Mergers & Aquisitions. Reichweite und Rechtsfolgen des Betriebsübergangs nach § 613a BGB


Seminararbeit, 2019

24 Seiten, Note: 2,0

Anonym


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1. Einleitung

2. Entstehungsgeschichte und Normzweck des § 613a BGB
A. Entstehungsgeschichte
B. Normzweck

3. Voraussetzungen eines Betriebsübergangs
A. Begriff des Betriebs oder Betriebsteils
I. Rechtsprechungsentwicklung
1. Frühere Rechtsprechung
2. Rechtsprechung des EuGH
3. Neuere Rechtsprechung
B. Übergang eines Betriebs bzw. Betriebsteils
I. Übergang eines Betriebs
II. Übergang eines Betriebsteils
C. Neuer Inhaber
D. Übergang durch Rechtsgeschäft
E. Zeitpunkt des Übergangs

4. Rechtsfolgen des Betriebsübergangs
A. Übergang der Arbeitsverhältnisse
B. Unterrichtungspflicht der Arbeitgeber
C. Widerspruchsrecht
D. Übergang der Rechte und Pflichten
E. Fortgeltung kollektivrechtlicher Normen
F. Haftung
G. Kündigungsverbot

5. Fazit

Literaturverzeichnis

Ascheid/Reiner, Preis/Ulrich, Schmidt/ Ingrid : Kündigungsrecht, Großkommentar zum gesamten Recht der Beendigung von Arbeitsverhältnissen, 5. Auflage 2017

Bachner/Michael, Gerhardt/Peter, Matthießen/Volker: Arbeitsrecht bei Umstrukturierung von Unternehmen und Betrieben, 5. Auflage, Baden-Baden 2018

Balze/Wolfgang, Rebel/ Wolfgang, Schuck/Peter: Outsourcing und arbeitsrechtliche Restrukturierung von Unternehmen, 3. Auflage, Heidelberg, München, Landsberg, Berlin 2007

Bauer/Jobst-Hubertus, Göpfert/Burkard, Haußmann/Katrin, Krieger/Steffen: Umstrukturierung, Handbuch für die arbeitsrechtliche Praxis, 2. Auflage, Köln 2009

Beseler, Lothar: Der Betriebsübergang, Münster 2017

Burgmer, Christoph/Richter, Stefan: Der Betriebsübergang im Arbeitsrecht, Rechtslage und Rechtsentwicklung, Stuttgart 2008

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Fischinger, Phillip S: Arbeitsrecht, Heidelberg 2018

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Hromadka/Wolfgang, Maschmann/Frank: Arbeisrecht Band 1, Individualarbeitsrecht, 7. Auflage, Berlin Heidelberg 2018

Jauerning/Othmmar (Hrsg.), Mansel/Heinz-Peter: Bürgerliches Gesetzbuch: BGB, 17. Auflage 2018

Kramer/Ralph, Peter/Frank, K.: Arbeitsrecht, 3.Auflage, Wiesbaden 2014

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Pallasch, Ulrich, Arbeitsrecht, Ein Lehrbuch für Wirtschaftswissenschaftler, München 2010

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Schiek, Dagmar: Europäisches Arbeitsrecht, 3. Auflage, Baden-Baden 2007

Seiter, Hugo: Betriebsinhaberwechsel. Arbeitsrechtliche Auswirkungen eines Betriebsübergangs unter besonderer Berücksichtung des § 613a BGB i.d.F. vom 13. August 1980, Stuttgart/Wiesbaden, Forkel 1980

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Tschöpe, Ulrich (Hrsg.): Arbeitsrecht Handbuch, 9. Auflage, Köln 2015

Säcker/ Franz Jürgen (Hrsg.), Rixecker/ Roland, Oetker/ Harmut, Limperg/ Bettina: Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Band 4, Schuldrecht Besonderer Teil, 7. Auflage, München 2016

