Die gesundheitsfördernde Pflegeschule

Ansätze und Umsetzungsstrategien auf dem Weg zu einer gesunden Pflegeschule


Thèse de Bachelor, 2008

69 Pages, Note: 1,0


Extrait


Inhalt

1 Einleitung

2 Begriffsdefinitionen
2.1 Gesundheitsforderung
2.2 Gesundheit
Settingansatz

3 Setting Schule
3.1 Grundlagen gesundheitsfordernder Schulen
3.2 Ziele Gesundheitsfordernder Schulen
3.3 Dimensionen der Gesundheitsfordernden Schule
3.4 Umsetzungsstrategien

4 Legitimationsgrundlagen fur das Setting Pflegeschule
4.1 Ausbildungsgesetze
4.2 Der ICN-Ethikkodex fur beruflich Pflegende
4.3 Gesundheit

5 Gesundheitsforderung an Pflegeschulen
5.1 Gesundheitsfordernde Krankenhauser
5.2 Gesundheitsforderung an Pflegeschulen vs. Gesundheitsfordernde Pflegeschule

6 Die Gesundheitsfordernde Pflegeschule
6.1 Die Dimensionen der Gesundheitsfordernden Pflegeschule
6.2 Die curriculare Dimension der Gesundheitsfordernden Pflegeschule
6.2.1 Konstruktivistisches Lehr- Lernverstandnis
6.2.2 Gesunde Unterrichtsmethoden am Beispiel der Zukunftswerkstatt
6.3 Garanten fur eine erfolgreiche Gesundheitsfordernde Pflegeschule
6.4 Grenzen der Gesundheitsfordernden Pflegeschule

7 Zusammenfassung und Ausblick

8 Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Das Gesundheits- und Krankheitskontinuum

Abbildung 2: Projektbereiche erfolgreicher schulischer Gesundheitsforderung

Abbildung 3: PDCA-Zyklus

Abbildung 4: Fraktale Schule - „Raum-in-Raum-Konzept“ fur flexible Formen des individuellen und sozialen Lernens

1 Einleitung

Seit der Novellierung des Krankenpflegegesetzes im Jahre 2003 und dessen in Kraft treten 2004, hat sich nicht nur die Berufsbezeichnung der jetzigen „Gesundheits- und Krankenpfleger, bzw. Gesundheits- und Krankenpflegerinnen“ geandert. In der Anderung der Berufsbezeichnung wird deutlich, dass Pflege sich kunftig nicht mehr nur um Kranke Menschen kummert, sondern auch die Gesundheit im Blick hat. Doch wie ist es eigentlich um die Gesundheit der Pflegekrafte selbst bestellt? „Fragt man in Gesundheitsberufen Tatige, was sie am Arbeitsplatz belastet, so werden folgende Faktoren besonders haufig genannt:

- Wenig Selbstbestimmung und damit wenig Selbstverwirklichung
- Wenig Koordination und dadurch zu viel Hektik und Missverstandnisse
- Wenig Kommunikation mit anderen und dadurch zu viel Kommunikation uber andere“

(Pfefferle in Bonse-Rohmann und Freese 2004, 63)

Die Folgen der genannten schlechten Arbeitsbedingungen sind oft ein kurzer Berufsverbleib und/oder Burnout der Pflegenden. Doch wie kann dem vorgebeugt werden? Sicher sind MaBnahmen des Managements die eine Seite der Medaille. Fur die andere Seite aber sollte sich die Pflegepadagogik verantwortlich zeichnen. Gilt es doch, Pflegende im Rahmen der dreijahrigen Ausbildung auf Ihren Beruf und die damit verbundenen Belastungen vorzubereiten und daruber hinaus ein Bewusstsein fur die eigene Gesundheit anzubahnen. Die Pflegeschule bildet einen idealen Ort, an dem systematisch und nachhaltig die Gesundheit der Menschen gefordert werden kann. Hier handelt es sich jedoch nicht allein um die Schulerinnen und Schuler der Gesundheits- und Krankenpflege, sondern auch um die dort tatigen Lehrerinnen und Lehrer. Denn wichtig hierbei ist, zu erkennen, dass Schule selbst gesundheitsgefahrdend sein kann. „Schule selbst kann durch ihre Aufgabe der Zertifikatvergabe und Selektion, durch die bestehenden Interaktionsstrukturen zwischen Lehrerinnen/Lehrern und Schulerinnen/Schulern, durch ihr gesamtes soziales Klima ungewollt dazu beitragen, dass Gesundheitsbeeintrachtigungen -sowohl bei Lehrerinnen und Lehrern als auch bei Schulerinnen und Schulern- entstehen.“ (vgl. Cole/Walker 1989, Nordlohne/Hurrelmann 1990 aus: Hurrelmann/Nordlohne In: Pelikan/Demmer/Hurrelmann 1993, 103f.) Somit muss meiner Meinung nach die schulische Ausbildung in der Gesundheits- und Krankenpflege Voraussetzungen fur ein gesundes Leben und Arbeiten schaffen. Die schulische Ausbildung muss hier eine Vorbildfunktion im Sinne des Lernens am Modell einnehmen. Denn es genugt nicht nur, Menschen gesund zu pflegen. Auch die Pflegerinnen und Pfleger von morgen mussen hierzu gesund sein und gesund bleiben. Und dafur wiederum bedarf es gesunder Lehrerinnen und Lehrer.

