Resistenz gegenüber Self-Service Technologien

Warum Nützlichkeit und einfache Bedienung zur Adoption nicht ausreichen


Diploma Thesis, 2010

169 Pages, Grade: 1,0


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

1 Bedeutung der Resistenz gegenüber Self-Service Technologien
1.1 Notwendigkeit eines Perspektivwechsels
1.2 Ziel und Aufbau der Arbeit

2 Charakterisierung und Einordnung der Begriffe Resistenz und Self-Service Technologie
2.1 Self-Service Technologien - Dienstleistung des 21. Jahrhunderts
2.1.1 Formen der Self-Service Technologie
2.1.2 Self-Service Technologien als Innovation
2.1.3 Segen oder Last
2.2 Resistenz - mehr als nur Verhalten
2.2.1 Außerhalb der Betriebswirtschaftslehre
2.2.2 Innerhalb der Betriebswirtschaftslehre
2.2.3 Resistenz versus Akzeptanz gegenüber Self-Service Technologien
2.2.4 Formen der Resistenz
2.3 Zusammenfassung der Begriffe

3 Vorbetrachtungen zur Untersuchung der Resistenz
3.1 Ökonomische und sozialpsychologische Theorien
3.1.1 Transaktionskostentheorie
3.1.2 Social Cognitive Theory
3.1.3 Prospekttheorie
3.1.4 Theory of Perceived Risk
3.1.5 Reaktanztheorie
3.1.6 Theorie der kognitiven Dissonanz
3.1.7 Lazy User Theory of Solution Selection
3.1.8 Status Quo Bias Theory
3.1.9 Theory of Attachment
3.2 Akzeptanztheorien und -modelle
3.2.1 Innovation Diffusion Theory
3.2.2 Theory of Reasoned Action und Theory of Planned Behavior
3.2.3 Technology Acceptance Model
3.2.4 Unified Theory of Acceptance and Use of Technology
3.3 Qualitative Untersuchung
3.3.1 Auswahl und Anzahl der Teilnehmer
3.3.2 Probleme und Artefakte
3.3.3 Leitfadenentwicklung und Ablauf
3.3.4 Aufbereitung, Auswertung und Ergebnisse
3.4 Zusammenfassung der Erkenntnisse

4 Entwicklung eines Modells zur Erklärung der Resistenz gegenüber Self-Service Technologien
4.1 Begleitende Umstände
4.2 Sozialer Druck
4.3 Erregungszustände
4.4 Erwartungen an die Selbstwirksamkeit
4.5 Status Quo Bias
4.6 Wahrgenommenes Risiko
4.7 Erwartungen an das Ergebnis der Nutzung
4.8 Zusammenfassung der Ergebnisse und Darstellung des Resistenzmodells

5 Evaluierung der Analyse
5.1 Implikationen für die Forschung
5.2 Implikationen für die Praxis

Anhang 1 - Aufbereitung und Auswertung der Gruppendiskussion
Anhang 1.1 Transkription der Gruppendiskussion nach GAT
Anhang 1.2 Induktive Kategoreinstruktur
Anhang 1.3 Kontingenzmatrix zur Berechnung der Intercoderreliabilität

Anhang 2 - Checkliste zum Abbau von Resistenz

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1 Resistenz im Innovation-Decision-Process

Abbildung 2 Interaktionsdreieck der Social Cognitive Theory

Abbildung 3 Wirkung der Self-Efficacy

Abbildung 4 Wertfunktion der Prospekttheorie

Abbildung 5 Lazy User Theory of Solution Selection

Abbildung 6 Theory of Reasoned Action und Theory of Planned Behavior

Abbildung 7 Technology Acceptance Model

Abbildung 8 Unified Theory of Acceptance and Use of Technology

Abbildung 9 Kern des zu entwickelnden Resistenzmodells

Abbildung 10 Begleitende Umstände und ihre Wirkung auf Resistenz

Abbildung 11 Sozialer Druck und seine Wirkung auf Resistenz

Abbildung 12 Entstehung der Erregungszustände (1/2)

Abbildung 13 Entstehung der Erregungszustände (2/2) und ihre Wirkung auf Resistenz

Abbildung 14 Entstehung der Self-Efficacy Expectations und ihre Wirkung auf Resistenz

Abbildung 15 Entstehung des Status Quo Bias und seine Wirkung auf Resistenz

Abbildung 16 Entstehung des wahrgenommenen Risikos und seine Wirkung auf Resistenz

Abbildung 17 Entstehung der Outcome Expectations und ihre Wirkung auf Resistenz

Abbildung 18 Entstehung von Resistenz gegenüber Self-Service Technologien

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1 Klassifizierung und Beispiele von Self-Service Technologien

Tabelle 2 Formen der Resistenz

Tabelle 3 Kategorien der Gruppendiskussion und Begriffe aus den betrachteten Theorien

