Psychische Erkrankungen und ihre Auswirkungen auf die deutsche Wirtschaft. Gesundheitsökonomische Folgen für die Gesamtwirtschaft


Tesis (Bachelor), 2020

68 Páginas, Calificación: 1,3


Extracto


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

1. Einleitung

2. Psychische Erkrankungen
2.1 Definitionen
2.2 Entstehung psychischer Erkrankungen
2.3 Zahlen und Beispiele psychischer Erkrankungen
2.4 Psychische Erkrankungen am Arbeitsplatz
2.4.1 Fehlzeiten in Unternehmen
2.4.2 Ursachen für psychische Belastungen bei der Arbeit

3. Auswirkungen auf das Individuum und sein wirtschaftliches Handeln
3.1 Arbeitsplatzunsicherheit
3.2 Frühberentung
3.3 Psychisch Erkrankte und ihre Angehörige

4. Gesetzeslage zum Arbeitsschutz
4.1 Fürsorgepflicht des Arbeitgebers
4.2 Arbeitsschutzgesetz und Gefährdungsbeurteilung
4.3 Sozialgesetzbücher sowie weitere Gesetze und Verordnungen

5. Auswirkungen auf Unternehmen
5.1 Budget
5.1.1 Kosten durch Fehlzeiten
5.1.2 Entgeltfortzahlung
5.1.3 Ausfallkosten-Berechnung
5.1.4 Folgekosten
5.2 Personal
5.2.1 Präsentismus im Unternehmen
5.2.2 Beeinträchtigung von Teams
5.3 Auswirkungen aus Unternehmenssicht am Beispiel von Siemens AG und Fraport AG
5.3.1 Siemens AG
5.3.2 Fraport AG
5.4 Arbeitsunfähigkeit im Branchenvergleich

6. Gesundheitsökonomische Folgen für die Gesamtwirtschaft
6.1 Direkte Kosten
6.2 Indirekte Kosten
6.3 Intangible Kosten
6.4 Herausforderungen der Kostenermittlung
6.4.1 Versorgungssektoren und Leistungserbringer
6.4.2 Kostenzuordnung
6.4.3 Komorbidität

7. Fazit

Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

AOKAllgemeine Ortskrankenkasse

ArbSchGArbeitsschutzgesetz

ASiGArbeitssicherheitsgesetz

AUArbeitsunfähigkeit

BAuABundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin

BEM Betriebliches Eingliederungsmanagement

BGB Bürgerliches Gesetzbuch

BKK Betriebskrankenkasse

CSSRIClient Socio-Demographic and Service Receipt Inventory

DGPPNDeutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde

DINDeutsches Institut für Normung

DSMDiagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders

ENEuropäische Norm

EntgFGEntgeltfortzahlungsgesetz

G-BAGemeinsamer Bundesausschuss

GBEGesundheitsberichterstattung des Bundes

GDAGemeinsame Deutsche Arbeitsschutzstrategie

GFGGesundheitsfördergespräch

GGGrundgesetz

GKVGesetzliche Krankenversicherung

IAB Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung

ICDInternational Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems

ISOInternational Organization for Standardization

iwdInformationsdienst des Instituts der deutschen Wirtschaft

Mio.Millionen

Mrd.Milliarden

SGBSozialgesetzbuch

vdekVerband der Ersatzkassen

VJVersichertenjahre

WHOWorld Health Organization

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: DGPPN-Konzept: Übergang von Arbeitsbelastung zur Krankheit

Abbildung 2: Entwicklung des Krankenstandes der AOK-Mitglieder in den Jahren 1999 – 2018

Abbildung 3: Tage der Arbeitsunfähigkeit der AOK-Mitglieder nach Krankheitsarten in den Jahren 2009 – 2018

Abbildung 4: Stanford-Formel zur Gesundheitskostenrechnung

Abbildung 5: Beispielrechnung: Abschätzung der Produktionsausfälle auf Grundlage der Personalkosten

Abbildung 6: Ziele und Aufgaben des Fraport Gesundheitsmanagements

Abbildung 7: Systematik Gesundheitsfördergespräche

Abbildung 8: Arbeitsunfähigkeitstage der AOK-Mitglieder nach Krankheitsarten und Branche im Jahr 2018

Abbildung 9: Psychische und Verhaltensstörungen der AOK-Mitglieder nach Branchen im Jahr 2018

Abbildung 10: Psychische und Verhaltensstörungen der AOK-Mitglieder nach Berufen im Jahr 2018

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Krankheits- und motivationsbedingte Fehlzeiten