Den Anlass zu dieser Arbeit gaben mir zahlreiche eigene Beobachtungen. So finde ich es erschreckend, wie viele Schulerinnen und Schuler sich ungesund ernahren oder auch sonst einen ungesunden Lebensstil fuhren. Doch nicht nur die Schulerinnen und Schuler, auch die Pflegekrafte in den Kliniken zeigen oft schlechte Bewaltigungsmuster (z.B. weit verbreiteter Nikotinabusus unter Pflegenden) oder haben andere gesundheitliche Risiken (z.B. schlechte soziale Situation oder Lebenslagen, Migrationshintergrund). In diesem Zusammenhang interessierte ich mich fur die Arbeit der gesundheitsfordernden Krankenhauser. Zwei Hauser in Baden-Wurttemberg habe ich mir angesehen und habe vorbildliche Programme vorgefunden. Interessant war hierbei jedoch, dass die angegliederten Pflegeschulen nicht in die jeweiligen Konzepte und Programme einbezogen waren, obwohl die Schulen jeweils Abteilungen der Kliniken sind. (vgl. auch Bonse-Rohmann 2004, 11) Sicher konnen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter jeweils von den Angeboten und Programmen profitieren, jedoch wurde die Schule nicht explizit als Setting berucksichtigt, bzw. wurde nicht erkannt. Lediglich vereinzelt wurden gesundheitsfordernde Aktivitaten durchgefuhrt. Bei naherem Nachfragen wurde auch den Lehrkraften bewusst, dass hier noch einiges im Argen liegt und erheblicher Handlungsbedarf besteht.

Im Rahmen der eigenen Unterrichtstatigkeit hat mich selbst sehr beschaftigt, dass Gesundheitsforderung zwar im Unterricht thematisiert wird, eine praktische Umsetzung an der Schule aber meist ausbleibt, die Schulerinnen und Schuler auch in der Praxis keine gesundheitsforderlichen Strukturen vorfinden, bzw. auch hier Gesundheitsforderung nicht oberstes Fuhrungsziel ist. Fatal ist, dass hier die Kluft zwischen Theorie und Praxis weiter vergroBert wird und ein Theorie-Praxis-Transfer nur erschwert gelingen kann.

Daher soll sich die vorliegende Arbeit mit der Klarung folgender Fragen beschaftigen:

- Wie kann der Settingansatz der Gesundheitsforderung an Schulen der Gesundheits- und Krankenpflege umgesetzt werden?
- Wie kann systematisch die Gesundheit der Lehrerinnen und Lehrer, sowie der Schulerinnen und Schuler nachhaltig gefordert werden?
- Welche Voraussetzungen sollten gegeben sein und wie kann die konkrete Umsetzung schlieBlich aussehen?

Da bislang die Umsetzung des Settingansatzes der Gesundheitsforderung an deutschen Pflegeschulen eher stiefmutterlich vernachlassigt wurde, mochte ich in dieser Arbeit den Fokus auf die konkrete Umsetzung an Pflegeschulen und die erforderlichen Rahmenbedingungen legen.

Ich werde im Folgenden zunachst klaren, was unter „Gesundheitsforderung“ und „Settingansatz“ zu verstehen ist. Auf dieser Grundlage werde ich dann im Verlauf zunachst beleuchten, wie die Umsetzung des Settingansatzes an allgemein bildenden Schulen aussieht und was Pflegeschulen aus konkreten Umsetzungsmodellen lernen konnen.

