Ethische Betrachtung deutscher Waffenexporte an Saudi Arabien. Folgen der Rüstungsgüter- und Waffenexporte


Master's Thesis, 2019

93 Pages, Grade: 2,3


Excerpt


Gliederung

Abkürzungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

1. Einleitung

2. Waffenexporte der Bundesrepublik Deutschland
2.1. Gesetzgebung und Lücken
2.2. Die Rolle von Menschen- und Völkerrecht

3. Die Saudis und der Westen
3.1. Waffenlieferungen an Saudi-Arabien
3.2. Bewertung der Exporte

4. Folgen
4.1. Lizenzen, oder wie ein Gewehr Afrika erobert
4.2. Exkurs: Waffen in den Händen von Kindern
4.3. Jemen und die Missachtung des Völkerrechts

5. Homo Oeconomicus und der ökonomische Nutzen
5.1. Einführung
5.2. Das Menschenbild des Homo oeconomicus
5.3. Ökonomischer Nutzenbegriff

6. Utilitaristische Sicht
6.1. Von Glück und Nutzen
6.2. Ethischer Nutzen von Waffenexporten

7. Ökonomischer Nutzen vs. Utilitarismus
7.1. Akteure und Rahmenbedingungen
7.2. Bewertung
7.3. Ausblick in eine friedliche Zukunft

8. Zusammenfassung

9. Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

AA Auswärtige Amt

ACLED Armed Conflict Location & Event Data Project

ATT Arms of Treaty

AWG Außenwirtschaftsgesetz

AWV Außenwirtschaftsverordnung

BAFA Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle

BDSV Bundesverband der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsin- dustrie e.V.

BICC Bonn International Center for Conversion

BIP Bruttoinlandsprodukt

BITS Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit

BMVg Bundeministerium der Verteidigung

BMWi Bundeswirtschaftsministerium

BSR Bundessicherheitsrat

CARPO Center for Applied Research in Partnership with the Orient

CDU Christlich Demokratische Union Deutschlands

EU Europäische Union

GKKE Gemeinsame Konferenz Kirche und Entwicklung

GroKo Große Koalition

H&K Heckler & Koch

HO Homo Oeconomicus

ICCPR Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte

ICESCR Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte

INA Initiative Nachrichtenaufklärung e.V.

IPC Integrated Food Security Phase Classification

KNA Katholische Nachrichten Agentur

KrWaffKontrG Kriegswaffenkontrollgesetz

LRA Lord`s Resistance Army

MIC Military Industries Corporation

NATO North Atlantic Treaty Organization

OSZE Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa

RIB Freiburger Rüstungsinformation Büro e. V.

RSF Rapid Sudanese Forces

SIPRI Stockholm International Peace Research Institute

SPD Sozialdemokratische Partei Deutschlands

UN Vereinte Nationen

UNDP United Nations Development Programme

UNICEF United Nations Children’s Fund

VAE Vereinigte Arabische Emirate

ZDF Zweites Deutsches Fernsehen

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Konflikte pro Land.

Abbildung 2: Entwicklung des Handels mit schweren Waffen weltweit, 1950-2017

Abbildung 3 Die wichtigsten Ex- und Importeure schwerer Waffen, 2013-17

Abbildung 4 Genehmigungsprozess bei Rüstungsexporten

Abbildung 5: Analyse zu Saudi-Arabien

Abbildung 6: Verflechtungen von Konfliktakteuren

Abbildung 7: Kindersoldaten in Konflikten, 2017

Abbildung 8: Angriffe auf zivile Ziele im Zeitraum März 2015 bis Dezember 2017

Abbildung 9: Anschläge auf Fischerei und Landwirtschaft

Abbildung 10: Notlage der Menschen im Jemen

Abbildung 11: Grad der Nahrungsmittelknappheit ohne Hilfslieferungen

Abbildung 12: Grad der Nahrungsmittelknappheit mit Hilfslieferungen

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Rüstungsexportgenehmigungen der Bundesregierung von 1999 bis 2017

Tabelle 2: Kleinwaffenexportgenehmigungen an Drittstaaten von 2006 bis 2017

Tabelle 3: Munitionexportgenehmigungen an Drittstaaten von 2006 bis 2017

Tabelle 4: Kritisch einzustufende Empfängerländer deutscher Rüstungsexporte

Tabelle 5: Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien

1. Einleitung

„Frieden kannst du nur haben, wenn du ihn gibst.“

Marie von Ebner-Eschenbach1 Die Karte in Abbildung 12 zeigt die größten Konflikte, die es aktuell weltweit gibt. In der Benennung der unterschiedlichen Arten wird bereits deutlich, dass es sich meist um Gewaltkonflikte handelt, in denen Waffen zum Einsatz kommen. Waffen, die auch in der Bundesrepublik Deutschland konstruiert, hergestellt und verkauft werden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Konflikte pro Land

Der Verkauf von Rüstungsgütern und Waffen wird durch verschiedene Gesetze und Richtlinien geregelt. Dennoch kommt es immer wieder vor, dass Waffen und Rüstungsgüter in Staaten exportiert werden, die diesen Gesetzen und Richtlinien nicht entsprechen. Einer dieser Staaten ist Saudi-Arabien. In dieser Arbeit wird untersucht, welche Folgen der Rüstungsgüter- und Waffenexport hat und inwieweit diese ethisch (hier utilitaristisch) vertretbar sind. Um zu verstehen, wie die Entscheidungen von Politikern und Unternehmen getroffen werden, wird das Modell des Homo Oeconomicus herangezogen und anschließend jeweils der ökonomische und utilitaristische Nutzen von Waffenexporten dargestellt und verglichen. Im letzten Teil werden einzelne Akteure und ihre Intentionen genauer betrachtet.

