Flucht oder Entfaltung

Exemplarische Fallanalysen zur virtuellen Lebenspraxis in der Internet-Plattform "Second Life"


Tesis, 2008

151 Páginas, Calificación: 1


Extracto


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Explikation des Gegenstandsbereichs Second Life
2.1 Teehnisehe Rahmung der virtuellen Welt Second Life
2.2 Theoretisehe Vorbemerkungen zum Begriff Second Life

3 Methodischer Teil
3.1 Theoretisehe Rahmung
3.2 Fragestellung
3.3 Fallauswahl
3.4 Interaktionseinbettung

4 Fallanalysen
4.1 Fall 1 - Interview Annette P
4.1.1 Fallstrukturgeneralisierung
4.2 Fall 2 - Interview M
4.2.1 Fallstrukturgeneralisierung
4.3 Fall 3 - Interview T, - Exemplarisehe Darstellung eines kontrastiven Falls ,
4.3.1 Fallstrukturgeneralisierung

5 Fazit
5.1 Zusammenfassung der Ergebnisse
5.2 Literatur bzw, Forsehungsarbeiten zum Thema Second Life (virtuelle Welten)
5.3 Ausblieke und Sehlussbemerkungen

6 Literaturverzeichnis

7 Anhang

1 Einleitung

Die Wahl eines Themas für eine Absehlussarbeit bzw. die Auswahl des Schwerpunkts die­ser Absehlussarbeit, ergab sieh über den Stellenwert den die Thematik Second Life in den Fokus der Öffentlichkeit treten ließ. Reizvoll erschien für eine sequenzanalytische Arbeit, das Mehrdeutige, wie auch das Unbekannte, das sieh in dem Begriff Second Life1 verbirgt. Zwischen den Jahren 2006 bis 2007 trat die multimediale Berichterstattung über die The­matik von virtuellen Welten und hier ganz speziell über die Applikation Second Life, durch ihren prosperitären Anstieg der Mitgliederzahl2, besonders in Deutschland, stark in das Zentrum des Interesses und hier ganz gezielt der Medien und Öffentlichkeit, Im Rahmen einer Absehlussarbeit entstand das Interesse eine empirische Forschungsarbeit zu Second Life zu erstellen, um diesen Gegenstandsbereieh der modernen Kommunikationsmedien in Augenschein zu nehmen.

Die Teilnahme an dem von Prof, Dr, Ulrich Oevermann veranstaltetem Forsehungsprak- tikum3 zur Anwendung von Verfahren der objektiven Hermeneutik in der Datenerhebung und Auswertung und die daraus resultierende Neugier, dieses Verfahren auf einen Gegen­standsbereieh anzuwenden, ließ dieses Projekt in der hier vorliegenden Absehlussarbeit konkret werden. Das Interesse einen thematischen Schwerpunkt zu wählen, der sieh mit so genannten „Social Networks“, also sozialen Netzwerken im Internet beschäftigt, war schon in einer weitläuügen Rezeption meinerseits vorhanden, bevor Second Life in den Fokus des Interesses geriet. Die multimediale Berichterstattung ließ dann, wie zuvor schon beschrie­ben, die Idee entstehen, genau dieses Phänomen der sozialen Kommunikation bzw, der Vergesellschaftung, die sieh von herkömmlichen sozialen Netzwerken, durch ihre 3Dimen- sionalität und ihrem spiel-ähnlichen Charakter unterscheidet, als Forsehungsgegenstand emergieren. Des Weiteren ergab sieh bei der Recherche der Thematik, dass noch keine nennenswerten soziologischen Studien4 zum Gegenstand Second Life Vorlagen, Innerhalb des oben beschriebenen Forsehungspraktikums wurde dann die thematische Fragestellung entwickelt und die Analyse der in dieser Forschungsarbeit enthaltenen Protokolle sozialer Praxis zu wesentlichen Teilen diskutiert und rekonstruiert.

Unter Berücksichtigung dieser Faktoren, lag es Nahe die virtuelle Welt Second Life, die in kürzester Zeit Millionen von Menschen in ihren Bann zog, um so ein „Zweites Leben“ zu simulieren, gezielt in Augenschein zu nehmen. Die Frage, wieso das Interesse an einer virtuellen Welt, die die Möglichkeit der Simulation eines parallelen Lebens (Second Life) ermöglicht - abgelöst von der eigentlichen lebenspraktisehen Verfasstheit eines autonomen Individuums - und einen so starken Teil der Menschen in ihren Bann zieht, bildet den Kern des forschungsrelevanten Interesses,

Innerhalb kürzester Zeit entsprang mit Unterstützung der Medien und ihrer gezielten Berichterstattung eine Art Goldgräberstimmung, Es wurden ungeahnte Möglichkeiten der modernen Kommunikation propagiert, der soziale Raum Second Life soll eine weitere Dimension von Kontakt- und Freizeitmögliehkeiten für Individuen bieten und last but not least, in einer Arbeitsgesellschaft die von Krisen gerüttelt ist, wurden neue Möglichkeiten der beruflichen Entwicklung, Qualifikation und des Gelderwerbs postuliert. Nach einiger Zeit der Euphorie und Ausbruehsstimmung besannen sieh die Medien und gerieten über eine differenziertere, objektiv ausgeriehtete Berichterstattung, auch auf die Fährte der negativen Begleiterscheinungen solch einer Anwendung, Immer öfter war in Bezug auf Second Life, aber auch anderer virtueller Welten, von Kriminalität, Kinderpornographie und weiteren strafreehtliehen Delikten zu lesen, die schon hier zeigen, in wie weit solch eine Anwendung in den realen gesellschaftlichen Prozess eingebunden ist. Der Anreiz für die Nutzer, wurde durch diese Berichterstattung aber keineswegs eingeschränkt, was die zuvor skizzierte Entwicklung der Zuwaehszahlen verdeutlicht.

Dieser Anreiz bzw, die Faszination die den jeweiligen Nutzern von Second Life zu Grunde lag, trat somit in den Fokus des Interesses und hier im speziellen, die Veränderung der lebenspraktisehen Bedingungen der Nutzer solch einer Anwendung, Diese lebensprakti­sehen Bedingungen bilden das eigentliche Erkenntnisinteresse und sollen in dieser Arbeit Gegenstand der Untersuchung sein.

Am Anfang solch einer Arbeit ist zunächst von Relevanz, wie sieh der derzeitige For- sehungsstand in Bezug auf die Thematik darstellt. Da Second Life bzw, virtuelle Welten in ihrer Entwicklung noch keinen so starken historischen Hintergrund haben, ist die Frage nach dem Forsehungsstand erstmal schwierig zu beantworten. Nach einer ersten Recher­che zeigt sieh sehr schnell, dass der Forsehungsstand aus sozialwissenschaftlicher Sieht eher dürftig scheint. Dies kann daran liegen, dass dieses Phänomen noch nicht in den direkten Fokus der Sozialwissensehaften getreten ist und verstärkte so das Interesse, die­sen Gegenstandsbereieh aus soziologischer Sieht in Augenschein zu nehmen. Die meisten Publikationen, die über die Recherche in den Fokus des Betrachters gerieten, beschäftig­ten sieh entweder mit der Thematik der wirtschaftlichen bzw, technischen Vorteile von virtuellen Welten für die Gesellschaft oder aber mit neuen Bildungsmöglichkeiten die vir­tuelle Welten für die Ausbildung im Allgemeinen eröffnen. Aus sozialwissenschaftlicher Sieht sind zwei Studien bzw, Publikationen in den Fokus geraten. Die erste sozialwis­senschaftliche Studie wurde an der Universität von Luzern veröffentlicht und beschäftigt sieh mit der qualitativen Analyse der von den Nutzern realisierten Avatarkreationen, so­wie deren kommunikationssoziologiseher Interpretation, Die zweite sozialwissenschaftliche Publikation wurde an der Universität von Zürich veröffentlicht und beschäftigt sieh mit den Möglichkeiten die virtuelle Welten und im speziellen Second Life für die Entwicklung der Kommunikationsstile bereit hält, die in einer immer weiter sieh globalisierenden Welt, eine Veränderung der sozialen Praxis vorantreiben. Mit der Implementation dieser Studie bzw, Publikation, wurde der Versuch gestartet eine differenzierte Auswahl an Literatur als Vergleichsmaterial bzw, zur Konfrontation mit den aus dieser Arbeit hervorgehenden Ergebnissen zu verwenden. Dazu wurde als weiteres Vergleichsmaterial ein psychoanaly­tischer Ansatz bemüht, der sieh mit den Psychopathologien, die durch virtuelle Welten entstehen können beschäftigt bzw, innerhalb dessen Erkenntnisse vermutet werden, die auf die Entstehung oder Ausprägung von Psychopathologien hinweisen. An dieser Stelle zeigt sieh schon, dass ein differenzierter Forschungsschwerpunkt nicht alle Aspekte von virtuellen Welten abdeeken kann. Hier würde ein interdisziplinärer Forsehungsansatz, der auch die soziologische Forschung beinhalten sollte, zu einer umfassenden Klärung der Aus­wirkungen von virtuellen Welten, wie Second Life, auf die Strukturen von sozialer Praxis beitragen.

Der Aufbau dieser Arbeit gestaltet sieh über mehrere Punkte, die nachfolgend erläutert werden. Am Anfang dieser Arbeit steht die Explikation des Gegenstandsbereiehs, der sieh inhaltlich aus der technischen Rahmung und theoretischen Vorbemerkungen zum Thema Second Life zusammensetzt. Danach folgt ein methodischer Teil, der erstens den theo­retischen Kontext verdeutlichen soll, zweitens die Fragestellung expliziert, drittens die Fallauswahl in ihrer Dynamik widerspiegelt und viertens einen Überblick über den Kontext des Datenmaterials vermittelt. Im vierten Teil wird dann das Datenmaterial analysiert und die Ergebnisse dieser Analysen in ihrer Fallstruktur expliziert. Im letzten Teil werden dann die Ergebnisse der Analysen zusammengefasst und einem Vergleich der einzelnen Fallstrukturen unterzogen. Dieser Punkt beinhaltet den Versuch einer Explikation von ty­pischem Nutzerverhalten in virtuellen Welten und könnte darüber hinaus für die weitere Forschung als Grundlage dienen könnte. Danach werden die Ergebnisse mit dem zuvor angedeuteten Forsehungsstand konfrontiert und in einem abschließenden Ausblick, wird auf Basis der Ergebnisse ein Resümee gezogen bzw, festgestellt welche folge Fragen sieh in Bezug auf die weitere Technisierung des Internets und hier explizit die Weiterentwick­lung von virtuellen Welten ergeben und welche Konsequenzen dies für die soziale Praxis innerhalb der Gesellschaft darstellen könnte.

