scheinbaren Tod des Charakters Lisa. Mit der Enthüllung der Rollen, die Dahlia, Alessa und vor allem Cheryl in der Hintergrundstory spielen, ist anschließend der letzte Plot Point des zweiten Aktes erreicht und der dritte Akt, die Auflösung, wird eingeleitet.

Es kommt zum Zusammentreffen von Harry, Dahlia, Alessa und Cheryl und je nach Spielverlauf Cybil und Kaufmann. In dieser Situation tritt mit der Geburt des Dämons Samael ein neuer, finaler Hauptantagonist auf, dessen Erscheinen den letzten Plot Point markiert.

Letztendlich kommt es zum finalen Kampf zwischen Antagonist Samael und Protagonist Harry. Mit der anschließenden Schlusssequenz ist die Handlung abgeschlossen und das Spiel beendet.

Eine grafische Darstellung dieser dramaturgischen Einteilung im 3-Akt-Modell ist im Anhang einzusehen (Anhang 3).

5.2.2 Erzählstruktur

In diesem Abschnitt soll geklärt werden, welchen Einfluss insbesondere die spielerische Interaktivität auf die Erzählstruktur der Handlung hat und inwiefern diese die dramaturgische Strategie und das Spielerleben beeinflusst.

Zunächst fällt auf, dass die Auswahl der gezeigten Szenen, welche, wie zuvor bereits beschrieben, ein Kriterium der Dramaturgie darstellt, sich im Spiel daran orientiert, was der Protagonist Harry erlebt. Wie A. Rauscher (Rauscher, 2018, S. 9) es ausdrückt: „Das Interaktionsbild schafft eine entscheidende Erweiterung zum filmischen Bewegungsbild, die [...] eine kontinuierliche Erfahrung des im Film nur durch die Kamera ausschnittsweise präsentierten Raums ermöglicht.“

Im passiv rezipierten Film bestimmt demnach der Autor, was der Rezipient wann zu sehen bekommt. Meist arbeitet er dabei mit zeitlichen und örtlichen Sprüngen, welche die Handlung unterbrechen und/oder Teile davon überspringen. Der Rezipient hat im Film also keinen Einfluss auf die von Hickethier bezeichnete Auswahl der dramaturgischen „Kette von Ausschnitten“ (Hickethier, 1996, S. 91) und die rezipierten Inhalte.

Im interaktiven Videospiel jedoch entscheidet der Spielende selbst, auf welche Weise und in welcher Geschwindigkeit er dem Verlauf der Handlung folgt. Die Linearität eines Spiels kann dabei auf unterschiedliche Weisen ausgeprägt sein - von einer stringenten, progressiven Struktur ohne zusätzliche Pfade und ohne den Verlauf beeinflussende Entscheidungsmöglichkeiten, wie im Modell der sequenziellen Pfadstruktur nach Samsel/Wimberley (1998) in Anhang 5 dargestellt, bis hin zur multilinearen Open World mit unzähligen Handlungsoptionen und Verzweigungen. (Wages, Grützmacher, & Grünvogel, 2010, S. 43 ff.)

Je nicht-linearer ein Spiel ist, desto eher fühlt sich der Spielende als selbstverantwortlicher Akteur, desto mehr besteht jedoch auch das Risiko, dass ludische Elemente übergangen werden, sich gegenseitig narrativ ausschließen oder an Bedeutung verlieren. (Wages, Grützmacher, & Grünvogel, 2010, S. 41 ff.)

„Silent Hill“ lässt sich dabei weder als strikt linear noch als gänzlich multilinear identifizieren.

Zwar ist eine lineare, aufgabenbasiert fortschreitende Spielstruktur vorhanden - unter anderem durch das Verfolgen von Dahlias Hinweisen, welche Harry sukzessive den Zugang zu neuen Handlungsorten und damit einen Fortschritt der Story ermöglichen - womit der dramaturgische Rahmen bereits im Voraus entwickelt und der geplante Spannungsverlauf trotz Interaktivität eingehalten werden kann.

Allerdings wurden zusätzlich an drei Punkten im Spiel Entscheidungssituationen für den Spielenden integriert, deren Konsequenzen im Endeffekt den Spielausgang bestimmen.