Tabelle 4 Abgeleitete Resistenzursachen aus der Akzeptanzforschung

Tabelle 5 Abgeleitete Resistenzursachen aus Ökonomie und Sozialpsychologie

Tabelle 6 Zeitpunkt der Wirkung direkter Resistenzvariablen

1 Bedeutung der Resistenz gegenüber Self-Service Technologien

Self-Service Technologien haben sich als Hebel für Zeit- und Kostenersparnisse herausgestellt. Mit ihrer Nutzung befriedigen die Kunden ihre Bedürfnisse selbst, wodurch vorausschauende Unternehmen ihre freigewordenen Ressourcen effizienter verteilen können (vgl. Salomann 2008, S. 30 ff.). Sie erfüllen das Merkmal einer Innovation, da sie vom Kunden als neues Konzept bzw. Verfahren im Dienstleistungserstellungsprozess wahrgenommen werden, welches unter Einsatz von Hardware- und Softwarekomponenten menschliche Bedürfnisse befriedigt (vgl. Rogers 2003, S. 12 f.).

1.1 Notwendigkeit eines Perspektivwechsels

Die zunehmende Verbreitung von Self-Service Technologien innerhalb unterschiedlichster Branchen deutet auf einen neuen Trend im 21. Jahrhundert hin. Die Reiseindustrie, die Frei- zeitbranche, Banken, der öffentliche Sektor und viele weitere Marktzweige haben die Vorteile der Kundenintegration in den Leistungserstellungsprozess erkannt (vgl. All 2008, WWW). Transport- und Logistikdienstleister wie die Deutsche Bahn oder Internetversandhändler bie- ten dem „Kunden von morgen“ technologische Raffinessen wie z. B. virtuelle Entscheidungs- hilfen oder Touchscreens an (vgl. Scheriau 2010, WWW), um ihn so an der eigenen Leis- tungserstellung zu beteiligen und veraltete Geschäftsprozesse neu strukturieren zu können.

Hinter dieser Entwicklung verbergen sich jedoch Konsequenzen, die sich insbesondere zu Lasten des Kunden auswirken können. Denn er darf nicht nur, er muss sogar zum KoProduzenten seiner eigenen nachgefragten Leistung werden, da ihm die Unternehmen sukzessive die Alternative „Servicekraft“ entziehen (vgl. Coulter 2009, WWW). Darüber hinaus setzt die Bedienung der Technik Wissen voraus, was den Nutzer teilweise eher über- als herausfordern kann. Wann ist jedoch der Kunde bereit eine Self-Service Technologie zu benutzen und sich dadurch an der Wertschöpfungskette zu beteiligen?

Ausgehend von dieser Frage war deshalb für Forschung und Praxis das Zustandekommen menschlichen Verhaltens und seit Mitte der 70er Jahre (vgl. Compeau/Higgins 1995, S. 189) besonders die Untersuchung der Akzeptanz von Innovationen interessant. Hierbei wurden die Unterschiede zwischen individueller (vgl. Compeau/Higgins 1995, S. 189), gruppenbezogener (vgl. Sambamurthy/Chin 1994, S. 216) und organisationaler Akzeptanz (vgl. Leonard-Bar- ton/Deschamps 1988, S. 1252) herausgearbeitet. Es wurde untersucht, auf welche Weise Individuen Technik adoptieren und wovon eine erfolgreiche Adoption abhängt.

Das Resultat dieser Untersuchungen ist ein umfassendes Repertoire an Modellen und Theo- rien, die mehr oder weniger prominente Sets von Einflussfaktoren enthalten und allesamt Anspruch auf erklärte Varianz erheben. Die bekanntesten sind die Theory of Reasoned Action (TRA), die Theory of Planned Behavior (TPB), das Technology Acceptance Model (TAM), die Innovation Diffusion Theory (IDT), die Social Cognitive Theory (SCT) und die Unified Theory of Acceptance and Use of Technology (UTAUT). Sie wurden im Zuge der Forschung immer wieder erweitert und konsolidiert. Ihr zentraler Untersuchungsgegenstand, die Erklä- rung des individuellen, menschlichen Verhaltens, blieb dabei jedoch bestehen.

Die einflussreichste Theorie der Verhaltensforschung, die Theory of Reasoned Action, führt die Verhaltensabsicht des Individuums, beispielsweise eine Self-Service Technologie zu nutzen, auf dessen Einstellung zu diesem Verhalten und seine subjektiven Normen zurück (vgl. Fishbein/Ajzen 1975, S. 301). Die Theory of Planned Behavior ergänzt diese Theorie später um die wahrgenommene Verhaltenskontrolle. Dadurch wurden auch Verhaltensweisen erklärbar, die nicht allein dem freien Willen unterliegen (vgl. Ajzen 1985, S. 24 f.). Beide Theorien gehen zur Untersuchung des menschlichen Verhaltens vom Individuum aus, während das Technology Acceptance Model hierfür die Technologieperspektive einnimmt und damit speziell das Adoptionsverhalten in Bezug auf Technologien hinterfragt.

Hierbei ist die Übernahme einer Technologie primär davon abhängig, wie nützlich und leicht bedienbar sie zur Erfüllung der Arbeitsaufgaben wahrgenommen wird (vgl. Davis 1989, S. 320). Das Modell besticht besonders durch seinen hohen erklärten Varianzanteil. Die Faktoren, leichte Bedienbarkeit und Nützlichkeit haben sich deshalb in der Forschung als gut prognostizierend und sehr beliebt erwiesen (vgl. Venkatesh/Bala 2008, S. 276).