2 Explikation des Gegenstandsbereichs Second Life

2.1 Technische Rahmung der virtuellen Welt Second Life

Second Life5 ist eine virtuelle Welt, die auf Basis der 3D-Technologie entwickelt wurde, Betreiber dieser virtuellen Welt ist die von Philip Rosedale gegründete Firma Linden Lab, Mit der Gründung von Linden Lab wollte Rosedale die Weiterentwicklung von multime­dialen Werkzeugen voran treiben und eine Idee verwirklichen, die ein Zusammenleben und eine Entwieklungsebene beinhaltet, auf der gesellschaftliche Interaktion einer neuen virtuellen Erfahrung unterliegen soll,6

Als Vorbild dieser Idee diente der Roman „Snow Crash“ von Neal Stephenson7, in dem be­schrieben wird, wie ein seieneeüktionartiges „Metaversum“ geschaffen wurde, das sieh über eine Schnittstelle zwischen realer und virtueller Welt betreten und verlassen lässt. Des Wei­teren zeigt dieses Buch auf, wie die Menschen sieh in diesem „Metaversum“ bewegen und handeln, und wie sieh diese Dichotomie von realer und virtueller Doppeldeutigkeit auf die menschliche Praxis auswirkt. Diese Doppeldeutigkeit, dass die Menschen zwischen realen und virtuellen Gegebenheiten hin und her wechseln können, ist Grundbestandteil dieses Buchs, Dieser Vorlage folgend, soll Second Life als virtuelle Welt völlig neue Interaktions­und Kommunikationsmögliehkeiten schaffen, die den Nutzern den kompletten Freiraum für Aktivitäten, Kreativität und persönlicher Entfaltung lässt. Die Nutzung dieser vir­tuellen Welt obliegt den Anwendern, d.h, die Gestaltung ihrer Umgebung, die sozialen und ökonomischen Handlungen, die Entwicklung ihre gesamten sozial-ökologischen Infra­struktur, gestalten die Nutzer aus eigener Motivation heraus. Dies unterscheidet Second Life von den konventionellen Massively Multiplayer Online Role-Playing Games (MMOR- PG)8, deren Inhalte strukturell determiniert sind und die sieh durch konstitutive Regeln in der Art und Weise des Spiels organisieren.

Zu Second Life schreiben Baracca, Forte und Müller:

„Die Handlungsfelder sind offen und es besteht damit die Möglichkeit, kom­plexe soziale Handlungen zu simulieren“9

Linden Lab selbst als Betreiber dieser virtuellen Simulationsplattform, stellt nur die tech­nischen Voraussetzungen zur Verfügung, die sieh in der Bereitstellung von Reehnerka- pazität10 und einer so genannten Scripting Language11 erschöpft. Diese Voraussetzungen bilden die technische Infrastruktur und die Werkzeuge, die die Nutzer zur Erstellung von virtuellen Inhalten benötigen,12 Die weiteren Handlungsmögliehkeiten unterliegen der frei­en Entscheidung der jeweiligen Nutzer, Allerdings gilt es zu vermerken, dass die Anwen­dung dieser so genannten 3D-Plattform einer Client-Software13 unterliegt. Sobald man weitergehend an dieser 3D-Plattform partizipieren oder andere Ressourcen nutzen möch­te, wie zum Beispiel virtuelles Land erwerben oder Objekte gestalten, wie zum Beispiel die eigene virtuelle Identität (Avatar), ist dies kostenpflichtig. Da seit dem 8, Januar 2007 der Quelleode des SL-Clients unter GPL14 frei verfügbar ist, kann somit jeder Nutzer der über Programmierkenntnisse verfügt, die Client-Software an seine Bedürfnisse anpassen. Die wirtschaftliche Verwertung der von den Nutzern erstellten Gegenstände, wie zum Beispiel Kleidung, Accessoires, Häuser15, soll über die Nutzungs- und Verwertungsrech­te Motivation generieren, die die Produktivität sichert. Die Plattform selbst bietet eine eigene Währung an, den Linden Dollar16 (L$), der durch seine Eintausehmögliehkeit in US-Dollar in den regulären Wirtsehaftkreislauf eingebunden ist. Über diese Währung be­steht die Möglichkeit, wie zuvor erwähnt, virtuelles Land zu kaufen, auf dem man danach Gebäude errichten kann, Linden Lab erwirtschaftet seine ökonomische Basis gerade über diese virtuellen Verkäufe, Man kann Grundstücke mieten oder aber kaufen, Linden Lab hat somit jederzeit die Möglichkeit, über die Aufstockung der Serverkapazitäten die 3D-Welt zu erweitern und so über den Verkauf oder die Vermietung zu neuen finanziellen Mitteln zu gelangen, Oder wie dies Prof, Winfried Kaminski vom Institut für Medienforsehung und Medienpädagogik an der Faehhoehsehule Köln interpretiert:

„Bis jetzt sehe ich nur eine Firma, die in Second Life wirklich Geld verdient - und das ist der Anbieter des Spiels, Linden Lab“17

Die Anwendung verfügt, außer der textlichen Kommunikation, auch über die Möglich­keit der sprachlichen Kommunikation, Möglich ist dies über das optionale interne Second Talk18, eine Art Internettelefonie bzw. Voice over IP, Dies ermöglicht von der eigentlichen Chat19 basierten Ebene der Anwendung, auf eine sprachlich gefasste Kommunikations­ebene zu wechseln, die das audio-visuelle Potenzial der Anwendung steigert.

Die Grundvoraussetzung für die Teilnahme an Second Life ist die Kreation eines Avatars, eines graüsehen Stellvertreters der eigenen, realen Identität, Dieser Avatar kann über die Werkzeuge oder aber über den Einsatz ökonomischer Mittel nach den eigenen Vorstellun­gen kreiert werden. Die Erstellung des Avatars obliegt, wie schon genannt, der eigenen Kreativität, dies bedeutet dass man auch die Möglichkeit hat, die reale Identität zu ver­ändern, Dies ist so wohl als tierische Figur möglich, wie auch als Fabelwesen oder über ein Wechsel des Geschlechts, Über diesen, frei nach den eigenen Vorstellungen kreierten Avatar, bewegen sieh die Nutzer innerhalb von Second Life,

Ein weiterer Gesichtspunkt ist der E-Learning Aspekt der Anwendung, Die Möglichkeit über Second Life, virtuelle E-Learning Angebote zu erstellen und durehzuführen, ist schon Bestandteil der Praxis, Diese Nutzung ist soweit fortgeschritten, dass diese Angebote schon einer wissenschaftlichen Evaluation unterliegen,20 Ein Beispiel solcher Bildungsan­gebote ist die Universität Bielefeld, die in Second Life ein E-Learning Projekt gestartet hat,21

Durch diese vielseitigen Anwendungsmögliehkeiten wird deutlich, dass der Faktor des Spiels in Second Life, von einer vielschichtigen Gruppe von Anwendern, nicht als vorder­gründig betrachtet wird. Baracca, Forte und Müller schreiben hierzu:

„Genauer betrachtet ist Second Life kein Spiel, sondern eine 3-D-Kommunikations- und Transaktionsplattform, die konsequent die Kreativität und Produktivität der Nutzer fördert und fordert,“22

Unter Berücksichtigung dieser explizierten Fakten, ist noch zu vermerken, dass Second Life im Augenblick die größte virtuelle Welt in dieser Form darstellt und in Bezug auf Interoperabilität die ersten Schritte über eine Kooperation mit IBM23 eingegangen ist,24 Allerdings bleibt zu bemerken, dass die Nutzungsbedingungen und die Haftung von Lin­den Lab bei einem Zusammenbruch der technischen Infrastruktur oder der ökonomischen Bedingungen von Linden Lab unklar bleiben,

2.2 Theoretische Vorbemerkungen zum Begriff Second Life

Der Begriff Second Life bedarf einer analytischen Klärung seiner Mehrdeutigkeit in der Wahrnehmung bzw, es eröffnen sieh Fragen hinsichtlich der Bedeutung des Begriffs, Se­cond Life bedeutet in der deutschen Übersetzung „Zweites Leben“ und bildet in diesem Zusammenhang einen transzendenten Zustand, vergleichbar mit einem zweiten Leben nach dem Tod, der für die Bezeichnung einer Software, Anwendung ündet. Diese Bedingung bestimmt abstrahiert zur realen Welt einen Vergleich des Begriffs selbst.

Die „unhintergehbare Dreifaltigkeit der Existenzfrage einer Lebenspraxis: Wer bin ich, woher komme ich, wohin gehe ich?“25, ist basale Bedingung für die Konstitution von Lebenspraxis, Ist diese Existenzfrage auf die Bedingungen virtueller Welten übertragbar bzw, wie konstituiert sieh diese Existenzfrage innerhalb virtueller Welten, am Beispiel von Second Life? Diese Frage ist vermutlich nur mit einem klaren Nein zu beantworten, denn in der Virtualität bzw, ohne einen Eüekbezug auf die Realität, sind Raum und Zeit in der Virtualität systembedingt von einander abhängig. Die Gemeinsamkeit stellt sieh rein durch die Verbindung zwischen Akteur (Nutzer) und Software (virtuelle Welt) selbst her. Dies bedeutet, dass die Existenzfrage nur in der Realität ihrem basalen Anspruch gerecht wird, da Akteur (Nutzer) und Software (virtuelle Welt) immer eine reale Existenz benötigen, weil Virtualität, ohne die Determinante Realität per se, ein Paralogismus ist. Dieser Paralogismus zeichnet sieh durch die strukturelle Eingebundenheit von virtuellen Welten in die reale Welt aus.

In der realen Welt eröffnen sieh zwangsläuüg, durch die Konstruktion von hypotheti­schen Welten, Handlungsspielräume26, Ist dies in virtuellen Welten ebenso möglich oder ist diese Möglichkeit qua technischer Begrenztheit eingeschränkt? Die Möglichkeit neue Handlungsspielräume zu eröffnen, ist auch in virtuellen Welten möglich, allerdings folgt nicht unmittelbar auf den Entseheidungszwang eine dezidierte Begründungspflieht, da in virtuellen Welten jederzeit eine Beendigung der Teilnahme an einer konkreten sozialen Situation möglich ist ohne diese unmittelbar zu begründen. Die technische Voraussetzung über einen log out27, bietet die Möglichkeit in virtuellen Welten, aus einem Hier und Jetzt, also der unmittelbaren Lebenspraxis, dem Entseheidungszwang und somit auch der Be­gründungspflieht aus dem Weg zu gehen. Vergleichbar ist dies mit einem game over28 in einem Computerspiel oder einem MMORPG29, Ist dies tatsächlich möglich oder zeigt sieh an diesem Beispiel die Irrationalität der Unterscheidung von realer und virtueller Welt, Der Entseheidungszwang in virtuellen Welten wird nicht von dem Entseheidungszwang in der realen Welt amortisiert, sondern er ist mit dem Entseheidungszwang in der realen Welt homogen.

