Vertrauen im E-Commerce. Herausforderungen für Unternehmen und Kunden im Tourismus


Seminar Paper, 2020

42 Pages, Grade: 1,3


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung und Zielsetzung
1.1 Einführung in die Thematik
1.2 Zielsetzung und Aufbau der Arbeit

2. Das Vertrauenskonstrukt im E-Commerce
2.1 Die Natur des Vertrauens
2.2 Übertragung des Vertrauensbegriffs auf den Online-Handel
2.3 Wahrgenommene Risiken beim Internet-Einkauf aus Kundensicht

3. Relevanz des touristischen E-Commerce

4. Minimierung der Risikofaktoren und Bildung von „E-Trust“ im touristischen ECommerce
4.1 Bedeutung der Eigenschaften des Verkäufers
4.2 Einfluss psychologischer Faktoren des Konsumenten
4.3 Wirkung webseitenspezifischer Faktoren auf das Vertrauen
4.4 Behebung von Datenschutz- und Sicherheitsrisiken
4.5 Importanz von Reputationen und E-Word-of-Mouth
4.6 Einsatz von Chatbots, Telefonhotlines oder Live-Chats

5. Vertrauen als Grundbaustein für die Bildung von Loyalität

6. Fazit

8. Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Treugeber und Treuhänder (Aris et al., 2011, S. 2)

Abbildung 2: Wirkbeziehungen von Vertrauen und Risiko auf die Kaufabsicht bisheriger Untersuchungen (Ahrholdt, 2010, S. 63)

Abbildung 3: wahrgenommene Risiken aus Kundensicht (Arshad et al., 2015, S. 14)...

Abbildung 4: Top ten trust attributes (Abyad, 2017, S. 23 nach Che-Hussin et al., 2000)

Abbildung 5: Das Vertrauen der Verbraucher in den Online-Einzelhandel (Chen und Dibb, 2010, S. 325)

1. Einleitung und Zielsetzung

1.1 Einführung in die Thematik

Bereits im Jahr 2000, als das Internet noch nicht so weit entwickelt war wie jetzt, schrieben Urban et. al. (2000, S. 49): „In our opinion trust will soon become the currency of the internet” und sie haben damit Recht behalten. Obwohl Transaktionen im Internet längst etabliert sind, sich der Gesamtumsatz der Transaktionen im Jahr 2019 auf 59,2 Milliarden Euro mit steigender Tendenz belief (Handelsverband, 2020) und auch im Tourismus die Online-Buchungen die Offlline-Buchungen in Deutschland im letzten Jahr zum ersten Mal überholt haben (Buller, 2020; Rohleder, 2020), birgt das Internet eine Vielzahl an Risiken. In einer Befragung zum digitalen Tourismus 2020 gaben 40% der Befragten an, dass sie Online-Buchungen generell nicht vertrauen, 34% sorgten sich um die Sicherheit ihrer Daten, die beim Buchungsprozess eingegeben werden (Rohleder, 2020). Aufgrund der Anonymität und geringen Reglementierung im Internet, befürchten Nutzer außerdem Opfer unseriöser Anbieter oder betrügerischer Onlineshops zu werden (Löwer, 2020). Vertrauen gibt Sicherheit in Situationen, bei denen Entscheidungen getroffen werden, die mit Risiken verbunden sind und bietet die Lösung für ein spezifisches Risikoproblem (Noll und Winkler, 2004; Gefen, 2000, Sztompka, 2000; Wicks, Berman und Jones, 1999; Luhmann, 2000a). Das Vertrauen der Konsumenten stellt somit einen Schlüsselfaktor für Unternehmen im E-Commerce dar (Noll und Winkler, 2004; Aris, 2011 und weitere) und wird in der folgenden Arbeit genauer betrachtet.

1.2 Zielsetzung und Aufbau der Arbeit

Die nachfolgende Arbeit setzt sich kritisch mit dem Vertrauen im touristischen ECommerce aus Unternehmens- und Kundenperspektive auseinander. Zentraler Bestandteil bildet die Evaluierung der wahrgenommenen Risiken beim Einkauf touristischer Produkte im Internet und die Schaffung von Vertrauen durch Unternehmen, die diese Produkte verkaufen.