Abkürzungsverzeichnis

BAG Bundesarbeitsgericht

BGB Bürgerliches Gesetzbuch

BetrVG Betriebsverfassungsgesetz

Ebd. Ebenda

EG Europäische Gemeinschaft

EuGH Europäischer Gerichtshof

EWG Europäische Wirtschaftsgemeinschaft

HGB Handelsgesetzbuch

i.S.v. im Sinne von

KSchG Kündigungsschutzgesetz

Rn. Randnummer

TVG Tarifvertragsgesetz

UmwG Umwandlungsgesetz

1. Einleitung

Der schnelle und stetige Wandel der wirtschaftlichen Verhältnisse erfordert heute eine größere Flexibilität der Unternehmensorganisation. In einer hochgradig arbeitsteiligen und im globalen Wettbewerb stehenden Wirtschaft gehören betriebliche Umstrukturierungen, Unternehmenszusammenschlüsse bzw. Spaltungen, Verkauf und Zukauf von Betrieben und Betriebsteilen zur täglichen Praxis der Unternehmen. Solche Vorgänge sind als Betriebsübergang zu werten und finden ihre Regelung in § 613a BGB. Die Schutznorm des § 613a BGB wurde erstmals im Jahre 1972 eingeführt und sollte zu mehr Rechtssicherheit hinsichtlich des Arbeitnehmers führen, indem sein Arbeitsverhältnis bei einem Betriebsübergang auf den neuen Inhaber übergeht und somit erhalten bleibt. Dennoch wirft diese Vorschrift einige schwierige arbeitsrechtliche Fragen nach dem Vorliegen eines Betriebsübergang in der Anwendung des § 613a BGB auf. Im Rahmen dieser Arbeit soll anhand von ausgewählten Entscheidungen versucht werden, einen ausreichenden Überblick über die Reichweite und Rechtsfolgen des § 613a BGB zu schaffen. Im Vordergrund steht dabei, wann der Tatbestand des Betriebsübergangs erfüllt ist, der die an ihn geknüpften Rechtsfolgen wie den Übergang der Arbeitsverhältnisse, die gesamtschuldnerische Unterrichtungspflicht des Betriebsveräußerers und des Betriebserwerbers sowie das Widerspruchsrecht der betroffenen Arbeitnehmer auslöst.

2. Entstehungsgeschichte und Normzweck des § 613a BGB

A. Entstehungsgeschichte

Bereits in den frühen 1970er-Jahren bestand die Vorschrift des § 613a BGB, die die Rechte der Arbeitnehmer bei Betriebsübergang regelte.1 Dennoch ist die Fortentwicklung der Regelung später stark durch die Vorgaben europarechtlicher Regelungen beeinflusst worden. Somit wurde eine Vereinheitlichung des Begriffs des Betriebsübergangs im gesamten Rechtsraum der EU geschaffen.2 Eine Änderung des Paragrafen erfolgte in den Jahren 1980, 1994 und 2002. Nach der Aufnahme des § 613a BGB in das Bürgerliche Gesetzbuch im Jahre 1972 wurde die Regelung durch die Richtlinie 77/187/EWG vom 14.2.1977 angepasst und modifiziert, um § 613a

BGB dem europarechtlichen Standard anzupassen. Durch das EGAnpassungsgesetz vom 13.8.1980 erfolgte eine Harmonisierung des nationalen Rechts mit europäischen Rechtsvorschriften.3 Die Änderung sollte die Arbeitnehmer vor nachteiligen Änderungen der Arbeitsbedingungen nach einem Betriebsübergang schützen. Auch wurde die Fortgeltung von kollektivrechtlichen Normen (Betriebsvereinbarungen und Tarifverträge) geregelt und das Kündigungsverbot wegen des Betriebsübergangs eingerichtet.4 Eine weitere Anpassung wurde durch eine veränderte Terminologie des Umwandlungsgesetzes (UmwG) vorgenommen. In § 613a Abs. 3 BGB heißt es nunmehr statt „Verschmelzung, Aufspaltung oder Umwandlung“ nur noch „Umwandlung“. Eine inhaltliche Änderung erfolgte jedoch nicht. Diese Richtlinie wurde anschließend durch die Richtlinie 98/50/EG vom 29.6.1998 geändert. Schließlich wurde die ursprüngliche Richtlinie von der bis heute geltenden Richtlinie 2001/23/EG vom 12.3.2001 endgültig aufgehoben. Der Gesetzgeber führte mit Wirkung zum 01.4.2002 die Absätze 5 und 6 zu § 613a ein, in denen Unterrichtungspflichten des alten und des neuen Arbeitgebers sowie das Widerspruchrecht des Arbeitnehmers geregelt sind.