2. Waffenexporte der Bundesrepublik Deutschland

„Keine Waffen sollen mehr auf Erden geschmiedet werden, die Völker keine Kriegslieferung mehr steuern.“

Kaiser Aurelius Probus3 Im globalen Vergleich wurde im Jahr 2017 ein neuer Höchststand an Militärausgaben seit Ende des Kalten Krieges verzeichnet. Nach Angaben des Stockholmer International Peace Research Institute (SIPRI) wurde 2017 weltweit 1,739 Milliarden US-Dollar für Rüstungsgüter und Militär ausgegeben, was 2,2 Prozent des weltweiten Bruttoinlandsprodukts (BIP) entspricht4.

Die für das Militär in diesem Umfang benötigten Waffen müssen produziert und verteilt werden.

Abbildung 25 zeigt den weltweiten Handel mit schweren Waffen im Zeitraum von 1950 bis 2017. Hier lässt sich ein stetiger Anstieg seit 2000 erkennen. Zu den schweren Waffen zählen u.a. Panzer, U-Boote und Kriegsschiffe, die direkt im Gefecht eingesetzt werden6. Der Export von Klein- und Leichtwaffen muss gesondert betrachtet werden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Entwicklung des Handels mit schweren Waffen weltweit, 1950-2017

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3 Die wichtigsten Ex- und Importeure schwerer Waffen, 2013-17

Die internationalen Transfers von schweren Waffen sind im Vergleichszeitraum 2008 – 12 und 2013 – 17 um 10 Prozent gestiegen. Dabei machen die fünf größten waffenexportierenden Länder (Abbildung 3)7, USA, Russland, Frankreich, Deutschland und China 74 Prozent des globalen Gesamtexports aus. Unter ihnen belegt Deutschland mit einem Weltmarktanteil von 5,8 Prozent aktuell den vierten Platz. Zu den fünf größten Importländern gehören Indien, Saudi-Arabien, Ägypten, die Vereinigten Arabischen Emiraten und China. An zweiter Stelle, mit einem Weltmarktanteil von 10 Prozent, steht Saudi-Arabien8.

Um in ihrer Rüstungsexportpolitik in der Öffentlichkeit für Transparenz zu sorgen, veröffentlichen viele Regierungen regelmäßig aktuelle Zahlen.

Die Bundesrepublik Deutschland informiert halbjährig über die erteilten Exportgenehmigungen von konventionellen Rüstungsgütern. Die aktuellen Zahlen werden im Rüstungsexportbericht durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie veröffentlicht. Der Bericht beinhaltet die „Genehmigungen für Ausfuhren von Rüstungsgütern, getrennt nach EU-Ländern sowie NATO- und NATO-gleichgestellten Ländern9 und Drittländern.10

Unter dem Begriff „Rüstungsgut“ sind nicht nur Panzer und Waffen zu verstehen, sondern u. a. auch Mienenräumgeräte und Sicherheitsglas.11

Im Berichtszeitraum vom 1. Januar 2018 bis zum 30 Juni 2018 hat die Bundesregierung Einzelgenehmigungen in Höhe von 2,57 Milliarden Euro erteilt. Das sind 27,2 Prozent weniger als im ersten Halbjahr 2017.

Davon entfielen, mit einem Wert von 1,03 Milliarden Euro, 40 Prozent der Genehmigungen an EU-, NATO- und NATO-gleichgestellte Länder. Rund 60 Prozent der Ausfuhrgenehmigungen mit einem Wert von 1,54 Milliarden Euro wurden an Drittländer erteilt12.

Das Ministerium von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmeier hat vorläufige Zahlen für das Gesamtjahr 2018 herausgegeben. So wurden bis zum 13. Dezember 2018 Einzelausfuhrgenehmigungen für Rüstungsexporte im Wert von 4,62 Mrd. Euro erteilt. Damit sind die deutschen Rüstungsexporte im Vergleich zum Vorjahr vorläufig mit einem Wert von 6,24 Mrd. Euro13 um ca. 26 Prozent zurückgegangen. An dieser Stelle darf nicht vergessen werden, dass es sich nur um vorläufige Genehmigungswerte bis zum 13.12.2018 handelt. Um die aktuell positive Presse richtig einordnen zu können, lohnt es sich, die Rüstungsexportgenehmigungen der deutschen Regierungen der letzten Jahre gegenüberzustellen und zu vergleichen.

Tabelle 114 zeigt im Betrachtungszeitraum von 1999 bis 2017 eine Verdopplung der Einzelexportgenehmigungen. Otfried Nassauer stellt drei wichtige Entwicklungen heraus:15

- Betrachtet man die Legislaturperioden der beiden Großen Koalitionen (GroKo 1 & 2), sind die jährlichen Genehmigungswerte um 1 – 2 Mrd. Euro im Vergleich zur vorherigen Regierung angestiegen.
- Des Weiteren zeigt die Tabelle, dass die „häufig umstrittenen Genehmigungen für Drittländer“ seit der Kanzlerkandidatur von Merkel in jeder Legislaturperiode kontinuierlich bis zuletzt auf fast 60 Prozent vom Gesamtvolumen angestiegen sind.
- Zeitgleich sind die erteilten Genehmigungen an die Gruppe der EU-, NATO- und NATO gleichgestellten Staaten zurückgegangen, obwohl diese Gruppe mit der Zeit deutlich gewachsen ist.

