Demokratische Wohlfahrtspolitik in Zeiten postindustrieller Globalisierung am Beispiel Schweden


Dossier / Travail de Séminaire, 2008

16 Pages, Note: 2,0


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Entstehung und Verlauf schwedischer Wohlfahrtspolitik
2.1 Ideologische Voraussetzungen und sozialpolitische Gestaltung
2.2.Sozialpolitische Gestaltung

3. Das schwedische Wohlfahrtssystem in der Krise
3.1 Das Ende des subventionierten Wirtschaftswunders
3.2 Die Systemkrise durch Öffnung des Kapitalmarktes
3.3 Wohlfahrtsmerkantilismus und freier Welthandel

4. Fazit

5. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

In Zeiten weltweiter Liberalisierungstendenzen im Zusammenhang mit einer wachsenden internationalen wirtschaftlichen Integration von Schwellen- und Entwicklungsländern, stehen die europäischen Wohlfahrtsstaatmodelle unter erheblichen Handlungsdruck. Das schwedische Modell, welches als Urtypus des demokratischen Wohlfahrtsstaates angesehen werden muss, bleibt hierbei nicht außen vor. Dennoch hat sich diese Gesellschaft in erstaunlichem Maße der weltweit um sich greifenden Reduzierung staatlicher Umverteilungsleistungen widersetzt. Auf den Folgenden Seite soll dargestellt werden, welchen Ursprung dieses System mit seiner starken gesellschaftlichen Solidarität hat, mit welchen Mitteln sie diese umsetzt und wie sie in Zeiten wirtschaftlicher Krisen diese aufrecht erhalten und fortsetzten konnte. Am Ende wird der Zusammenhang nationaler Interessenspolitik, im Bereich der Sozial- und Wirtschaftspolitik, den internationalen Entwicklungen und Herausforderungen gegenüber gestellt und Erklärungsmodelle gesucht, welche die Robustheit und vor allem Legitimität des schwedischen und allgemein einer breiten Wohlfahrtspolitik erklären können. Am Ende steht die Frage, ob sich nationale Solidarität, in Bezug auf staatliche Wohlfahrtspolitik, mit internationaler Chancengleichheit vereinbaren lässt und eine Politik, wie sie Schweden verfolgt zum Nachteil von weniger entwickelten Ländern gerät.

2. Entstehung und Verlauf schwedischer Wohlfahrtspolitik

2.1 Ideologische Voraussetzungen und sozialpolitische Gestaltung

Schweden gilt heute allgemein als Vorbild einer gut ausgebauten staatlichen Wohlfahrt in aller Welt. Allerdings ist das Land nicht nur seit Anfang der Nachkriegsjahre Vorbild, sondern war auch Vorreiter und Blaupause für alle skandinavischen Länder in Sachen staatlicher Fürsorge und aktiver Arbeitsmarktpolitik seit den 50er Jahren. Neben strukturellen begünstigenden Faktoren, war auch ein ausgeprägter politischer Wille Antriebsfeder zum Ausbau des schwedischen Wohlfahrtsstaates. Dieser manifestierte sich im Abkommen von Saltsjöbaden 1938 zwischen Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertreter, sowie in sozialpolitischen Grundsätzen wie der „Volksheim Theorie“ von Per Albin Hannson und dem Rehn-Meidner Modell. Diese Prinzipien stellten die Grundlage für einen „Dritten Weg“ für die schwedische Gesellschaft dar, zwischen dem Spannungsverhältnis eines freien Marktkapitalismus und eines staatlichen geführten Sozialismus. Diese politischen Ideologien konnten allerdings nur unter speziellen Voraussetzungen eine bestimmende Meinungsmacht entwickeln. Hierzu zählen in erster Linie die Struktur der Unternehmenslandschaft Schwedens und das sich hieraus herausbildende soziale Profil des Landes, sowie eine daraus mögliche politische Koalition, welche die Durchsetzung des wohlfahrtstaatlichen Programmes nach sozialdemokratischer Prägung möglich machten.

Schweden war noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts ein Land, welches sich hauptsächlich auf den Export von Rohstoffen und Halbfertigprodukte beschränkte. Aus diesem Umstand ergibt sich eine Unternehmenslandschaft mit sehr großen vertikal integrierten Unternehmen und entsprechend großer Belegschaft. Diese strukturellen Umstände ermöglichten es den Arbeitnehmern, welche zu dieser Zeit eine noch immer marginalisierte Gruppe darstellen, sich schnell und zentral zu organisieren und ihre Macht in der daraus entstehenden Dachgewerkschaftsverband LO zu institutionalisieren (Stephens 1996, 39).Eine Folge hieraus waren zahllose Arbeitskämpfe und Streiks. Erst durch den Druck der sozialdemokratischen Regierung konnten Verhandlungen der beiden Streitparteien vorangebracht werden, deren Ergebnisse letztendlich im Abkommen von Saltsjöbaden manifestiert wurden.

Ergebnis der Verhandlungen war eine Tarifautonomie mit zentralen Tarifverhandlungen und festgeschriebenen Verhandlungsregelungen, welche den Einfluss der Regierung auf Tarifverhandlungen verhindern sollte. Weiterhin wurde den Arbeitnehmern ein größeres Mitspracherecht auf Produkte, eine größere Kontrolle des Produktionsprozesses und Mitsprache bei der Richtung von Investitionen eingeräumt, um einen dauerhaften sozialen Frieden durch eine gesicherte Inklusion der Arbeiterschicht zu gewährleisten. So war das Ziel der Verhandlungen einerseits eine Befriedung der Arbeiter, durch bessere Arbeitsbedingungen und größere Mitsprache, und auf der anderen Seite die Grundlage für ein Wachstum der nationalen Volkswirtschaft zu schaffen, welches sich in folgenden Jahrzehnten auch einstellen sollte (Stephens 1996, 40). Das Abkommen von Saltsjöbaden kann somit als Grundlage für den skandinavischen Wohlfahrtsstaat geltend gemacht werden.