Die wissenschaftliche Arbeit gliedert sich in vier Abschnitte. Zunächst wird genauer auf das Vertrauenskonstrukt eingegangen, der Begriff wird zunächst aus psychologischer Sicht erläutert und es werden verschiedene Vertrauensdimensionen betrachtet.

Anschließend wird die Relevanz des Online-Handels definiert und der Vertrauensbegriff damit in Verbindung gesetzt. In der Literatur wird der Vertrauensbegriff oft mit den wahrgenommenen Risiken des Verbrauchers umschrieben, deshalb werden anschließend diese Risiken erläutert und Beispiele gegeben. Im Hauptteil der Arbeit wird auf die Bedeutung des touristischen E-Commerce eingegangen und demonstriert, warum das Vertrauen speziell im E-Commerce von Bedeutung ist. Der Fokus des vierten Abschnitts liegt auf der Minimierung dieser Risiken durch den Online-Händler und der Bildung von „E-Trust“, dabei wird auf psychologische Faktoren des Käufers, Eigenschaften des Online-Händlers, Sicherheits- und Datenschutzbedenken, die Wirkung webseitenspezifischer Faktoren und die Importanz von Reputationen eingegangen, außerdem wird die Auswirkung des Einsatzes von Chatbots, Telefonhotlines und LiveChats auf das Vertrauen analysiert. Im letzten Teil der Arbeit wird der Einfluss von Vertrauen auf Kundenloyalität verdeutlicht und im Fazit die Erkenntnisse zusammengefasst.