Damit wird sichtbar, welche Wichtigkeit Drittländer beim Import deutscher Waffen spielen und wie bereitwillig Deutschland verhandelt und exportiert.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1: Rüstungsexportgenehmigungen der Bundesregierung von 1999 bis 2017

Wurden im 16 ersten Teil die Exportgenehmigungen von Schweren Waffen dargestellt, soll im zweiten Teil ein Blick auf die Exportpolitik von Kleinen und Leichten Waffen geworfen werden. Sie spielen in der weltweiten Verbreitung sowie in Krisen und Kriegen eine zentrale Rolle, grade auch im Zusammenhang mit Kindersoldaten. Kofi Annan hat im Jahr 2000 dazu geschrieben: „Kleinwaffen fordern weitaus mehr Menschenleben als alle anderen Waffensysteme – meist übersteigt die Zahl der Opfer, die sie alljährlich fordern, die der Atombomben von Hiroshima und Nagasaki um ein Vielfaches. Gemessen an dem Blutbad, das sie anrichten, kann man Kleinwaffen gut und gerne als "Massenvernichtungswaffen" bezeichnen“.17 Umgangssprachlich werden diese Waffen oft als „Kleinwaffen“ (im Folgenden: Kleinwaffen) bezeichnet. Um jedoch die Exportentscheidungen der Bundesregierung und mögliche Folgen beurteilen zu können, muss definiert sein, welche Waffenkategorien genau mit diesem Begriff gemeint sind. Die Europäische Union (EU), die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) und die Vereinten Nationen (UN) kommen zu keiner einheitlichen Definition, was Auswirkungen auf die Berichterstattungspflichten und die Genehmigungsverfahren hat. Da Deutschland als Teil der EU ihren Gesetzen untersteht, wird sich im Folgenden über die Position der EU einer Definition genähert.

- Die EU bezieht sich ausschließlich auf die Art von Kleinwaffen, die für militärische Zwecke entwickelt oder eingeführt worden sind. Das schließt „‘Behördenwaffen‘“ und „‘Sportwaffen‘“ wie zum Bleispiel Scharfschützengewehre aus.
- Nur vollautomatische (Maschinen) Pistolen werden zu den Kleinwaffen gezählt, u.a. Dienstpistolen der Polizei werden ausgeschlossen
- In die Definition werden nur militärische halb- und vollautomatischen Gewehre einbezogen, Pump-Guns oder Scharfschützengewehre werden nicht erfasst

Alle Waffensegmente, die die EU in ihrer Definition nicht zu den Kleinwaffen zählt, werden in einer umfassenderen Definition der UN miteinbezogen. Eine Unterscheidung nach zivilen und militärischen Handfeuerwaffen findet allerdings nicht statt.18

Sieht man auf die länderspezifischen Exporte, ist es wichtig, zu verstehen, welche Waffensegmente nach welchen Gesetzen und Richtlinien vor dem Export einer Genehmigung bedürfen. Betrachtet man die globale Verteilung von Kleinwaffen und ihre Auswirkungen, sollte die umfassendere Definition der UN bei der Beurteilung herangezogen werden.

In ihrem jährlichen Rüstungsexportbericht listet die Bundesregierung die Genehmigungswerte für den Export an Kleinwaffen auf. Diese Werte geben ausschließlich Auskunft darüber, in welcher Höhe Genehmigungen erteilt wurden, bilden allerdings nicht ab, wie viele Waffen am Ende tatsächlich ausgeführt wurden. Diese Zahlen meldet Deutschland auf freiwilliger Basis seit 2003 jedes Jahr an das UN-Register.19

In Tabelle 220 werden die Gesamtgenehmigungswerte sowie die Genehmigungen von Kleinwaffenexporten an Drittstaaten im Zeitraum von 2006 bis 2017 aufgelistet.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 2: Kleinwaffenexportgenehmigungen an Drittstaaten von 2006 bis 2017

Kleinwaffen sind nicht einsatzfähig ohne Munition. Aus diesem Grund ist es notwendig auch die entsprechenden Genehmigungen zur Munitionsausfuhr zu betrachten, wie in Tabelle 321 dargestellt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 3: Munitionexportgenehmigungen an Drittstaaten von 2006 bis 2017

Die Exporte von Kleinwaffen spielen deshalb eine so besondere Rolle, da „kein anderer Bereich sensibler, keiner problematischer, keiner folgenschwerer, keiner tödlicher“ ist.22 Nach Angaben des Small Arm Survey waren 2017 weltweit über eine Milliarde Schusswaffen, die zu den Kleinwaffen zählen, im Umlauf.23 Die Folgen dieser Reichweite werden vor allem deutlich, wenn man die Zahlen der Opfer durch Waffengewalt betrachtet. Nach den letzten Zahlen des United Nations Development Programme (UNDP) von 2010 sterben jedes Jahr 740.000 Menschen durch Waffen. Das sind mehr als 2000 pro Tag.24 Von den Opfern sind 95 Prozent durch eine Kugel aus einer Kleinwaffe gestorben. In dieser Kategorie sind vor allem Gewehre die Unheilbringer. In kriegerischen Konflikten kommen zwei von drei Menschen durch Kugeln aus Gewehren ums Leben. Gewehre sind „damit die tödlichsten Waffen in der Menschheitsgeschichte“25. „Nur“ 5 Prozent sterben durch Bomben, Granaten oder andere Großwaffensysteme.26 Das UNDP schätzt, dass 50 bis 60 Prozent der Kleinwaffen legal exportiert werden. Der Rest findet auf illegalen Wegen auf den Schwarzmarkt und in bereits destabilisierte Länder und Konfliktregionen.27

Durch Produktion, Export und Lizenzvergabe wirkt Deutschland aktiv an diesem Sterben mit (siehe dazu Kapitel 4).

