Inflationserwartungen als politisches Instrument. Einflüsse, Messmethoden und Lösungsansätze


Hausarbeit, 2020

19 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Inflationserwartungen als politisches Instrument
2.1 Einflüsse
2.2 Messmethoden
2.3 Lösungsansätze

3. Forschungsstand Inflationserwartungen
3.1 Ergebnisse
3.2 Kritik

4. Schlussfolgerung

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Mit der Einführung der Nullzinspolitik wurden die politischen Entscheidungsträger im Hinblick auf die Geldpolitik vor eine Herausforderung gestellt. In der konventionellen Geldpolitik konnte eine Wirkung auf die Wirtschaftsakteure auszuüben werden, indem der Nominalzins verändert wurde. Der daraus resultierende Realzins hat einen erheblichen Einfluss auf die gesamtwirtschaftliche Situation und beeinflusst beispielsweise die Konsumenten in ihren Konsumentscheidungen. Da sich der Nominalzins in der heutigen Zeit nahe der Nullgrenze befindet (Zero lower bound), verschwindet diese Möglichkeit der Beeinflussung des Nominalzinses fast gänzlich. Mit der Inflationserwartung spielt ein weiterer Faktor in die Bildung des Realzinses ein, wodurch Politiker eine Alternative haben, die Entscheidungen der Wirtschaftsakteure in die intendierte Richtung lenken zu können.

Da die bisherige Inflationsrate in der Vergangenheit relativ konstant gehalten wurde, existieren wenige Arbeiten, die den Zusammenhang zwischen Inflationserwartungen und daraus resultierenden wirtschaftlichen Entscheidungen aufzeigen. Um die Veränderung in den Erwartungen der Wirtschaftsakteure als politisches Instrument zu benutzen, muss zuallererst erforscht werden, auf welche Weise sich jene auswirken. Aus diesem Grund zeigen Coibon et al. in ihrem Arbeitspapier „Inflation expectations as a policy tool“ auf, was nötig ist, um die Auswirkungen der Inflationserwartungen in den verschiedenen wirtschaftlichen Bereichen zu messen. Dazu haben sie, unter Zuhilfenahme anderer Arbeiten, Thesen aufgestellt, welche den Einfluss der Inflationserwartungen als politisches Instrument ermöglichen und verbessern sollen. Es gilt demnach herauszustellen, ob die Beeinflussung von Inflationserwartungen als politisches Instrument genutzt werden kann.

In dieser Arbeit stellt eine Erläuterung der möglichen Einflüsse auf die Inflationserwartung den ersten Teil dar. Danach werden mögliche Messmethoden und Umfragedesigns behandelt, welche essenziell für die Auswertung der Problematik sind. Im Anschluss werden Lösungsansätze diskutiert, welche den Einsatz der Beeinflussung der Inflationserwartung möglich machen und verbessern können. Sodann wird die Problematik im darauffolgenden Kapitel in den wissenschaftlichen Gesamtkontext eingeordnet und kritisch hinterfragt. Zuletzt folgt eine Zusammenfassung der Kernelemente sowie eine abschließende Schlussbetrachtung.

2. Inflationserwartungen als politisches Instrument

Die Inflationserwartung als Variable ist für die Entscheidungsbildung verschiedener wirtschaftlicher Akteure von Bedeutung. Das Hauptaugenmerk liegt in der zugrunde liegenden Arbeit auf den Gruppen der Konsumenten und Firmen, da der Einfluss auf die Inflationserwartungen bei diesen eine hohe Auswirkung haben kann, wie sich im weiteren Verlauf dieser Arbeit zeigen wird. Bei den Konsumenten wirkt sie, wie mit der Euler-Gleichung bewiesen, mit in die Konsum- und Sparentscheidungen ein, wodurch die politischen Entscheidungsträger in der Geldpolitik ein großes Interesse daran haben könnten, die Erwartungen zu beeinflussen (vgl. Coibon et al. 2020: 7). Im Firmensektor hat die Inflationserwartung und der damit einhergehende Realzins einen Einfluss auf die Preissetzung und das Beschäftigungsniveau. Des Weiteren sind auch die Teilnehmer der Finanzmärkte und professionellen Prognostiker für die Beleuchtung der Thematik von Relevanz. Sie bilden einen Referenzwert für die Auswirkungen möglicher Maßnahmen, da sie grundsätzlich mehr Bezug zu den geldpolitischen Geschehnissen haben und dadurch tendenziell zutreffendere Erwartungen haben. Zum besseren Verständnis der Auswirkungen hinsichtlich einer Veränderung in der Inflationserwartung, ist eine Betrachtung der unterschiedlichen Einflüsse auf die Entstehung sinnvoll.