2. Das Vertrauenskonstrukt im E-Commerce

2.1 Die Natur des Vertrauens

Da das Vertrauenskonstrukt sehr komplex ist, gibt es keine einheitliche Definition, die alle Situationen umfasst (vgl. Aris et al., 2011; Ahrholdt, 2010). Bestehende Definitionen kommen aus dem Kontext verschiedener Situationen, so z. B. aus der Psychologie, Ökonomie, den Politik- und Kommunikationswissenschaften, der Soziologie und Pädagogik (Ajzen, 1989; Irion, 2007; Meyer und Ward, 2009; Ahrholdt, 2010; Fröhlich et al., 2015; McKnight und Chervany, 1996). Um das Vertrauenskonstrukt im Allgemeinen zu verstehen, ist es wichtig zu wissen, dass das Handeln des Menschen generell zukunftsorientiert ist; alle angestrebten Ziele werden mit einer Zeitverzögeru ng erreicht (Barbalet, 1996; Sztompka, 2000; Irion, 2007). Die Zukunft ist dabei immer unsicher und unvorhersehbar, trotzdem versucht der Mensch diese vorauszusagen und die Kontrolle darüber zu haben, was nur in wenigen Fällen funktioniert (Sztompka, 2000; Sasaki, 2019; Luhmann, 2000a). Vertrauen ist daher vor allem in Situationen wichtig, in denen trotz Ungewissheit und Risiko gehandelt werden muss (Noll und Winkler, 2004; Gefen, 2000; Sztompka, 2000; Wicks, Berman und Jones, 1999; Luhmann, 2000a). Eine sehr allgemeine Definition von Vertrauen nach Sztompka lautet: „Vertrauen ist eine Wette auf die zukünftigen kontingenten Aktionen anderer“ (eigene Übersetzung nach Sztompka, 2000, S. 69). Diese Definition zeigt auf, dass Vertrauen vor allem in der Interaktion zwischen Menschen und in komplexen sozialen Strukturen wichtig ist, außerdem stellt sie die Grundlage für das Funktionieren einer Gesellschaft dar (Luhmann, 2000b; Einwiller, 2003; Fröhlich et al., 2015). Vertrauen kann daher auch als: „ vereinfachende Strategie, die den Einzelnen in die Lage versetzt, sich an ein komplexes soziales Umfeld anzupassen und dadurch von erweiterten Möglichkeiten zu profitieren”, bezeichnet werden (eigene Übersetzung nach Earle und Cvetkovich, 1995, S. 38) und impliziert damit einen Informationsverzicht (Platzköter, 1990). Außerdem legt die vereinfachte Definition von Sztompka dar, dass „Erwartungen in zukünftige Ereignisse, die in der Regel allerdings auf der Kenntnis vergangener Ereignisse, also Erfahrungen basieren, eine zentrale Rolle [spielen]“ (Fröhlich et al., 2015, S. 411). Die Menschen haben also, wenn sie einer anderen Partei vertrauen, eine bestimmte Erwartungshaltung, die aus ihrem Handeln resultiert. Vertrauen ist die Grundlage zwischenmenschlicher Beziehungen (McKnight und Chervany, 2001) und bildet - wie in der folgenden Abbildung zu erkennen ist - eine Wechselbeziehung zwischen Treugeber (trustor) und Treuhänder (trustee) (Mayer, Davis, und Schoorman, 1995; Aris et al., 2011). Der Treuhänder ist die Partei, der vertraut wird. Der Treugeber vertraut der anderen Partei aufgrund dessen Vertrauens-/ Glaubwürdigkeit (Aris et al., 2011); die Grundlage von Vertrauen in der interpersonellen Beziehung bildet die positive Erwartung (Chen und Dhillon, 2003). Um glaubwürdig zu sein, sollte der Treuhänder außerdem über drei weitere Attribute, nämlich die Fähigkeit (Kompetenzen und Fähigkeiten zur Einflussnahme), das Wohlwollen (Ausmaß, in dem sich der Treuhänder um das Wohlergehen des Treugebers sorgt) und die Integrität (Grad, in dem sich der Treuhänder an akzeptable Grundsätze hält) verfügen (Tam, Loureiro und Oliveira, 2020; Chen und Dhillon, 2003; Chen und Dibb, 2010; Gajda, 2020; McKnight et al. 2002; Mayer und Davis, 1999). Diese Merkmale orientieren sich nach Mayer et al. (1995) an den eigenen Vorstellungen (des Treugebers) von Ehrlichkeit und der Erfüllung des Versprechens und werden in der Literatur häufig genannt (vgl. Fröhlich et al., 2015; Lewicki, McAllister und Bies, 1998; Chen und Dhillon, 2003; Ozdemir und Sonmezay, 2020 und weitere). Wenn das Vertrauen des Treugebers gebrochen wird, endet meist die Beziehung (Friedman et al., 2000). Der Treugeber vertraut auf die Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft einer anderen Partei, ohne vorab genau zu wissen, ob ein gewünschtes Ergebnis mit Sicherheit eintritt, das macht ihn verwundbar gegenüber dem Treuhänder(Kaiser, Ringlstetter und Müller- Seitz, 2006). In der abgebildeten Wechselbeziehung akzeptiert der Vertrauende (Treugeber) also seine Verwundbarkeit auf der Grundlage positiver Erwartungen an die Absichten oder das Verhalten eines anderen unter Bedingungen des Risikos und der gegenseitigen Abhängigkeit (Rousseau et al., 1998; Vollmar, Becker und Hoffend, 2013). „Verwundbarkeit ist ein Zukunftskonstrukt, das auf Interdependenz und Risiko beruht; zuversichtliche Erwartungen beziehen sich auf die Fähigkeit einer Partei, vorherzusagen, wie sich das Ziel des Vertrauens in der Zukunft verhalten wird“ (eigene Übersetzung nach Sekhon et al., 2014, S. 412). Somit wird Vertrauen auch als “Lösung für ein spezifisches Risikoproblem” bezeichnet (eigene Übersetzung nach Luhmann, 2000a, S. 94), Das Vertrauenskonstrukt weist verschiedene Merkmale auf (Götz, 2006). Neben den bereits genannten Faktoren Verletzlichkeit, Risiko und Interdependenz, gibt es weitere wie die Sensitivität von Vertrauen, die graduelle Dynamik und die Freiwilligkeit von Vertrauen. Sensitivität bedeutet, dass Vertrauen nur durch einen langfristigen (graduellen) Prozess gewonnen werden, andererseits aber bereits durch eine Enttäuschung wieder zerstört werden kann (Vollmar, Becker und Hoffend, 2013; Götz, 2006; Jennings et al., 2000). Wird die Wechselbeziehung aber intensiviert, folgen weitere Vertrauenshandlungen des Treugebers (Kramer und Tyler, 1996). Vertrauen bildet außerdem die Grundlage für das Engagement in einer Beziehung, das unentbehrlich für wechselseitige Beziehungen ist (Morgan und Hunt, 1994). Eine weitere häufig in der Literatur genannte Dimension des Vertrauenskonstruktes ist das umfassende Vertrauen (Lin, Wang und Hajli, 2020; Ozdemir und Sonmezay, 2020; Tam, Loureiro und Oliveira, 2020; Oliveira et al., 2017; Wu et al., 2016). Es wird definiert als Gesamtvertrauen, das sich nicht auf ein bestimmtes Verhalten der anderen Partei bezieht (Chen und Dhillon, 2003).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Treugeber und Treuhänder (Aris et al., 2011, S. 2)