2.1. Gesetzgebung und Lücken

Die deutsche Bundesregierung verfolgt nach eigenen Angaben eine „restriktive und verantwortungsvolle Rüstungspolitik.“28

Dabei richtet sie sich nach den rechtlichen Vorgaben durch das Kriegswaffenkontrollgesetz (KrWaffKontrG), das Außenwirtschaftsgesetz (AWG), die Außenwirtschaftsverordnung (AWV) sowie nach den „Politischen Grundsätzen der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern“ (im Folgenden: Politische Grundsätze) aus dem Jahr 2000. Des Weiteren werden in der Entscheidungspolitik der Standpunkt der EU, formuliert in dem „Gemeinsamen Standpunkt des Rates der Europäischen Union vom 8. Dezember 2008 betreffend gemeinsame Regeln für die Kontrolle der Ausfuhr von Militärtechnologie und Militärgütern“ (im Folgenden: Gemeinsamer Standpunkt der EU), sowie der Vertrag über den Waffenhandel (Arms of Treaty; ATT) miteinbezogen.29

Je nach Rüstungsgut wird für die Exportentscheidung das KrWaffKontrG oder das AWG herangezogen. Beiden Gesetzen liegt dabei eine unterschiedliche Intention zu Grunde. “Gilt bei ersterem, dass alles verboten ist, was nicht explizit erlaubt ist, verfährt das zweite Gesetz nach dem Prinzip ‘alles ist erlaubt, wenn nicht explizit verboten wird‘”30

Das KrWaffKontrG ist für alle konventionellen Rüstungsgüter zuständig, die der Kriegswaffenliste Teil B31 zugeordnet sind. Es ist restriktiv angelegt und die Ausführungsbestimmung zu Art. 26 Grundgesetz. Nach diesem Gesetzt besteht grundsätzlich kein Anspruch auf eine Exportgenehmigung.32

§ 6 Art. 2 Abs. 1 KrWaffKontrG legt fest, dass eine Genehmigung zu untersagen ist, wenn “Grund zu der Annahme besteht, daß ihre Erteilung dem Interesse der Bundesrepublik an der Aufrechterhaltung guter Beziehungen zu anderen Ländern zuwiderlaufen würde.”33

§6 Art. 3 Abs. 1 und 2 KrWaffKontrG verbieten eine Exportgenehmigung, “wenn die Gefahr besteht, daß die Kriegswaffen bei einer friedenstörenden Handlung, insbesondere bei einem Angriffskrieg, verwendet werden”, des Weiteren, wenn “Grund zu der Annahme besteht, daß die Erteilung der Genehmigung völkerrechtliche Verpflichtungen der Bunderepublik verletzen oder deren Erfüllung gefährden würde”.34

Das AWG ist weniger restriktiv als das KrWaffKontrG und dient vorrangig der Außenwirtschaftsförderung, sodass alles exportiert werden darf, was die Bundesregierung nicht explizit verbietet. Das beinhaltet zusätzlich, dass Exportverbote nur in Ausnahmefällen zu verhängen sind. Das AWG und die entsprechenden Durchführungsbestimmungen der AWV gelten für alle auf der Ausfuhrliste Teil 1A35 gelisteten Rüstungsgüter. Damit sind sämtliche Rüstungsgüter gemeint „von Kriegswaffen über Rüstungskomponenten bis hin zu sowohl zivil als auch militärisch verwendbaren Dual-Use-Gütern und dem Transfer von entsprechendem Know-How oder der Herstellungsausrüstung.“36

Mit den Politischen Grundsätzen betont die Bundesregierung die wichtige Rolle der Menschenrechte in ihrer Genehmigungspraxis. Besteht Verdacht, dass „Rüstungsgüter zur internen Repression oder zu sonstigen systematischen Menschenrechtsverletzungen missbraucht werden“, soll keine Genehmigung erteilt werden (Abschnitt I Punkt 3).37 Die Politischen Grundsätze und auch der Gemeinsame Standpunkt der EU38 sprechen aber lediglich politische Handlungsempfehlungen aus, die letztlich keine juristische Relevanz haben. Den Gemeinsamen Standpunkt der EU sieht die Bundesregierung bereits durch ihre Politischen Grundsätze abgedeckt, sodass er bei Exportentscheidungen keine Rolle spielt39

Der ATT40 ist ein internationales Abkommen, dass 2014 in Kraft getreten ist und von Deutschland ratifiziert wurde. Der Vertrag soll den globalen Handel mit Waffen und Rüstungsgütern kontrollieren, regeln und transparent machen. Dazu werden die Staaten verpflichtet, jährliche Berichte über ihre Waffenexporte abzulegen und Waffenlieferungen zu verbieten, wenn Menschenrechtsverletzungen oder Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht drohen.41

All diese Gesetze und Richtlinien geben vor, in welche Länder und in welchem Umfang Waffen geliefert werden dürfen. Vor allem regeln sie aber auch, dass „Rüstungsexporte nur im Ausnahmefall erlaubt“ seien, wie auch Katrin Vogler von den Linken im Interview mit redfish 42 betont.

Wie ist es dennoch möglich, dass trotz dieser Gesetze und einer eigentlich restriktiven Exportpolitik jedes Jahr aufs Neue in großem Umfang Waffen in umstrittene Drittländer genehmigt und exportiert werden?

Im Folgenden wird der Waffenexportgenehmigungsprozess (Abbildung 443 ) genauer betrachtet.

Erhält ein deutsches Rüstungsunternehmen einen Auftrag, stellt es eine Voranfrage oder einen Ausfuhrantrag bei der zuständigen Genehmigungsstelle. Auf Grundlage der Ausfuhrlisten werden die zu exportieren Waren in Kriegswaffen und sonstige Rüstungsgüter unterteilt. Nach dieser Einteilung erfolgt ein unterschiedlicher Genehmigungsprozess. Im Falle von Waffenexporten liegt die Entscheidung beim zuständigen Bundesressort. Staatsekretäre und Sachbearbeiter der jeweiligen Ministerien prüfen, ob die Anfragen/Anträge die formalen Voraussetzungen zum Export erfüllen. Die Prüfung erfolgt auf Basis des KrWaffKontrG, der Politischen Grundsätze sowie des Gemeinsamen Standpunkts der EU. Kommt der Auftrag aus Drittländern, werden darüber hinaus die Stabilität des Landes, die politischen Beziehungen sowie die aktuelle Menschenrechtslage intensiv geprüft44.