Der Begriff des Second Life (Zweites Leben) trägt in sieh selbst schon einen Kategorien­fehler, Die Unterscheidung zwischen einem Ersten und einem Zweiten Leben bedarf einer räumlichen und zeitlichen Trennung, die in menschlicher Praxis nur über ein Diesseits und ein Jenseits darzustellen ist. Ein Zweites Leben ist nach dem ersten irdischen Leben nur in einem zeitlichen, nacheinander vorstellbar. Hier könnte ein religiöser Glaube über eine Wiedergeburtstheorie nach dem Ersten Leben durchaus denkbar sein. Dies schließt sieh aber in Bezug auf virtuelle Welten aus, denn ein Zweites Leben in der Virtualität, bedarf eines Ersten Lebens im Hier und Jetzt, Also eine Wiederholung des Ersten Lebens oder ein Weiterleben in einem Zweiten Leben, restriktive einer Wiedergeburt, wie es beispiels­weise in bestimmten Religionen (Buddhismus, Hinduismus) vertreten wird, ist demnach in der Virtualität nicht denkbar und somit scheidet der religiöse Aspekt für virtuelle Wel­ten aus. Selbst die absurdesten Angebote, die das Internet in Bezug auf virtuelle Welten bietet ist einem Zweiten Leben, einzig in einer pervertierten Ausprägung, geschuldet. Ein Beispiel hier für ist, unter anderen Anbietern weltweit, die Internetseite von Friedparks30, auf deren man eine virtuelle Trauerstätte gegen Gebühren anlegen kann. Wobei man hier nicht von einer virtuellen Welt wie Second Life sprechen kann, da solchen Anwendungen die Räumlichkeit, die durch die 3Dimensionalität entsteht, völlig fehlt.

Die zuvor angesproehene räumliche Trennung bedarf einer anderen Ebene, die sieh aber durchaus zeitlich gleichzeitig ergeben kann. Second Life als Internet-Applikation ist in dieser Hinsicht ein räumliches Modell, Das Führen eines Zweiten Lebens im Internet ist nur über das Faktum eines Ersten Lebens möglich und kann dementsprechend faktisch auch nur eine andere Form des Ersten Lebens bzw, eine abgeleitete Form des Ersten Lebens sein. Ein Zweites Leben (virtuelles Leben) ist mit dem Ersten Leben formidentiseh (formal gleich), kann aber inhaltlich anders sein. Wie schon weiter oben genannt, untersteht dem räumlichen Zweiten Leben derselbe Bewährungsbegriff, wie dem Ersten Leben,

Die Endlichkeit des Lebens bedingt das reale Leben mit seiner gesamten Konstitution und trifft somit auch die Virtualität und ihre synthetischen Ausprägungen,31 Dies ist für das Zweite Leben ebenso eine basale, genuine Konstitutionsbedingung, wie für das irdische Erste Leben, Im Unterschied zu einem irdischen Leben, lässt die Programmierung der einzelnen Anwendungen eine offene Zukunft nicht zu. Das Zweite Leben selbst unterliegt einer programmierbaren Schnittstelle, Diese Möglichkeit der Programmierung lässt eine offene Zukunft nur aus dem Hier und Jetzt entstehen und ist so als offene Zukunft in der Virtualität nicht erfahrbar. Dies bedeutet, dass die Offenheit der Zukunft durch die vorprogrammierte Syntax ihrer Offenheit beraubt wird. Die Entstehung von Lebenspraxis, mit ihren Erfüllungsbedingungen von Krise und Routine32, werden somit an dieser Stelle schon beschnitten.

Die durch hypothetische Konstruktion von Möglichkeiten eröffneten Spielräume, sind trotz technischer Realisation immer Spielräume, die dem alltäglichen Leben entspringen. Die Möglichkeit, Spielräume aus einer technisierten (virtuellen) hypothetischen Welt heraus zu eröffnen, sind nur potenziell innerhalb des Diesseits einer konkreten Lebenspraxis vor­stellbar, Und diese konkrete Lebenspraxis entstammt bzw, kann nur einer realen Welt entstammen. Irrationale Alternanten, welche möglicherweise in virtuellen Welten mit in den Entseheidungsprozess einfließen könnten, bilden nur in virtuellen Welten potenzielle Möglichkeiten der Entscheidungsfindung, sie sind aber für die Realität nicht entschei­dend, Mit dem ad hoc Modus des log outs wird eine Begründungspflieht unmittelbar getilgt und ein Weiterbestand der Krise verleugnet. Selbst ein neuer Eintritt über einen weiteren log in, stellt die Krise nur bedingt in ihrer eigentlichen Form dar, da die Sequenz nicht an gleicher Stelle fortbesteht, sondern ein immer wiederkehrendes Eintritts-Portal, die Lebenspraxis neu entstehen lässt bzw, die vorhandene Lebenspraxis in einem neuen Turnus startet. Die Konstitution von virtueller Lebenspraxis bildet sieh entweder durch Neuregistrierung eines Accounts oder die bestehende Lebenspraxis startet neu in einem ritualisierten Einstiegsmodus, vergleichbar mit dem Erwachen am Morgen und dem Start in den heran brechenden Tag, Dies bedeutet aber, dass die sozialisatorisehen Faktoren der Krisenbewältigung, die erst die Konstitution von Lebenspraxis entstehen lassen, sieh von vornherein aussehließen, da die Entstehung der synthetischen Lebenspraxis keine biologi­sche und soziale Entwicklung durchläuft.

Die ontogenetisehen Bedingungen für ein materielles Leben, wie zum Beispiel Tod, Geburt, Schlafen, Essen, Sexualität, Altern, usw, erschließen sieh aus einer von jeher biologisch verfassten Welt, d.h, aus einer der biologischen Reproduktion konstitutiven Welt, ohne die sieh kein Leben formieren kann. Diese Verbindlichkeiten sind für eine virtuelle Welt nicht genuin, sondern gehören zu der Sphäre der durch programmierbare Applikationen gestaltbaren Eigenschaften in virtuellen Welten, So können sie auch nicht entscheidend sein für eine virtuelle Welt, Die Abstraktion von der realen Welt auf die virtuelle Welt ist somit nicht gegeben, außer in einer programmierten Applikation eines Abbildes der realen Welt und dieses Abbild wäre immer nur ein Artefakt des unmittelbaren Augenblicks der realen Welt,

Die Welt von Second Life ist eine Konstruktion von Subjekten, die in der realen Welt agieren und dieser ihre Sozialität33 entnehmen. Die Praxis einer unmittelbaren Wirklich­keit entnehmen sie dem Hier und Jetzt, Und in diesem Hier und Jetzt manifestiert sieh auch ihre Lebenspraxis, in einer ihnen offen liegenden hypothetisch konstruierten Welt von Möglichkeiten, in die sie Entscheidungen hinein treffen müssen, nur dass diesen Ent­scheidungen keine zwingende Begründungspflieht unterliegt, die das Modell von Krise und Routine aber benötigt. Die Entseheidungspflieht und die Bewährung bleiben immer Be­standteil des realen Lebens, Nur in virtuellen Welten können diese Subjekte wie hinter einer undurchsichtigen Wand agieren, sieh hinter ihren Avataren verstecken und sieh ihrer Entseheidungspflieht und hiermit ihrer Lebenspraxis entziehen.

Dies lässt die Vermutung generieren, dass virtuelle Welten für die einzelnen Subjekte die Möglichkeiten bieten Lebenspraxis zu simulieren bzw, verschiedene Identitäten aus­zuprobieren, ohne nachhaltige Konsequenzen zu erfahren, Oder aber, die Obstruktion der Herausbildung einer autonomen Lebenspraxis, die durch verschiedene sozialisatorisehe Konfusionen beraubter Krisenbewältigung entstanden ist, lassen die Subjekte gerade zu nach Lösungsmögliehkeiten suchen, die ihnen suggerieren, die Deüzite ihrer Lebenslagen bereinigen zu können.

Diese Bemerkungen und Gedanken sind Bestandteil des Erkenntnisinteresses und werden in den nachfolgenden Analysen aus dem Material heraus möglicherweise ihre Kohärenz explizieren.

3 Methodischer Teil

3.1 Theoretische Rahmung

Um eine Bestimmung des eigentlichen Kontextes zu geben, in welcher theoretischen Ein­bettung sieh die Fragestellung entwickelte, ist ein kurzer Rekurs auf die Forsehungsme- thode und die Konstitution von Lebenspraxis, nach dem Oevermannschen Modell von Lebenspraxis zwingend.

Dies beinhaltet die Frage, warum als Forsehungsmethode für diese Arbeit die Objekti­ve Hermeneutik mit ihrem Verfahren der Sequenzanalyse gewählt wurde. Die Objektive Hermeneutik bietet die Möglichkeit alle Daten in denen sieh die sinnlich erfahrbare Welt in Form von Ausdrueksgestalten34 wiederündet sequenzanalytisch zu rekonstruieren. Aus­drucksgestalten sind Protokolle als ausdrueksmateriale Erscheinung bzw, Texte die deren symbolischen Charakter und die sinnstrukturierte menschliche Lebenspraxis widerspie­geln.

Über die Sequenzanalyse bzw, Fahrekonstruktion ist es möglich, die menschliche bzw, soziale Praxis zu rekonstruieren und die Bedeutung des relevanten Erkenntnisinteresses der Erfahrungswissensehaften, nämlich die Praxis die sieh in mensehliehen Handlungen widerspiegelt, erfahrbar werden zu lassen. Dieser Gegenstandsbereieh ist wie Oevermann35 schreibt, für die Erfahrungswissensehaft von der sinnstrukturierten Welt von zentraler Bedeutung,

Der Begriff der Lebenspraxis ist in der Methodologie der Objektiven Hermeneutik basaler Bestandteil, in der sieh humane Sozialisation rekonstruieren lässt. Dieser Begriff spiegelt die mensehliehen Handlungen in ihrer sozialisatorisehen Entwicklung wieder und bildet einen Ablauf von verschiedenen, zeitlich differenzierten Krisenbewältigungen, Lebenspra­xis stellt somit immer auch einen Prozess der Krisenhaftigkeit dar und konstituiert sieh über diese Krisen36 innerhalb derer Entscheidungen getroffen werden müssen, die einer Begründungspflieht unterliegen. Diese Krisen, die sieh innerhalb der Konstitution von Le­benspraxis beünden, können durch die sequenzanalytische Rekonstruktion in ihren Merk­malausprägungen sichtbar gemacht werden. Diesen kurzen Rekurs möchte ich nun mit einem Zitat Oevermanns beschließen:

„Lebenspraxis konstituiert sieh im Vollzug von Entscheidungen, Für genuine Entseheidungssituation ist konstitutiv, daß auf der einen Seite sieh aussehlie- ßende Optionen auf zukünftiges Handeln eröffnet zu tage liegen, daß aber auf der anderen Seite ein rationales Bereehnungskriterium für richtige oder falsche Auswahl nicht zur Verfügung stehen. Deshalb sind genuine Entsehei- dungssituationen zugleich Krisensituationen, ,,, Ich nenne deshalb die Leben­spraxis eine widersprüchliche Einheit von Entseheidungszwang und Begrün­dungspflieht,“37

Für einen tiefergehenden Einblick in die Methodologie der Objektive Hermeneutik, ver­weise ich auf die angegebenen Texte im Literaturverzeichnis,38