Auch der Duden (o. J.) definiert Vertrauen als „festes Überzeugtsein von der Verlässlichkeit, Zuverlässigkeit einer Person, Sache“; Vertrauen inkludiert somit sowohl Zuverlässigkeit, als auch Risiko (Zaheer und Bachmann, 2006). Vertraut werden kann - wie auch im Duden genannt - in unterschiedliche Dinge: in Organisationen, in andere Personen, in Dinge oder in die Menschheit allgemein (Sztompka, 2000; Duden, o. J.). Im folgenden Abschnitt der Arbeit wird die Relevanz des Online-Handels erläutert und dieser mit dem Vertrauensbegriff in Verbindung gesetzt.

2.2 Übertragung des Vertrauensbegriffs auf den Online-Handel

Die Digitalisierung ist aus dem heutigen Leben nicht mehr wegzudenken. Eine repräsentative Umfrage des Verbandes Internet Reisevertrieb e. V., dem Interessenverband der deutschen digitalen Reiseindustrie, zeigt, dass mittlerweile 86% der Deutschen Zugang zum Internet haben, bei den unter 50-Jährigen liegt dieser Wert sogar bei 98% (Buller, 2020). Das Internet ist unser ständiger Begleiter und wird sowohl mobil, als auch am Desktop regelmäßig genutzt, um unseren Informationsbedarf zu decken. Gründe für die verbreitete Nutzung des Internets liegen beispielsweise in der Multimedialität der Inhalte, der zeitlichen und räumlichen Unbegrenztheit, der Funktionalität, Personalisierung und der Transaktionsfähigkeit (Böing, 2001; Deges, 2020). Die vorliegende Arbeit beschränkt sich auf die Transaktionsfähigkeit des Internets im B2C-E-Commerce1. Im Jahr 2019 belief sich der Gesamtumsatz der Transaktionen in dieser Sparte auf 59,2 Milliarden Euro mit steigender Tendenz (Handelsverband, 2020). Electronic-Commerce (E-Commerce, auch Online-Handel oder Internethandel genannt) kann definiert werden als „elektronischer Handel mit Waren und Dienstleistungen, deren Transaktion, d. h. die Anbahnung, der Abschluss und die Abwicklung des Kaufs oder Verkaufs, über das Internet mithilfe interaktiver Informations- und Kommunikationstechnologien durchgeführt wird“ (Deges, 2020, S. 2 na ch Weiber, 2000; Wirtz, 2001; Wamser, 2001; Merz, 2002; Fritz, 2004). Ein weiteres wichtiges Geschäftsfeld im E-Commerce mit einem rasanten Wachstum ist der „mobile“ Commerce (das Kaufen von Produkten im Internet mit einem mobilen Endgerät) (Marriott, 2017) und der durch das interaktive Web 3.02 entstandene Social Commerce, eine Erweiterung des Business-to-Customer (B2C)-E-Commerce, bei dem Verbraucher miteinander interagieren, um Online-Shopping-Aktivitäten durchzuführen und ihre Erfahrungen und Präferenzen in Bezug auf Produkte und Dienstleistungen zu diskutieren (Shen und Eder, 2009; Beyari und Abareshi, 2016).