Eine entscheidende Rolle spielen auch die sicherheitspolitischen Interessen Deutschlands. In diesem Zusammenhang vor allem „die Abwehr des internationalen Terrorismus, die Bekämpfung des Drogenhandels oder das Streben nach sicheren Seewegen“.45

Des Weiteren müssen Antragsteller aus Drittländern über eine Endverbleibserklärung versichern, dass die Waffen im genehmigten Gebiet verbleiben.46 Die Rahmenbedingungen zum Endverbleib werden in der AWV geregelt. Um den Verbleib von Kriegswaffen und bestimmter Schusswaffen, wie Pistolen, Revolver und Scharfschützengewehre im Empfängerland sicherzustellen und eine Weiterverbreitung solcher Waffen zu verhindern, hat die Bundesregierung als Ergänzung zu den Politischen Grundsätzen im Jahr 2015 ein weiteres Instrument zur Kontrolle, die sogenannten Post-Shipment-Kontrollen, eingeführt. Die Importregierung stimmt im Rahmen der Endverbleibserklärung mit dem Kauf dieser Waffen „Vor-Ort-Kontrollen“ zu.47 Zwei Jahre nach Einführung wurden die ersten beiden Post-Shipment-Kontrollen in Indien und den Vereinigten Arabischen Emiraten durchgeführt. Deutschland sei demzufolge der erste EU-Staat, der den Endverbleib der Waffen sicherstellt.48

Sind sich die Staatssekretäre aller Ministerien bezüglich einer Exportanfrage einig, wird eine Genehmigung durch die Bundesregierung erteilt. Zur Genehmigung von sonstigen Rüstungsgütern wird ein Antrag beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) gestellt. Hier wird auf Basis der Politischen Grundsätze, des Gemeinsamen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Standpunkts der EU sowie des AWG entschieden. Kann in beiden Fällen keine Einigung erzielt werden oder handelt es sich um „besonders bedeutende Ausfuhrvorhaben“ liegt die Entscheidung beim Bundessicherheitsrat (BSR). Neben der Bundeskanzlerin sind in diesem Gremium das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi), das Auswärtige Amt (AA) und das Verteidigungsministerium (BMVg) vertreten.49

Der BSR tagt im Geheimen. Es wird wieder bekanntgegeben, wann er zusammenkommt, noch wie oft oder welche Anträge genehmigt und welche abgelehnt werden. Es sind weder Medien erlaubt noch erfolgt eine unabhängige Kontrolle des Entscheidungsprozesses.50 Es kann also abschließend nicht nachvollzogen werden, auf welcher Basis oder durch welchen Einfluss eine Exportgenehmigung erteilt worden ist.

Rüstungsunternehmen versuchen positiven Einfluss auf diesen Prozess zunehmen, indem sie den entscheidenden Politikern Spenden zukommen lassen. Jürgen Grässlin bezeichnet die deutschen Politiker gar als die „Marionetten der Rüstungsindustrie“.51 Vogler erwähnt als Beispiel Johannes Kahrs von der SPD, der 2005 sogenannte Kleinspenden im Umfang von 60.000-80.000 Euro über seinen SPD Kreisverband erhalten haben soll. Diese Spenden werden so gestückelt, dass sie nicht ausgewiesen werden müssen.52 Anschließend werden dann Entscheidungen zugunsten der Unternehmen getroffen.

Einigen Unternehmen sind diese Prozesse zu langwierig und zudem werden trotz allem auch immer wieder Exportanfragen abgelehnt. Ankündigungen der Bundesregierung von Exportbeschränkungen oder gar -verboten verunsichern die Rüstungsindustrie. Sie suchen und finden andere Wege, die deutschen Gesetze und eine Genehmigung durch die Bundesregierung zu umgehen.

So ist es für Großkonzerne leicht, ihre Waffen und Rüstungsgüter durch ihre Tochter- und Geschäftsfirmen oder Produktionsstätten im Ausland zu verkaufen. Die Bundesregierung sieht für, über Joint Ventures errichtete, Produktionsstätten in aller Welt, die ohne deutschen Technologietransfer auskommen, keine Genehmigungspflicht bei Exporten vor. Weiter können Exportkontrollen umgangen werden, indem deutsche Unternehmen über Zulieferungen an europäische Partner ihren Teil am Endprodukt leisten. Da das abschließende Exportgeschäft über das Partnerland abgewickelt wird, liegt die Verantwortung und Genehmigungspflicht nicht mehr bei der Bundesregierung.53

Die Bundesrepublik Deutschland hat strenge Gesetze und starke Richtlinien, die eine restriktive und kontrollierte Rüstungsexportpolitik ermöglichen würden. In der Realität werden diese Gesetze und Richtlinien aber sehr oft sowohl von Unternehmen als auch von der Bundesregierung selbst nicht beachtet und umgangen. Auf diese Weise können deutsche Unternehmen Waffen und Rüstungsgüter fast ungehindert in alle Welt exportieren, die dann auch in kriegerischen Auseinandersetzungen zum Einsatz kommen, wie in den nachfolgenden Kapiteln deutlich wird. Schon 2012 hat der damalige Grünen-Fraktionsgeschäftsführer Volker Beck im Gespräch mit dem Handelsblatt neben einem restriktiven Rüstungsexportgesetz, „‘mehr öffentliche Kontrolle bei den Waffenexporten‘“ gefordert.54