Danach sei das Setting Pflegeschule naher unter die Lupe genommen. Nach der Darstellung der Legitimationsgrundlagen Gesundheitsfordernder Pflegeschulen mochte ich das Konzept der Gesundheitsfordernden Krankenhauser vorstellen und darstellen, was Pflegeschulen hier lernen konnen oder wie sich die aktuelle Situation der Schulen an Gesundheitsfordernden Krankenhausern gestaltet. Auch soll in diesem Teil thematisiert werden, welch gravierender Unterschied zwischen „Gesundheitsforderung an Pflegeschulen'1 und der

..Gesundheitsfordernden Pflegeschule' besteht. SchlieBlich mochte ich die verschiedenen Dimensionen der Gesundheitsfordernden Pflegeschule naher beleuchten und dann schwerpunktmaBig die curriculare Dimension naher unter die Lupe nehmen und exemplarisch an der Methode der Zukunftswerkstatt verdeutlichen. Da ein konkreter Projektplan fur eine Gesundheitsfordernde Pflegeschule den Rahmen sprengen wurde und dieser von jeder Schule individuell erstellt werden sollte, mochte ich mich auf Garanten fur eine erfolgreiche Gesundheitsfordernde Pflegeschule beschranken. Die Grenzen der Gesundheitsfordernden Pflegeschule sollen den Hauptteil abrunden, bevor am Schluss eine Zusammenfassung der Erkenntnisse und ein Ausblick gegeben werden kann.

Wenn im folgenden von der Pflegeschule die Rede ist, so sind hier stets Berufsfachschulen der Gesundheits- und Krankenpflege gemeint, welche in der Regel an Kliniken oder Klinikverbunden angegliedert sind.

Die Literaturrecherche erfolgte uber den Bestand der Hochschulbibliothek Esslingen, den SWB Verbundkatalog, der Zeitschriftendatenbank ZDB und uber die Datenbanken CareLit und Cinahl, sowie uber das Internet. Schlagworter waren: Geundheitsforderung, Pflegeschule, Settingansatz, Setting Schule, Gesunde Schule, Gesundheitsfordernde Schule, Gesundheitsfordernde Pflegeschule, Gesundheitsforderndes Krankenhaus, Organisationsentwicklung, Schulentwicklung, Leitbild und Qualitatsentwicklung.

2 Begriffsdefinitionen

2.1 Gesundheitsforderung

Sichtet man die Literatur, so wird man rasch merken, dass keine einheitliche Definition zu finden ist. Gesundheitsforderung wird aus vielen verschiedenen Blickwinkeln heraus definiert. Zum Teil wirkt dies zunachst sehr verwirrend. Sehr treffend erkennen dies Naidoo und Wills: „Der Begriff der Gesundheitsforderung wird fur die Bezeichnung sehr unterschiedlicher Aktivitaten und MaBnahmen verwandt und haufig ohne eine Klarung dessen, was damit genau gemeint ist.“ (Naidoo und Wills 2003, 71) Im Folgenden mochte ich einen Oberblick uber die verschiedenen Definitionsansatze geben, um mich dann zu einer Definition zu positionieren.

Bei der Literaturrecherche stolpert man rasch uber den Begriff der Pravention und es wird daher im weiteren Verlauf auch notig sein, den Begriff der Gesundheitsforderung von dem der Pravention klar abzugrenzen. Daher sei zunachst der Begriff der Pravention erklart. PraventionsmaBnahmen lassen sich nach dem Zeitpunkt und der ZielgroBe unterscheiden. (vgl. Waller 2002, 179 f.) Bezuglich des Zeitpunkts unterscheidet man:

- Primare Pravention (Krankheitsvermeidung)
- Sekundare Pravention (Krankheitsfruherkennung)
- Tertiare Pravention (Verhutung des Ruckfalls, Rehabilitation)

(vgl. Waller 2002, 179)

Bezuglich der ZielgroBe wird zwischen

- Personaler Pravention,
- Verhaltenspravention
- und Verhaltnispravention unterschieden. (vgl. Waller 2002, 180)

Wahrend bei der personalen Pravention die notigen Veranderungen in der Person liegen, steht bei der Verhaltenspravention das verhalten der Person im Mittelpunkt. (vgl. Waller 2002, 180) Bei der Verhaltnispravention“(...) geht es um die Veranderung krankmachender Verhaltnisse.“ (Waller 2002, 180)

Nun geht es jedoch darum, den Begriff der Gesundheitsforderung zu definieren, bzw. von dem der Pravention abzugrenzen.