Im Internet gibt es eine größere Unsicherheit und somit auch ein größeres Risiko, als im traditionellen Handel (Lee und Turban, 2001; Kim, Ferrin und Rao, 2007; Wu, 2013), daher spielt Vertrauen bei Transaktionen im Internet auch eine weitaus wichtigere Rolle als im traditionellen Handel (Kim, Ferrin und Rao, 2007). Die Unsicherheit entsteht vor allem durch den unklaren Rechtsraum, sowie mangelndes Verständnis für Technologie (Ahrholdt, 2010). Im „mobile“ Commerce ist diese wahrgenommene Unsicherheit noch höher (Marriott, 2017). Da die Produkte im E-Commerce außerdem nicht persönlich durch den Käufer begutachtet werden können, muss darauf vertraut werden, dass der Verkäufer Waren und Dienstleistungen in der versprochenen Qualität liefert (Abyad, 2017; Ahrholdt, 2010). Bei einer Transaktion muss daher direkt auf die Internetseite, auf den Informationsgehalt und auf das Lieferversprechen und den Service vertraut werden (Urban et al., 2000). Vertrauen ist neben Produktqualität und dem Affekt des Konsumenten ein wichtiges Merkmal, das die Kaufintention des Konsumenten beeinflusst (Ozdemir und Sonmezay, 2020; Lynch et al., 2001; Suh und Han, 2003; Pavlou und Fygenson, 2006; Aris et al., 2011; Vos et al.,2014; Radionova-Girsa und Lahiza, 2017; Kim, Xu und Gupta, 2012), daher ist es auch für den Verkäufer wichtig einen vertrauenswürdigen Eindruck beim Käufer zu hinterlassen und dieses Vertrauen langfristig zu erhalten. Im E-Commerce ist das Vertrauen ausschließlich auf den Transaktionsprozess fokussiert und muss durch das elektronische Auftreten des Unternehmens gerechtfertigt werden, da kein persönlicher Kontakt stattfindet (Kim et al., 2005; Abyad 2017). Vertrauen in den Online-Shop ist eine Grundvoraussetzung für den Käufer von Waren oder Dienstleistungen im Internet (Jarvenpaa, Tractinsky und Saarinen, 1999), da es gegen die herrschende Unsicherheit vorbeugt und positive Gefühle gegenüber Transaktionen schafft (Ou und Sia, 2010; Gefen et al., 2003). Wie im ersten Kapitel der Arbeit dargelegt, beinhaltet Vertrauen eine Beziehung zwischen Treuhänder und Treugeber. Im Online-Handel ist der Treugeber die Einzelperson, die die Internetseite aufruft und die Intention verfolgt, Güter auf der Internetseite zu kaufen (Aris, 2011). Der Treuhänder ist der Betreiber des Online-Shops, der auf seiner Webseite Waren und Dienstleistungen anbietet (Aris, 2011). Im E-Commerce besteht zwischen Treugeber und Treuhänder eine physische Distanz, oftmals ist der Verkäufer unbekannt (Che Hussin, Macaulay und Keeling, 2007). In diesem unpersönlichen Verhältnis wird Vertrauen durch Signale und Anreize geschaffen (Pavlou, 2001). Dieses Vertrauen führt zu einer positiven Beziehung zwischen Käufer und Verkäufer (Käufer und Unternehmen) und kann langfristig auch zur Kundenloyalität führen (Rizal et al., 2020; Bilgihan, 2016), wenn das Unternehmen die Erwartungen des Kunden bestätigt. Wie im ersten Kapitel erwähnt wurde, stellt Vertrauen außerdem eine Grundlage für Engagement in einer Beziehung dar (Morgan und Hunt, 1994). Dieses Engagement ist besonders wichtig für das effektive Funktionieren von Marketingbeziehungen (vgl. Sekhon et al., 2014; Caldwell und Clapham, 2003; Moorman, Zaltman, und Deshpandé, 1993; Morgan und Hunt, 1994), die das Vertrauen erhalten und stärken sollen. Vertrauen bezeichnet außerdem im E- Commerce-Kontext den Glauben der Kunden an Organisationen oder ihre Vertreter und führt auch zur Kaufintention (Pavlou und Gefen, 2005; Sekhon et al., 2014). Die Vertrauenswürdigkeit eines Unternehmens zeichnet sich durch die im ersten Kapitel genannten Eigenschaften - Kompetenz, Seriosität und Wohlwollen - aus (Aris et al., 2011; Chen und Dhillon, 2003). Auch die Vertrauenswürdigkeit kann als Eigenschaft des Treuhänders bezeichnet werden, anhand dessen sich die Verbraucher ein Urteil bilden (Bentele und Seidenglanz, 2015; Sekhon et al., 2014; Ben-Ner und Halldorsson, 2010; Bews und Roussouw, 2002; Caldwell und Clapham, 2003). Unternehmen im ECommerce sollten über ausreichende Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen, um einen reibungslosen Transaktionsprozess zu gewährleisten (Kompetenz), ethisch und zuverlässig ihre Versprechungen einhalten (Seriosität) und dem Konsumenten gegenüber wohlgesinnt sein (Wohlwollen) (Ozdemir und Sonmezay, 2020). Betrachtet man die Überzeugungen, die von einer Person über einen bestimmten Kontext, wie z.B. die Struktur oder das Umfeld der vertrauenswürdigen Partei, vertreten werden, spricht man von institutionellem Vertrauen (Rousseau, 1998; McKnight, Kacmar und Choudhury, 2003). Im E-Commerce kann das eine Form generellen Vertrauens gegenüber dem Internet sein (Lewicki und Bunker, 1996). Eine wichtige Rolle im institutionellen Vertrauen stellt die strukturelle Sicherung des Webs durch Verschlüsselung oder Datenschutzrichtlinien dar, bei der die Vertrauensperson glaubt, dass der günstige Zustand des Webs gegeben ist (McKnight, Kacmar, und Choudhury, 2003). Neben der Sicherheit der Transaktion, beeinflussen beispielsweise Faktoren wie Qualität, Kundenbetreuung, pünktliche Lieferung, der Name und Ruf einer Marke/ des Unternehmens (auch E-word-of-mouth), gute Online-Erfahrung und die Informationsqualität und überzeugende Produktpräsentation das Konsumentenvertrauen im E-Commerce (vgl. Hoffman und Novak, 1996; Quelch und Klein, 1996; Reichheld und Schefter, 2000; Palmer et al., 2000; Ha., 2004; Kim, Ferrin und Rao, 2007). Auch das Bereiten von Vergnügen, die Vermittlung von neuen Kenntnissen und Fähigkeiten sowie die Anpassung an Kundenwünsche, kann die Motivation der Verbraucher steigern und damit Kaufabsichten auslösen (Ou und Sia, 2010). Ein Großteil der vertrauensbildenden Aspekte wird im Hauptteil der Arbeit genauer erläutert.