Tabelle 2: Psychische Belastungsfaktoren

Tabelle 3: Direkte Kosten depressiver Erkrankungen in Deutschland

Tabelle 4: Versorgungssektoren und Leistungserbringer

1. Einleitung

Die Pandemie, aufgrund des Virus SARS-CoV-2, verursacht weitreichende Folgen: Neben der Angst vor Ansteckung und dem eingeschränkten sozialen Leben, müssen sich Unternehmen den damit verbundenen Folgen und Herausforderungen stellen. Laut Berechnungen des ifo Instituts waren im Mai 2020 7,3 Mio. Beschäftigte in Kurzarbeit (vgl. ifo Institut 2020). Zum Vergleich, die Finanzkrise in 2009 verursachte Kurzarbeit für 1,5 Mio. Beschäftigte (vgl. ebd.). Arbeitnehmer sind somit nicht nur um eine mögliche Ansteckung besorgt, sondern auch um die eigene Existenz und der des Unternehmens. Doch vor allem Unternehmen im Gesundheitswesen, wie Krankenhäuser, sind gerade in solchen Zeiten auf die Leistungsfähigkeit ihrer Mitarbeiter angewiesen. Laut World Health Organization (WHO) und Biopsychologen, welche die Zusammenhänge von Verhalten und physiologischen Prozessen im Körper untersuchen (vgl. Birbaumer / Schmidt 2010, S. 2), setzt die herrschende Situation die Bevölkerung unter Stress, was bei einer länger andauernden Belastung zur Entwicklung von psychischen Erkrankungen führen kann (vgl. Hombach 2020). Vor allem bei psychisch Erkrankten könnten sich bestehende Symptome durch die Zeit der Unsicherheit und die sozialen Einschränkungen verschlimmern (vgl. Stalinski 2020; Brüning 2020). Doch auch bereits vor der Krise berichtete beispielsweise das Max-Planck-Institut von einer steigenden Anzahl an Fehltagen aufgrund von psychischen Erkrankungen (vgl. Schlee 2017). Gerade angesichts dieser Umstände lohnt es sich, einen Blick auf die Auswirkungen psychischer Erkrankungen zu werfen.

Das Ziel der Bachelorthesis ist die Auseinandersetzung mit den Auswirkungen psychischer Erkrankungen sowie deren Zusammenhänge, aus den verschiedenen Perspektiven der deutschen Wirtschaft. Am Ende soll sich ein gesamthaftes Bild der Problematik und eine fundierte Grundlage zur Argumentation für die Durchführung notwendiger Maßnahmen auf allen Ebenen ergeben. Die deutsche Wirtschaft wird im Rahmen dieser Arbeit dabei aus drei Perspektiven betrachtet. Neben Auswirkungen auf in Deutschland lebende Individuen an sich, sollen auch die Auswirkungen auf einzelne Unternehmen und gesamtwirtschaftliche Auswirkungen für Deutschland betrachtet werden. Bei der Recherche hat sich gezeigt, wie umfassend dieses Forschungsgebiet ist, weshalb sich diese Arbeit darauf konzentriert, einen Überblick zu geben und auf einzelne Themen, wie beispielsweise Frühberentung oder Präsentismus im Unternehmen, vertiefend einzugehen.

Der Grundaufbau dieser Arbeit besteht in der Beleuchtung der drei Perspektiven. Hierfür erfolgt zunächst eine Auseinandersetzung mit der Thematik der psychischen Erkrankungen, um im späteren Verlauf die Schwierigkeiten die damit einhergehen (z. B. unklare Zahl der Betroffenen aufgrund Stigmatisierung, vielschichtige Symptome), besser einordnen zu können. Dazu werden hauptsächlich Daten der Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) herangezogen, da diese aufgrund der hohen Versichertenzahl Rückschlüsse auf die Gesamtbevölkerung ermöglichen. Wie im Titel beschrieben, werden im Rahmen dieser Arbeit lediglich die Symptome, d. h. die Auswirkungen psychischer Erkrankungen betrachtet, jedoch nicht die Ursachen, d. h. die Auslöser an sich. Die Frage, wie psychische Erkrankungen entstehen, wird demnach nicht Augenmerk dieser Arbeit sein. Lediglich die Auslöser, die in Zusammenhang mit dem Arbeitsplatz stehen, werden etwas genauer beleuchtet. Maßnahmen zur Vorbeugung psychischer Erkrankungen und jene, die im Rahmen der Bewältigung psychischer Erkrankungen und deren Auswirkungen stehen, werden ebenfalls nur kurz betrachtet.

Im Anschluss an die Einführung in die Thematik der psychischen Erkrankungen folgt die erste Perspektive, die der Individuen. Neben den Auswirkungen einer psychischen Erkrankung auf das Leben eines Betroffenen, hat dies auch meist Auswirkungen auf das Umfeld. Mittels einer Studie des Projektteams von Prof. Dr. Matthias Angermeyer wird sich dieser Thematik angenähert. Zahlen der Rentenversicherung veranschaulichen dabei die Tatsache der häufigen Frühberentungen im Zusammenhang mit psychischen Erkrankungen. Die finanziellen Auswirkungen, die sich über alle Bereiche erstrecken, sind in den verschiedenen Kapiteln mit dem entsprechenden Zusammenhang eingeordnet.

Auf unternehmerischer Ebene werden zunächst verschiedene gesetzliche Anforderungen, die im Zusammenhang mit psychischen Erkrankungen bzw. deren Vorbeugung stehen, betrachtet. Im Anschluss folgt die Perspektive der Unternehmen selbst. Bei dieser zweiten Perspektive wird beleuchtet, was es für Unternehmen bedeutet, wenn Mitarbeitende von psychischen Erkrankungen betroffen sind. Hierbei werden sowohl Auswirkungen auf die Atmosphäre bzw. die Unternehmenskultur näher betrachtet, als auch die damit verbundenen finanziellen Aspekte mit einer beispielhaften Kostenberechnung. Anschließend erfolgen zwei Unternehmens-Beispiele, welche den möglichen Umgang mit psychischer Gesundheit im Unternehmen darstellen. Die Auseinandersetzung mit verschiedenen Branchen soll die Frage klären, ob es Branchen gibt, welche stärker von psychischen Erkrankungen betroffen sind und inwieweit Zusammenhänge zu erkennen sind. Auch bei dieser Betrachtung werden Daten der AOK miteinbezogen.