Naidoo und Wills sind der Meinung, dass Pravention einen von funf Ansatzen der Gesundheitsforderung darstellt. (vgl. Naidoo und Wills 2003, 89) Rosenbrock und Michel sehen Gesundheitsforderung als eine Perspektive der Primarpravention. (vgl. Rosenbrock und Michel 2007, 11) Waller hingegen erlautert ganz deutlich, dass Gesundheitsforderung und Pravention zwei grundlegend verschiedene gesundheitswissenschaftliche Strategien darstellen. (vgl. Waller 2002, 150) „Wahrend die Prevention auf die Vermeidung bzw. Minimierung von Risiken fur Gesundheit abzielt und dadurch zur Gesunderhaltung beitragt, will Gesundheitsforderung dieses Ziel durch die Erhaltung und Starkung der Ressourcen fur Gesundheit erreichen.“ (Waller 2002, 150) Altgeld und Kolip sehen dies ahnlich und schreiben daher: .Gesundheitsforderung setzt an den Schutzfaktoren (auch: Ressourcen) an und will diese fordern (Beispiele: Lebenskompetenzprogramme, die das Selbstwertgefuhl und die Problemlosekompetenzen von Kindern steigern sollen). Sie hat das Ziel, die Gesundheit und das Wohlbefinden zu steigern. Das zugrunde liegende Modell ist das Salutogenesemodell.“ (Altgeld und Kolip in Hurrelmann, Klotz, Haisch 2007, 41) Auf das Modell der Salutogenese werde ich ausfuhrlicher im weiteren Verlauf der Arbeit eingehen. Entscheidend ist jedoch an dieser Stelle, dass Gesundheitsforderung nicht eine andere Facette der Pravention oder gar mit ihr identisch ist, sondern einen radikalen Perspektivenwechsel impliziert, der nicht die Krankheiten in den Blick nimmt, sondern die Determinanten fur Gesundheit und Wohlbefinden. (vgl. Altgeld und Kolip in Hurrelmann, Klotz, Haisch 2007, 41) ..Gesundheitsforderung verfolgt somit das Ziel, uber die Starkung von Ressourcen die Gesundheit der Bevolkerung zu verbessern. Ansatzpunkte sind entweder Individuen, die befahigt werden sollen, durch selbstbestimmtes Handeln ihre Gesundheitschancen zu erhohen oder die sozialen, okologischen und okonomischen Rahmenbedingungen. Gesundheitsforderung ist dann besonders wirkungsvoll, wenn verhaltensbezogene und verhaltnisbezogene InterventionsmaBnahmen miteinander kombiniert werden.“ (Altgeld und Kolip in Hurrelmann, Klotz, Haisch 2007, 41) Wegweisend definiert und erwahnt wurde der Begriff der Gesundheitsforderung 1986 auf der ersten internationalen Konferenz zur Gesundheitsforderung in Ottawa. Hier wurde die sogenannte Ottawa-Charta verabschiedet. Sie gilt somit als ..Startsignal fur Gesundheitsforderungsstrategien auf internationaler und nationaler Ebene.“ (Altgeld und Kolip in Hurrelmann, Klotz, Haisch 2007, 42) In der Ottawa-Charta wird Gesundheitsforderung wie folgt sehr ausfuhrlich definiert:

.Gesundheitsforderung zielt auf einen ProzeB, allen Menschen ein hoheres MaB an Selbstbestimmung uber ihre Gesundheit zu ermoglichen und sie damit zur Starkung ihrer Gesundheit zu befahigen. Um ein umfassendes korperliches, seelisches und soziales Wohlbefinden zu erlangen, ist es notwendig, daB sowohl einzelne als auch Gruppen ihre Bedurfnisse befriedigen, ihre Wunsche und Hoffnungen wahrnehmen und verwirklichen sowie ihre Umwelt meistern bzw. verandern konnen. In diesem Sinne ist die Gesundheit als ein wesentlicher Bestandteil des alltaglichen Lebens zu verstehen und nicht als vorrangiges Lebensziel. Gesundheit steht fur ein positives Konzept, das in gleicher Weise die Bedeutung sozialer und individueller Ressourcen fur die Gesundheit betont wie die korperlichen Fahigkeiten. Die Verantwortung fur Gesundheitsforderung liegt deshalb nicht nur bei dem Gesundheitssektor sondern bei allen Politikbereichen und zielt uber die Entwicklung gesunderer Lebensweisen hinaus auf die Forderung von umfassendem Wohlbefinden hin.“

(WHO 1986) Die funf Handlungsstrategien der Gesundheitsforderung sind laut Ottawa- Charta folgende:

- Entwicklung einer gesundheitsfordernden Gesamtpolitik
- Gesundheitsforderliche Lebenswelten schaffen
- Gesundheitsbezogene Gemeinschaftsaktionen unterstutzen
- Personliche Kompetenzen entwickeln
- Die Gesundheitsdienste neu orientieren

(WHO, 1986)

Da die Definition der WHO mittlerweile fur Projekte in der Gesundheitsforderung und somit auch fur den Settingansatz handlungsleitend ist, mochte ich diese Definition als Grundlage fur die vorliegende Arbeit sehen. Ebenso finde ich es wichtig, eine Abgrenzung der Begriffe Prevention und Gesundheitsforderung, wie oben bereits beschrieben, vorzunehmen und nicht einen der Begriffe unter dem anderen zu subsumieren. Fasst man Gesundheitsforderung unter den Begriff der Prevention besteht die groGe Gefahr, dass die ressourcenorientierte, salutogenetische Sicht auf der Strecke bleibt und wieder Krankheit statt Gesundheit im Mittelpunkt steht. Fur die Umsetzung des Settingansatzes der Gesundheitsforderung an einer Pflegeschule ist es meiner Meinung nach zwingend erforderlich, die Ressourcen in den Blick zu nehmen und Rahmenbedingungen zu schaffen, die gesundes lernen, leben und arbeiten ermoglichen.