2.2. Die Rolle von Menschen- und Völkerrecht

Nach dem Zweiten Weltkrieg haben die UN am 10. Dezember 1948 die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte verabschiedet. Sie legen erstmals in der Geschichte allgemeine Rechte fest, die für alle Menschen weltweit gelten.55 In Art. 3 heißt es: „Jeder hat das Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit der Person“.56 Auf Basis dieser Erklärung hat die UN-Menschenrechtskommission zwei weitere, rechtsbindende Dokumente verabschiedet: Den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte (ICCPR), mit zwei zusätzlichen Fakultativprotokollen und den Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (ICESCR), die zusammen das Internationale Menschenrechtsgesetz bilden.57 Deutschland hat den ICCPR und den ICESCR im Jahr 1976 ratifiziert. Das 1. Fakultativprotokoll ist 1993, das 2. Fakultativprotokoll bereits 1992 in Kraft getreten.58

In ihrem Rüstungsexportbericht gibt die Bundesregierung an, auch den Menschenrechten im Empfängerland besondere Beachtung beizumessen. „Wenn hinreichender Verdacht besteht, dass die zu liefernden Rüstungsgüter zur internen Repression oder zu sonstigen, fortdauernden und systematischen Menschenrechtsverletzungen missbraucht werden, wird eine Genehmigung grundsätzlich nicht erteilt.“59

Auch in den Gesetzen und Richtlinien, an die die Exportgenehmigungen geknüpft sind, spielt das Menschen- und Völkerrecht eine zentrale Rolle.

So heißt es in § 6 Art. 3 Abs. 2 KrWaffKontrG, dass eine Genehmigung zu versagen ist, wenn „Grund zu der Annahme besteht, daß [sie] völkerrechtliche Verpflichtungen der Bundesrepublik verletzen oder deren Erfüllung gefährden würden.“60

Auch das AWG verweist in § 4 Abs. 1 Punkt 2 darauf, dass „Handlungen beschränkt oder Handlungspflichten angeordnet werden“, sofern das friedliche Zusammenleben zwischen Völkern gefährdet sei.61

In ihren Politischen Grundsätzen verpflichtet sich die Bundesregierung in Abschnitt I Punkt 2 Menschenrechten und deren Beachtung durch das Empfängerland „besonderes Gewicht“ beizumessen sowie die Menschenrechtssituation im Empfängerland bei der Entscheidungsfindung zu berücksichtigen.62 Genehmigungen sollen nach Abschnitt III nicht erteilt werden, wenn u.a.63

- das friedliche Zusammenleben der Völker gefährdet ist (Punkt 3),
- hinreichender Verdacht zu systematischen Menschenrechtsverletzungen besteht (Punkt 4),
- oder Länder bereits in bewaffnete Konflikte verwickelt sind, oder solche drohen (Punkt 5)

Auf europäischer Ebene ist der Gemeinsame Standpunkt der EU richtungsweisend. In Art. 2 wird in acht Kriterien u.a. die Sicherstellung von Frieden und die Einhaltung der Menschenrechte gefordert. Bevor eine Genehmigung erteilt wird, soll u.a. geprüft werden, ob64

- die Menschenrechte und das internationale Menschenrechtsgesetz im Empfängerland eingehalten werden (Kriterium 2),
- es bereits bewaffnete Konflikte im Empfängerland gibt oder ob Gefährdung zu solchen besteht (Kriterium 3),
- der Empfängerstaat Frieden, Sicherheit und Stabilität in der Region und mit anderen Staaten bewahrt (Kriterium 4).

Im internationalen Kontext verweist der ATT65 gleich an mehreren Stellen auf die Wahrung von Frieden, Stabilität und Menschenrechten. Art. 1 erklärt als Absicht und Ziel des Vertrages, international und regional Frieden zu sichern und menschliches Leiden zu verringern. Weiß ein Exportland um mögliche Kriegsverbrechen, wie Angriffe auf zivile Objekte und Zivilisten, Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder Verstöße gegen die Genfer Konvention von 1949, dürfen gem. Art. 6 Abs. 3 ATT keine Waffen exportiert werden. Gem. Art. 7 ATT muss im Empfängerland genau geprüft werden, ob Waffen u.a. zur Gewalt gegen Frauen und Kinder eingesetzt werden oder das internationale Menschenrecht verletzten könnten.66

Tabelle 467 zeigt Lieferungen von Rüstungsgütern und Waffen im Zeitraum von 2006 bis 2017 in ausgewählte Drittländer unter der Regierung Merkel. Betrachtet werden, auf Basis der im Gemeinsamen Standpunkt der EU verfassten Kriterien, die Menschenrechtslange im Land, das Auftreten von internen Gewaltkonflikten sowie die Gefährdung der regionalen Sicherheit. Die Daten stammen aus den Rüstungsexportberichten 2007 bis 2019 der Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE).68 Die Angaben zu den Rüstungs- und Waffenexporten können auf der Website „rüestungsexport.info“69 abgerufen werden.

