Zuerst werde ich die Konzepte Trauer, Melancholie und Depression kurz vorstellen. Anschliessend werde ich zeigen, dass der semantische Ausdruck von Melancholie und Depression, die ontologischen Setzungen und die narrative Darstellung für solche Stimmungen und Befindlichkeiten weitaus schwieriger zu erfassen sind, als es für andere Bereiche und Konzepte dieser zwei Wissenschaften der Fall ist. Der Essay wird am Schluss mit einer Konklusion abgerundet.
Die Sozialanthropologie und die Psychoanalyse verfügen als Wissenschaften über einen besonderen Zugang zum Menschen. Dieser Zugang besteht darin, eine sprachlich repräsentierbare Bedeutungsebene freizulegen, die sich selbst hinterfragen kann. So kommt es auch, dass sich beide Wissenschaften immer wieder gegenseitig beeinflusst haben. Freud (2005) stellte selbst ethnografische Forschungen an und einige Klassiker der modernen Sozialanthropologie (Malinowski, Lévi-Strauss, Turner, Geertz) beziehen sich explizit in ihrer Theorie auf die Psychoanalyse.
Diese Überschneidung gilt auch für die psychoanalytischen Konzepte Trauer und Melancholie (sowie deren pathologisierte Form Depression). Zeitgenössische sozialanthropologische Forschungen nehmen diese Konzepte in ihr Repertoire an theoretischen Werkzeugen auf und interpretieren damit unterschiedliche Forschungsfelder. Anders als bei anderen psychoanalytischen Konzepten, so meine These, eröffnen sich bei der Melancholie und der Depression jedoch ein methodologisches und wissenschaftstheoretisches Spannungsfeld innerhalb und zwischen der Sozialanthropologie und der Psychoanalyse. Dieses Spannungsfeld aufzuzeigen, ist das Ziel der vorliegenden Arbeit.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Theoretischer Hintergrund
- Trauer
- Melancholie
- Semantische Übersetzbarkeit
- Ontologische Setzungen
- Narrative Darstellung
- Konklusion
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit untersucht die Herausforderungen der Sozialanthropologie und der Psychoanalyse beim Verständnis und der Darstellung von Melancholie und Depression. Sie analysiert das Spannungsfeld, das entsteht, wenn diese Wissenschaften versuchen, subjektive Erlebnisse in objektivierbare Tatsachen zu übersetzen.
- Das Spannungsfeld zwischen hermeneutischer Interpretation und Übersetzungsproblematik bei Melancholie und Depression
- Die Schwierigkeit, Melancholie und Depression semantisch zu erfassen und in Sprache zu übersetzen
- Die Auswirkungen der ontologischen Setzungen der Sozialanthropologie und der Psychoanalyse auf das Verständnis von Melancholie und Depression
- Die Herausforderungen der narrativen Darstellung von Melancholie und Depression
Zusammenfassung der Kapitel
Kapitel 2 legt den theoretischen Hintergrund der Arbeit dar und erläutert die psychoanalytischen Konzepte Trauer und Melancholie. Es hebt die Unterschiede zwischen den beiden Konzepten und die Schwierigkeiten bei der Erfassung von Melancholie und Depression hervor.
Kapitel 3 befasst sich mit dem Problem der semantischen Übersetzbarkeit von Melancholie und Depression. Es beleuchtet, wie die Sprache als Medium der Kommunikation gleichzeitig zur Vermittlung und zur Verdeckung subjektiver Erlebnisse beiträgt.
Kapitel 4 untersucht die ontologischen Setzungen der Sozialanthropologie und der Psychoanalyse und ihre Auswirkungen auf das Verständnis von Melancholie und Depression. Es analysiert, wie die jeweiligen epistemologischen Grundlagen die Wahrnehmung und Interpretation von subjektiven Erfahrungen beeinflussen.
Kapitel 5 widmet sich der narrativen Darstellung von Melancholie und Depression. Es diskutiert die Herausforderungen der sprachlichen Vermittlung von subjektiven Erfahrungen, die durch die mangelnde sprachliche Artikulation der Melancholie und Depression entstehen.
Schlüsselwörter
Die Arbeit fokussiert auf die Themen Melancholie, Depression, Sozialanthropologie, Psychoanalyse, Hermeneutik, Übersetzung, Semantik, Ontologie, Narrativität.
- Quote paper
- Omar Ibrahim (Author), 2020, Übersetzung der Melancholie. Ein Spannungsfeld von Sozialanthropologie und Psychoanalyse, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/985730