Abschließend folgt eine Betrachtung der gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen in Bezug auf die monetären Auswirkungen von psychischen Erkrankungen. Dabei werden diese Kosten in direkte, indirekte und intangible Kosten aufgeteilt. Bei dieser dritten Perspektive und deren Betrachtung, müssen verschiedene Herausforderungen berücksichtigt werden. Fraktionierung der Leistungsbereiche, Komorbiditäten oder die Uneinigkeit in der Literatur über Zuordnung von Kosten erschweren einen Vergleich bzw. die Auswertung der Datenlage. Gleichzeitig ist die Studienlage zu Kosten psychischer Erkrankungen für Deutschland nicht ausreichend öffentlich verfügbar, um aussagekräftige Vergleiche zu ziehen und Aussagen auf Grundlage ausreichender Daten treffen zu können. Demnach kann nur ein grober Überblick über die möglichen Kosten gegeben werden. Am Ende der Arbeit wird ein Fazit über die gewonnenen Erkenntnisse gezogen, sowie ein Ausblick auf notwendige, zukünftige Entwicklungen gegeben.

Die Arbeit wurde im Rahmen einer Literaturrecherche angefertigt und umfasst verschiedene Studien, Monographien, Sammelwerke, Fachzeitschriften, Konzepte sowie Internetquellen.

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird in dieser Arbeit das generische Maskulinum verwendet. Es wird darauf hingewiesen, dass die Verwendung der männlichen Form geschlechtsunabhängig verstanden werden soll.

2. Psychische Erkrankungen

2.1 Definitionen

Vor der Auseinandersetzung mit den Auswirkungen psychischer Erkrankungen, bedarf es der Klärung und Einordnung wichtiger Begrifflichkeiten.

Zur Klärung der Frage, was psychische Erkrankungen sind, muss sich zunächst mit der Frage beschäftigt werden, was Gesundheit ist, um diese beiden Begriffe – Krankheit und Gesundheit – voneinander abzugrenzen. In der Verfassung der World Health Organization (WHO) wird Gesundheit definiert als ein „(…) state of complete physical, mental and social well-being and not merely the absence of disease or infirmity“ (WHO 2020, S.1). Aus Sicht der WHO beinhaltet Gesundheit somit körperliche, psychische und soziale Komponenten. Dennoch gibt es auch Kritik an dieser Definition. Faller erklärt beispielsweise, dass körperliche Beschwerden ebenfalls bei gesunden Menschen auftreten, jedoch harmlos sind und wieder von alleine vorübergehen, ohne dass sich die Person als krank bezeichnet oder einen Arzt aufsuchen müsste (vgl. Faller 2019, S. 4). Trotz Kritik und Uneinigkeit wie Gesundheit definiert werden kann, ist die Definition der WHO dennoch die Bekannteste (vgl. Franzkowiak / Hurrelmann 2018). Die WHO überträgt die mehrdimensionale Sichtweise auch auf die psychische Gesundheit, indem sie sie wie folgt beschreibt: „Mental health is defined as a state of well-being in which every individual realizes his or her own potential, can cope with the normal stresses of life, can work productively and fruitfully, and is able to make a contribution to her or his community” (2014). Das Informationsportal Neurologen und Psychiater im Netz greift diese Definition auf und vertieft, dass psychische Gesundheit Menschen dazu befähigt, „mit alltäglichen Anforderungen und Belastungen umzugehen und diese gut zu bewältigen“ (Neurologen und Psychiater im Netz 2020). Dabei sei eine Balance zwischen Anforderungen und Belastungen sowie Ressourcen und Verhaltensalternativen entscheidend (vgl. ebd.).

In Bezug auf den Begriff der psychischen Erkrankung haben Caspar, Pjanic und Westermann dargelegt, dass je nach Kontext ein anderer Begriff vorherrscht (vgl. 2018, S. 6). Im medizinischen Kontext wird häufig der Begriff der psychischen Krankheit verwendet (vgl. ebd.). Der Begriff der psychischen Störung erscheint hingegen jedoch als neutraler und wird daher in unterschiedlichen Literaturen bevorzugt verwendet (vgl. Wittchen / Hoyer 2011, S. 8; Caspar et al. 2018, S.6). Auch die Klassifikationssysteme International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems (ICD) und Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (DSM) verwenden diese Begrifflichkeit (vgl. Wirtz 2020). Beides sind Systeme zur Klassifizierung von Diagnosen, wobei das DSM ausschließlich psychische Störungen beinhaltet und das ICD verschiedene medizinische Erkrankungen enthält (vgl. Hogrefe Verlag 2016).

Der Begriff der psychischen Störung wird laut DSM definiert als ein Syndrom, „(…) «welches durch klin. bedeutsame Störungen in den Kognitionen, der Emotionsregulation oder des Verhaltens einer Person charakterisiert ist. Diese Störungen sind Ausdruck von dysfunktionalen psychol., biol. oder entwicklungsbezogenen Prozessen, die psych. und seelischen Funktionen zugrunde liegen. Psych. St. sind typischerweise verbunden mit bedeutsamem Leiden oder Behinderung hinsichtlich sozialer oder berufs-/ausbildungsbezogener und anderer wichtiger Aktivitäten. Eine normativ erwartete und kult. anerkannte Reaktion auf übliche Stressoren oder Verlust, wie z. B. der Tod einer geliebten Person, sollte nicht als Psych. St. angesehen werden. Sozial abweichende Verhaltensweisen (z. B. politischer, religiöser und sexueller Art) und Konflikte zw. Individuum und Gesellschaft sind keine Psych. St., es sei denn, der Abweichung oder dem Konflikt liegt eine der oben genannten Dysfunktionen zugrunde.»“ (Falkai / Wittchen 2015, zitiert nach Wirtz 2020).