3.2 Fragestellung

Die Veränderung in der Gesellschaft, die durch die Nutzung neuer Kommunikationsstile in den 1990er Jahren Einzug hielt, hat eine Verschiebung bzw, eine Veränderung in der sozialen Praxis generiert. Diese Veränderung hat mit der technischen Weiterentwicklung des Internets, neue Kommunikationsformen entstehen lassen. Eine dieser neuen Kommu­nikationsformen sind virtuelle Welten und hier im speziellen Second Life, die „...die größte, thematisch offene virtuelle Welt darstellt,“39 Dies ließ den Anreiz und das Erkenntnisin­teresse entstehen, diesem Phänomen, der Errichtung eines parallelen Lebens, das so vielen Nutzern dieser Anwendung augenscheinlich obliegt, auf die Spur zu kommen. Die Faszina­tion bzw, Affinität die den jeweiligen Nutzern von Second Life zu Grunde liegt ist aber nur ein Teil der subjektiven Erscheinung der die Nutzer solcher Anwendungen auszeiehnet. Viel interessanter sind aus soziologischer Sieht, die Veränderung der lebenspraktisehen

Bedingungen bzw. die Veränderungen der Lebenslagen, die die Teilnahme an solch einer Anwendung bedingen. Denn trotz steigender Nutzerzahlen betrifft die Anwendung von Second Life nur einen Bruchteil der Menschen, In diesem Sinne entstand die Forsehungs- frage, die nach der Bedeutung von Second Life für die jeweilige Lebenspraxis und ihre speziellen Ausprägungen abzielte und konträr dazu die Faktoren der Anwendung in den Fokus nimmt, die für die einzelnen Lebenspraxen so anziehend scheinen. Der Titel dieser Arbeit spiegelt so das Forsehungsinteresse, bzw, die Forsehungsfrage in ihrer Abstraktion wider. Das konkrete Erkenntnisinteresse beruht auf der Thematik, ob die Notwendigkeit ein zweites Leben zuführen oder sieh zu gestalten, Flucht aus dem eigentlichen realen Leben ist oder ob diese Anwendung die Möglichkeit der persönlichen, individuellen Ent­faltung bietet und gleichzeitig, in wie weit verlagern sieh bestimmte Lebensbedingungen, die das reale Leben generiert, auf virtuelle Welten, In diese Fragestellung integriert ist der Gedanke, inwieweit zeugen diese Prozesse von einer Veränderung der Lebenspraxis durch virtuelle Welten und was bedeutet dies für das einzelne Individuum bzw, für den einzelnen Nutzer in seinem alltäglichen Leben und weitergehend, welche Lebenspraxen lassen sieh mit Hilfe der Sequenzanalyse rekonstruieren,

3.3 Fallauswahl

In diesem Zusammenhang wurde nach Datenmaterial gesucht das diese Gegebenheiten repräsentieren könnte. Gleichzeitig sollte ein Teil dieses Datenmaterial nicht nur die Re­präsentanz der Nutzer in Second Life widerspiegeln, sondern gleichzeitig eine Möglich­keit der größtmöglichen Kontrastivität bieten. Die Fallauswahl sollte sieh hauptsächlich auf direkte Nutzer der virtuellen Welt Second Life beziehen. Dies stellte sieh anfänglich problematisch dar, da der direkte Kontakt zu den einzelnen Nutzern nur über die An­wendung selbst bzw, über die dazugehörigen Foren möglich war. Dieser Weg erwies sieh als sehr steinig, da der Versuch einzelne Nutzer von Second Life für eine wissenschaftli­che Forschungsarbeit zu gewinnen, zu keinen Erfolg führte. Auf der weiteren Suche nach Datenmaterial geriet dann ein Interview in den Fokus, dass schon in seiner Struktur zu Publikationszweeken im Internet veröffentlicht wurde und innerhalb dessen ein weiblicher Nutzer seine Beweggründe zur Nutzung von Second Life darlegte. Hinzu kam, dass diese Nutzerin auch gleichzeitig Autorin eines Buches ist, das sieh mit der Anwendung und ihrer speziüsehen Eigenschaften beschäftigt bzw, als Ratgeber für den Einstieg in Second Life fungiert. Das weitere Material ergab sieh dann über eine Fernsehsendung, die Second

Life als Thematik hatte. Innerhalb dieser Fernsehsendung wurden verschiedene Nutzer vorgestellt, die einen Großteil ihrer Zeit mit der Anwendung Second Life verbringen. So entstand die Idee diese visuellen Interview-Sequenzen zu transkripieren und als Datenma­terial zu verwenden.

Nach der Durchsicht des aufgefundenen Datenmaterials, wurde es als geeignet eingestuft und für die Analvsen vorbereitet.

3.4 Interaktionseinbettung

Die Interaktionseinbettung des Materials ergibt sieh über die Unterschiedlichkeit der ein­zelnen Protokolle, Gemeinsam ist allen Protokolle die nicht anonymisierte Darstellung der Nutzer von Second Life und die dauerhafte Nutzung der Anwendung, Die nicht an­onymisierte Darstellung beruht auf der vorgefertigten Basis des Datenmaterials und zur Verwendung wurde es nachträglich teil anonymisiert.

Das erste Protokoll der Analyse, ist ein Interview mit einer ea, 30 Jahre alten weiblichen Anwenderin, die ein Buch über Second Life geschrieben hat bzw, eine Anleitung, um sieh in Second Life als Einsteiger einen Überblick zu verschaffen und gleichzeitig ist sie auch selbst dauerhafte Nutzerin der Anwendung, Sie studierte Geschichte, Latein, Nordame­rikastudien und evangelische Theologie an der FU Berlin, Gemeinsam mit ihrem Mann schrieb sie mehrere Bücher, über die Themen Mythologie und Latein, Des Weiteren ist sie in dem Online-Spiel „Star Wars Combine“ aktiv, das sie auch als Programmiererin und PR-Direetor mit gestaltet. Gleichzeitig absolviert sie den Aufbaustudiengang in „In­terkulturelle Erziehungswissenschaften“ an der FU Berlin, Unterberüeksiehtigung dieser objektiven Daten, schien es besonders interessant, dieses Interview einer aktiven Nutzerin von Second Life, mit in die Fallanalysen auf zu nehmen. Das Interview ist einer öffent­lichen Internetseite entnommen, die ihre Genre über die Begriffe Netzkultur und freie Musik Downloads deklariert und und ihre Besucher über dieses Genre gewinnt. Das Inter­view wurde nach Sieht der Dinge von einem Redakteur dieser Homepage geführt und auch veröffentlicht. In wieweit dieses Protokoll authentisch ist, kann über die Veröffentlichung selbst nicht bestimmt werden, aber die Tatsache, dass dieses Protokoll die soziale Praxis der immanent vorhandenen Subjekte widerspiegelt, löst dieses Problem auf. Denn selbst wenn das Interview nicht authentisch wäre, würde sieh dies innerhalb der Analyse bzw, durch die Analyse aufzeigen lassen, da das Interview ein Protokoll sozialer Praxis bliebe. Bei einer ersten Durchsicht zeigt sieh, dass der Interviewee virtuelle und reale Sachverhal- te durchmischt bzw. dass eine gerade Grenzziehung zwischen realer und virtueller Welt sieh aufzulösen scheint.

Die beiden weiteren Protokolle sind Teile einer Fernsehsendung, die unter dem Namen „Mein wunderbares Ich - Der andere Alltag in Second Life“ im Westdeutschen Rundfunk am 29, August 2007 ausgestrahlt wurde. Innerhalb dieser Sendung wurden mehrere Per­sonen, die eine virtuelle Identität in Second Life besitzen, interviewt. Die Protokolle sind so gestaltet, dass sie nur Antworten der jeweiligen Nutzer von Second Life wiedergeben und die Fragen selbst nicht im Interview erscheinen. Teilweise sind die Interviews mit Sequenzen unterbrochen, die aus der Anwendung Second Life entnommen und eingespielt wurden. Die Auswahl des Materials aus dieser Sendung beruht auf zwei Fällen, wobei der erste Fall in seiner Konsequenz die Widersprüchlichkeit der Anwendung selbst darstel­len soll und der zweite Fall unter dem Gesichtspunkt der größtmöglichen Kontrastivität ausgewählt wurde, um die unterschiedliche Nutzung der Anwendung möglichst zu ver­deutlichen, Der Gesichtspunkt der Gemeinsamkeit ist an dieser Stelle nicht vollends von der Hand zu weisen, da die dauerhafte Nutzung der Anwendung beiden Fällen immanent ist und beide Fälle die Anwendung aus dezidierten persönlichen Beweggründen nutzen. Der erste Fall stellt einen männlichen Anwender dar, der ea, Mitte dreißig sein müsste. Als virtuelle Identität benutzt dieser Anwender einen Delün, mit dem er in Second Life agiert und gleichzeitig stellt dieses Tier auch einen sehr großen Stellenwert im realen Leben dieses Anwenders dar. Bei der ersten Durchsicht des Materials ergab sieh die Vermutung, dass dieser Anwender über die Verkörperung des Delüns eine Bindung kompensiert.

Der zweite Fall stellt ebenfalls einen männlichen Anwender dar, der ea, dreißig Jahre alt sein müsste. Dieser Anwender arbeitet in einem Altenheim, was durch die Sendung belegt wird. Als virtuelle Identität tritt dieser Anwender, als Filmregisseur und Modedesigner auf. Hier brachte eine erste Durchsicht des Materials die Vermutung zu tage, dass dieser Anwender Second Life benutzt, um künstlerisch Tätig zu sein bzw, sieh versucht, künst­lerisch zu verwirklichen. Dies geht aus den eigenen Angaben der Person hervor. Dieser Fall wurde ausgewählt, um eine größtmögliche Kontrastivität zu den anderen Fällen her­zustellen, da man bei diesem Anwender davon ausgehen kann, dass er Second Life zur kreativen Vertiefung seines künstlerischen Handelns nutzt.

Zu den beiden letzten Fällen, die aus der zuvor genannten Sendung stammen, lagen keine objektiven Daten, außer den Vornamen und dem Beruf des im letzten Fall Beteilgiten, vor.

Die Transkription der drei Interviews ist in ihrer Versehriftung different. Dies ergab sieh durch die fertige Vorlage des ersten Datenmaterials und die filmische Darstellung der anderen beiden Materialien, Das erste Interview ist identisch der auf der Internetseite Vorgefundenen Transkription übernommen worden. Es konnte kein klärender Abschluss über das Interviewverfahren recherchiert werden. Demnach muss offen bleiben auf welche Art und Weise dieses Interview erstellt wurde. Die beiden filmischen Materialien sind in ihrer Transkription mit den tatsächlichen Aussagen der Personen identisch. Die Notation wurde beschränkt auf Pausen und Laute zwischen den eigentlichen sprachlichen Sequen­zen und auf umgangssprachliche Besonderheiten, D.h,, diese Besonderheiten wurden in die Transkription eingebracht, aber bei der Analyse nicht berücksichtigt, da sie für die Rekonstruktion nicht als Relevant eingestuft wurden. Des Weiteren sind bei der Tran­skription des filmischen Materials, die zeitlichen Filmsequenzen ihres Anfangs und Endes vermerkt. Dies ist für die eigentliche Analyse nur soweit von Betracht, dass hierdurch be­legt wird, dass die einzelnen Sequenzen keinem temporären Verlauf unterliegen, sondern in ihrer Abhandlung versetzt ausgestrahlt wurden. Innerhalb der Fallanalysen werden die Anwender unterschiedlich benannt. Der erste Anwender wird Interviewee genannt und dem gegenüber werden die beiden anderen Anwender Erzähler genannt. Dies steht mit den Protokollen selbst in Zusammenhang, da es bei den beiden filmischen Materialien keinen Interviewer gibt bzw, dieser nicht in Erscheinung tritt, hierdurch der Stil des Pro­tokolls einer Erzählung gleicht und so nur die eigentlichen Antworten zur Transkription standen.