B. Normzweck

Die Vorschrift des § 613a BGB regelt einen gesetzlichen Vertragsübergang und dient der Sicherung aller bestehenden Arbeitsverhältnisse. Zum einen wird der Bestand der Arbeitsverhältnisse als solcher geschützt; zum anderen soll auch der Inhalt der Arbeitsverhältnisse grundsätzlich keinen für den Arbeitnehmer nachteiligen Änderungen unterworfen sein.5 Der Besitzstand der Arbeitnehmer wird also erhalten.6 Zudem soll die Kontinuität des amtierenden Betriebsrates gesichert werden7 8, ohne dass dessen Bestehen oder Wählbarkeit Voraussetzung für die Anwendung von § 613a BGB wäre. Weiterhin regelt die Vorschrift die Haftung des alten und des neuen Betriebsinhabers für Ansprüche der Arbeitnehmer.9 Regelungen für die Fortgeltung von Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen sind in § 613a Abs. 1 S. 2–4 BGB normiert. Das Kündigungsverbot des § 613a Abs. 4 BGB ergänzt den Schutz des vom Betriebsübergang betroffenen Arbeitnehmers vor einer wegen des Übergangs erfolgenden Beendigung bzw. einer Inhaltsänderung des Arbeitsverhältnisses.10 So normiert § 613a Abs. 4 S. 1 BGB ein eigenständiges Kündigungsverbot. Gemäß § 613a Abs. 4 S. 2 BGB gilt das Verbot jedoch nicht für Kündigungen, die aus anderen Gründen als dem Betriebsübergang ausgesprochen werden. Schließlich regeln die im Jahre 2002 eingefügten Abs. 5 und 6 das Widerspruchsrecht des Arbeitnehmers. Die starke Anlehnung an die europarechtlichen Richtlinien zeigt die enorme Bedeutung einer richtlinienkonformen Auslegung der Vorschrift. Eine Auslegung, die nur nationale arbeitsrechtliche Aspekte berücksichtigt, wäre unzureichend und daher fehlerhaft.11

3. Voraussetzungen eines Betriebsübergangs

Wann die Rechtsfolgen des § 613a BGB eingreifen, lässt sich aus dem Gesetz nicht ohne Weiteres erkennen. Zu den Tatbestandsvorrausetzungen sagt § 613a BGB lediglich, dass ein Betrieb oder Betriebsteil durch Rechtsgeschäft auf einen anderen Rechtsträger übergeht.12 Diese teilweise lückenhaften Tatbestandsvoraussetzungen wurden durch die Rechtsprechung des EuGH und BAG ergänzt.

A. Begriff des Betriebs oder Betriebsteils

I. Rechtsprechungsentwicklung

1. Frühere Rechtsprechung

Nach früherer Rechtsprechung des BAG wäre ein Betrieb die Gesamtheit der sächlichen und immateriellen Betriebsmittel, mit denen ein Arbeitgeber allein oder in Gemeinschaft mit seinen Arbeitnehmern bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt.13 Der Begriff des Betriebes wurde mit demjenigen des Betriebsteils weitgehend gleichgesetzt. Daher sollte für den Betriebsteil eine Voraussetzung geschaffen werden, damit der Erwerber den arbeitstechnischen Zweck weiterverfolgen konnte, was nur dann der Fall sein sollte, wenn der Betrieb als solcher erhalten blieb und fortgeführt wurde.14 Demnach folgerte man, dass der Betriebsteil eine organisatorische Einheit eines Betriebes sei, mit der arbeitstechnische Teilzwecke verfolgt werden konnten. Die Anzahl der dem Betrieb angehörigen Beschäftigten ist ebenso unerheblich wie der jeweilige Wirtschaftszweig.15

2. Rechtsprechung des EuGH

Nach der Rechtsprechung des EuGH komme es für die Frage des Betriebsübergangs entscheidend darauf an, ob eine wirtschaftliche Einheit vorhanden sei, die trotz des Inhaberwechsels ihre Identität bewahre.16 In der Entscheidung „Christel Schmidt“ hat der EuGH die Auffassung vertreten, dass ein Betriebsteil auch dann nicht auszuschließen sei, wenn überhaupt keine sächlichen Betriebsmittel übertragen werden.