Exporte von Rüstungsgütern und Kriegswaffen in Drittländer sind nach Abschnitt III Punkt 1 Politische Grundsätze restriktiv zu handhaben. Nach Abschnitt III Punkt 2 dürfen Kriegswaffen nur exportiert werden, sofern „besondere außen- oder sicherheitspolitische Interessen der Bundesregierung“ eine Genehmigung erfordern. Für Rüstungsgüter gilt nach Abschnitt III Punkt 3, dass Genehmigungen nur erteilt werden, wenn das friedliche Zusammenleben „der Völker oder der auswärtigen Interessen nicht gefährdet sind.“70

Die Tabelle zeigt allerdings, dass diese Regeln nur auf dem Papier existieren. Im betrachteten Zeitraum wurden deutschen Unternehmen jedes Jahr aufs Neue Exportgenehmigungen erteilt, um Rüstungsgüter und Waffen in Länder zu liefern, die eine schlechte bis sehr schlechte Menschenrechtslage aufweisen, durch interne Gewaltkonflikte geprägt sind und bei der Wahrung der regionalen Sicherheit als kritisch bis sehr kritisch eingestuft werden, um zum Teil Milliardenumsätze (siehe Algerien 2016/17) zu realisieren. Vor allem für den Export von Kriegswaffen, für die nach den Politischen Grundsätzen nur in Ausnahmefällen eine Genehmigung erteilt werden soll, wurden in der Regierungsphase der letzten GroKo eine steigende Zahl von Genehmigungen erteilt. In den Jemen hat die Bunderegierung sogar nach Beginn des Bürgerkriegs 2014 deutsche Rüstungsgüter und Kriegswaffen exportieren lassen. Für die Bundesregierung hat in den letzten Jahren in ihrer Genehmigungspraxis die allgemeine Menschenrechtslage im Empfängerland keine Rolle gespielt. Bei einer genaueren Betrachtung von Exporten an Saudi-Arabien und dessen aktueller Rolle im Jemen soll zusätzlich untersucht werden, ob sich die Bundesregierung durch Mithilfe an Kriegsverbrechen an Verstößen 71 gegen das Völkerrecht mitschuldig gemacht hat.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 4: Kritisch einzustufende Empfängerländer deutscher Rüstungsexporte

3. Die Saudis und der Westen

„Es steht außer Frage, dass Saudi-Arabien schwierig und kompliziert ist, doch ebenso sollte außer Fragen stehe, dass eine lösungsorientierte und nachhaltige Nahostpolitik ohne Saudi-Arabien nicht denkbar ist.“

Sebastian Sons72 Der Autor Sebastian Sons beginnt sein Buch „Auf Sand gebaut“ mit den Worten: „Saudi-Arabien ist ein uns fremdes, schwer zu verstehendes Land.“73 Sons beschreibt das Verhältnis des Westens zu dem Königreich zwischen Rotem Meer und Persischem Golf als widersprüchlich, geprägt von Vorurteilen, Abhängigkeiten und einer, uns fremden Kultur.74 Es würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen, alle Einzelheiten im Detail zu beleuchten. An dieser Stelle soll lediglich kurz skizziert werden, wie der Westen, hier vor allem Deutschland, und Saudi-Arabien zueinanderstehen und voneinander abhängig sind.

„Die Durchsage des Piloten, dass das Flugzeug die saudische Grenze überflogen hat, ist das Signal für die saudischen Passagiere. Innerhalb von Sekunden schälen sie sich aus ihren Sitzen und begeben sich zu den Toiletten. Dort wechseln sie ihre Kleidung.“75 Der Wechsel zwischen Jeans und T-Shirt im Westen und dem traditionellen „Thawb“ und Ganzkörperschleier im Heimatland, zeigt, dass „die saudische Gesellschaft zwischen Welten wandelt“.76

Es ist der Kontrast zwischen Moderne und Tradition, der eine Art Doppelmoral entstehen lässt. Da ist auf der einen Seite das Öl. Die Saudis verfügen über die zweitgrößten Erdölreserven weltweit und sichern sich durch deren Export Reichtum und Macht.77 Davon profitieren westliche Unternehmen u.a. durch die Verkäufe von Rüstungsgütern und Waffen78 sowie durch Direktinvestitionen in Bereiche wie Bildung, Energie oder Infrastruktur.79 Auf der anderen Seite ist es die wahhabitische Auslegung des Islam, der die Kultur und den Alltag der Menschen bestimmt. Koran und Sunna sind die Grundlagen der Verfassung des Königreichs und nach der Scharia wird Recht gesprochen.80 Alkohol, Theater und Kino sind streng verboten und die Frauen unterstehen ihrem Mann.81 Der König ist sowohl politisches Oberhaupt also auch „‘Hüter der beiden Heiligen Stätten‘“ Mekka und Medina.82 Dadurch sieht sich Saudi-Arabien als „islamische Vorbildnation für alle Muslime auf der ganzen Welt“.83 Ebenso zwiegespalten und moralisch fraglich ist der politische Umgang mit dem Königreich. Menschen- und Freiheitsrechte werden missachtet, Minderheiten im eigenen Land unterdrückt und das Land führt einen Angriffskrieg im Jemen.84 Trotzdem spricht der ehemalige Außenminister Thomas de Maizière von Saudi-Arabien als einem Verbündeten und dem „Stabilitätsanker“ der Region.85 Für den Westen ist der Staat am Golf vor allem Partner im Kampf gegen den internationalen Terrorismus.86 Das führt dazu, das Rüstungsexporte aus sicherheitspolitischen Entscheidungen heraus genehmigt werden und „internationale Sicherheitsinteressen“ Vorrang vor Menschenrechten haben.87 Hierbei wird leicht vergessen, das sich die Ideologie der Extremisten oft auf den Lehren des Wahhabismus gründet88 und von Riad aus in den vergangenen Jahren immer wieder Dschihadisten u.a. in Syrien, Afghanistan und dem Irak unterstützt wurden.89

[...]


1 gefunden auf: (o. V., o. J.)

2 Vgl. (o. V., 2018)

3 gefunden auf: (o. V., o. J.)