Weiteres Material zur Analyse hätten visuelle Sequenzen aus der Anwendung selbst dar­stellen können oder weitere Interviews mit Nutzern der Anwendung, Dies hätte aber aus methodisch immanenten Gründen den formalen Rahmen dieser Arbeit überschritten bzw, wäre zusätzlich, im Rahmen einer von ihrem Umfang begrenzten Diplomarbeit, nicht möglich gewesen. Alle drei Ausdrucksmaterialien40 befinden sich in ihrer Reihenfolge im Anhang,

4 Fallanalysen

4.1 Fall 1 - Interview Annette P.

Vorb emer kung :

Da es sieh bei diesem Protokoll um ein Interview handelt, stehen hier mindestens zwei Fallstrukturen zur Disposition, Die hier im Interesse stehende Fallstruktur, ist die Fall­struktur des Interviewees, der auch im Laufe der Analyse als Interviewee benannt wird, Falls eine Explikation der Fallstruktur des Interviewers zur Analyse beiträgt bzw, von Interesse ist, um die Fallstruktur des Interviewees genauer darzulegen, kann auf dieses Vorgehen zurück gegriffen werden. Eine Anonymisierung des Namens ist nicht gegeben, da die Daten des Interviewees im Interview bzw, im Datenmaterial selbst veröffentlicht wurden. Auf Besonderheiten wie Fehler in der Rechtschreibung usw, wird keine analyti­sche Rücksicht genommen, da die Transkription schon vorlag und das Zustande kommen dieser nachträglich nicht zu überprüfen ist. Die zu analysierenden Sequenzen sind kursiv und in Anführungszeichen dargestellt,

„Frau Pohlke, was fasziniert Sie so sehr an Second Life...“

Zu Anfang stellt sieh die Frage, um was für ein Protokoll handelt es sieh hier? Und in welchem Zusammenhang kann solch eine Frage gestellt werden? Die Verwendung des Worts „was...“ in der ersten Sequenz zeigt, dass es sieh um eine Frage an einen Adressaten handelt. Die Einleitung der Frage, d.h. die direkte Ansprache mit Namen (Nachnamen) und wie die Frage formuliert wurde, lässt die Vermutung zu, dass es sieh hier um ein Gespräch zwischen zwei sieh nicht näher kennenden Personen handelt. Wobei es sieh noch nicht aussehließen lässt, dass es sieh auch um ein Gespräch oder Interview unter bekannten Personen handeln könnte, da die Formulierung dies im Augenblick noch nicht klar zu erkennen gibt und so dies erstmal offen bleiben muss. Eröffnen ließen sieh zunächst zwei Möglichkeiten: Das vorliegende Protokoll ist ein Interview oder ein Ausschnitt aus einer Gesprächsrunde (z.B. TV oder Radio) und der Kontext könnte wissenschaftlicher oder journalistischer Art sein.

Die Formulierung „Frau Pohlke,....Sie...“ zeigt eine vorhandene Distanz zwischen dem Fragesteller und der angesproehenen Person auf und lässt vermuten, dass sie nicht in einem familiären oder freundschaftlichen Verhältnis zueinander stehen. Durch das Nomen „Frau“ ist angezeigt, dass es sieh bei dem Gegenüber um eine Person weiblichen Geschlechts handelt und über den Gebrauch als Titel, vom Alter her als Erwachsen gilt. Andernfalls hätte der Fragesteller wahrscheinlich die Anrede und die weitere Formulierung nicht in dieser Art und Weise gestaltet. Wenn man von der Lesart ausgeht, dass es sieh um ein Interview handelt, zeigt sieh an dieser Stelle explizit, dass der Interviewer erstens kein anonymisiertes Interview durchführt und zweitens, dass er die zu interviewende Person gezielt befragt. Dies lässt den Schluss zu, dass es sieh hier nicht um ein wissenschaftliches Interview handelt, da sonst eine Anonymisierung der Identitäten obligatorisch wäre und eine Frage gewählt würde die in ihrer Struktur der befragten Person die Möglichkeit bieten würde, eine offene nicht Themen zentrierte Antwort zu wählen, wie es in qualitativen Interviews üblich wäre.

Da die Lesart, dass es sieh bei diesem Protokoll um ein Interview handelt Kontur an­nimmt, wird im weiteren Verlauf der Sequenzanalyse die befragte Person Interviewee und der Fragesteller Interviewer genannt. Die Frage des Interviewers nach der Faszination, be­ruht auf einer Vermutung bzw, Unterstellung an den Interviewee, Diese Frage impliziert eine subjektiv positive Einstellung zu einer, in diesem Falle, noch unbestimmten Sache (Second Life), Das Wort Faszination beschreibt sieh als eine fesselnde bzw, anziehende Wirkung, die von einer Person oder Sache ausgeht. Nimmt man diese Deünition von dem Nomen Faszination, scheint diese Person oder Sache vermutlich in einem engen Zusam­menhang mit dem Interviewee zu stehen („Frau Pohlke“), Die Möglichkeit der Faszination hat immer etwas subjektiv, positives und muss nicht mit dem objektiv Allgemeinen über­einstimmen, Es charakterisiert in dieser Konstellation etwas Außeralltägliches, was nicht aus einem alltäglichen, routiniertem Handeln hervorgeht. Die hier vorgenommene Lesart lässt die Vermutung zu, dass es sieh nicht um ein wissenschaftliches Interview handelt, da der Begriff der Faszination für wissenschaftliche Interviews, die in der Regel auf der Folie von Sachlichkeit, Faehliehkeit und Kompetenz geführt werden, wenig brauchbar ist. Gleichzeitig erschwert die Frage nach der „Faszination von Second Life“ die Möglichkeit ein kritisches Interview zuführen, da diese Deünition schon vorab die Möglichkeit einer kritischen Reflexion im Keim erstickt. Die Untermalung des Begriffs Faszination mit dem Adverb „sehr“ und die Steigerung des Adverbs „sehr“ mit der hinzu gestellten kondi­tionalen Konjunktion „so“, zielt auf eine Darstellung des Interviewees als Expertin bzw. Insiderin ab, die ihr Expertenwissen aus der eigenen Faszination reproduziert. Dies lässt den Schluss zu, dass dem Interviewee nur die Möglichkeit der positiven Beantwortung der Frage bleibt, denn es wäre sehr merkwürdig, wenn der Interviewee nun antworten würde, dass er „gar nicht fasziniert sei“. Der nachfolgende Begriff „Second Life“ benennt nun den eigentlichen Gegenstand der ersten Frage,

Hier stellt sieh nun die Frage, warum der Interviewer nun ein Anglizismus benutzt und nicht weiter in deutscher Sprache fort fährt. Der Begriff „Second Life“ könnte eine festste­hende Begriffliehkeit sein bzw, ein Eigenname, Dies könnte sieh aus der Darstellung bzw, aus der Großschreibung ergeben. Die Verwendung eines Anglizismus in einem deutschen Text könnte diese Vermutung stützen. Übersetzt man diesen Begriff vom Englischen ins Deutsche (Second Life = Zweites Leben), dann zeigt die Verwendung der Präposition „an“ auf eine eindeutige Zuweisung des Begriffes zu einem Gegenstand hin. Die Verwendung von „an Second Life“ im Gegensatz zu „am Second Life“ bestätigt die Lesart, dass es sieh hierbei um einen Eigennamen handeln muss. Ansonsten würde die Beschreibung „am Second Life“ darauf abzielen, dass man tatsächlich ein räumlich und zeitlich versetztes zweites Leben führen kann bzw, dass der Interviewer den Interviewee über ihr „Zweites Leben“ und ihre Faszination diesem Leben gegenüber befragt. Die Verwendung von „an Second Life“ ist demnach auf einen Gegenstand bezogen, den der Interviewee genau zu kennen scheint. Der hier verwandte Gegenstand des „Second Life“ lässt die Frage zu, ob es sieh bei diesem Begriff um etwas Religiöses handelt, zum Beispiel eine Sekte oder eine bestimmte Glaubensriehtung in einer bestehenden Weltreligion, Wobei sieh hier weiter­gehend die Frage stellt, wie weit diese Beschreibung eine mögliche Ableitung aus einer Wiedergeburtstheorie verkörpern könnte, Oder aber es sieh bei dem Gegenstand „Second Life“ um ein Spiel, ein Buch, einen Film oder eine Veranstaltung handeln könnte. Eine thematische Unterscheidung von „Second Life“ zu „First Life“, ergäbe sieh schon aus der Verwendung des Begriffs selbst, da es ein „Second Life“ nur über den Tatbestand eines „First Life“ geben kann, da ansonsten die Verwendung des Begriffs „Second“ keinen Sinn ergeben würde. Und interessant wäre in, wie weit sieh das Gebilde „Second Life“ von dem „First Life“ unterscheidet. Da es sieh bei der ersten Sequenz nicht um einen geschlossen Satz handelt, denn dieser würde bei einer Frage mit einem Fragezeichen geschlossen, be­steht die Möglichkeit dass der Fragesteller die Frage noch um einen Aspekt erweitert bzw, der Frage noch einen zweiten Teil ansehließt.

„...und worin unterscheidet sich die Online-Plattform von anderen Treff- und Spiele- Communities?“

Hier vermischt der Interviewer die beiden Teile der Frage bzw, stellt er in einer Frage zwei unterschiedliche Thematiken zur Beantwortung, Er verlangt von dem Interviewee eine Beschreibung der Faszination und gleichzeitig soll er eine Unterscheidung von drei unter­schiedlichen Gebilden vornehmen. Des Weiteren gibt er so gleich die Auflösung der Frage was ist „Second Life“ bzw, was man unter diesem Begriff versteht, in dem er den Begriff „Online-Plattform“ in das Interview einbringt, „Second Life“ muss demnach eine Online­Plattform sein. Daraus kann man schließen, dass für den Interviewer „Online-Plattform“ ein Oberbegiff für „Treff- und Spiel-Communities“ ist und das der Interviewer „Second Life“ als „Treff- und Spiele-Community“ versteht. Eine Online-Plattform birgt in sieh die Begriffe Online und Plattform, Online steht für die Nutzung des Internets als Daten­übertragungsmedium bzw, als Kommunikationsmedium zum Austausch von sprachlichen, bildlichen und textlichen Inhalten, Der Begriff der Plattform steht für ein ebenes Gebil­de, welches etwas in die Höhe versetzt aufragt und auf das man sieh begeben kann, so weit dies öffentlich möglich ist (z.B, eine Ausflugsplattform, eine Landeplattform usw,). Dieser Begriff wird umgangssprachlich auch für eine Internetanwendung gebraucht, in­nerhalb derer man aktiv mit anderen Personen kommunizieren kann oder digitale Inhalte veröffentlicht. Auch hier verwendet der Interviewer mit dem Begriff „Community“ wie­der einen Anglizismus, Übersetzt bedeutet der Begriff „Community“ Gemeinschaft und bedingt umgangssprachlich die Vergemeinschaftung von Gleichgesinnten, Wobei hier die Vergemeinschaftung von Gleichgesinnten gemeint sein muss, die sieh zwecks Austausch von gemeinsamen Interessen (Treff-Communities) oder zu gemeinsamen Spielabsiehten (Spiel-Communities) zusammen finden. Die Verwendung der Mehrzahl (Communities) zeigt an das es verschiedene Gruppierungen geben muss, die sieh in einem gemeinsamen Interesse zusammen finden, um eine gemeinsame Absicht zu verfolgen.