2.2 Gesundheit

Nun konnte ich ausfuhrlich darstellen, was unter Gesundheitsforderung zu verstehen ist. Bevor Gesundheit jedoch gefordert werden kann, muss zunachst klar sein, was unter Gesundheit zu verstehen ist. Ich werde mich hierbei auf die Definition der Ottawa-Charta beschranken, da diese Sichtweise grundlegend von Bedeutung ist fur die Umsetzung des Settingansatzes und somit fur ein aktuelles, professionelles Verstandnis von Gesundheit. In diesem Zusammenhang sei dann auch Antonovskys Modell der Salutogenese erlautert, da dieses den grundlegenden Blickwinkel der Ottawa-Charta und somit der Gesundheitsforderung darstellt.

In der Ottawa-Charta von 1986 wird Gesundheit wie folgt beschrieben: „Gesundheit wird von Menschen in ihrer alltaglichen Umwelt geschaffen und gelebt: Dort, wo sie spielen, lernen arbeiten und lieben. Gesundheit entsteht dadurch, dass man sich um sich selbst und fur andere sorgt, dass man in die Lage versetzt ist selber Entscheidungen zu fallen und eine Kontrolle uber die eigenen Lebensumstande auszuuben, sowie dadurch, dass die Gesellschaft in der man lebt, Bedingungen herstellt, die all ihren Burgern Gesundheit ermoglichen.“ (WHO 1986) Hier wird deutlich, dass Gesundheit als dynamischer Prozess zu verstehen ist und nicht wie in der Definition von 1948 der WHO als einen absoluten Zustand zu verstehen ist. Ebenso ist Gesundheit Teil des alltaglichen Lebens und hangt maGgeblich von der aktiven Mitwirkung der Menschen an Ihrer eigenen Gesundheit ab. Dieser Definition zu Grund liegt die salutogenetische Perspektive. Der Medizinsoziologe Aaron Antonovsky pragte den Begriff der Salutogenese. Kern dieses Konzepts ist der Perspektivenwechsel von der Pathogenese zur Salutogenese. Somit fragt Antonovsky nicht mehr, was Menschen krank macht. Die Grundfragen lauten:

- „Warum bleiben Menschen trotz einer Vielzahl von Krankheitserregenden Risikokonstellationen, psychosozial irritierenden Belastungen und angesichts kritischer Lebensereignisse gesund?
- Warum befinden sie sich auf der positiven Seite des Gesundheits-Krankheits- Kontinuums oder warum bewegen sie sich auf den positiven Pol zu?
- Unter welchen personlichen Voraussetzungen und unter welchen sozial-okologischen Rahmenbedingungen konnen Menschen ihre Gesundheit bewahren?“ (Franzkowiak in BzgA 2004, 198)

Zusammenfassend gesagt, fragt Antonovsky danach, was Menschen gesund erhalt. Seine Frage lautet: „Wie wird ein Mensch mehr gesund und weniger krank?“ (Bengel et al. 2001, 24)

In seinem Modell beschreibt Antonovsky folgende vier Elemente:

- Das Koharenzgefuhl
- Das Gesundheits- und Krankheitskontinuum
- Stressoren und Spannungszustande
- Generalisierte Widerstandsressourcen

(vgl. Bengel et al. 2001,28 ff.)

Im Folgenden erlautere ich kurz die einzelnen Elemente des Modells:

Koharenzgefuhl

Mit dem Koharenzgefuhl beschreibt er eine globale Orientierung, die das AusmaG

ausdruckt, in dem jemand ein durchdringendes, uberdauerndes und dennoch dynamisches Gefuhl des Vertrauens hat in die...