Was alles unter psychische Störungen fällt, ist jedoch nicht eindeutig definiert, denn die Einteilungen „(…) stellen letztlich nur nach dem aktuellen Stand der Forschung sowie für die Praxis sinnvolle und nützliche Konstrukte dar (…)“ (vgl. Wittchen / Hoyer 2011, S. 7). Je nach Forschungstand kann es vorkommen, dass bei neuen Erkenntnissen, Änderungen in der Einteilung, Definition oder Struktur nötig sind, wodurch es dann auch zu Revisionen in den Klassifikationssystemen kommen kann (vgl. Wittchen / Hoyer 2011, S. 7 f.). Angelehnt an den Titel der Arbeit, wird dennoch im Folgenden der Begriff der psychischen Erkrankung verwendet.

In Anbetracht der folgenden Auseinandersetzung mit Auswirkungen psychischer Erkrankungen in Bezug auf Arbeit, sind außerdem die Begrifflichkeiten Belastung und Beanspruchung zu klären. Der Begriff der psychischen Belastung beschreibt „Die Gesamtheit aller erfassbaren Einflüsse, die von außen auf den Menschen zukommen und psychisch auf ihn einwirken“ (Neuner 2019, S. 12). Definiert ist dies in der Norm DIN EN ISO 10075 und betrifft sowohl positive als auch negative Einflüsse (vgl. Neuner 2019, S.12). Die Abkürzungen DIN EN ISO stehen hierbei für das Deutsche Institut für Normung (DIN), Europäische Normen (EN) und die International Organization for Standardization (ISO), womit ausgedrückt wird, dass diese Norm national, europäisch und international anerkannt ist (vgl. Nitschke 2020). Auch die Begrifflichkeit der psychischen Beanspruchung wird von der Norm aufgegriffen. Sie wird definiert „als die unmittelbare (nicht langfristige) Auswirkung der psychischen Belastung im Individuum in Abhängigkeit von seinen jeweiligen überdauernden und augenblicklichen Voraussetzungen, einschließlich der individuellen Bewältigungsstrategien“ (Metz / Rothe 2017, S. 11). Grundlage der Norm ist das Belastungs-Beanspruchungs-Modell, welches den Zusammenhang zwischen diesen beschreibt (vgl. Neuner 2019, S. 13). Die aus den Belastungen resultierenden Beanspruchungen sind dabei von den Ressourcen des einzelnen Individuums abhängig (vgl. ebd.). Sind bei Belastung die individuellen Ressourcen zu stark beansprucht oder zu gering, so folgt daraus eine Fehlbeanspruchung (vgl. ebd.). Wenn solche Fehlbeanspruchungen nun über einen längeren Zeitraum auf ein Individuum einwirken, so kann dies gesundheitliche Folgen haben und zu psychischen Erkrankungen führen (vgl. ebd., S. 15 ff.). Demnach führt nicht jede psychische Belastung auch zu einer psychischen Erkrankung.

2.2 Entstehung psychischer Erkrankungen

Die Entstehung psychischer Erkrankungen wird häufig mit dem biopsychosozialen Modell in Verbindung gebracht (vgl. Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde 2012, S.8; Pfaff / Zeike 2019, S. 27). Es besagt, dass psychische, soziale und biologische Faktoren Krankheiten verursachen können (vgl. Faller 2019, S. 5). Wiederum können Krankheiten ebenfalls Auswirkungen auf psychischer, biologischer und sozialer Ebene haben (vgl. ebd.). Welche Ursachen genau hinter einer Erkrankung stecken, kann aufgrund dieser Mehrdimensionalität sehr vielfältig sein. Es wird auch von ätiologischen Faktoren gesprochen, also jene Faktoren die eine Erkrankung hervorbringen und aufrechterhalten (vgl. Caspar et al. 2018, S. 33 ff.). Dabei wird von vier Phasen des Lebens ausgegangen, in denen diese Faktoren wirken (vgl. ebd.):

1. Prä- und perinatale Phase
2. Sozialisations- und Entwicklungsphase
3. Vorfeld des Ausbruches
4. Verlauf nach Störungsausbruch

Neben den ätiologischen Faktoren seien hier der Vollständigkeit halber auch die protektiven Faktoren erwähnt, also die Gesundheit schützende Faktoren (vgl. Eckardstein / Lueger / Niedl / Schuster 1995, S. 30).

Es zeigt sich, dass psychische Erkrankungen unterschiedliche Ursachen haben können. Eine genauere Betrachtung dieser mit Bezug auf Erkrankungen, die vor allem im Kontext zur Arbeit stehen, wird im folgenden Kapitel vorgenommen.

2.3 Zahlen und Beispiele psychischer Erkrankungen

Laut einer Studie zu psychischen Erkrankungen in der Gesamtbevölkerung aus 2014, sind etwa 27,8 % der erwachsenen Bevölkerung im Alter von 18 – 79 Jahre jedes Jahr von psychischen Erkrankungen betroffen (vgl. Jacobi et al. 2014, S. 81; Jacobi et al. 2016, S. 88). Mit etwa 17,8 Millionen Menschen entspricht dies ungefähr der Einwohnerzahl von Nordrhein-Westfalen (vgl. Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde 2018, S. 10). Die dabei am häufigsten auftretende Erkrankungen sind Angststörungen mit 15,4 %, darauffolgend unipolare Depressionen mit 8,2 % und Störungen durch Alkohol- oder Medikamentenkonsum mit 5,7 % (vgl. Jacobi et al. 2014, S. 80 f.; Jacobi et al. 2016, S. 89). 45 % der Betroffenen haben mehr als eine Diagnose (vgl. ebd.). Dabei haben Frauen (50,2 %) häufiger als Männer (36,9 %) mehr als eine Diagnose (vgl. ebd.).