Durch den zweiten Teil dieser Sequenz nimmt der Interviewer den ersten Teil der Frage, als beantwortet vorweg. Er trifft mit diesem zweiten Teil der Frage eine Unterscheidung zwischen Form (Online-Plattform) und Inhalt (Treff- und Spiele-Community), Da der In­terviewer Faehbegriffe benutzt, kann man davon ausgehen das dieses Interview sieh an eine bestimmte Zielgruppe richtet bzw, der Interviewee einer bestimmten Zielgruppe angehört. Gleichzeitig wird hier der Anspruch an Insiderwissen vorausgesetzt, das wahrscheinlich In­terviewer und Interviewee teilen oder aber dass Hilfsmittel von Kunstwörtern (Treff- und Spiele-Communities) benutzt wird, um die Deutlichkeit der gemeinsamen Kenntnis des Gegenstands zu unterstreichen. Es ist möglich in einer gegebenen Sprache auch vollkom­men neue materielle Hypothesen auszudrüeken bzw, Sachverhalte zu beschreiben, die sieh im natürlichen Sprachgebrauch nicht ergeben und somit einen allgemein verständlichen Rahmen des Gegenstands eines Interesses abbilden. Der Interviewer benutzt aber gezielt Kunstwörter und stellt so eine Insiderinszenierung dar, die sieh auf eine ganze bestimmte Form von Anwendern beschränkt oder aber explizit beschränken soll.

Für den Interviewee besteht nun die Möglichkeit auf die Frage zu antworten. Eine mögliche Variante wäre, dass der Interviewee dem Interviewer entgegnet, dass er gar nicht fasziniert sei, was durch die Formulierung der Frage aber auszusehließen ist, Oder aber der Inter­viewee erwidert, dass „Second Life“ keine „Online-Plattform“ sei. Eine weitere Möglichkeit wäre, dass der Interviewee direkt zu den Subkategorien „Treff- und Spiele-Communities“ antwortet. Der Interviewee könnte ebenso auf die Unterschiede zu „First Life“ eingehen oder aber als weitere Variante, genau auf die Frage des Interviewers eingehen und diese im Sinne des Interviewers beantworten,

„Was ich persönlich an Second Life besodners fasziniert,...“

In dieser Sequenz bzw, ersten Antwort des Interviewees, stecken mehrere grammatika­lische Fehler, Der Satz müsste heißen: „Was mich persönlich an Second Life besonders fasziniert“ oder „Was ich persönlich an Second Life besonders faszinierend finde“. Diese grammatikalische Besonderheit kann mit einer fehlerhaften Transkription des Interviews Zusammenhängen, Mit der Einleitung „Was ich persönlich,,, “ stellt der Interviewee sieh in den Mittelpunkt der Befragung, Nur der Interviewee selbst kann hier eine kompetente Antwort geben. Ansonsten hätte er auch allgemein Antworten können: „Faszinierend an Second Life ünde ich,,,“. Gleichzeitig gibt er mit dieser Antwort bekannt, dass es subjektiv unterschiedliche Einschätzungen zu diesem Sachverhalt geben kann, denn nur er „,,,per­sönlich,,,“ ündet die nachfolgenden Beschreibungen faszinierend, was nicht unbedingt mit anderen Meinungen analog sein muss. Die Steigerung des Wortes Faszination, durch die Verwendung des Adverbs „besonders“, übertrifft noch mal die Eingangsfrage nach der Fas­zination durch den Interviewer und steigert sie so zum Superlativ bzw, sondert er sie so von anderen Sachverhalten die seine Faszination betreffen ab. Demnach gibt es eine allge­meine Faszination und eine besondere Faszination, d.h, eine auf bestimmte Teile gerichtete Faszination des Interviewees, Hier kommt deutlich zum Ausdruck, dass der Interviewee eine allgemeine Faszination zu „Treff- und Spiele-Communities“ besitzt, zu „Second Life“ aber besteht eine besondere Faszination, Gleichzeitig benutzt der Interviewee die voran­gestellte Frage des Interviewers, um die eigene Antwort einzuleiten. Diese Vorgehensweise könnte auf eine rhetorisch geschulte Ausdrueksweise des Interviewees hinweisen,

„...ist die große Gestaltungsfreiheit.“

An dieser Stelle benutzt der Interviewee ein Kompositum, Das Kompositum „Gestaltungs­freiheit“ setzt sieh aus den Begriffen Gestaltung und Freiheit zusammen. Diese Begriffe sind basale Grundbestandteile des Künstlermilieus bzw, sind von zentraler Bedeutung innerhalb künstlerischer Praxis und beziehen sieh auf die Adjektive künstlerisch, kreativ, frei, usw. Dies sind Begriffe die den Handlungen und den Ethos eines Künstlers entstam­men und seine offene autonome Gestaltung von Kunstgebilden bzw, Kunstobjekten ihre basale Berechtigung geben. Der Begriff der Freiheit ist im künstlerischen Denken und Schaffen unabdingbar. Ein unfreier Künstler, d.h, ein Künstler, der in seiner kreativen, künstlerischen und autonomen Freiheit eingeschränkt ist, kann kein autonomes Kunst­gebilde (Werk) erschaffen und wird so unweigerlich in seiner Tätigkeit scheitern. Die Gestaltungsfreiheit bedingt die Autonomie des Künstlers bzw, die Gestaltungsfreiheit der eigenen Autonomie des Menschen in dessen Lebensentwurf, Die Untermalung durch das Adjektiv „große“, hebt den Terminus „Gestaltungsfreiheit“ auf ein Ebene der fast unbe­grenzten Möglichkeiten,

„Dazu gehört auch das, was aus meiner Sicht Second Life von anderen Online-Communities unterscheidet:...“

Die Formulierung „Dazu gehört auch das,,,,“ verbindet die folgende Äußerung in Kom­bination mit dem schon Gesagten, Die weitergehende Formulierung „..was aus meiner Sieht,,.“ stellt sieh analog zur ersten Antwort, in der der Interviewee mit „..ich persön­lich,“ seinen Satz einleitet und somit verdeutlicht, dass er und speziell seine Meinung gefragt ist. Wie oben schon skizziert und über die Fragestellung des Interviewers impli­ziert, ist „Second Life“ eine „Online-Plattform“ bzw, hier wird der Begriff der „Online­Community“ verwendet. Die Applikation ist in ihrer Art anscheinend über verschiedene Begriffe bestimmt. Zuerst über den Begriff „Online-Plattform“, wobei dies synonym zu „Treff- und Spiele-Communities“ verwandt wurde und nun an dieser Stelle eine Verall­gemeinerung über den Begriff der „Online-Community“ stattfindet, der als Oberbegriff entgegen der vorherigen subsumtionslogisehen Verwendung der Begriffe verwendet wird. Durch die Verwendung des Begriffs „Online-Community“ scheint der Bezug zum sieh Tref­fen und Spielen zweitrangig und der Gemeinsehaftsgedanke zentral zu sein, denn sonst hätte der Interviewee auch „Treff- und Spiele-Plattform“ sagen können. Durch die Diffe­renzierung zu anderen „Online-Communities“ wird „Second Life“ als Community verding­licht, die in einem abstrakten Bezug zu anderen sozialen Netzwerken im Internet steht. Die Applikation „Second“ Life wird über die gezielte Unterscheidung zu anderen Applikatio­nen, als etwas Herausragendes dargestellt, das sieh von anderen Internet-Applikationen deutlich hervorhebt bzw, eine Anforderung oder Anwendung bietet, die allen anderen „Online-Plattformen“ fehlt. Der Interviewee leitet auch hier wieder die Antwort über die vorher gestellte Frage ein. Hier stellt sieh die Frage, ist dies rhetorisch gewollt oder ver­sucht der Interviewee sein intellektuell geschultes Begriffsvokabular gezielt einzusetzen,

„...Das Fehlen einer klaren Zielbestimmung.“

Diese Aussage ist so zu verstehen, dass alle anderen „Online-Communities“ eine klare Zielbestimmung haben, wobei sieh „Second Life“ dadurch auszeiehnet, dass diese „Online­Community“ keine klare Zielbestimmung hat. Der Interviewee trifft an dieser Stelle die Aussage, dass die „Online-Community Second Life“ ohne klare Zielbestimmung, völlig von irgend einem Inhalt befreit bzw, nur über eine verschleierte, vage, nicht näher zu bestimmende Zielbestimmung, ihren Reiz dokumentiert. Der Begriff Zielbestimmung lässt sieh mit dem Erreichen eines bestimmten Zieles ausformulieren.

Nun stellt sieh die Frage, wenn „Second Life“ kein klares und bestimmtes Ziel aufweist, was bezweckt bzw, zu welchem Zweck besteht diese „Online-Plattform“ dann? Kann man in seinem Leben irgend etwas verfolgen ohne ein bestimmtes Ziel zu haben? Vielleicht ziellos mit dem Auto durch die Gegend fahren oder ziellos spazieren gehen, wobei man auch bei diesen Beispielen irgendwann ein Ziel bestimmen muss, zum Beispiel muss das Auto ab einem vorbestimmten Zeitpunkt gewartet oder betankt werden. Und beim Spazieren gehen kommt man auch nicht um eine Rast herum, zum Beispiel zwecks Nahrungsaufnahme bzw, zum Ausruhen, Das Vorteilhafte, an keine ,,,,,klare[n] Zielbestimmung,,,“ zu haben, ist in der Regel für den Menschen bzw, ebenso für die tierischen Gattungen, allein schon über den Gedanken der Reproduktion, absurd. Innerhalb eines autonomen Lebens ist es basal, einen Lebensentwurf oder einen Lebensplan zu entwickeln. Die Konstitution der Bewährungsdynamik41 ist für eine autonome Lebenspraxis genuin und kann sieh nur über eine Lebensplanung deünieren, die immer auch ein bestimmtes Ziel impliziert. Wie kann man aber eine vorteilhafte Handlung über eine „Online-Plattform“ bzw, über eine „Online-Community“ ohne „klare Zielbestimmung“ beschreiben? Oder welche Handlungen sind dort möglich die außerhalb einer „klaren Zielbestimmung“ ihre Faszination haben? Im realen Leben sind die alltäglichen, wie auch die außeralltäglichen Handlungen in der Regel durch Ziele bestimmt, die sich durch den jeweils individuellen Lebensentwurf aufzeigen lassen und als autonome Lebenspraxis ein konkretes Maß an Verantwortlichkeit aufzeigen müssen. Ein reales Leben wäre ohne klare, strukturierte Zielbestimmung, ein Leben im Chaos bzw, ein Leben das die Adoleszenz der jeweiligen Subjekte nie überwunden hätte oder in ihr feststecken würde.