4 Vgl. (Smith, Dan, 2018 S. 6)

5 Vgl. (Smith, Dan, 2018 S. 9)

6 Vgl. (Bundeszentrale für politische Bildung, o. J.)

7 Vgl. (Smith, Dan, 2018 S. 8)

8 Vgl. (Smith, Dan, 2018 S. 8)

9 Schweiz, Australien, Neuseeland, Japan

10 (Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, 2018 S. 4)

11 (Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, 2018 S. 4)

12 Vgl. (Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, 2018 S. 5)

13 Vgl. (Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, 2018 S. 5)

14 Vgl. (Nassauer, 2019)

15 Vgl. (Nassauer, 2019) auf Basis der Rüstungsexportjahresberichte der Bundesregierung von 1999 - 2017

16 um 1 Jahr verkürzte Legislaturperiode

17 (Annan, 2000 S. 39)

18 Vgl. (Steinmetz, 2017 S. 22f)

19 Vgl. (Gemeinsame Konferenz Kirche und Entwicklung, 2019 S. 59)

20 eigene Darstellung nach (Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, 2018); Werte von 2006 aus: (Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, 2006 S. 38)

21 eigene Darstellung nach (Gemeinsame Konferenz Kirche und Entwicklung, 2019 S. 58); Werte von 2006 aus: (Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, 2006 S. 43)

22 (Grässlin, 2013 S. 408)

23 Vgl. (small arms survey, 2018)

24 (United Nations Development Programme, 2010)

25 Vgl. (Grässlin, 2013 S. 410)

26 Vgl. (Grässlin, 2013 S. 410)

27 Vgl. (United Nations Development Programme, 2010)

28 (Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, 2018 S. 2)

29 (Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, 2018 S. 2)

30 (Steinmetz, 2017 S. 24)

31 siehe (Bundesamt für Justiz, o. J. ) Anlage (zu § 1 Abs. 1) Kriegswaffenliste

32 Vgl. (Steinmetz, 2017 S. 25)

33 (Bundesamt für Justiz, o. J. )

34 (Bundesamt für Justiz, o. J. )

35 siehe (Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle, o. J.)

36 (Steinmetz, 2017 S. 25)

37 (Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, 2019 S. 3f)

38 siehe (Rat der Europäischen Union, 2008)

39 Vgl. (Steinmetz, 2017 S. 27f)

40 siehe (The Arms Trade Treaty, 2013)

41 Vgl. (Amnesty International, 2014)

42 (Vogler, 2018)

43 (Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, 2019)

44 Vgl. (SWR, 2015)

45 Vgl. (Neuerer, Dietmar, 2012)

46 Vgl. (SWR, 2015)

47 Vgl. (Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, 2015 S. 1)

48 Vgl. (Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, 2018)

49 Vgl. (SWR, 2015)

50 Vgl. (redfish GmbH, 2018)

51 (Grässlin, 2018)

52 Vgl. (Vogler, 2018)

53 Vgl. (Happe, et al., 2018 S. 5f)

54 (Neuerer, Dietmar, 2012)

55 Vgl. (United Nations, 1948 S. 1)

56 (United Nations, 1998)

57 Vgl. (United Nations, 1948 S. 1)

58 Vgl. (Deutsches Institut für Menschenrechte, 2019)

59 (Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, 2018 S. 2)

60 Vgl. (Bundesamt für Justiz, o. J. )

61 Vgl. (Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle, o. J.)

62 Vgl. (Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, 2019)

63 Vgl. (Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, 2019)

64 Vgl. (Rat der Europäischen Union, 2008)

65 frei übersetzt durch Verfasser

66 Vgl. (The Arms Trade Treaty, 2013)

67 angelehnt an (Grässlin, 2013 S. 108 - 111)

68 Vgl. (Gemeinsame Konferenz Kirche und Entwicklung, 2007-2019)

69 Vgl. (o. V., o. J.)

70 Vgl. (Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, 2019)

71 bis zum Jahr 2014 hat die GKKE den Einfluss von Rüstungsexporten auf die Landesentwicklung bewertet. Ab 2014 bewertet sie die Gefährdung der regionalen Sicherheit

72 (Sons, 2017 S. 222)

73 (Sons, 2017 S. 9)

74 Vgl. (Sons, 2017 S. 16)

75 (Sons, 2017 S. 69)

76 (Sons, 2017 S. 69)

77 Vgl. (Sons, 2017 S. 10)

78 Vgl. (Sons, 2017 S. 19)

79 Vgl. (Sons, 2017 S. 181)

80 Vgl. (Sons, 2017 S. 47)

81 Vgl. (Sons, 2017 S. 16)

82 Vgl. (Sons, 2017 S. 47)

83 (Sons, 2017 S. 9)

84 siehe dazu Kapitel 3.2 und 4.3

85 (Welt, 2011)

86 Vgl. (Sons, 2017 S. 180)

87 (Welt, 2011)

88 Vgl. (Sons, 2017 S. 181)

89 Vgl. (Sons, 2017 S. 16)

Excerpt out of 93 pages

Details

Title
Ethische Betrachtung deutscher Waffenexporte an Saudi Arabien. Folgen der Rüstungsgüter- und Waffenexporte
College
University of Würzburg  (Volkswirtschaftslehre)
Grade
2,3
Author
Year
2019
Pages
93
Catalog Number
V979589
ISBN (eBook)
9783346330116
ISBN (Book)
9783346330123
Language
German
Keywords
Waffen, Waffenexporte, Saudi-Arabien, Menschenrecht, Völkerrecht, Jemen, Utilitarismus, Peter Singer, Homo Oeconomicus, Frieden, Krieg, Ethik, Dalai Lama, Kleinwaffen, Kindersoldaten, Afrika, Naher Osten
Quote paper
Sara Auth (Author), 2019, Ethische Betrachtung deutscher Waffenexporte an Saudi Arabien. Folgen der Rüstungsgüter- und Waffenexporte, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/979589

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