- Verstehbarkeit
- Handhabbarkeit und
- Bedeutsamkeit

...der Welt.“ (Antonovsky 1993,12)

Mit Verstehbarkeit beschreibt Antonovsky ein kognitives Verarbeitungsmuster. Verstehbarkeit beinhaltet die Fahigkeit eines Menschen, die auBeren Reize und Einflusse geordnet, konsistent und strukturiert verarbeiten zu konnen und nicht als chaotisch, willkurlich, zufallig und unerklarlich zu erleben. (vgl. Bengel et al. 2001,29)

Das Gefuhl der Handhabbarkeit „beschreibt die Oberzeugung eines Menschen, dass Schwierigkeiten losbar sind.“ (Bengel et al. 2001, 29) Antonovsky beschreibt es als „AusmaB, in dem man wahrnimmt, dass man geeignete Ressourcen zur Verfugung hat, um den Anforderungen zu begegnen“ (Antonovsky 1997, 35). Antonovsky beschreibt dies als ein kognitiv-emotionales Verarbeitungsmuster. (vgl. Bengel et al. 2001,29)

Bedeutsamkeit beschreibt eine Dimension, die das AusmaB ausdruckt, in der man das Leben als sinnvoll empfindet und in der man erkennt, dass die Aufgaben des Lebens es wert sind, Energie in deren Bewaltigung zu investieren. (vgl. Antonovsky 1997, 36) Diese Komponente beschreibt Antonovsky als die wichtigste. „Ein Mensch ohne Erleben von Sinnhaftigkeit wird das Leben in allen Bereichen nur als Last empfinden und jede weitere sich stellende Aufgabe als zusatzliche Qual.“ (Bengel et al. 2001,30)

Ein Mensch mit einem stark ausgepragten Koharenzgefuhl wird flexibel auf Anforderungen reagieren konnen. Er/Sie wird seine/ihre Ressourcen erkennen und in spezifischen Situationen einsetzen, bzw. aktivieren. (Benegel et al. 2001, 30) Ein Mensch mit einem schwach ausgepragten Koharenzgefuhl wird hingegen „Anforderungen eher starr und rigide beantworten, da er weniger Ressourcen zur Bewaltigung zur hat bzw. wahrnimmt.“ (Bengel et al. 2001,30)

Das Koharenzgefuhl wirkt somit „als flexibles Steuerungsprinzip, als Dirigent, der den Einsatz verschiedener Verarbeitungsmuster (Copingstile, Copingstrategien) in Abhangigkeit von den Anforderungen anregt.“ (Bengel et al. 2001,30)

Antonovsky ging davon aus, dass sich das Koharenzgefuhl im Laufe der Kindheit und Jugend entwickelt und von gesammelten Erfahrungen und Erlebnissen beeinflusst wird. Er ging davon aus, dass das Koharenzgefuhl mit 30 Jahren ausgebildet ist und stabil bleibt. (vgl. Benegel et al. 30 f.) Entgegen seiner Annahme finden sich jedoch mittlerweile Studienergebnisse, die belegen, dass mit zunehmendem Alter auch die Starke des Koharenzgefuhls zunimmt. (vgl. Bengel et al. 2001,51)

Das Gesundheits- und Krankheitskontinuum

Antonovsky wendet sich von der dichotomen Sichtweise ab (entweder gesund oder krank). Er geht davon aus, dass sich Menschen auf einem Kontinuum bewegen, dessen Enden die Pole Gesundheit und Krankheit darstellen. Er sagt: „Wir sind alle terminale Falle. Aber solange wir einen Atemzug Leben in uns haben, sind wir alle bis zu einem gewissen Grad gesund.“ (Antonovsky 1989 aus: Bengel et al. 2001,32) Daher ist nun nicht mehr die Frage, ob jemand gesund oder krank ist, sondern wie weit entfernt oder nahe jemand sich an den Endpolen des Kontinuums befindet. (vgl. Bengel et al. 2001,32)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Das Gesundheits- und Krankheitskontinuum (eigene Darstellung)

