Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Partizipation
2.1 Begriffserklärung
2.2 Leitlinien für eine erfolgreiche Partizipation
2.3 Individuelle und gesellschaftliche Vorraussetzungen
3. Kinder- und Jugendparlamente
3.1 Zusammensetzungen eines Kinder- und Jugendparlamentes
4. Partizipationspotenziale vor dem Hintergrund der Ungleichheitstheorie von Pierre Bourdieu
4.1 Habitus- und Sozialraumtheorie
4.2 Partizipationspotenziale in Kinder- und Jugendparlamenten
5. Fazit
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
1. Einleitung
Von verschiedenen Seiten wird dazu gedrängt sich mit dem Thema der Kinder- und Jugendpartizipation auseinander zusetzten. Ziel ist eine Mitwirkung und Teilhabe von Kindern und Jugendlichen an politischen Entscheidungen, da sie die Generation ist, welche die gegenwärtigen politischen Entscheidungen in der Zukunft tragen muss. Des Weiteren wird durch eben diese Teilhabe dazu beigetragen, dass Jugendliche langsam politische Verantwortung übernehmen und Handlungskompetenzen erwerben. Hier stellen sich jedoch die Fragen, wer diese Jugendlichen denn sind, denen Beteiligungsangebote dargelegt werden und ob es in der Realität möglich ist, schichtunabhängig allen Kindern und Jugendlichen gleiche Partizipationsmöglichkeiten zu gewähren.
Hierzu werde ich zunächst den Partizipationsbegriff näher erläutern, um daran anschließend Leitlinien und weitere Vorraussetzungen für eine erfolgreiche Partizipation zu beschreiben. Im Anschluss erläutere ich eine gezielte Möglichkeit der Partizipation in Form von Kinder- und Jugendparlamenten und analysiere deren Zusammensetzungen. Diese Analyse dient dazu herauszufinden, ob die im Vorfeld genannten Leitlinien einer erfolgreichen Partizipation in dieser bestimmten Form der Beteiligung gewährleistet sind. Hierzu gehe ich auf die Ungleichheitstheorie des französischen Soziologen Pierre Boudieu ein und erläutere seine Sozialraum- und Habitustheorie, in welcher er das zustande kommen sozialer Ungleichheit thematisiert. Daraufhin werde ich diese Theoriebausteine dazu verwenden, um zu erläutern, aus welchen Gründen manche Menschen sich den Partizipationsangeboten entziehen bzw. für diese gar nicht empfänglich zu sein scheinen. Den Abschluss bildet das Fazit, in welchem ich die zuvor gewonnenen Erkenntnisse zusammentrage und kurz auf deren Folgen eingehe.
2. Partizipation
2.1 Begriffserklärung
Unter dem Begriff Partizipation versteht man das Recht eines jeden Bürgers auf freie und gleichberechtigte Teilhabe an gesellschaftlichen Entscheidungs- und Diskussionsprozessen. Demnach bedeutet Partizipation aktives Durchführen von Demokratie. Da sowohl Kinder als auch Jugendliche Träger der Grundrechte sind, besitzen auch sie das Recht aktiv an demokratische Prozesse, in Feldern, welche sie betreffen, teilzunehmen. Trotz dieser allgemeinen, grundgesetzlichen Rechte, fehlen tiefergehende gesetzliche Regelungen, welche die Beteiligung von Jugendlichen sichern und differenzieren. So beziehen sich bisherige Beteiligungsregelungen auf Mitsprache- und Mitwirkungsrechte, nicht aber auf Mitentscheidungsrechte (Knauer 2005, S. 68). Auch in § 8 des Kinder- und Jugendhilfegesetztes (KJHG), in welchem die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen thematisiert wird, wird lediglich von einer Beteiligung der Kinder und Jugendlichen, nicht aber von Entscheidungsrechten gesprochen. So heißt es unter anderem in Absatz 1 § 8:
Kinder und Jugendliche sind entsprechend ihrem Entwicklungsstand an allen sie betreffenden Entscheidungen der öffentlichen Jugendhilfe zu beteiligen. (vgl. Bundesministerium der Justiz 1990)
Von Partizipation kann im Allgemeinen also dann gesprochen werden, wenn Kinder und Jugendliche nicht bloß erhört werden, sondern diese auch an Entscheidungen sowie an Umsetzungen mitwirken, welche sie betreffen. (vgl. Olk 2007b, S. 20)
Grundsätzlich lassen sich die verschiedenen Partizipationsformen in offene Beteiligungsformen, projektorientierte Formen und parlamentarische bzw. repräsentative Formen unterteilen. Anders als in parlamentarischen Formen werden Kinder und Jugendliche in offenen Beteiligungsformen nicht gewählt, sondern allen Interessierten wird die Möglichkeit gegeben ihre Meinung zu äußern und mitzureden. Ein Bespiel für solche offenen Formen sind Jugendforen und Kinderkonferenzen. Projektorientierte Beteiligung hingegen findet nur zeitlich begrenzt statt. Hierzu treffen sich die Kinder und Jugendlichen um ein bestimmtes Projekt, beispielsweise eine Spielplatzneugestaltung, durchzuführen. Die etablierteste Form der Kinder und Jugendpartizipation ist die Partizipation durch Kinder- und Jugendparlamente, in welchen zuvor gewählte Abgeordnete die Interessen der Kinder und Jugendlichen der Region vertreten. (vgl. Burdewick 2003, S. 25f)
2.2 Leitlinien für eine erfolgreiche Partizipation
Um eine erfolgreiche Partizipation von Kindern und Jugendlichen in der Politik zu gewährleisten sind einige Kriterien nach Hermann von besonderer Bedeutung. Im Folgenden werde ich diese vorstellen, wobei ich die für den Kontext meiner Hausarbeit weniger relevanten Kriterien nur kurz erwähnen werde.