Christel Schmidt war als einzige Reinigungskraft in der Filiale einer Sparkasse beschäftigt. Die Reinigungsarbeiten wurden auf eine externe Reinigungsfirma übertragen. Der EuGH sah darin einen Betriebsübergang der wirtschaftlichen Einheit „Reinigungsarbeiten“. Das Urteil sorgte für erhebliches Aufsehen und wurde scharf kritisiert, da die Rechtslage die rechtliche Einordnung von Outsourcing-Vorhaben erschwerte und das Risiko für den Dritten, die Arbeitnehmer übernehmen zu müssen, erhöhte.17 Der EuGH konkretisierte die Auffassung in einem neuen Urteil. Ayse Süzen war als Reinigungskraft in einer Reinigungsfirma angestellt. Der Firma wurde durch den Auftraggeber das Mandat entzogen, da sie den Auftrag an eine Drittfirma übertrugen. Frau Süzen sah hier einen Betriebsübergang. Sie erhob daraufhin eine Kündigungsschutzklage.17 Nach neuerer Auffassung des EuGH zum Anwendungsbereich des § 613a BGB ist entscheidend, dass nach Übergang einer wirtschaftlichen Einheit die Identität gewahrt wird.

Hieraus hat der EuGH den Schluss gezogen, dass für das Vorliegen einer wirtschaftlichen Einheit über die bloße Veräußerung von Wirtschaftsgütern hinaus mithin die Feststellung erforderlich ist, ob eine noch bestehende wirtschaftliche Einheit im Sinne einer Organisationseinheit übertragen wird und diese Einheit mit derselben oder einer gleichartigen Geschäftstätigkeit tatsächlich weitergeführt oder aufgenommen wird.18 Eine bloße Funktionsnachfolge genügt daher nicht.

3. Neuere Rechtsprechung

Unter dem Einfluss der Rechtsprechung des EuGH verlangt die neuere Rechtsprechung des BAG den Übergang einer „wirtschaftliche Einheit“, d. h. die organisatorische Gesamtheit von Personen und Sachen zur auf Dauer angelegten Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigener Zielsetzung.19 20 Demzufolge bezieht sich die Wahrung der Identität nicht nur auf die Geschäftstätigkeit. Kriterien wie Personal, Führungskräfte, Arbeitsorganisation, Betriebsmethoden und die ihr zur Verfügung stehenden Betriebsmittel sind zu berücksichtigen.21

B. Übergang eines Betriebs bzw. Betriebsteils

I. Übergang eines Betriebs

Wie bereits in den vorherigen Ausführungen erwähnt, ist für die Annahme eines Betriebsübergangs nach neuerer Rechtsprechung eine Identitätswahrung erforderlich. Die Beurteilung, ob die Wahrung der Identität der wirtschaftlichen Einheit erfolgt, wird mithilfe eines „Sieben-Punkte-Katalogs“ ermittelt, der nach Rechtsprechung des EuGH folgende Merkmale enthält:

- Art des Unternehmens
- Übergang oder Nichtübertragung der materiellen Aktiva (Gebäude oder Maschinen)
- Wert der übergehenden immateriellen Aktiva
- Übernahme oder Nichtübernahme der Arbeitnehmer
- Übergang oder Nichtübergang der Kundenbeziehungen
- Ähnlichkeiten der Tätigkeit vor und nach dem Übergang
- Dauer der Unterbrechung der Geschäftstätigkeit22

Der BAG hat sich dieser Prüfung angeschlossen. Die Prüfung erfolgt vor den deutschen Arbeitsgerichten, sofern nicht von vorneherein klar ist, dass der Erwerber alle Arbeitnehmer und Betriebsmittel übernimmt und dieselbe Tätigkeit am selben Ort ohne Unterbrechung fortführt.