Stressoren und Spannungszustande

Als Stressoren werden alle Reize oder Stimuli bezeichnet, die Stress erzeugen. Ob ein Reiz jedoch ein Stressor ist, kann nicht vorhergesagt werden. Dies kann erst an dessen Wirkung erkannt werden. (vgl. Bengel et al. 2001, 32) Stressoren losen zunachst einen physiologischen Spannungszustand aus, „der darauf zuruckzufuhren ist, dass Individuen nicht wissen, wie sie in einer Situation reagieren sollen.“ (Bengel et al. 2001, 32) Die Bewaltigung der Spannungszustande ist laut Antonovsky die zentrale Aufgabe des Organismus. Gelingt die Spannungsbewaltigung, so ist eine gesundheitsforderliche Wirkung die Folge. Ist die Spannungsbewaltigung hingegen erfolglos, entsteht Stress. Ist dieser Stress anhaltend, so kann dieser Krank machen. (vgl. Bengel et al. 2001, 33) Jedoch muss an dieser Stelle betont werden, dass Stress auch eine gesundheitsforderliche Wirkung haben kann. Erst wenn Krankheitserreger, Schadstoffe und korperliche Schwachstellen vorhanden sind, wird durch die Stressreaktion die Gesundheit geschwacht. (vgl. Bengel et al. 2001, 33) Je nach Auspragung des Koharenzgefuhls werden Stressoren als neutral oder spannungserzeugend erlebt. (primare Bewertung) Menschen bewerten Stressoren somit unterschiedlich. Wird ein Reiz als Stressor bewertet, dann kann unterschieden werden, ob dieser fur einen als bedrohlich, irrelevant oder gunstig angesehen wird. (vgl. Bengel et al. 2001,33) Menschen mit einem stark ausgepragten Koharenzgefuhl werden sich jedoch auch durch einen bedrohlich definierten Stressor nicht bedroht fuhlen, da sie ihr grundlegendes Vertrauen in die Bewaltigbarkeit der Situation davor schutzt. (vgl. Bengel et al. 2001,33)

Generalisierte Widerstandsressourcen

Die Generalisierten Widerstandsressourcen sind Faktoren, bzw. Ressourcen, die einem Menschen helfen konnen, Spannungszustande erfolgreich zu bewaltigen. Generalisiert meint hier, dass die Ressourcen in Situationen aller Art wirksam werden. Da die Ressourcen die Widerstandsfahigkeit der Person erhohen wurde das Wort Widerstandsressource gewahlt. Hier kann zwischen individuellen (z.B. korperliche Faktoren, Intelligenz, Bewaltigungsstrategien), sozialen und kulturellen Faktoren (z.B. soziale Unterstutzung, finanzielle Moglichkeiten, kulturelle Stabilitat) unterschieden werden. (vgl. Bengel et al. 2001, 34) ..Widerstandsressourcen haben zwei Funktionen: Sie pragen kontinuierlich die Lebenserfahrungen und ermoglichen uns, bedeutsame und koharente Lebenserfahrungen zu machen, die wiederum das Koharenzgefuhl formen. Sie wirken als Potential, das aktiviert werden kann, wenn es fur die Bewaltigung des Spannungszustands erforderlich ist.“ (Bengel et al. 2001,34)

Nachdem nun die einzelnen Elemente erklart sind, ist es wichtig den Zusammenhang und die Wirkungsrichtung der einzelnen Komponenten naher zu erlautern. Wirkt ein Stressor auf einen Menschen ein, so erzeugt dieser zunachst einen Spannungszustand. Entscheidend ist nun, ob geeignete Ressourcen (Generalisierte Widerstandsressourcen) zur Bewaltigung zur Verfugung stehen und ob diese uberhaupt erst erkannt werden. Dies hangt maBgeblich von der Auspragung des Koharenzgefuhls ab. Ist das Koharenzgefuhl stark ausgepragt, so wird ein Mensch seine Ressourcen einsetzen und den Spannungszustand erfolgreich bewaltigen. Somit wird er sich auf seinem Gesundheits-Krankheitskontinuum eher in Richtung Gesundheitspol verschoben befinden. Ebenso kann es bei einem stark ausgepragten Koharenzgefuhl sein, dass der Stressor gar nicht als Stressor definiert und somit nicht belastend empfunden wird. Eine erfolgreiche Spannungsbewaltigung wiederum starkt das Koharenzgefuhl erneut und die Person wird in spateren, ahnlichen Situationen auf die Erfahrungen zuruckgreifen konnen und, wie bereits erwahnt, diesen Stressor ggf. nicht als belastend empfinden. Menschen mit einem schwach ausgepragten Koharenzgefuhl hingegen haben evtl. keine Ressourcen, bzw. erkennen diese nicht und setzen diese somit auch nicht zur Spannungsbewaltigung ein. Die Spannungsbewaltigung verlauft erfolglos, es entsteht Stress. Die erfolglose Bewaltigung schwacht das Koharenzgefuhl zusatzlich. Die Person wird sich auf Ihrem Kontinuum eher in Richtung Krankheitspol bewegen und auf Dauer ggf. erkranken.

Welche Bedeutung hat jedoch nun dieses Konzept fur die Umsetzung des Settingansatzes an einer Schule? Als grundlegende Dimension der Gesundheitsforderung, kann das Modell an einer Schule beispielsweise handlungsleitend sein. So konnen an dieser Stelle die Eingangs erwahnten Fragestellungen zu der gesamten Arbeit konkretisiert werden:

- Wie kann das Koharenzgefuhl von Schulerinnen/Schulern und von Lehrerinnen/Lehrern gestarkt werden?
- Wie konnen Ressourcen aufgedeckt, erhalten und geschaffen werden?
- Wie konnen Schulerinnen/Schuler und Lehrerinnen/Lehrer bei der Bewaltigung von Spannungszustanden unterstutzt werden?