Dieses Fehlen einer klaren Zielbestimmung scheint im Denken des Interviewees, im Un­terschied zu einem zielbestimmten Leben, einen Vorteil darzustellen. Diese Lesart ergibt sich aus der Frage des Interviewers über die Vorteile von „Second Life“ gegenüber ande­ren Online-Plattformen und der nachfolgenden Antwort des Interviewees, Nimmt man die vorherige Aussage zur Grundlage, dass sich „Second Life“ von anderen „Treff- und Spiele- Communities“ unterscheidet, könnte man hier eine Differenzierung des Interviewees zu herkömmlichen Online-Games annehmen.

An dieser Stehe möchte ich zur begrifflichen Unterscheidung äußeren Kontext anfüh­ren: Bei herkömmlichen Online-Games (MMORPG; Massively Multiplayer Online Role­Playing Game)42 ist eine klare Zielbestimmung konstitutiv. Diese Zielbestimmung umfasst in erster Linie eine geschlossene Welt, die sich durch feste Regeln auszeichnet bzw, sind für ein Spiel Regeln konstitutiv und unterhalten somit eine klare Funktion, in dem sie ihren Mitgliedern (Usern) strukturelle Handlungsspielräume auferlegen, Handlung und Regeln fallen in Spielen bzw, Online-Games, zusammen. Konstitutive Regeln43 bedingen die Handlungsspielräume nicht nur, sondern sie gewährleisten die Übereinstimmung der Handlungen mit den Regeln selbst. Nur wenn man diese klaren Strukturen einhält und nach diesen handelt, kann man an ein vorbestimmtes Ziel gelangen bzw, der Struktur des Spiels gerecht werden und folgen.

„Second Life ist tatsächlich nichts weniger als eine (virtuelle) Welt.“

Der Interviewee verwendet hier das Adjektiv „sächlich“ in Kombination mit dem No­men „Tat“, Die Verwendung dieser Kombination verweist auf das Vorhandensein bzw, der Wirklichkeit entsprechender Sachverhalte, Diese Sachverhalte entsprechen einer un­umstößlichen Wahrheit bzw, man hat die Wahrheit in Besitz, die unersehütterlieh ihren objektiven Sinngehalt nach außen transportiert. Der zweite Teil der Sequenz beinhaltet mit der Aussage „,,, nichts weniger,,,“ eine rhetorische Formel, die im eigentlichen Sin­ne aussagt, dass „Second Life“ die reale Welt ist. Das in der Antwort das „virtuelle“ in Klammern gesetzt ist, würde diese Lesart unterstreichen, da in Regel Textpassagen die in Klammern gesetzt werden eine weniger wichtige Rolle in der eigentlichen Aussage einge­räumt wird oder aber die Aussage, die in Klammern steht weniger vordergründig erscheint. Dies lässt den Schluss zu, dass für den Interviewee die Online-Community „Second Life“ keine eindeutige virtuelle Welt darstellt bzw, das „Second Life“ im Bewusstsein des In­terviewees die reale Welt verkörpert. Diese Annahme wäre im engeren Sinne diffizil, da letztendlieh dieser Bezug nur als virtuelle Parallelwelt zutreffen kann und dies bedeutet im Umkehrsehluss, dass „Second Life“ ein Teil der Realen ist, sieh aber auf der teehnologisier- ten Ebene der realen Welt beündet. In dieser Konstellation begeht der Interviewee einen Kategorienfehler, Dieser Kategorienfehler beruht auf der Tatsache, dass hier eine Vermi­schung von virtuellen und realen Sachverhalten voranschreitet. Die Deutung, dass „Second Life“ keine eindeutige „virtuelle Welt“ ist, dass „Second Life“ auch kein Online-Game ist, lässt hier die Vermutung aufkommen und dies wird von dem Interviewee und seiner Art der Beschreibung unterstützt, dass an dieser Stelle versucht wird die realen Umstände und Gegebenheiten um „Second Life“ zu mystifizieren bzw, zu glorifizieren oder aber der Interviewee das Bewusstsein über die Unterscheidung von virtueller und realer Welt völlig verloren hat. Durch die anhaltende, vage Bestimmung des Inhalts von „Second Life “ er­weckt der Interviewee den Eindruck, als würde er versuchen der Thematik „Second Life“ einen Interesse weckenden, sinnvollen, intersubjektiv, faszinierenden Mythos zusehreiben zu wollen,

„Dazu gehört auch, dass die Nutzer selbst entscheiden müssen, wozu sie überhaupt dort sind“

„Dazu gehört auch,,,“ bezieht sieh auf die Faszination des Interviewees, Er zählt eine Be­dingung seiner Faszination auf, wie er es schon in der Sequenz zuvor getan hat, ohne ein klares, bestimmtes Faktum zu nennen („...entscheiden müssen, wozu sie überhaupt dort sind“). Ein Ort bei dem man nicht selbst entscheiden würde, wozu man dort ist oder warum man diesen Ort als Position innerhalb des eigenen Lebens gewählt hätte, wäre ei­ne Zwangsgemeinsehaft, Wobei sieh hier das Wort Gemeinschaft schon selbst aussehließt, weil eine Gemeinschaft immer schon emotionale Zugehörigkeit voraussetzt. Eine Zwangs­gemeinsehaft bzw, Zwangsgesellschaft wäre nur über eine, zum Beispiel Inhaftierung in einem Gefängnis, möglich und unter dieser Bedingung könnte man nicht von einer emotio­nalen Konstitution von Gemeinschaft sprechen. Die Menschen, die in „Second Life“ Teil dieser Gemeinschaft sind, wissen wahrscheinlich ganz genau, wozu sie dort sind. Denn sie sind freiwillige Mitglieder dieser Online-Plattform und benutzen autonom die Anwendun­gen innerhalb der Online-Plattform, die ihnen von den Betreibern zur Verfügung gestellt werden. Die Verwendung des Begriffs „...Nutzer...“ bedeutet, dass es hilfreich sein kann „Second Life“ einzusetzen, da es irgendeinen Nutzen für den Einzelnen emergiert. Die­ser Nutzen könnte sieh auf eigene psychosoziale Pathologien beziehen, die innerhalb der Online-Plattform eine Befriedigung erfahren könnten. Alles Andere wäre unter der Prämis­se, dass es keinen dezidierten Aspekt gibt, um sieh „dort“ aufzuhalten, unwahrscheinlich. Der Interviewee verwendet den Begriff des „Nutzer[s]“, obwohl er auch von Besuchern oder Teilnehmern hätte sprechen können. Die Wahl des Begriffs „Nutzer“ bestätigt die Annah­me, dass es keine Gemeinschaft ist, da konstitutiv für eine Gemeinschaft ist, dass gerade diese nicht aus „Nutzern“ besteht und gleichzeitig, dass die Anwendung doch irgendeinen Nutzen in sieh trägt. Für Netzwerke (Internet) ist eine Vergemeinschaftung ebenso frag­würdig, da die Mitglieder des Netzwerkes dieses zweekorientiert für ihre Belange nutzen. Sobald die Befriedigung dieser Belange voranschreitet oder die Interessenlage sieh verän­dert, ist eine Abspaltung aus dem Netzwerk obligatorisch bzw, eine temporäre Nutzung zu erwarten.

An dieser Stelle möchte ich nochmal äußeren Kontext verwenden, um den Begriff des Nutzers zu verdeutlichen: Ein treffendes Beispiel hier für sind Online-Foren, innerhalb derer man seine zweekorientierten Themen behandelt bzw, die Teilnahme der Realisierung des eigenen Interesses dient und sobald dem Zweck eine Lösung zu geführt wurde, verlässt man das Forum wieder, bis sieh gegebenenfalls ein neuer Zweck generiert.

Eine Handlung rein des Netzwerkes wegen ist eher unwahrscheinlich, was aber bei einer Gemeinschaft konstitutiv wäre. Dies wird noch deutlicher durch die Verwendung der Be­griffe Gerechtigkeit und Solidarität, Für Netzwerke wie zum Beispiel Foren ist konstitutiv, dass die Nutzung der Angebote einen temporären, inhaltlich beschränkten Rahmen auf­weisen und sieh innerhalb dieser Periode die einzelnen Nutzer einer Mentalität des Gebens und Nehmens bedienen, die sieh auf der Folie von Gerechtigkeit expliziert, Gemeinschaften beünden sieh dem gegenüber auf der Folie von Solidarität, die ihre Beschaffenheit gerade nicht über ein Geben und Nehmen aufbaut, sondern über affektive Bindungen, die ihren Ursprung innerhalb der Gemeinschaft, über die Verbundenheit der einzelnen Subjekte zueinander, emergieren,44 Die Beschreibung „...selbst entscheiden,,,“ in dieser Sequenz, stellt für mündige Menschen ein genuines Verhaltensmuster dar. Das Menschen („Nut­zer“) selbstbestimmte Entscheidungen treffen müssen und können, liegt in ihrer strukturell angelegten Autonomie bzw, für sieh selbstverantwortliche Entscheidungen zu treffen ist eine Bedingung, die in der sozialisatorisehen Emergenz des Individuum selbst liegt und die Konstitution seiner Autonomie beschreibt. Diese Aussage des Interviewees hebt sieh also von vornherein auf. Die eigenverantwortliche Entscheidung irgendeine Handlung vor­zunehmen, ist auch in einem Online-Game bzw, bei dem Besuch einer Online-Plattform Voraussetzung, Wieso legt der Interviewee in eine eigentlich basale Struktur von Auto­nomie solche Priorität? Der Vergleich zu anderen beruflichen, Freizeit betreffenden oder familiären Handlungen, lässt eine klare strukturelle Determination von Handlungen bzw, selbstbestimmten Tätigkeiten zu. Jeder Hobbysportler weiß genau wozu er seinen Sport ausübt. Jeder Berufstätige weiß warum er zur Arbeit geht und jedes Familienmitglied, hat eine genuine basale Emotion seinen Familienmitgliedern gegenüber und weiß, wenn auch unter Umständen nur unbewusst, um die emotionalen Bindungen zu den anderen Familienmitgliedern, Die Beschreibung „...wozu sie überhaupt dort sind,“ lässt weiterhin in ihrer Konsequenz die Vorstellung generieren, dass man erst da ist oder ankommt und dann entscheidet, welche Handlungen man an diesem Ort vornehmen will und kann bzw, man macht den zweiten Schritt vor dem ersten Schritt, Dies ist vergleichbar mit einem Theaterbesuch, bei dem man erst während man das Stück sieht, bemerkt, dass man sieh für einen Theaterbesuch entschieden hat.