Im Folgenden werden Angststörungen und Depressionen aufgrund ihres häufigen Auftretens näher betrachtet. Zunächst zu den Angststörungen; Sie sind bezeichnend für den Zustand, „(…) wenn die Angst in besonderem Maße auftritt und die Umstände den Grad der Angst nicht erklären können, wenn Dauer und Häufigkeit der Angstzustände mit der Zeit zunehmen und die Fähigkeit abhanden kommt, die Angst aus eigener Kraft zu überwinden“ (Clausen / Eichenbrenner 2010, S.197). Sie können auftreten in Form von Phobien, Panikstörungen oder generalisierten Angststörungen (vgl. ebd.). Dabei ist Angst an sich etwas, was dem Menschen als Reaktion auf Bedrohung angeboren ist und somit das Überleben sichern soll (vgl. ebd.). Die Ursachen von Angststörungen können in verschiedenen Faktoren liegen, wie z. B. Kindheitserlebnissen, Trennungsängsten oder ungelösten Konflikten (vgl. Clausen / Eichenbrenner 2010, S. 197 f.).

Clausen und Eichenbrenner beschreiben eine Depression als „(…) ein eingetretener oder drohender innerpsychischer Stillstand, ein Zustand der Niedergeschlagenheit und der Lähmung der vitalen Kräfte (…)“ (2010, S. 193). Menschen die darunter leiden fühlen sich kraftlos, müde und leer und verlieren das Zeitgefühl (vgl. ebd.). Weiter gehört der Verlust an Interesse und Motivation sowie Antriebsstörungen zu den Symptomen (vgl. Schulte-Meßtorff / Wehr 2013, S. 14). Auch gestörte Emotionalität, Gereiztheit und Konzentrationsstörungen können auftreten (vgl. Schulte-Meßtorff / Wehr 2013, S. 14). Ursachen für depressive Krisen können z. B. Verlusterlebnisse, frühere Gefährdungen und Kränkungen sein (vgl. Clausen / Eichenbrenner 2010, S.194 f.). Wie auch bei den Angststörungen, können die Ursachen unterschiedliche Faktoren haben und teilweise auch mehrere gleichzeitig, weshalb die genannten Beispiele nicht als abschließend zu betrachten sind (vgl. Eckardstein et al. 1995, S. 32). Ein von der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) entwickeltes Konzept (vgl. Abbildung 1) beschreibt, dass andauernder Stress in Bezug auf Arbeit, ein Faktor für die Entstehung von Depression sein kann (vgl. DGPPN 2012, S. 3 ff.; Poppelreuter / Mierke 2008, S. 26).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: DGPPN-Konzept: Übergang von Arbeitsbelastung zur Krankheit (DGPPN 2012, S.4)

Das Konzept der DGPPN (vgl. Abbildung 1) beschreibt den Übergang von einer Arbeitsbelastung hin zu einer Überlastung bis zur Krankheit. Wie unter Punkt 1 dargestellt (vgl. Abbildung 1), können individuelle Faktoren (z. B. mangelnde Erholungsphasen oder Perfektionismus) und Arbeitsfaktoren (z. B. fehlende Abgrenzung zum Privatleben oder mangelnde Anerkennung durch Vorgesetzte) zu Arbeitsüberforderung führen, welche sich z. B. in Angespanntheit oder einem Erschöpfungsgefühl äußert (vgl. DGPPN 2012, S. 3 ff.). Kurze Erholungsphasen, wie am Wochenende, sollten diese Stressreaktionen zurückbilden können (vgl. ebd.). Dauern diese Anforderungen jedoch über einen längeren Zeitraum an und entsprechende Stressreaktionen können nicht durch Erholungsphasen zurückgebildet werden, so „(…) sollte von einem Burnout gesprochen werden“ (DGPPN 2012, S. 4). Bei einer längerfristigen Arbeitsüberforderung kann Burnout auch zu Angststörungen oder Depressionen führen (vgl. DGPPN 2012, S. 5). Hierbei sind Menschen mit entsprechenden Erkrankungen in der Vorgeschichte besonders gefährdet (vgl. ebd.).

Zuletzt beschreibt das Konzept unter Punkt 4, dass gewisse Erkrankungen, darunter auch Depressionen, Ursache dafür sein können, dass es zu Burnout-ähnlichen Beschwerden kommt (vgl. DGPPN 2012, S. 6 f.). Diese Beschwerden, wie die Gefühle von Überforderung und Erschöpfung, können am Arbeitsplatz für Leistungseinschränkungen sorgen (vgl. ebd.).

Bei rechtzeitigem Erkennen sind Depressionen gut behandelbar (vgl. Robert-Koch-Institut (RKI) 2010, S. 26). Dabei sind bei der Behandlung verschiedene Professionen, wie Ärzte und Therapeuten beteiligt (vgl. ebd., S. 27). Ziele der Behandlung sind unter anderem Verminderung der Symptome, Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit und Reduzierung der Rückfallwahrscheinlichkeit (vgl. DGPPN et al. 2015, S. 45). Dabei kommen, je nach Behandlungsform, Medikamente, Psychotherapie sowie unterstützende Maßnahmen zum Einsatz (vgl. RKI 2010, S. 28). Im Zusammenhang mit dem Ziel der WHO, die Zahl psychischer Erkrankungen zu reduzieren, wird der Prävention ein wichtiger Stellenwert zugesprochen (vgl. WHO 2004, S. 3 ff.). Die primäre Prävention depressiver Erkrankungen hat zum Ziel, durch soziale Kompetenz, stabile Beziehungen oder körperliche Gesundheit, Risiken zu minimieren und eigene Ressourcen zu aktivieren (vgl. RKI 2010, S. 32 f.). Die sekundäre Prävention ist dahingehend ausgerichtet, eine Chronifizierung der Erkrankung zu verhindern, indem die Diagnosestellung und Therapie frühzeitig geschehen (vgl. ebd.). Bei der tertiären Prävention wiederum, soll bei erfolgreicher Genesung ein Rückfall vermieden werden (vgl. RKI 2010, S. 32 f.). Im Zuge dessen gibt es auf verschiedenen Ebenen Präventionsprogramme und -angebote, um eine Vielfalt an Ursachen und Risikofaktoren abzudecken (vgl. ebd.).