Zunächst einmal muss sichergestellt werden, dass eine möglichst hohe Zahl von Jugendlichen bzw. Kindern aus unterschiedlichen Schichten und mit unterschiedlichen Nationalitäten durch die gewählte Partizipationsform erreicht wird. Nur durch diesen gesellschaftlichen Querschnitt von Kindern und Jugendlichen ist es möglich, Ziele wie Artikulation von Interessen, Motivation sich mit Politik auseinanderzusetzten und Sozialisation zu realisieren. Des Weiteren muss das Partizipationsangebot so beschaffen sein, dass es dem Engagement der Kinder und Jugendlichen entgegenkommt. Dies bedeutet vor allem, dass eine kopierte Politikkultur der Erwachsenen, welche bei Kindern und Jugendlichen nur wenig Interesse findet, durch unkonventionelle Partizipationsformen ersetzt werden sollte. Diese unkonventionellen Formen drücken sich beispielsweise in der Projektarbeit aus. Außerdem lässt sich durch diese Beteiligungsform der Anspruch, möglichst viele Jugendliche bzw. Kinder aus allen Bevölkerungsschichten zu beteiligen, sehr viel leichter umsetzten als in anderen Beteiligungsformen. Hier geht es nämlich weniger um abstrakte Diskussionen, sondern mehr um praktische Arbeiten, wodurch mögliche Hemmschwellen überwunden werden können (vgl. Hermann 1996, S. 30f).
Ebenso wichtig ist, dass Partizipationsangebote möglichst früh greifen, da eine wesentliche politische Prägung bereits ab einem Alter von zwölf Jahren, über die Erfahrungen wie beispielsweise im Elternhaus, stattfindet. Demnach ist also die Auffassung falsch, dass politische Einstellungen sich erst in dem Alter bilden, in dem sie zum Vorschein kommen. Folglich ist es ratsam ebenfalls speziell an Kinder gerichtete Partizipationsprogramme anzubieten und die Altersspanne für die Beteiligung an z.B. Kinder- und Jugendparlamenten nicht weiter nach oben auszuweiten. Für ältere Jugendliche sollten demzufolge gesonderte Mitarbeitsangebote entwickelt werden. (vgl. Hermann 1997, S. 332)
Neben diesen bislang genannten Kriterien existieren noch weitere, deren Einhaltung für eine erfolgreich umgesetzte Partizipation nötig sind. Hierzu zählt, dass ein Partizipationsmodell nur insofern institutionalisiert werden sollte, als das es unbedingt notwendig ist. Eine Institutionalisierung sollte dementsprechend nur der Verfestigung des Partizipationsmodells beispielsweise durch Satzungen dienen. Ebenso bedeutsam ist ein möglichst geringer Einfluss durch Erwachsene, eine Vernetzung der Beteiligungsformen untereinander und die Vermittlung von Politik wie sie wirklich ist. Die Konflikthaftigkeit der Politik sollte den Kindern und Jugendlichen, je nach Entwicklungsstand, stets deutlich gemacht werden. (vgl. ebd)
2.3 Individuelle und gesellschaftliche Vorraussetzungen
Neben den in 2.1 genannten organisatorischen Leitlinien sind weitere Vorraussetzungen auf individueller und gesellschaftlicher Ebene nötig, die gegeben sein müssen, damit junge Menschen mit Politik in Kontakt kommen und sich an dieser auch beteiligen.
So hat z. B. sie soziale Herkunft und die damit einhergehende Bildung deutliche Auswirkungen auf das politische Bewusstsein der Kinder und Jugendlichen. Tendenziell ist daher davon auszugehen, dass Angehörige unterer Schichten weniger gebildet und folglich auch weniger interessiert am politischen Geschehen sind (vgl. Knauer 2005, S. 73f). Dass ein politisches Interesse stark vom Bildungsniveau abhängt ist ferner daran zu erkennen, dass das Niveau des politischen Interesses der zwölf bis 15-jährigen Gymnasiasten über dem der 25 – 29-jährigen Hauptschulabsolventen liegt (vgl. Hoffmann- Lange 2006, S. 62). Dies wird ebenfalls von der PISA Studie aus dem Jahr 2000 bestätigt, welche unter anderem feststellte, dass kulturelles Engagement sowie Wertorientierung und politische Beteiligung während der gesamten Lebenszeit mit dem erreichten Bildungsniveau einhergehen (vgl. Sünker 2008, S. 236).
Eine ebenso wichtige Vorraussetzung für die politische Beteiligung von Kindern und Jugendlichen ist die Unterstützung durch die Familie, denn die Bereitschaft sich mit Politik auseinanderzusetzten und sich politisch zu engagieren hängt stark mit dem politischen Interesse der Eltern zusammen. Familien, welche politische Inhalte thematisieren, beeinflussen ihre Kinder dahingehend, als dass auch sie sich intensiver mit Politik beschäftigen als Kinder in deren Familien politische Inhalte keine Rolle spielen. (vgl. Olk 2007a, S. 34)
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