Insgesamt ergeben sich dadurch entscheidungsabhängig vier verschiedene Varianten des Spielendes (siehe Anhang 1b), womit der narrative Verlauf in einem festgelegten Rahmen spielerabhängig ist. Diese Variationen sind allerdings effektiv erst zum Ende der Story von Relevanz, der Spielverlauf bleibt bis zu diesem Punkt im Wesentlichen der gleiche und die Erzählstruktur linear. So muss das sequenzielle Strukturmodell im Falle der Nutzerführung „Silent Hills“ gemäß Anhang 6 erweitert werden.

Da sich Harry durch ein offenes, lediglich nach außen begrenztes Silent Hill bewegt, steht es dem Spielenden zudem offen, sich innerhalb der linearen Erzählung für seine individuelle Art der Spielweise zu entscheiden. Dies betrifft beispielsweise seinen Umgang mit Gegnern (Kampf/Flucht) und optionalen Hintergrundinformationsquellen (sammeln/nicht sammeln). Damit wird dem Spielenden die Möglichkeit eröffnet, sein Rezeptionserlebnis in großem Umfang mitzubestimmen, während der Autor den narrativen Verlauf der vier verschiedenen Spielpfade dennoch bereits im Voraus gezielt planen und inszenieren kann.

5.2.3 Figurenkonstellation

Im Folgenden sollen zunächst die Wirkung Harrys als Hauptcharakter und Avatar des Spiels und anschließend die Figurenkonstellationen sowie die Story bestimmende Konflikte und Entwicklungen innerhalb und zwischen den Charakteren beleuchtet werden. Die Charakteristika der einzelnen Figuren können bei Bedarf in Anhang 1a eingesehen werden.

Als Bindeglied zwischen Spielumgebung und Spielendem kommt dem Avatar eine Schlüsselfunktion im interaktiven Spielerleben zu. Mit ihm identifiziert sich der Spielende, durch ihn erhält er Zugang zur Spielwelt. Seine Ziele sind zugleich auch Grundlage für die Spielziele. Es ist daher essenziell für das immersive Erleben und die Motivation des Spielenden, dass die Identifikation mit ihm funktioniert und dessen Motive für ihn nachvollziehbar und erstrebenswert sind. (Klimmt, 2009)

Wie ausgeprägt diese Identifikation in “Silent Hill” im Falle Harrys Masons ist, beschreibt Broas (1999)7 wie folgt:

[...]


1 Diese Summe berücksichtigt den Kauf von Soft- und Hardware, Mikrotransaktionen, Virtuelle Güter und Zusatzinhalte, Gebühren für Online-Netzwerke, Hybrid Toys, Handhelds und Zubehör.

2 Diese Summe berücksichtigt den Verkauf von Kinokarten, Erlöse aus der Kinowerbung und Umsätze aus dem physischen und digitalen Verkauf und Verleih im Home-Entertainment- Markt.

3 Die in diesem Kapitel genannten Ausführungen beziehen sich auf klassische Filme ohne interaktive Elemente sowie Filme und Videospiele ohne VR-/AR-Einsatz.

4 Als Autor wird hier das an der Filmgestaltung beteiligte Team wie Regisseur, Drehbuchautor etc. verstanden

5 Die Wertungen zu den hier genannten und weiteren Spielen und deren Filmadaptionen sowie die entsprechenden Quellen lassen sich in der Tabelle in Anhang 2 finden.

6 Schätzung auf Basis diverser Spielerkommentare

7 Online-Quelle ist nicht mehr verfügbar, zitiert aus „Silent Hill: The Terror Engine" (Perron, 2012.S. 52]

Fin de l'extrait de 80 pages

Résumé des informations

Titre
Intermediale Bezüge von Computerspielen und Filmadaptionen unter Einbezug der Publikumskritik
Sous-titre
Das Beispiel "Silent Hill: Vom Kultspiel zum Splatterfilm"
Université
University of Cologne  (Humanwissenschaftliche Fakultät)
Note
1,0
Auteur
Année
2019
Pages
80
N° de catalogue
V964763
ISBN (ebook)
9783346323828
ISBN (Livre)
9783346323835
Langue
allemand
Mots clés
Silent Hill, Ludologie, Survival Horror, Videospiele, Medien, Verfilmung, Spieladaption, Kritik, intermedial, Horrorspiel, Immersion, Vergleich
Citation du texte
Jessica Grote (Auteur), 2019, Intermediale Bezüge von Computerspielen und Filmadaptionen unter Einbezug der Publikumskritik, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/964763

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