2.1 Einflüsse

Einer der wichtigsten Faktoren für die Bildung der Inflationserwartung von Haushalten sind die bisherigen Annahmen in den vergangenen Jahren, was sich in einer Arbeit von Ranyard et al. (2008: 392,393) gezeigt hat. Zudem ist die Unaufmerksamkeit der Haushalte ein Faktor, weswegen sich die Annahme einer zu hoch eingeschätzten Inflationserwartung in der Zukunft fortführt. Bei Firmen ergibt sich ein ähnliches Bild, was Kumar et al. (2015: 187,188) in ihrem Working Paper aufgezeigt haben: In Studien aus Neuseeland wurde deutlich, dass die Inflationserwartungen der Firmenmanager auch sehr stark von den bisherigen Annahmen abhängen. Des Weiteren hat sich gezeigt, dass Haushalte in Ländern mit hoher Inflationsrate im Allgemeinen besser über die Entwicklung dieses Parameters informiert sind (vgl. Cavallo, Cruces und Perez-Truglia 2017: 33). Im Gegensatz dazu herrscht bei Haushalten und Firmen in Ländern mit niedriger Rate eher ein Desinteresse, wenn es um kürzliche Veränderungen in der Inflationsrate geht.

Zusätzlich bilden die Einkaufserfahrungen eine gute Möglichkeit der Preisbeobachtung, was sowohl für Haushalte als auch für Firmenmanager gilt. Die dabei beobachteten Werte werden auf die Gesamtwirtschaft übertragen und spielen somit in die Bildung der Inflationserwartung mit ein. In einer Analyse von Umfragedaten aus den USA wurde deutlich, dass beobachtbare Schocks in der Ölpreisentwicklung starke Auswirkungen auf die vorherrschende Inflationserwartung haben (vgl. Wong 2015: 1686). Zusammen mit den Lebensmittelpreisen, welche ebenfalls als häufig konsumierte Güter eine gute Preisbeobachtung ermöglichen, bildet der Ölpreis einen beliebten Schätzer der Inflationserwartung für die Haushalte.

Zudem hat sich gezeigt, dass viele Wirtschaftsakteure ihre Informationen bezüglich der Inflationsraten über die Medien beziehen. Deswegen ist dieser Informationskanal ebenfalls von großer Wichtigkeit für die Bildung von Inflationserwartungen der Haushalte. Zentralbanken nutzen Medien, um ihre Entscheidungen publik zu machen, weswegen eine Wirkung auf die Inflationserwartungen antizipiert werden kann. Im weiteren Verlauf der Arbeit wird noch genauer darauf eingegangen, warum die mediale Wirkung Schwierigkeiten birgt. Wie Kumar et al. (2015: 154) zeigen, sind die Medien außerdem ein wichtiger Faktor für die Informationsversorgung der Firmenmanager, mit deren Hilfe sie ihre Inflationserwartungen bilden.

Zuletzt ist das Wissen über Geldpolitik ein wichtiger Parameter für die Richtigkeit der Inflationsratenschätzung. So hat die Arbeit von Kamada, Nakajima und Nishiguchi (2015: 4) gezeigt, dass Haushalte, die im Durchschnitt einen höheren Kenntnisstand über Geldpolitik, beziehungsweise ein höheres Maß an Vertrauen in die Zentralbanken haben, zutreffendere Vorhersagen über die aktuelle Inflationsrate treffen können. Des Weiteren wurde deutlich, dass in Ländern mit starken Schwankungen in der Inflationsrate nicht nur die Aufmerksamkeit der Inflationsentwicklung höher ist, sondern allgemeine Kenntnisse über geldpolitische Begebenheiten und Ziele der Zentralbanken ebenfalls vermehrt in der Bevölkerung vertreten sind (vgl. Coibon et al. 2020: 7). Die Bildung der Erwartungen ist demnach von verschiedenen Faktoren abhängig, welche je nach ökonomischem Umfeld variieren können. Zusätzlich sind die zuvor genannten Einflussfaktoren vor allem für Haushalte und Firmen von großer Bedeutung, während sich die Erwartungsbildung der Finanzmarktteilnehmer und professionellen Prognostiker eher auf die Ankündigungen der Zentralbanken und der eigentlichen Inflationsentwicklung stützt.