2.4 Psychische Erkrankungen am Arbeitsplatz

Das Konzept der DGPPN hat bereits erste Zusammenhänge zwischen Arbeit und psychischen Erkrankungen aufgeworfen. Die in den letzten Jahren weiter steigende Anzahl psychischer Erkrankungen in Verbindung mit Arbeit, gewinnt immer mehr an Aufmerksamkeit (vgl. Meyer / Maisuradze / Schenkel 2019, S. 447 f.). Aus diesem Grund greifen die folgenden Kapitel diese Entwicklung auf und legen weitere, entsprechende Zusammenhänge dar.

2.4.1 Fehlzeiten in Unternehmen

Ein Blick auf die Fehlzeiten in Unternehmen zeigt, dass neben Krankheit auch die Einstellung bzw. die Motivation der Mitarbeitenden ein Grund für Abwesenheit vom Arbeitsplatz sein kann (vgl. Trebesch 1998, S. 99). Bei motivationsbedingten Abwesenheiten wird auch von Absentismus gesprochen, worunter zu verstehen ist, dass die Mitarbeitenden zwar ein ärztliches Attest nachweisen können, es jedoch keine medizinische Notwendigkeit gibt, zu Hause zu bleiben (vgl. Nieder 1998, S. 12; Trebesch 1998, S. 99 f.). Durch das ärztliche Attest wird dem Mitarbeitenden der Status der Arbeitsunfähigkeit zugesprochen. Arbeitsunfähigkeit (AU) bezeichnet dabei einen „(…) sozialrechtlichen Status, der Patienten im Fall von Krankheit vor nachteiligen sozialen Konsequenzen und gesundheitlichen Folgeschäden absichern soll“ (Linden / Weidner 2005; S. 1421). Hiermit ist auch gemeint, dass der Mitarbeitende vom Arbeitsplatz fernbleiben kann, ohne Konsequenzen befürchten zu müssen (vgl. Linden / Weidner 2005, S. 1422). Einzelheiten hierzu regelt die Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) (vgl. Gemeinsamer Bundesausschuss 2013). Neben Absentismus und Krankheit zählen noch Ausfallzeiten zu den Fehlzeiten, welche durch Urlaub, Weiterbildung oder Kuren bzw. Heilverfahren zustande kommen (vgl. Trebesch 1998, S. 99; Eckardstein / Lueger / Niedl / Schuster 1995, S. 242).

Ursachen, die zu Krankheit oder Absentismus der Mitarbeitenden führen, werden in Arbeitsplatz-unabhängige und Arbeitsplatz-abhängige Ursachen aufgeteilt (vgl. Tabelle 1). Hierbei können, wie in Tabelle 1 ersichtlich, psychische Arbeitsbelastungen dazu führen, dass Mitarbeitende erkranken und somit im Unternehmen ausfallen. Beispielsweise kann eine hohe Arbeitsdichte als psychische Arbeitsbelastung, Magenschmerzen oder Herzbeschwerden bei Mitarbeitenden verursachen (vgl. Richter 2000, S. 28 f.). Weitere psychische Belastungsfaktoren können Tabelle 2 entnommen werden.

Konflikte oder Probleme mit der Führungskraft können ebenfalls Ursache dafür sein, dass es zu Fehlzeiten kommt und diese als eine Form von Flucht vor Belastungen am Arbeitsplatz zu verstehen sind (vgl. Trebesch 1998, S. 102 f.). Dabei wird davon ausgegangen, dass 30 % der Fehlzeiten auf die Motivation zurückzuführen sind und vor allem durch Führungsdefizite zustande kommen (vgl. Trebesch 1998, S. 99 ff.). Konflikte wiederum können darüber hinaus auch zu psychischen Belastungen werden und somit zu Fehlzeiten aufgrund von Krankheit führen (vgl. Trebesch 1998, S. 107). Weitere Ursachen für psychische Belastungen am Arbeitsplatz werden in Kapitel 2.4.2 näher beleuchtet.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1: Krankheits- und motivationsbedingte Fehlzeiten (In Anlehnung an Trebesch 1979, zitiert nach Trebesch 1998, S. 100)

Die Beeinflussbarkeit der Fehlzeiten, ob durch Krankheit oder motivationsbedingt entstanden, sei in beiden Fällen durch das Unternehmen möglich (vgl. Nieder 1998, S. 12 f.). Fehlzeiten aufgrund von Krankheit können beispielsweise durch betriebliche Gesundheitsförderung beeinflusst werden und motivationsbedingte Fehlzeiten durch systematische Gesprächskonzeption, wie z. B. in Form von Rückkehr- oder Fehlzeitengesprächen (vgl. Nieder 1998, S. 12 f.).