Die Kriterien sind Teilaspekte der vorzunehmenden Gesamtbewertung und dürfen daher nicht isoliert betrachtet werden. Je nach der ausgeübten Tätigkeit und den Produktions- und Betriebsmethoden, die in dem betreffenden Unternehmen, Betrieb oder Betriebsteil angewendet werden, kommt ihnen eine unterschiedliche Bedeutung zu.23

Eine Differenzierung der Anforderungen an den Betriebsbegriff nach der jeweiligen Branche ist vorzunehmen und branchenspezifische sind Merkmale heranzuziehen.24 Bei Produktionsbetrieben ist die Übernahme der materiellen Betriebsmittel wie Maschinen, Gebäuden und Grundstücken entscheidend für die Feststellung des Übergangs der wirtschaftlichen Einheit. Bei Handels- und Dienstleistungsbetrieben stehen hingegen die immateriellen Betriebsmittel im Vordergrund. Bei der Bewertung, ob ein Betriebsübergang vorliegt, sind der Kundenstamm, die Qualität der Geschäftsbeziehungen sowie die Marktstellung des Unternehmens bedeutsam. Es kommt vor allem auf die menschliche Arbeitskraft an. Insbesondere im Reinigungs- und Bewachungsgewerbe kann daher eine Gesamtheit von Arbeitnehmern bereits eine wirtschaftliche Einheit darstellen.25 Es ist somit maßgeblich, welche Faktoren den spezifischen Charakter des jeweiligen Geschäfts ausmachen.

II. Übergang eines Betriebsteils

Nach § 613a BGB können auch einzelne Teile eines Betriebs auf einen neuen Inhaber übergehen. Ein solcher Betriebsteilübergang hat grundsätzlich dieselben Rechtsfolgen wie ein vollständiger Betriebsübergang. Allerdings muss es sich um Teileinheiten handeln, in denen sachlich und organisatorisch abgrenzbare arbeitstechnische Teilzwecke des Gesamtbetriebes erfüllt werden.26 Während nach der früheren Rechtsprechung eine eigenständige Betriebs- bzw. Arbeitsorganisation feststellbar sein musste,26 reicht es nach der Rechtsprechung des EuGH jetzt aus, dass der Funktions- und Zweckzusammenhang zwischen den verschiedenen übertragenen Faktoren beibehalten wird.27

Die Ausführungen verdeutlichen die Komplexität und Variabilität der Betriebsbegriffsdefinition, wodurch eine Abwägung der Gegebenheiten im Einzelfall erfolgen muss. Eine klare Rechtssicherheit ist in diesem Zusammenhang nicht gegeben, sodass kontroverse Ansichten absehbar sind.

Ein Betriebsübergang ist ausgeschlossen, wenn eine Betriebsstillegung vorliegt, da ein Betrieb, der nicht mehr besteht, auch nicht an einen anderen Inhaber übergehen kann.28 Eine Stilllegung erfordert die Auflösung der zwischen dem Arbeitgeber und den Arbeitnehmern bestehenden Betriebs- und Produktions- oder Dienstleistungsgemeinschaft auf Dauer bzw. für einen unbestimmten Zeitraum, aber wirtschaftliche nicht unerheblichen Zeitraum.29 30 Zudem muss die Absicht ernsthaft und endgültig sein.

[...]


1 Vgl. Dreher in Betriebsübergang, BGB § 613a Rn.1; Burgmer/Richter, Der Betriebsübergang im Arbeitsrecht, S. 11; Fuchs/Marhold, Europäisches Arbeitsrecht, S. 238; Tschöpe (Hrsg.), Arbeitsrecht, Teil II G Rn. 1.

2 Vgl. Burgmer/Richter, Der Betriebsübergang im Arbeitsrecht, S.11; Tschöpe (Hrsg.), Arbeitsrecht Handbuch, Teil II Rn. 2; MükoBGB/ Müller-Glöge BGB § 613a Rn. 1.

3 ErfK/ Preis BGB § 613a Rn. 1

4 Burgmer/Richter, Der Betriebsübergang im Arbeitsrecht, S.12 ; Tschöpe, Arbeitsrecht Handbuch, BGB § 613a Rn. 1; Dreher in Betriebsübergang, BGB § 613a Rn. 2.

