„Der Mensch ist ein Seil, geknüpft zwischen Thier und Übermensch,
ein Seil über einem Abgrunde. Was groß ist am Menschen, das ist,
dass er eine Brücke und kein Zweck ist: was geliebt werden kann am
Menschen, das ist, dass er ein Übergang und ein Untergang ist.“
Friedrich Nietzsche
„Viel Ungeheures ist, doch nichts
ist ungeheurer als der Mensch.“
Sophokles
Mit diesen berühmten Worten setzt das zweite Standlied des Chores in der Tragödie
‚Antigone’ des antiken griechischen Dichters Sophokles ein, worin die Ungeheuerlichkeit
des Menschen, der in die Natur eingreift, um sie zu verändern und neu zu
erschaffen, besungen wird. Unter sämtlichen gewaltigen und geheimnisvollen Dingen
gilt Sophokles der Mensch als das unheimlichste aller Wesen, weil es sich selbst unendlich
übersteigt. Von Sophokles Tagen an bis hinein ins 20. Jahrhundert waren es
hauptsächlich grobschlächtige Techniker, die dem Menschen im Dienste der Heilkunst
oder des Fortschritts allerlei Organe aus dem eigenen Leib – oder gar aus dem
fremder Arten – schnitten, um sie anschließend wieder einzufügen. Mit der Erforschung
des menschlichen Genoms und der beginnenden Les- sowie Veränderbarkeit
der genetischen Partituren tritt nun zu Beginn des 21. Jahrhunderts ein Paradigmenwechsel
ein, der dem Humandesign künftig völlig neue Möglichkeiten eröffnet. Die
Menschheit tritt ein in eine Ära des Posthumanismus, in der zur herkömmlichen Menschenformung
durch die Pädagogik eine zweite Technik, die der genetischen Veränderung,
tritt. Dadurch wird die Frage nach der conditio humana und damit nach dem
ontologischen Status des Menschen – seinen Körper-, Art- und Gattungsgrenzen –
sowie nach dem Verhältnis von Pädagogik und Gentechnik aufgeworfen (vgl. Vallant
2008: 87, 105).
Bis ins vergangene Jahrhundert bestanden zwischen Pflanze, Tier, Mensch und Maschine
noch klare Grenzen. Ausgelöst durch die jüngeren Forschungen der Humanwissenschaften
und die durch sie bewirkten Eingriffe des Menschen in die Prozesse
des Lebens sowie die damit einhergehende ansteigende Künstlichkeit des Organischen sind diese Grenzen gegenwärtig zunehmend im Auflösen begriffen.
Inhaltsverzeichnis
- 1. EINLEITUNG: VOM MENSCHEN IM ZEITALTER SEINER TECHNISCHEN REPRODUZIERBARKEIT
- 2. REGELN FÜR DEN MENSCHENPARK: ANTHROPOTECHNISCHE DÄMMERUNG.
- 2.1 VOM PÄDAGOGISCHEN HUMANISMUS
- 2.2 BIOMACHT
- 2.3 DAS MENSCHENTREIBHAUS.
- 2.4 VON DER FALSCHEN HARMLOSIGKEIT
- 2.5 ANTHROPOTECHNIK.
- 2.6 DER OPERABLE MENSCH.
- 2.7 TECHNOLOGIEN DES SELBST.
- 2.8 DAS SKANDALON.
- 2.9 DIE GRENZEN DES PÄDAGOGISCHEN DISKURSES.
- 3. DU MUSST DEIN LEBEN ÄNDERN: VOM PLANET DER ÜBENDEN
- 3.1 HOMO IMMUNOLOGICUS
- 3.2 EIN LEBEN UNTER VERTIKALSPANNUNG
- 3.3 DIE ETHISCHE UNTERSCHEIDUNG
- 3.4 DIE FRAGE DES SUBJEKTS.
- 3.5 DER MENSCH ALS MASCHINE
- 3.6 DER NEUE MENSCH
- 3.7 REHABILITATION DES ÜBUNGSBEGRIFFS.
- 4. AUSBLICK: VON DER KUNST, ES NICHT GEWESEN ZU SEIN
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Masterarbeit befasst sich mit dem Einfluss der Anthropotechnik auf die conditio humana und die damit verbundenen Herausforderungen für die Pädagogik. Sie analysiert den Begriff der Anthropotechnik, wie er von Peter Sloterdijk geprägt wurde, und untersucht die ethischen und pädagogischen Implikationen der neuen biotechnischen Möglichkeiten.
- Der Einfluss der Anthropotechnik auf das Verständnis von Menschsein und Menschwerdung
- Die Rolle der Pädagogik im Zeitalter der genetischen Veränderung
- Die ethischen und gesellschaftlichen Herausforderungen durch die neuen biotechnischen Möglichkeiten
- Das Verhältnis von Anthropotechnik und Pädagogik
- Die Frage nach dem autonomen Subjekt im Angesicht der Anthropotechnik
Zusammenfassung der Kapitel
Die Arbeit beginnt mit einer Einführung, die den Wandel des Menschen im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit beleuchtet. Kapitel 2 untersucht die anthropotechnische Dämmerung und die damit verbundenen Veränderungen im pädagogischen Diskurs. Es analysiert die von Peter Sloterdijk im Rahmen seiner Rede ‚Regeln für den Menschenpark' vorgebrachten Thesen und diskutiert die ethischen und pädagogischen Implikationen der anthropotechnischen Entwicklungen. Kapitel 3 vertieft die Thematik der Anthropotechnik und untersucht, wie sich die veränderte Menschwerdung auf das Leben und die Gesellschaft auswirken wird. Es beleuchtet die Rolle der Pädagogik im Kontext der neuen biotechnischen Möglichkeiten und setzt sich kritisch mit dem Begriff des ‚neuen Menschen' auseinander.
Schlüsselwörter
Anthropotechnik, Pädagogik, Gentechnik, Posthumanismus, Menschwerdung, Biomacht, Biopolitik, Eugenik, Mensch als Maschine, Leben unter Vertikalspannung, Homo Immunologicus, ethische Unterscheidung, Subjekt, Selbstgestaltung, Übung, Kulturtechnik.
- Quote paper
- M.A. René Klug (Author), 2010, Pädagogik und Anthropotechnik, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/149537