Für einen Blick auf die Arbeitsunfähigkeit (AU) von Mitarbeitenden, werden die Daten der Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK) herangezogen. Diese hatten nach eigenen Aussagen in 2019 etwa 14,4 Mio. versicherte Arbeitnehmer, welche sich auf ca. 1,6 Mio. Betriebe aufteilen (vgl. Wissenschaftliches Institut der AOK 2020). Im Vergleich mit anderen Krankenkassen haben die AOK in 2019 36,7 % (26,8 Mio.) der Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) betreut, während der Verband der Ersatzkassen (vdek) 38,4 % (28 Mio.) GKV-Versicherte betreute (vgl. Verband der Ersatzkassen 2019). Die Daten der AOK zeigen, dass der Krankenstand in 2018 5,5 % betrug und in 2019 auf 5,4 % gesunken ist (vgl. Wissenschaftliches Institut der AOK 2020). Wird dem Krankenstand hierbei zugrunde gelegt, dass er die Summe der AU-Tage aller Versicherter als Anteil am Kalenderjahr darstellt (vgl. Meyer / Maisuradze / Schenkel 2019, S. 419), so bedeutet dies, dass in 2019 jeder AOK-versicherte Arbeitnehmer im Schnitt 19,8 Tage auf der Arbeit aufgrund einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung gefehlt hat (vgl. Wissenschaftliches Institut der AOK 2020). Abbildung 2 veranschaulicht den Krankenstand über die Jahre hinweg und zeigt, dass dieser von 2000 (5,4 %) bis 2006 (4,2 %) kontinuierlich gesunken ist. Doch seit 2007 ist ein Anstieg mit leichten Schwankungen zu erkennen, wobei sich der Krankenstand 2015 bis 2017 auf einem Niveau (5,3 %) eingependelt hatte (vgl. Meyer / Maisuradze / Schenkel 2019, S. 423).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Entwicklung des Krankenstandes der AOK-Mitglieder in den Jahren 1999 – 2018 (Meyer / Maisuradze / Schenkel 2019, S. 423)

Mit einem genaueren Blick auf die Krankheitsarten zeigt sich im Gesundheitsreport 2019 der DAK-Gesundheit Krankenkasse, dass im Verlauf der Jahre AU-Fälle psychischer Erkrankungen angestiegen sind (vgl. Marschall / Hildebrandt / Nolting 2019, S. 19). Im Jahr 2010 kamen nur durchschnittlich 5,5 AU-Fälle auf 100 Versichertenjahre (VJ), also ganzjährig Versicherte (vgl. Marschall / Hildebrandt / Nolting 2019, S. 19). 2018 waren es bereits durchschnittlich 7 AU-Fälle auf 100 VJ (vgl. ebd.).

Auch die Daten der AOK verzeichnen ein ähnliches Bild. Hier hatten psychische Erkrankungen in 2019 die längste Falldauer mit durchschnittlich 27,1 Tagen (vgl. Wissenschaftliches Institut der AOK 2020). Herz-Kreislauf-Erkrankungen hatten im Vergleich eine Falldauer von im Schnitt 17,6 Tagen (vgl. ebd.). Die meisten Fälle liegen jedoch bei Atemwegserkrankungen mit 48,7 Fälle je 100 AOK-Mitglieder (vgl. Wissenschaftliches Institut der AOK 2020). Psychische Erkrankungen machen hier nur 11,6 Fälle je 100 Mitglieder aus (vgl. ebd.). Im Vergleich zu 2019 hatten psychische Erkrankungen in 2018 eine durchschnittliche Falldauer von 26,3 Tagen und es gab im Schnitt 11,4 Fälle je 100 Mitglieder (vgl. Meyer / Maisuradze / Schenkel 2019, S. 457 ff.).

Die Daten zeigen zwar, dass der Krankenstand an sich von 2018 auf 2019 gesunken ist, jedoch die Zahl der Fälle sowie die Falldauer psychischer Erkrankungen steigt. Dieser Trend zeigt sich bereits in den Jahren 2008 bis 2018, in denen die Fälle um 40,7 % und der damit verbundenen Fehltage von psychischen Erkrankungen um 64,2 % anstiegen (vgl. Meyer / Maisuradze / Schenkel 2019, S. 448 f.). Dabei sind vor allem Frauen (6,3 % der gesamten AU-Fälle) häufiger als Männer (4,2 % der gesamten AU-Fälle) von psychischen Erkrankungen betroffen (vgl. ebd., S. 450). Im Vergleich zu anderen Krankheitsarten (Muskel-Skelett-Erkrankungen: Anstieg Fehltage um 10,1 %; Atemwegserkrankungen: Anstieg Fehltage um 28,7 %) sind die Fehltage psychischer Erkrankungen, wie auch in Abbildung 3 zu erkennen ist, in den letzten Jahren am stärksten angestiegen (vgl. ebd., S. 448). Prozentual machen psychische Erkrankungen in 2018 jedoch nur einen Anteil von 11,3 % an den gesamten Fehltagen aus, 0,1 % mehr als im Vorjahr und stehen somit auf Platz 3 nach Muskel-Skelett-Erkrankungen (22 %) und Atemwegserkrankungen (13 %) (vgl. ebd., S. 447).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Tage der Arbeitsunfähigkeit der AOK-Mitglieder nach Krankheitsarten in den Jahren 2009 – 2018 (Meyer / Maisuradze / Schenkel 2019, S. 448)

Die möglichen Ursachen für die steigende Zahl psychischer Erkrankungen werden stark diskutiert (vgl. Meyer / Maisuradze / Schenkel 2019, S. 447). Unter Anderem wird die Belastungszunahme bei den Arbeitsbedingungen als ein Grund angeführt (vgl. ebd.). Ein weiterer Grund wird darin gesehen, dass Ärzte sensibler für psychische Probleme geworden sind und aufgrund der zunehmenden gesellschaftlichen Akzeptanz, diese auch eher dokumentieren (vgl. ebd.). Patienten selbst gehen ebenfalls nun auch offener mit psychischen Problemen um und sprechen diese beim Arzt eher an (vgl. Meyer / Maisuradze / Schenkel 2019, S. 447).

