A. Begriff und Idee
Bei der Europäischen Gesellschaft (abgekürzt SE, vom lateinischen „societas europaea“) handelt es sich um eine supranationale Rechtsform für gemeinschaftsrechtliche Kapitalgesellschaften auf europäischem Terrain. In diesem Kontext ist unter einer Gesellschaft eine privatrechtliche Personenvereinigung
zu verstehen. Angesichts der weltweiten Globalisierung und Harmonisierung der
Europäischen Union (EU) wird die Notwendigkeit zur Schaffung eines
einheitlichen europäischen Marktes gesehen.2 Daher soll den europaweit
tätigen Unternehmen mit der Gründungsform der SE die Möglichkeit gegeben
werden, in der Zukunft mit nur einer Gesellschaft an Stelle einer komplizierten
Konzernstruktur zu operieren.3 Bislang war dies ausschließlich über ein weit
verzweigtes Netz von Holding- und Tochtergesellschaften möglich, die in den
einzelnen Mitgliedstaaten (MS) nach dem dort geltenden Gesellschaftsrecht
niedergelassen sind.4 Diese Netzstrukturen belasten die Unternehmen durch
zusätzliche Managementebenen mit direkten (Koordinations-) Kosten
gravierend und vermindern indirekt die Effizienz.5 Schließlich sollen die
Unternehmen von rechtlichen, steuerlichen und psychologischen Schwierigkeiten,
die mit der Niederlassung in anderen Staat nun mal vorhanden sind,
entlastet werden.6
B. Historische Entwicklung
Die Idee zur Schaffung einer vom nationalen Recht unabhängigen
europäischen Gesellschaft entstand bereits Mitte des 20. Jahrhunderts. Der
französische Notar Thibièrge trug im Jahre 1959 entsprechende Überlegungen
auf dem Kongress des französischen Notariats vor.7 Ein erster
Kodifikationsentwurf wurde im Jahre 19708 unter Leitung des Rotterdamer
Handelsrechtlers Sanders dem Ministerrat vor...
1 vgl. Eisenhardt, Gesellschaftsrecht, 11. Auflage, München 2003.
2 vgl. Kolvenbach, Neue Initiative zur Weiterentwicklung des Europäischen
Gesellschaftsrechts? EuZW 1996, S. 229, linke Spalte.
3 vgl. Thoma / Leuering, Die Europäische Aktiengesellschaft – Societas Europaea -, NJW
2002, S. 1450, linke Spalte.
4 vgl. Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, 3. Auflage, München 2005, stets S. 404 ff,
Rn. 4.
5 vgl. Hopt, Europäisches Gesellschaftsrecht – Krise und neue Anläufe, ZIP 1998, S. 100, linke
Spalte.
6 Erwägungsgrund 3 der Verordnung über das Statut der Europäischen Gesellschaft
7 vgl. Thibièrge, Le statut des sociétés étrangères, 57ème congrès des notaires de France tenu
à Tours 1959, Paris 1959, S. 270 ff, 360 ff .
8 ABl. C 124/1 v. 10.10.1970.
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1975.9
Inhaltsverzeichnis
- I. Geregelte Materie
- 1. EU-Recht
- 2. Deutsches Recht
- II. Einzelne Gründungsformen
- 1. Sekundärgründung
- 2. Verschmelzung / Fusion
- 3. Holding-SE
- 4. Tochter-SE
- 5. Umwandlung
- III. Verfahren der Gründung - Publizität
- IV. Rechtsnatur, Sitz und Kapital
- V. Zugang zur Rechtsform
- 1. Allgemeine Zugangsbeschränkungen
- VI. Organisationsverfassung der SE
- 1. Überblick
- 2. Leitung und Überwachung
- 1. Gemeinsame Vorschriften
- 2. Dualistisches System („Trennungssystem“)
- 3. Monistisches System („Board-System“)
- 3. Hauptversammlung
- VII. Beteiligung der Arbeitnehmer
- VIII. Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der Europäischen Gesellschaft (SE), einer supranationalen Rechtsform für gemeinschaftsrechtliche Kapitalgesellschaften im europäischen Raum. Ziel ist es, die Entstehung, den Aufbau und die rechtlichen Besonderheiten dieser Rechtsform zu beleuchten.
- Historische Entwicklung der SE
- Rechtliche Grundlagen der SE (EU-Recht und nationales Recht)
- Gründungsformen und Verfahren der SE
- Organisationsstruktur und -verfassung der SE
- Bedeutung der SE für den europäischen Binnenmarkt
Zusammenfassung der Kapitel
Die Arbeit beginnt mit einer Einführung in den Begriff und die Idee der SE. Sie beleuchtet die Entstehung der Rechtsform und skizziert die historischen Entwicklungsschritte. Anschließend werden die rechtlichen Grundlagen der SE in Form von EU-Recht und nationalem Recht behandelt. Dabei wird der Fokus auf die SE-Verordnung (SE-VO) und die SE-Richtlinie (SE-RL) gelegt.
Darüber hinaus wird auf die verschiedenen Gründungsformen der SE eingegangen. So werden Sekundärgründung, Verschmelzung/Fusion, Holding-SE, Tochter-SE und Umwandlung erläutert.
Weiterhin wird die Organisationsverfassung der SE behandelt. Dabei werden die verschiedenen Organe der SE, wie z.B. die Hauptversammlung, der Vorstand und der Aufsichtsrat, sowie deren Aufgaben und Befugnisse beleuchtet.
Schlüsselwörter
Europäische Gesellschaft (SE), Societas Europaea, Kapitalgesellschaft, supranationales Recht, EU-Recht, nationales Recht, Gründung, Organisationsverfassung, Gesellschaftsrecht, europäischer Binnenmarkt, Harmonisierung, Globalisierung.
- Citation du texte
- Artur Wieczorek (Auteur), 2007, Die Europäische Gesellschaft, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/146534