Die ideologischen Voraussetzungen dieses schwedischen Modells gehen auf die Volksheimtheorie von dem sozialdemokratischen Parteivorsitzenden Per Albin Hannson zurück, welcher seinen „Dritten Weg“ 1928 in einer Rede im Reichstag wie folgt umschreibt:

Das Fundament des Heimes ist die Gemeinschaft und das Einigkeitsgefühl. Das gute Heim kennt keine Privilegierten oder Vernachlässigten, keine Hätschelkinder oder Stiefkinder. Im guten Heim herrscht Gleichheit, Fürsorge, Zusammenarbeit, Hilfsbereitschaft. Auf das große Volk- und Bürgerheim angewandt, würde es Abbau aller sozialen und ökonomischen Schranken bedeuten, die jetzt die Bürger in Privilegierte und Vernachlässigte, in Herrschende und Abhängige, in Reiche und Arme, Begüterte und Verarmte, Ausbeuter und Ausgebeutete trennen. (Strath 2003, 175)

Hannson verbindet in seiner Rede die konservative Werthaltung des Heimes als Grundlage der Gesellschaft, mit einer gesellschaftlichen Verpflichtung. Er schafft dies durch eine Anhebung des familiären Heimes auf eine gesellschaftspolitische Ebene. Unter Herauskehren einer nationalen bürgerlichen Solidarität und der Einbeziehung der marginalisierten Arbeitnehmer, der sogenannten Stiefkinder, schafft er es die Wähler zu überzeugen, die Unsicherheiten des Strukturwandels der Industrialisierung im 19. Jahrhunderts durch dieses Programm des Volksheimes zu bewältigen und auch konservative politische Kräfte weitgehend mit einzubinden. Aufbauend auf dieses Programm, welches später unter dem Namen „starke Gesellschaft“ und heute unter „sozialdemokratischer Wohlfahrtsstaat“ bekannt ist, konnte das vorher angesprochene Abkommen von Saltsjöbaden unter dem so aufgebauten gesellschaftlichen Druck und dem erklärten politischen Willen realisiert werden. Der demokratischen Partei bescherte es, mit Ausnahme weniger Jahre, eine gesicherte Machbasis und eine breite Unterstützung der schwedischen Gesellschaft für deren erfolgreiche Politik der Inklusion der Arbeiter und dem solidarischen Prinzip der bürgerlichen Gleichheit.

2.2.Sozialpolitische Gestaltung

Nach dem zweiten Weltkrieg wurde die Volksheim Theorie weiter unter dem Namen Rehn-Meidner-Modell konkretisiert. Es galt vor allem die ökonomische Rahmenstrukturen zu schaffen, um das wohlfahrtstaatliche Projekt finanzieren und gestalten zu können und mit den Zielen des Volksheims in Einklang zu bringen. Ein wichtiger Schritt hierbei war die bereits durch das Abkommen von Saltsjöbaden beschlossene solidarische Lohnpolitik – Gleicher Lohn für gleiche Arbeit - sowie das Ziel der Vollbeschäftigung, welche die ökonomischen Mittel zum Ausbau des Wohlfahrtstaates bereitstellen sollte. Das Programm beruht auf ein Zusammenspiel von der bereits erwähnten solidarischen Lohnpolitik, einer aktiven Arbeitsmarktpolitik, einer strengen Fiskalpolitik und eines selektiven Wachstumspolitik (Schmid 1989). Dieses Ziel sollte durch eine hohe volkswirtschaftliche Effektivität erreicht werden. Daraus ergibt sich eine Legitimation für eine aktive Arbeitsmarktpolitik und somit staatliches Handeln bzw. Eingreifen durch Gesetze.

In dem Maße, in dem der Staat ökonomisch tätig sein soll, in dem Maße muss er sich zu einem Geschäftsmann entwickeln. Ist der Staat nicht in der Lage, auf einem freien Markt mit den Privatunternehmen zu konkurrieren, fehlt jede Voraussetzung für die ökonomische Tätigkeit des Staates. Letztendlich wird das Volk dafür zahlen müssen, wenn ein unwirtschaftliches Unternehmen durch Subventionen gestützt wird anstelle eines, das billiger und effektiver funktioniert. Eine arme Gesellschaft, in der das Bemühen der Individuen, das Beste zu schaffen, ersetzt wird durch das Eingreifen von 'Papa' Staat, wird sich schnell zu einer armen Parasitengesellschaft entwickeln. Es muss nur dafür gesorgt werden, das die 'freie Initiative' nicht wie bisher in eine große ökonomische Tyrannei mündet. (Henze 1999)

[...]

Fin de l'extrait de 16 pages

Résumé des informations

Titre
Demokratische Wohlfahrtspolitik in Zeiten postindustrieller Globalisierung am Beispiel Schweden
Université
University of Bamberg
Cours
Komparative Makrosoziologie: Wohlfahrtsregime in Europa
Note
2,0
Auteur
Année
2008
Pages
16
N° de catalogue
V132126
ISBN (ebook)
9783640419494
ISBN (Livre)
9783640419432
Taille d'un fichier
521 KB
Langue
allemand
Mots clés
Demokratische, Wohlfahrtspolitik, Zeiten, Globalisierung, Beispiel, Schweden
Citation du texte
Andreas Blendinger (Auteur), 2008, Demokratische Wohlfahrtspolitik in Zeiten postindustrieller Globalisierung am Beispiel Schweden, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/132126

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