Eine notwendige Voraussetzung für den Einsatz von Vertrauen (Ahrholdt, 2010) ist ein gewisses Risiko. Eine Beziehung ohne Risiko bedarf keines Vertrauens, da die Verletzlichkeit des Vertrauensgebers nicht gegeben ist (Mayer et al., 1995). Vertrauen und Risiko sind also eng miteinander verbunden (Mayer, Davis und Schoorman, 1995). Folgende Grafik zeigt den Zusammenhang von Vertrauen und Risiko und deren Auswirkung auf die Kaufabsicht des Konsumenten (Ahrholdt, 2010). Vertrauen hat einen positiven Einfluss (+) auf die Kaufabsicht und einen negativen (-) auf das wahrgenommene Risiko (Amaro and Duarte, 2015; Ahrholdt, 2010; Gefen, Karahanna, and Straub 2003; Kim, Xu, and Gupta 2012). Dieses wiederum hat einen negativen Einfluss auf die Kaufabsicht (Ahrholdt, 2010; Agag und El-Masry, 2017). Die

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Wirkbeziehungen von Vertrauen und Risiko auf die Kaufabsicht bisheriger Untersuchungen (Ahrholdt, 2010, S. 63)

Korrelation zwischen Kaufverhalten und wahrgenommenem Risiko, wurde bisher in vielen Studien mit unterschiedlichen Ergebnissen erforscht (Li et al., 2020). Die meisten Forschungsergebnisse bezeugen aber - wie in der obenstehenden Abbildung - eine negative Relation (Li et al., 2020; Youn und Kim, 2018; Wu, Liu und Huang, 2017; Wang und Hazen, 2016; Teo und Liu, 2007). Das wahrgenommene Risiko des Verbrauchers umfasst alle Faktoren, die die Kaufintention des Verbrauchers negativ beeinflussen (Vos. et al, 2014). Diese Faktoren sollten daher von den Unternehmen untersucht und verstanden werden, um Strategien zur Risikominimierung mit geeigneten strategischen Maßnahmen zu entwickeln (Vos et al., 2014). Die wahrgenommenen Risiken beim Internet-Einkauf aus Kundensicht, werden im Folgenden genauer erläutert.