Nachfolgend könnte der Interviewer auf die unklare Beschreibung der Anwendung „Second Life“ durch den Interviewee eingehen. Der Interviewer könnte ebenfalls nachfragen, da die Beschreibung der eigentlichen Faszination des Interviewees noch unklar bleibt und im Allgemeinen noch nicht deüniert wurde, um was es sich bei „Second Life“ determiniert handelt. Als weitere Variante wäre eine intensives Fragen nach dem explizierten Nutzen von „Second Life“ für den einzelnen Anwender anzunehmen, da sich dieser aus der Antwort des Interviewees noch nicht trennscharf ergeben hat,

Die sequenz-analytische Bearbeitung des Interviews zeigt zum jetzigen Zeitpunkt, dass dem Interviewee mehrere Kategorienfehler unterliefen. Die fehlende Unterscheidung von virtueller Welt zu realer Welt zeichnet sich am Anfang des Interviews schon deutlich ab. Durch diesen Umstand wird der vom Computer simulierten Wirklichkeit (virtuelle Welt) eine eigene, von der realen Welt abgekoppelte Genesis, zugesprochen bzw, eine geistige Trennung von realer zu virtueller Welt scheint nicht dezidiert vorzuliegen. An dieser Stel­le wird erstens übersehen, dass eine virtuelle Welt, die nichts anderes sein kann, als eine computer-generierte Simulation der realen Welt, immer schon eine Bestandteil dieser ist und zweitens bedeutet dies, dass der Interviewee eine Differenzierung dieses Sachverhalts nicht vornimmt, der aber ein wichtiger Bestandteil des Bewusstseins sein muss, um sich nicht zwischen Virtualität und Realität zu verlieren. Innerhalb eines virtuellen Raums, be­stimmt die Positionalität45 in ihrer sozialen Praxis und ihren Pfeilern von Zeit und Raum immer schon eine von jeher reale Lebenspraxis, Diese kann sich unter dieser Struktur nur selbst in der realen Welt manifestieren und somit ist die computer-simulierte virtuelle Welt zwangsläuüg ein Bestandteil der realen Welt und aus ihr heraus agieren die Subjekte, Ein zweiter Kategorienfehler steckt in den Begriffen „Community“ (Gemeinschaft) und „Nutzer“, und der Analogen Beschreibung zu den Handlungsmöglichkeiten in „Second Li­fe“, Diese Handlungsmöglichkeiten generieren ihre Spielräume über die Beschreibungen „,,,große Gestaltungsfreiheit,,,“, „...keine klare Zielbestimmung,,,“ und „...selbst entschei­den müssen, wozu sie überhaupt dort sind,,,“. Die Diskrepanz zwischen den Begriffen Ge­meinschaft und Nutzer liegt in der diametralen Struktur dieser Begriffe zueinander und dokumentiert sich in der Beschreibung des Interviewees zu diesen Handlungsspielräumen.

[...]


1 Der englische Begriff Second Life, der in der tatsächlichen Übersetzung gleichbedeutend für ein „zweites Leben“ Leben steht, birgt in seiner realen Konsequenz, einen unrealen, transzendentalen von der eigentlichen alltäglichen Lebenspraxis abgespaltenen Zustand.

2 comScore Ine., http://'www.comscore.com/press/release.asp?press= 1425, Stand 13.04.2008

3 An dieser Stehe möchte ich allen Teilnehmern des Forschungspraktikums, unter der Leitung von Prof. Dr. Ulrich Oevermann, für die Unterstützung und Diskussion in Bezug auf diese Abschlussarbeit danken.

4 Ich möchte an dieser Stelle betonen, dass diese Einschätzung nicht der tatsächlichen Sachlage ent­sprechen muss, da ich mit dieser Aussage nicht beanspruche die gesamte vorliegende Literatur in mein Blickfeld mit einbezogen zu haben. Innerhalb dieser Arbeit, werden zwei soziologische Ansätze expliziert, die ihre Fokussierung auf Second Life ausgerichtet haben.

5 Vgl. Linden Research Ine., http://www.secondlife.com, Stand 23.05.2008

6 Baracca, Forte, Müller: Second Life - ein Testlabor für die Zukunft des Internets, 2007, S. 137

7 Stephenson Neal: Snow Crash, Goldmann Verlag, 2. Auflage; München 1994

8 Vgl. Wikipedia - die freie Enzyklopädie, http://de.wikipedia.org/wiki/MMORPG, Stand 03.05.2008

9 Baracca, Forte, Müller: Second Life - ein Testlabor für die Zukunft des Internets, 2007, S. 137

10 Linden Lab stellt eine Serverfarm (vernetzte Rechner, die als Grid bezeichnet werden) zur Verfügung, die von Linden Lab selbst administriert und weiterentwickelt wird. Vgl. Linden Research Ine., http: //de.secondlife.com/whatis, Stand 23.05.2008

11 Die Software bzw. die virtuelle Welt Second Life ist auf der eigens von Linden Lab entwickelten Linden Scripting Language programmiert und steht als Quellcode offen, d.h. heißt jeder kann an der Entwicklung von Second Life mitarbeiten. Vgl. Linden Research Ine., http://secondlife.com/whatis/scripting.php, Stand 23.05.2008

12 Baracca, Forte, Müller: Second Life - ein Testlabor für die Zukunft des Internets, 2007, S. 137

13 Die Client-Software wird auf dem heimischen Computer installiert und berechtigt zum Eintritt bzw. ist sie das Eintrittsportal in Second Life.

14 Vgl. GNU Operating System,http://www.gnu.org/copyleft/gpl.html, Stand 23.05.2008

15 Vgl. Bokowsky u. Laymann, http://www.bokowsky.net/de/aktuell/archiv2007/index.2007.php, Stand 23.05.2008

16 Vgl. Linden Research Ine, http://secondlife.com/currency/describe-limits.php, Stand 23.05.2008

17 Vgl. RP Online GmbH, Online Artikel, http://www.rp-online.de/public/article/digitale/internet/ 425484/Onlinespiele-die-vermeintliche-Goldgrube.html, Stand 15.08.2008

18 Vgl. SL Talk & Partner,http://www.sltalk.de/index.php/2007/02/01/audio-integration-in-second- life, Stand 23.05.2008

19 Chat bedeutet eine texbasierte Kommunikation in Echtzeit.

20 Vgl. Goethe Universität Frankfurt am Main, http://www.bildungstalk.uni-frankfurt.de/?p=51, Stand 15.08.2008

21 Vgl. Universität Bielefeld, Uni Aktuell News 29.01.2008,http://www.e-learning3d.de/, Stand 15.08.2008

22 Baracca, Forte, Müller: Second Life - ein Testlabor für die Zukunft des Internets, 2007, S. 137ff.

23 Vgl. IBM Corporation,http://www.ibm.com/us/, Stand 15.08.2008

24 Vgl. Computerwoche, Online Artikel, http://www.computerwoche.de/knowledge_center/web/ 1868251/index.html, Stand 15.08.2008

25 Oevermann, Ulrich: Ein Modell der Struktur von Religiosität. Zugleich ein Strukturmodell von Le­benspraxis und von sozialer Zeit, 1995, S. 35

26 Ebd. S. 37

27 Die Beendigung der aktiven Teilnahme in einer virtuellen Welt.

28 Spielende bei Computer- oder Automatenspielen

29 Vgl. Wikipedia - die freie Enzyklopädie, http://de.wikipedia.org/wiki/MMORPG, Stand 03.05.2008

30 Vgl. Friedparks, Dr. Wolfgang Holtsch, http://www.friedparks.de/, Stand 03.05.2008

31 „In dem Moment, in dem mit dem Übergang von Natur zu Kultur ein erkennendes Subjekt durch Prädizierung bzw. durch begrifflich vermittelte Repräsentanz von Welt das unmittelbare gegebene Hier und Jetzt seiner Positionalität in der hypothetischen Konstruktion von Welt überschreiten und kontrastiv zum Gegebenen Möglichkeiten konstruieren und das jeweils Gegebene auf der Folie dieser Möglichkeiten kritisch abbilden kann, verfügt es über ein Bewusstsein der Endlichkeit seines Lebens.“ Oevermann, Ulrich: Strukturmodell von Religiosität; 1996, S. 33

32 Oevermann Ulrich: Sozialisation als Prozess der Krisenbewältigung, 2004, S. 160ff.

33 Oevermann Ulrich: Strukturale Soziologie und Rekonstruktionsmethodologie, 1999, S. 74ff.

34 Oevermann, Ulrich: Klinische Soziologie auf der Basis der Methodologie der objektiven Hermeneutik - Manifest der objektiv hermeneutischen Sozialforschung, 2002, S. 3

35 Oevermann, Ulrich: Die Methode der Fallrekonstruktion in der Grundlagenforschung sowie der kli­nischen und pädagogischen Praxis, 2000, S. 129

36 Oevermann, Ulrich: Sozialisation als Prozess der Krisenbewältigung, 2004, S. 159ff.

37 Oevermann, Ulrich: Bewährungsdynamik und Jenseitskonzepte - Konstitutionsbedingungen von Le­benpraxis, 2001, S. 29Iff.

38 Vgl. Oevermann, 1999; Oevermann, 2000; Oevermann, 2001; Oevermann, 2004

39 Breuer Markus: Business in virtuellen Welten: Nutzungsperspektiven von Second Life und Online­Welten, 2008, S. 474

40 Die in den Fallanalysen zu interpretierenden Sequenzen, werden kursiv und in Anführungsstrichen gekennzeichnet.

41 Oevermann, Ulrich: Ein Modell der Struktur von Religiosität; 1995, S. 61 ff.

42 Vgl. Wikipedia - die freie Enzyklopädie, http://de.wikipedia.org/wiki/MMORPG, Stand 03.05.2008

43 Nolte; Einführung in die Sprechakttheorie Searle, 1978, S. 37

44 Oevermann Ulrich: Die Sozilogie der Generationenbeziehungen und der historischen Generationen aus strukturalistischer Sicht und ihre Bedeutung für die Schulpädagogik, 2001, S. 85ff.

45 Oevermann, Ulrich: Strukturmodell von Religiosität; 1996, S. 33

Final del extracto de 151 páginas

Detalles

Título
Flucht oder Entfaltung
Subtítulo
Exemplarische Fallanalysen zur virtuellen Lebenspraxis in der Internet-Plattform "Second Life"
Universidad
University of Frankfurt (Main)  (Gesellschaftswissenschaften)
Calificación
1
Autor
Año
2008
Páginas
151
No. de catálogo
V160034
ISBN (Ebook)
9783640735648
ISBN (Libro)
9783640735914
Tamaño de fichero
5683 KB
Idioma
Alemán
Palabras clave
Second Life, virtuelle Welten, Internet, Social Network, Community, world wide web, Soziologie, Fallanalysen, Sozialwissenschaften
Citar trabajo
Markus Schüttler (Autor), 2008, Flucht oder Entfaltung, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/160034

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