2.4.2 Ursachen für psychische Belastungen bei der Arbeit

Die Gemeinsame Deutsche Arbeitsschutzstrategie (GDA) hat Faktoren die zu einer psychischen Belastung führen können, in fünf Merkmalsbereiche aufgeteilt (vgl. GDA 2018, S. 21 ff.). Bei den Bereichen handelt es sich um Arbeitsinhalt/Arbeitsaufgabe, Arbeitsorganisation, Soziale Beziehungen, Arbeitsumgebung und neue Arbeitsformen (vgl. ebd.). Tabelle 2 veranschaulicht diese Einteilung mit möglichen Auswirkungen bzw. Ausprägungen.

Anhand dieser Aufgliederung zeigt sich, dass die Gründe für psychische Belastungen am Arbeitsplatz vielschichtig sind. Viele Unternehmen fordern von ihren Mitarbeitenden eine erhöhte Flexibilität sowie Mobilität aufgrund der Veränderungen am Markt (vgl. Rudow 2014, S. 48 f.). Vor allem in Bezug auf neue Technologien und der Globalisierung stehen Arbeitnehmer vor Herausforderungen (vgl. ebd.). Die neuen Technologien ermöglichen eine ständige Erreichbarkeit und lassen Arbeit und Freizeit verschmelzen (vgl. ebd.). Im Rahmen der Globalisierung ist die Konkurrenz für viele Unternehmen gestiegen, was einige dazu zwingt Stellenkürzungen vorzunehmen, um weiterhin konkurrenzfähig zu bleiben (vgl. DGPPN 2012, S. 9). Als Folge der Pandemie durch den Virus SARS-CoV-2, lassen viele Unternehmen ihre Mitarbeitenden von zu Hause aus arbeiten und somit sind diese von einem auf den anderen Moment auf die Nutzung neuer Technologien angewiesen, wie beispielsweise Videochats (vgl. Schuler 2020). Jedoch nicht nur die geänderte Arbeitsweise und das Nutzen neuer Technologien sind Herausforderungen für Mitarbeitende in Folge der Pandemie, sondern auch die damit einhergehende soziale Distanzierung und der fehlende Arbeitsalltag können sich belastend auf die Psyche auswirken (vgl. Anderl 2020; Schuler 2020).

Des Weiteren kann die Angst vor Arbeitsplatzverlust, welche durch Termindruck, gestiegenem Arbeitstempo oder Umstrukturierungen entsteht, Ursache für die Entwicklung psychischer Belastungen sein (vgl. Schulte-Meßtorff / Wehr 2013, S. 22 f.). Kieselbach et al. beschreiben, dass bereits verschiedene Studien einen Zusammenhang zwischen Arbeitsplatzverlust bzw. Arbeitslosigkeit und Gesundheitsproblemen belegen konnten (vgl. 2010, S. 29 ff.; Bundesregierung 2017, S. 414). Beispielsweise können durch Arbeitsplatzverlust psychische Erkrankungen wie Depressionen oder Angststörungen entstehen, welche wiederum mit Bluthochdruck, Verdauungsstörungen oder Gewichtzunahmen in Verbindung stehen können (vgl. Kieselbach et al. 2010, S. 29 ff.). Langzeitarbeitslose wiederum haben ein doppelt so hohes Risiko eine psychische Erkrankung zu bekommen, im Vergleich zu Erwerbstätigen (vgl. Herbig / Dragano / Angerer 2013, S. 413). Dies gilt insbesondere für Depressionen und Angsterkrankungen (vgl. ebd.). Entlassungen an sich können dabei nicht nur bei den Betroffenen gesundheitliche Auswirkungen haben (vgl. Kieselbach et al. 2010, S. 29 ff.), sondern auch bei den im Unternehmen Verbliebenen, da sich ein Gefühl von Unsicherheit oder auch „(…) Schuldgefühle gegenüber gekündigten Kollegen“ (Schulte-Meßtorff / Wehr 2013, S. 23) entwickeln kann und somit die Verbliebenen in ihrer Arbeit beeinträchtigt (vgl. ebd.).

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Tabelle 2: Psychische Belastungsfaktoren (In Anlehnung an GDA 2018, S. 21 ff.)

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Final del extracto de 68 páginas

Detalles

Título
Psychische Erkrankungen und ihre Auswirkungen auf die deutsche Wirtschaft. Gesundheitsökonomische Folgen für die Gesamtwirtschaft
Universidad
University of Applied Sciences - bbw
Calificación
1,3
Autor
Año
2020
Páginas
68
No. de catálogo
V990530
ISBN (Ebook)
9783346353184
ISBN (Libro)
9783346353191
Idioma
Alemán
Palabras clave
Psychische Erkrankungen, Betriebliches Gesundheitsmanagement, BGM, Psychische Gesundheit, Burnout, Depressionen, Arbeitsschutz, Gesundheitsökonomie
Citar trabajo
Phil Hartmann (Autor), 2020, Psychische Erkrankungen und ihre Auswirkungen auf die deutsche Wirtschaft. Gesundheitsökonomische Folgen für die Gesamtwirtschaft, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/990530

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