2.2 Messmethoden

Nachdem die Faktoren behandelt wurden, welche eine große Rolle in der Erwartungsbildung einnehmen, wird nun erläutert, wie Inflationserwartungen gemessen werden können und was damit einhergehende mögliche Herausforderungen sind. Grundsätzlich gibt es bereits einige Umfragen von nationalen und internationalen Institutionen, welche die Inflationserwartungen der Konsumenten durch repräsentative Versuchsgruppen und hohe Umfragefrequenzen sinnvoll abbilden (vgl. Coibon et al. 2020: 10). Dadurch, dass die Umfragen über die Ländergrenzen hinweg relativ ähnlich aufgebaut sind, resultiert eine gute Vergleichbarkeit.

Um die Inflationserwartungen als politisches Instrument zu verwenden, ist es zudem nötig, die möglichen Auswirkungen einer Veränderung in der Inflationserwartung der Firmen zu messen und auswerten zu können. Hier zeigt sich eine Problematik, da die Anzahl der hochqualitativen Umfragen und Studien, welche die Erwartungshaltung der Firmen auf nationaler oder internationaler Ebene gut und repräsentativ wiedergeben, sehr begrenzt ist. Es hat sich herausgestellt, dass die folgenden Elemente eines Umfragedesigns gut geeignet sind, um die notwendigen Informationen von Firmen und Haushalten zu erhalten. Anfangs sollte die Frage nach der Inflationserwartung als Punktvorhersage gestellt werden, da die Fragestellung nach einer Verteilung der Erwartungen komplizierter ist und darum wahrscheinlich eine geringere Teilnahme an der Befragung resultieren würde (vgl. Kleinjans und van Soest 2014: 577,579).

Des Weiteren wurde deutlich, dass die Wortwahl in der Fragestellung nach der Inflationserwartung ebenfalls von großer Bedeutung ist. In einer Studie von Armatier et al. (2013: 293) wurde herausgestellt, dass die Formulierung der Inflationsfragen Einfluss auf die Weise hat, auf der Haushalte die Frage interpretieren und beantworten. So zeigt sich beispielsweise ein Unterschied in den Ergebnissen, wenn in einer Umfrage bei Haushalten nach der „Veränderung in dem Preis, den Sie zahlen“ oder „Inflation gemessen am Verbraucherpreisindex“ gefragt wird (vgl. Coibon et al. 2020: 10). Aus diesem Grund wäre eine einheitliche Formulierung der Fragestellung hinsichtlich der Vergleichbarkeit von Vorteil. Allerdings haben sich an dieser Stelle auch Hinweise ergeben, dass die Formulierung der Frage bei den Firmenmanagern von geringerer Bedeutung ist.

Ein weiterer Faktor, welcher vor allem bei der Befragung von Firmen eine hohe Relevanz hat, ist die Auswahl der geforderten Variablen. Hier zeigen sich deutliche Unterschiede bei dem Vergleich von firmenabhängigen Variablen und aggregierten Erwartungen. Bei der Gegenüberstellung der Ergebnisse bei der Befragung hat sich ergeben, dass die Entwicklung der firmenrelevanten Variablen wie bspw. Stückkosten oder Preise und die aggregierte Inflationserwartung unkorreliert sind (vgl. Coibon et al. 2020: 11). Aus diesem Grund können die firmenabhängigen Variablen bei der Befragung nach der erwarteten Inflation vernachlässigt werden.

Die Antwortmöglichkeiten in einer Umfrage haben ebenfalls eine bedeutende Auswirkung auf die Resultate. Abhängig von der Skalierung der Antwortrange können die Antworten teilweise signifikant variieren. Hier hat sich gezeigt, dass sich beispielsweise bei Multiple-Choice-Fragen ein Bias ergeben kann, wenn die Befragten je nach Verteilung der Skala eine Antwort mit Tendenz zur Mitte angeben (vgl. Coibon et al. 2020: 12). Dieses Phänomen kann ebenfalls bei Fragen nach einer Wahrscheinlichkeitsverteilung auftauchen. Durch eine unvorteilhafte Formulierung der Antwortmöglichkeiten kann das Ergebnis demnach verfälscht werden.