5 Vgl. Bernsau / Dreher/Hauck, Betriebsübergang, BGB § 613a Rn. 7; MükoBGB/ Müller-Glöge BGB § 613a Rn. 6.

6 BAG v. 24.7.2001, NZA 2002, 520.

7 BAG v.18.9.2002, NZA 2003, 670; MükoBGB/ Müller-Glöge BGB §613a Rn.

8 ; ErfK/ Preis BGB § 613a Rn. 2.

9 BAG 17.1.1980, EzA § 613a BGB Nr. 24.

10 Dreher in Betriebsübergang, BGB § 613a Rn. 9.

11 Burgmer/Richter, Der Betriebsübergang im Arbeitsrecht, S. 13.

12 Gröpfert/Krieger, Umstrukturierung, Teil III Rn. 3.

13 BAG v. 21.1.1988, NZA 1988, 838; ErfK/ Preis BGB § 613a Rn. 5-9; Seiter, Betriebsinhaberwechsel S. 49.

14 BAG v. 29.10.1975, NJW 1976, 535.

15 BAG v. 27.7.1994, NZA 1995, 222; Tschöpe, Arbeitsrecht, Teil II G Rn. 11.

16 Vgl. ErrK/ Preis BGB § 613a Rn. 6.

17 Burgmer/ Richter, Der Betriebsübergang im Arbeitsrecht, S. 16. 17 EuGH v.11.3.1997, C 13/95, Ayse Süzen.

18 Bachner/Gerhardt/Matthießen, Arbeitsrecht bei der Umstrukturierung von Unternehmen und Betrieben, § 6 Rn.8; Richtlinie 2001/23/EG; MükoBGB/ MüllerGlöge BGB § 613 Rn. 15.

19 EuGH-Urteil v. 20.11.2003, NAZ 2004, Heft 24, BAG-Urteil v. 27.10.2005, NZA 2006, 668 sowie v. 22.7.2004, NJW-Spezial 2004, 371 ; Schiek, Europäisches Arbeitsrecht, Teil II Rn. 24; Göpfert/Krieger, Umstrukturierung, Teil III Rn.

20 ; Burgmer/Richter, Der Betriebsübergang im Arbeitsrecht, S. 20.

21 Schiek, Europäisches Arbeitsrecht, Teil II Rn. 24; Göpfert/ Krieger, Umstrukturierung, Teil III Rn. 6; Burgmer/Richter, Der Betriebsübergang im Arbeitsrecht, S. 20.

22 Burgmer/Richter, Der Betriebsübergang im Arbeitsrecht, S. 29.

23 EuGH- Urteil v. 20.11.2003, NZA 2003, 1385; BAG-Urteil v. 22.7.2004, NZA 2004, Heft 24.

24 Bachner/Gerhardt/Matthießen, Arbeitsrecht bei der Umstrukturierung von Unternehmen und Betrieben, § 6 Rn. 12.

25 Bachner/Gerhard/Mattthießen, Arbeitsrecht bei der Umstrukturierung von Unternehmen und Betrieben, § 6 Rn. 13.

26 BAG 9.2.1994, AP BGB § 613a Nr. 105; Bachner/Gerhard/Matthießen, Arbeitsrecht bei der Umstrukturierung von Unternehmen und Betrieben, § 6 Rn. 16. 26 BAG 8.8.2002, NZA 2003, 315; ArbG Celle 4.12.2002 NZA-RR 2003.

27 Bachner /Gerhardt/Matthießen, Arbeitsrecht bei der Umstrukturierung von Unternehmen und Betrieben, § 6 Rn, 16.

28 Beseler, Betriebsübergang, S. 50.

29 ErfK/Preis BGB § 613a Rn. 56, 57; MükoBGB/ Müller Glöge, BGB § 613a Rn.

30 NJW 1976, 535.

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Mergers & Aquisitions. Reichweite und Rechtsfolgen des Betriebsübergangs nach § 613a BGB
Hochschule
Universität Siegen
Note
2,0
Jahr
2019
Seiten
24
Katalognummer
V968815
ISBN (eBook)
9783346334398
ISBN (Buch)
9783346334404
Sprache
Deutsch
Schlagworte
mergers, aquisitions, reichweite, rechtsfolgen, betriebsübergangs
Arbeit zitieren
Anonym, 2019, Mergers & Aquisitions. Reichweite und Rechtsfolgen des Betriebsübergangs nach § 613a BGB, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/968815

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