2.3 Wahrgenommene Risiken beim Internet-Einkauf aus Kundensicht

Das wahrgenommene Risiko wird nach Marek, Iversen, und Hellessy (1987) als ein vermutetes Risiko über die Wahrscheinlichkeit möglicher negativer Ereignisse im ECommerce definiert, das die Verbraucher meiden wollen (Ozdemir und Sonmezay, 2020). Diese wahrgenommenen Risiken sind von den individuellen Wertevorstellungen des einzelnen Kunden abhängig (Vos. et al., 2014) und werden meist auch intuitiv beurteilt und analysiert (Slovic, Fischhoff und Lichtenstein, 1982). Hierbei spielt auch die herrschende Ungewissheit im Internet eine Rolle (Dowling, 1986; Lee und Turban, 2001; Schiffman et al., 2011; Li et al., 2020). Da das wahrgenommene Risiko, wie das Vertrauenskonstrukt, sehr komplex und individuell ist, und in verschiedene Dimensionen geteilt wird, gibt es davon kein einheitliches Modell (Mitchell, 1999). Laut Jacoby und Kaplan (1987), Marriott (2017), Arshad et al. (2015) und weiteren Autoren wissenschaftlicher Publikationen kann man es in fünf verschiedene Kategorien teilen: das finanzielle Risiko, das Sicherheitsrisiko, das Zeit- und Performancerisiko und das psychologische Risiko. Das finanzielle Risiko beschreibt die Angst vor cyberkriminellen Aktivitäten, wie z. B. Online-Betrug oder Manipulation von Kreditkarteninformationen (Kim, Ferrin und Rao, 2007; Arshad et al., 2015). Das Sicherheitsrisiko zeichnet sich durch die Angst vor Missbrauch persönlicher Daten durch Hacker oder durch das Unternehmen aus (Abyad, 2017; Marriott, 2017; Arshad et al., 2015). Das Sicherheitsrisiko bleibt trotz kontinuierlich steigender Online-Transaktionen nach wie vor das am meisten gefürchtete Risiko beim Online-Einkauf (Arshad et al., 2015). Das Zeit- und Performancerisiko ist produktbezogen und beschreibt die Wahrnehmung des Verbrauchers bezüglich der gelieferten Qualität, der Lieferzeit und dem Kundenservice (Arshad et al., 2015; Marriott, 2017). Die letzte Dimension, das psychologische Risiko, beinhaltet psychologische Faktoren des Konsumenten, wie beispielsweise die Demographie, das Alter oder die Technologie-Affinität (Marriott, 2017; Li et al., 2020; Arshad et al., 2015). Eine weitere, gelegentlich in der Literatur aufgezählte Dimension, die allerdings nur beim Kauf von Produkten und nicht von Dienstleistungen relevant ist, ist das physische Risiko (Marriott, 2017; Li et al., 2020). Dieses entsteht dadurch, dass im Internet die Möglichkeit fehlt Produkte zu berühren oder auszuprobieren (Forsythe und Shi, 2003; Liu, Burns und Hou, 2013; Luo et al., 2010; Marriott, 2017). Wie in nebenstehender Abbildung ersichtlich, wirken sich die aufgezählten wahrgenommenen Risiken des Konsumenten direkt auf die Kaufintention aus, stellen Barrieren für die Kaufintention im E-Commerce dar und führen in einigen Fällen zum Abbruch des Einkaufes (Marriott, 2017;

Löwer, 2020). Bevor allerdings aufgezeigt wird, wie diese wahrgenommenen Risiken durch die Online-Händler und zum Teil auch durch den Kunden selbst minimiert werden können, wird ein Einblick in den touristischen E-Commerce gegeben und erläutert, weshalb der Vertrauensbegriff dort eine besonders wichtige Rolle spielt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: wahrgenommene Risiken beim Internet-Kauf aus Kundensicht (Arshad et al., 2015, S. 14)