Zuletzt ist die Erstellung eines geeigneten und repräsentativen Proberahmens für die Manager eine weitere Herausforderung. Hier gilt es zu evaluieren, welche Eigenschaften sich besser zur Auswahl der Befragten eignen. Im Gegensatz zu den demographischen Charakteristika, die für die Auswahl eines repräsentativen Samples der Haushalte geeignet sind, ließ sich erkennen, dass die Firmenvariablen ein passenderes Kriterium zur Auswahl der Manager sind (vgl. Coibon et al. 2020: 13). Wenn diese genannten Kriterien für die Erstellung von Studien zur Ermittlung der Inflationserwartungen der Firmen genutzt werden, können Ergebnisse resultieren, welche zur Aufklärung der Problematik dienen können. Bisher existieren wenige Umfragen, welche die Kriterien gänzlich erfüllen und deswegen sinnvoll verglichen werden können. Auch wenn einige Länder bereits regelmäßige und repräsentative Umfragen durchführen, sind jedoch einige Aspekte der nötigen Informationen nicht abgedeckt. Zudem belaufen sich die Antwortraten von Firmenstudien oft nur auf 70­80% (vgl. Bloom et al. 2017: 4,5). Die von der Europäischen Kommission durchgeführten Studien sind beispielsweise sinnvoll aufgebaut. Allerdings bezieht sich der Rahmen auf die verschiedenen Industrien, weswegen es für die unterschiedlichen Branchen abweichende Fragebögen gibt.

2.3 Lösungsansätze

Wie in den vorherigen Kapiteln deutlich wurde, birgt die Beobachtung und Beeinflussung der Inflationserwartungen der Wirtschaftsakteure einige Schwierigkeiten. Einerseits ist es bislang schwierig, die Wirkungen auf die Firmenmanager und deren Entscheidungen zu beobachten, da es an hochqualitativen Umfragen und Studien mangelt. Andererseits stoßen die Maßnahmen, welche bislang getätigt werden, um Meldungen und Veränderungen bezüglich der Inflationsrate publik zu machen, nicht auf bedeutsame Aufmerksamkeit. Da die beiden Punkte Voraussetzungen sind, um die Beeinflussung der Inflationserwartung als politisches Instrument zu ermöglichen, haben Coibon et al. (2020: 18-23) Ansätze aufgestellt, die den Einfluss und die Effektivität möglicher Maßnahmen verbessern könnten.

Um die Effektivität von wichtigen geldpolitischen Ankündigungen in der Vergangenheit zu ermitteln, wurden mehrere Events in der Eurozone, den USA und dem Vereinigten Königreich betrachtet. Dabei lag der Fokus auf Veränderungen in den Inflationserwartungen von Haushalten, Firmen, professionellen Prognostikern und Finanzmarktteilnehmern. Sämtliche Events fanden im Zeitraum der letzten großen Finanzkrise statt und waren hauptsächlich Meldungen über Veränderungen im Leitzins, dem Inflationsziel der Zentralbank oder Ankündigungen über Anleihen­Käufe. Um die Inflationserwartungen als politisches Instrument zu nutzen, müsste, wie auch in diesen vergangenen Events, eine deutliche Signalwirkung auf die Haushalte und Firmen stattfinden, sodass diese auf die Ankündigungen reagieren und ihre Erwartungen anpassen.

In den USA hat sich bei den professionellen Prognostikern ein Anstieg in der Anzahl der Änderungen der Prognosen um die Events herum ergeben (vgl. Coibon et al. 2020:15). Wie bereits zuvor erläutert, sind die professionellen Prognostiker nah am Geschehen des Finanzmarktes und reagieren aus diesem Grund stark und schnell auf Ankündigungen von Zentralbanken. Die Beobachtung der Finanzmärkte zeigte ein ähnliches Bild, wobei hier der TED-Spread als Indikator verwendet wurde. Auch hier gab es auf mehrere Events eine klare Reaktion der Kennzahlen im Finanzmarkt. Lediglich bei einer Ankündigung des Inflationsziels der Federal Reserve (FED) zeigte sich weder bei den Finanzmärkten noch bei den professionellen Prognostikern eine signifikante Reaktion. Dies kann möglicherweise darauf zurückgeführt werden, dass beide Wirtschaftsakteure bereits die geldpolitischen Ankündigungen antizipieren und die Erwartungen, gerade in Bezug auf das Inflationsziel, schon vorher gebildet wurden. Das neue Inflationsziel wurde in dem Fall dann wahrscheinlich schon zuvor als Inflationsziel der FED angenommen (vgl. Coibon et al. 2020: 15).

[...]

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Inflationserwartungen als politisches Instrument. Einflüsse, Messmethoden und Lösungsansätze
Hochschule
Justus-Liebig-Universität Gießen  (FB 02)
Veranstaltung
Geldpolitisches Master-Seminar
Note
1,0
Autor
Jahr
2020
Seiten
19
Katalognummer
V978199
ISBN (eBook)
9783346338297
ISBN (Buch)
9783346338303
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Inflation, Inflationserwartung, Nullzins, politisches Instrument, Geldpolitik
Arbeit zitieren
Matteo Henrizi (Autor:in), 2020, Inflationserwartungen als politisches Instrument. Einflüsse, Messmethoden und Lösungsansätze, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/978199

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