Das verKehrte Gestell

Über Martin Heideggers Wege zu einer Technikphilosophie


Term Paper, 2001

17 Pages, Grade: 1,0


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

I Punkt der Vollendung und Kehre

II Sein und Zeit und Sein

III Gelassene Heimkehr und Wüste

IV Heideggers Hand und tecnh

Literaturverzeichnis

I Punkt der Vollendung und Kehre

Das Gedächtnis ist die Versammlung des Denkens. Das Bedenklichste in unserer Zeit ist, daß wir noch nicht denken. […] Das Denken denkt, wenn es dem Bedenklichsten entspricht.

Heidegger, Was heißt Denken?

Da ich versuchen möchte, mich an Heideggers Sprache zu halten, werde ich mich in ihr versuchen, ganz im Sinne eines Hinweises Heideggers an seine Studenten: „Skifahren lernt man am Berg für den Berg.“ Laßt uns also denkend versuchen, Heideggers Wege der Technik und ihrer Möglichkeit einer Kehre mitzugehen. „Im folgenden fragen wir nach der Technik. „Das Fragen baut an einem Weg.“[1] Oder wie es Antonio Machado schon zwischen 1907 und 1917 formulierte: „Caminante, no hay camino, se hace camino al andar.”[2] Vorab eine erste Wegskizze zur Technikphilosophie und Kehre Heideggers am Punkt ihrer Vollendung.

Mit den Worten „Was jetzt ist, wird durch die Herrschaft des Wesens der modernen Technik geprägt“[3], läßt Heidegger die Technik als Technologie[4] erscheinen, als für die Moderne charakteristische Vollendung von Technik zur alleinigen Weise des Hervorbringens von zuhandenen Gegenständen zu einem uns fordernden Bestand. Technik sei endlich vollendete Metaphysik. Zunächst ist die Frage, die Transformation der Frage nach Technik, für Heidegger Voraussetzung moderner Technik. Denn jene Frage ermöglicht erst die Überführung des Seienden, d.h. des zuhanden Gegenständlichen, in einen Modus, den Heidegger Bestand herausfordernden Stellens nennt. Das Seiende wird herausgefordert, sich zu stellen, und zugleich ist der Mensch, als das in der Lichtung des Da stehende Seiende , in diesen Bestand gestellt. In Technologie als wesenhaft metaphysisch-vollendeter moderner Technik lösen sich mithin die Gegenstände als Gegenstände auf. Der Mensch hat nicht mehr irgendeine Beziehung innerhalb eines verweisend-vorhandenen Zeugganzen als herausforderndes Stellen, sondern steht selbst in dessen Bereich. Dieses thematisiert Heidegger mit dem Begriff des Gestells.[5]

Eine gleichsam vollendete Seinsvergessenheit[6] innerhalb der Epoche der abendländischen Metaphysik bedeutet höchste Gefahr und diese schickt als Geschick das Dasein auf einen Weg. Die Gefahr kulminiert als bloßer Effekt in universeller Vernichtung. Gemeint ist jenes Grauen, der Abgrund oder mit Derrida: der Riß im Imaginären als realer Fluchtpunkt des Kriegsspiels – kurzum der erste Atombombenabwurf über Hiroshima am 6. August 1945. Technologie als Gefahr in vollendeter Seinsvergessenheit meint deshalb höchste Gefahr, weil in ihr das vollständige Vergessen der Frage droht. Diese Gefahr kann durch nichts überboten werden. Aus dieser Situation der Vollendung kann es für Heidegger keine Möglichkeit der Überwindung oder gar Meisterung geben. Jede Moral als Option eines wollenden Sollens weist er kategorisch zurück. Seinsvergessenheit als höchste Gefahr bedeutet jedoch positiv das Wissen um das Gestell eben als die höchste Gefahr ― wir handhaben nichts anderes als das Bewußtsein der Gefahr. Und in jenem Bewußtsein äußerster Gefahr auf den Weg geschickt, kehrt es sich wieder jener Frage zu ― der Frage nach der anwesenden Technik:

Im Wesen der Gefahr verbirgt sich darum die Möglichkeit einer Kehre, in der die Vergessenheit des Wesens des Seins sich so wendet, daß mit dieser Kehre die Wahrheit des Wesens des Seins in das Seiende [also zuvorderst Dasein] eigens einkehrt.[7]

Heideggers denkende Strategie enthüllt sich in Zusammenschau als eine Strategie der Erinnerung des Fragens am Punkt der Vollendung als ein Punkt des Vergessens. Das Mittel sei die fragende Überwindung von Sprache als dem Hause des Seins, in welchem das Dasein im Denken gleichsam an ihm bauend und wohnend eksistiert.[8] Als Konsequenz dieser Überwindung erblickt Heidegger eine relative Negation aller Technik als Technologie im Mit-Sein des alltäglichen man und als gelassen zu betrachtendes Objekt-Sein aller technischen Gegenstände:

Wir lassen die technischen Gegenstände in unsere tägliche Welt hinein und lassen sie zugleich draußen, d.h. auf sich beruhen als Dinge, die nichts Absolutes [Wahres] sind, sondern selbst auf Höheres [Dasein oder Heiliges] angewiesen bleiben. Ich möchte diese Haltung des gleichzeitigen Ja und Nein zur technischen Welt mit einem alten Wort nennen: die Gelassenheit zu den Dingen.[9]

Eine mögliche nominale Beschreibung dieser vollendeten Gelassenheit zu den Dingen liefert die Poesie des Schriftstellers Hermann Hesse:

Den Leichtzufriedenen und Scheinheiteren stehen andere gegenüber, Menschen und Generationen von Menschen, deren Heiterkeit nicht Spiel und Oberfläche, sondern Ernst und Tiefe ist. […] Diese Heiterkeit zu erreichen, ist mir […] das höchste und edelste aller Ziele.[10]

[...]


[1] Heidegger 1962, 5.

[2] Machado 1971, 235: „Reisender, es gibt kene Pfade. Pfade werden beim laufen gemacht.“

[3] Heidegger 1957, 42.

[4] Vgl. Heidegger 1977, 285.

[5] Vgl. Heidegger 1962, 23f.

[6] Zur Seinsvergessenheit als „die Vergessenheit des Unterschiedes des Sein zum Seienden.“ Vgl. Heidegger 1977, 364f. Dazu ist eine Interpretation Derridas sehr hilfreich: Derrida 1988, 48.

[7] Heidegger 1962, 40.

[8] Vgl. Heidegger 1981, 48 und 52.

[9] Heidegger 1959, 25. In diesem Sinne schreibt Derrida „Das Draußen ist das Drinnen.“ (Derrida 1983, 77.)

[10] Hesse 1972, Bd. 2, 34.

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Details

Title
Das verKehrte Gestell
Subtitle
Über Martin Heideggers Wege zu einer Technikphilosophie
College
Humboldt-University of Berlin  (Kulturwissenschaft)
Grade
1,0
Author
Year
2001
Pages
17
Catalog Number
V140181
ISBN (eBook)
9783640517879
ISBN (Book)
9783640517589
File size
466 KB
Language
German
Keywords
Heidegger, Technikphilosophie
Quote paper
Dr. phil. Robert Dennhardt (Author), 2001, Das verKehrte Gestell, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/140181

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