3. Relevanz des touristischen E-Commerce

Bei touristischen Fragen rund um die Urlaubs- und Reiseplanung ist das Internet die wichtigste Quelle zur Informationsbeschaffung (Rohleder, 2020). Hierbei werden vor allem Reise- und Vergleichsportale gecheckt (48%) oder die Recherche erfolgt direkt bei den jeweiligen Dienstleistern (41%) (Rohleder, 2020). Im letzten Jahr haben die OnlineBuchungen die Buchungen im Reisebüro erstmals überholt (Buller, 2020; Rohleder, 2020). Gebucht werden vor allem Einzelleistungen, wie einzelne Übernachtungen oder Flüge oder pauschale Kurzreisen mit einer Dauer von 2 - 4 Tagen (Rohleder, 2020), da hierbei das finanzielle Risiko niedriger ist als bei einer länger als 5 Tage andauernden Pauschalreise. Das touristische Produkt ist eine Dienstleistung, der Kauf stellt ein Leistungsversprechen zwischen dem Anbieter und dem Kunden dar. Daher ist das touristische Produkt ein intangibles und meist teures Produkt, das die Leistungen mehrerer Dienstleister bündelt. Beim Kauf eines solchen Produktes besteht ein sehr hoher Informationsbedarf, der durch das Web abgedeckt werden kann. Relevant ist auch der Buchungsprozess einer Reise: Dieser beginnt mit dem Wunsch des Kunden, Urlaub zu machen, der Suche nach einer Destination (oftmals über Suchmaschinen oder Empfehlungen) und dem Vergleich verschiedener Alternativen (Pencarelli, 2019). Die modernen Informationstechnologien haben diesen Prozess gegenüber dem klassischen Buchungsprozess für den Kunden erleichtert und verbessert (Buhalis und Law, 2008). Über den Buchungsprozess hinweg werden Reservierungssysteme und OnlineReisebüros (z. B. Expedia, Opodo, booking.com), Suchmaschinen und MetaSuchmaschinen (wie Google oder Kayak), soziale Netzwerke und interaktive Portale (z. B. tripadvisor), Preisvergleichsseiten (check24.com) sowie Websites einzelner Anbieter (lufthansa.com) verwendet (Buhalis und Law, 2008). Gründe für die steigende Anzahl an Online-Buchungen touristischer Leistungen sind unter anderem die Unabhängigkeit von Öffnungszeiten der Reisebüros, die einfache Vergleichbarkeit verschiedener Angebote und die damit einhergehende Unabhängigkeit von einem bestimmten Reiseveranstalter (Rohleder, 2020). Außerdem ist im Internet eine sehr große Auswahl an Angeboten zu finden, die über Vergleichsportale leicht verglichen werden und somit beispielsweise nach dem günstigsten Angebot oder dem mit den besten Leistungen gefiltert werden können. Auch bietet das Buchen einer Urlaubsreise vom Sofa aus meist eine Zeitersparnis (Rohleder, 2020). Darüber hinaus ermöglicht das Internet dem Kunden die direkte Interaktion und den Dialog mit Anbietern und touristischen Destinationen (Pappas, 2015; Buhalis und Law, 2008; Zhou, 2004; Agag und El-Masry, 2017), was früher nur über einen Intermediär (in vielen Fällen das Reisebüro) möglich war. Aus Sicht der Unternehmen ist für viele touristische Anbieter ein neuer Absatzkanal entstanden, der den direkten Vertrieb touristischer Leistungen ermöglicht (Law et al., 2004).

[...]


1 B2C-E-Commerce bezeichnet die Gesamtheit aller Transaktionen, die im E-Commerce zwischen einem Unternehmen (Business) und einem Endkunden (Consumer) stattfinden (Bassen und Popovic , 2004)

2 „Web 3.0 ist ein Web, in dem das Konzept der Website verschwindet, in dem Daten nicht Eigentum sind, sondern geteilt werden, in dem Dienste unterschiedliche Ansichten für dasselbe Web / dieselben Daten zeigen“ (Naik und Shivalingaiah, 2008, S. 502)

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Details

Title
Vertrauen im E-Commerce. Herausforderungen für Unternehmen und Kunden im Tourismus
College
Heilbronn University
Grade
1,3
Author
Year
2020
Pages
42
Catalog Number
V995407
ISBN (eBook)
9783346367648
ISBN (Book)
9783346367655
Language
German
Notes
Die Arbeit ist auch für Vertrauen im E-Commerce (ohne Tourismus) relevant, da sie alle Inhalte abdeckt. Anmerkungen der Professorin nach Abgabe: 189 Quellen zitiert, sehr wissenschaftlich, guter roter Faden, hoher Erkenntnisgewinn der Arbeit
Keywords
Vertrauen, E-Commerce, Marketing, Kundenloyalität, Tourismus, Vertrauenskonstrukt, Risiken E-Commerce
Quote paper
Anna Fock (Author), 2020, Vertrauen im E-Commerce. Herausforderungen für Unternehmen und Kunden im Tourismus, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/995407

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