Diese Fragestellungen sollen in der konkreten Umsetzung des Settingansatzes geklart werden. Deutlich wird dies auch gleich in den verschiedenen Projekten und Ansatzen an allgemein bildenden Schulen. Aus diesen Erfahrungen konnen Pflegeschulen lernen und profitieren. Zuvor sei jedoch noch der Begriff des Settingansatzes geklart.

Settingansatz

Der Settingansatz der Gesundheitsforderung ist mittlerweile zu einer Schlusselstrategie geworden, da er sich an soziale Systeme und somit an ganze Gruppen und nicht nur an Individuen wendet, bzw. diese in den Blick nimmt. (vgl. Grossmann und Scala 2004, 206) Als Setting kann also ein soziales System verstanden werden, in welchem sich unser Leben abspielt. (vgl. Naidoo und Wills 2003, 259) In Settings konnen die Bedingungen fur Gesundheit und Krankheit gestaltet werden. (vgl. Grossmann und Scala 2004, 205) Die danach ausgerichteten Projekte richten sich demnach an alltaglichen Lebensbereichen aus, da Gesundheit im Alltagskontext hergestellt wird. (vgl. Kickbusch in Schwartz 2003, 187) „Ein Charakteristikum des Settingansatzes ist, dass in einem gegebenen sozialen Kontext gleichzeitig unterschiedliche Zielgruppen bzw. Akteure erreicht werden konnen (z.B. im Setting Schule: Schuler, Lehrer, Eltern, Personal) und daruber hinaus kontext- und individuumsbezogene MaGnahmen sich wechselseitig unterstutzend kombiniert werden konnen.“ (Waller 2002, 164) Folgende Beispiele konnen fur Settings genannt werden:

- Arbeitsplatz/Betrieb
- Schule
- Verein
- Stadt
- Krankenhaus
- Soziales Wohnumfeld

(vgl. Waller 2002, 164; Kickbusch in Schwartz 2003, 187; Naidoo und Wills 2003, 260)

Die bisherigen Projekte zeichnen sich durch einige Gemeinsamkeiten aus:

- Bezug auf komplexe Organisationen
- Erhaltung bzw. Schaffung von Gesundheitsressourcen als Ziel
- Intersektoralitat (also unter Berucksichtigung unterschiedlicher Organisations- und Politikebenen)
- Multidisziplinaritat (Beteiligung verschiedener Berufsgruppen)
- Partizipation (Mitwirkung der Betroffenen)

(vgl. Waller 2002, 164 f.)

Der Settingansatz impliziert langerfristig angelegte Prozesse. (vgl. Naidoo und Wills 2003, 260) Die entsprechenden Projekte sollen also durch systemisch angelegte Interventionen gesunde Arbeits- und Lebensbedingungen schaffen, eine setting-spezifische Gesundheitspolitik entwickeln und die Gesundheit in die bestehenden spezifischen Strukturen und Verfahren des Qualitatsmanagements integrieren. (vgl. Naidoo und Wills 2003, 260) Der Settingansatz verbindet somit die funf Handlungsmaximen der Ottawa- Charta. (Kickbusch in Schwartz 2003, 187) „Eine gesundheitsfordernde Schule konzentriert sich von daher nicht allein darauf, den Schulern ein verbessertes Gesundheitswissen zu vermitteln oder vereinzelte Gesundheitsforderungsprogramme durchzufuhren, sondern strebt an, ein neues Verstandnis von Gesundheit zu entwickeln und das System Schule insgesamt gesunder zu machen: fur Schuler und Lehrer.“ (Kickbusch in Schwartz 2003, 187)

[...]

Fin de l'extrait de 69 pages

Résumé des informations

Titre
Die gesundheitsfördernde Pflegeschule
Sous-titre
Ansätze und Umsetzungsstrategien auf dem Weg zu einer gesunden Pflegeschule
Université
University of Applied Sciences Esslingen
Cours
Pflegepädagogik
Note
1,0
Auteur
Année
2008
Pages
69
N° de catalogue
V149610
ISBN (ebook)
9783640609130
ISBN (Livre)
9783640609079
Taille d'un fichier
1001 KB
Langue
allemand
Mots clés
Gesundheitsförderung, Pflegeschule, Gesundheitsfördernde Pflegeschule, Settingansatz, gesunde Schule, Gesundheits- und Krankenpflege
Citation du texte
Thomas Gentner (Auteur), 2008, Die gesundheitsfördernde Pflegeschule, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/149610

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