Innerhalb der Innovation Diffusion Theory sind die wahrgenommenen Eigenschaften der Innovation eine der wichtigsten Variablengruppen zur Erklärung der Adoptionsrate. Sie beeinflussen bis zu 87 % der Adoptionsgeschwindigkeit (vgl. Rogers 2003, S. 221 ff.). Zu ihnen zählen der relative Vorteil einer Innovation, ihre Kompatibilität mit bisherigen Erfahrungen und Werten, ihre einfache Bedienbarkeit sowie die Möglichkeit, sie zu beobachten, anderen erklären zu können und im Vorfeld zu testen (vgl. Rogers 2003, S. 221 ff.).

Die Social Cognitive Theory erklärt hingegen das Zustandekommen menschlichen Verhaltens aus ganzheitlicher Perspektive. So entsteht laut Bandura (2001) individuelles Verhalten als Summe verschiedener, sich untereinander beeinflussender Faktoren. Das Individuum, sein eigenes Verhalten und die Umwelt, in der es lebt, bedingen sich jeweils gegenseitig. Der Einfluss der Variablen muss dabei weder in der gleichen Stärke noch simultan auftreten. Die- ser triadisch reziproke Determinismus wurde in der Vergangenheit, insbesondere zur Untersu- chung der Akzeptanz von Technologien (vgl. Bandura 1989, S. 2 ff.; Compeau/Higgins 1995, S. 190 f.), diversen Erweiterungen unterzogen.

Schließlich machte sich die Unified Theory of Acceptance and Use of Technology innerhalb der Verhaltensforschung einen Namen, weil sie die Determinanten und Moderatoren acht verschiedener Verhaltenstheorien konsolidiert und somit die zentralen Erkenntnisse innerhalb der Akzeptanzforschung zusammenfasst (vgl. Venkatesh et al. 2003, S. 425).

Die genannten Theorien stellen jedoch allesamt Pro-Innovationsansätze dar. Sie gehen im Hinblick auf technologische Innovationen per se von ihrer Akzeptanz aus und vernachlässigen somit die Untersuchung von Ursachen, die zu einer Ablehnung der Technologie führen. Dadurch werden potenzielle Determinanten, die ein Verhalten wie z. B. die Nicht-Nutzung einer Self-Service Technologie erklären könnten, übersehen beziehungsweise erst gar nicht beachtet (vgl. Ellen et al. 1991, S. 297 f.). Durch die implizite Annahme, dass sämtliche Mit- glieder eines sozialen Systems eine Innovation letztlich adoptieren (vgl. Rogers 2003, S. 106), wird weder ein mögliches Ablehnen der Technologie in Erwägung gezogen, noch wird unter- sucht, ob und warum sich Resistenz bereits im Vorfeld bei Konsumenten aufbaut. „Pro Inno- vation“ ist ein beliebter Blickwinkel, weil er danach fragt, wie etwas sein soll, damit ein er- wünschtes Verhalten eintritt, dabei jedoch vernachlässigt, was nicht sein darf, um einer uner- wünschten Nutzungsunterlassung vorzubeugen.

Die daraus resultierenden Konsequenzen können enorm sein. So berichten McKinsey & Company von der Implementierung einer Self-Service Technologie, mit deren Einsatz ver- sucht wurde 40 Millionen Dollar einzusparen. Das Unternehmen fuhr jedoch 16 Millionen Dollar Verlust ein, weil die Technik von den Kunden weniger akzeptiert wurde als angenom- men (vgl. Meuter et al. 2005, S. 61). Unter diesen Umständen kann Resistenz dazu führen, dass Unternehmen ihre Ziele nicht erreichen und im schlimmsten Fall sogar eine Kostenex- plosion erzeugen, da sie nunmehr parallel zur Servicekraft eine wenig akzeptierte Methode der Dienstleistungserbringung unterstützen müssen (vgl. Ellen et al. 1991, S. 297). Die De- terminanten der Akzeptanzforschung wie der relative Vorteil, die Nützlichkeit und einfache Bedienung einer Technologie können starke Prädikatoren für eine Adoption sein. Mit einer ausschließlichen Betrachtung der Adoptionshintergründe bleibt jedoch die Frage offen, warum nicht die gesamte Zielgruppe die Neuerung übernahm.

Ram und Sheth erkannten bereits in den 80er Jahren die Notwendigkeit eines Perspektivwech- sels und sahen „…one of the major causes for market failure of innovations is the resistance from consumers…“ (Ram/Sheth 1989, S. 6). Seitdem findet Resistenz in der Literaturland- schaft immer wieder Beachtung, insbesondere wenn es darum geht, den „Anti-Konsumenten“ zu untersuchen (vgl. Kleijnen et al. 2009, S. 345). Intensive Einblicke in ihre Entstehung, Be- deutung und Steuerung blieben bisher jedoch aus (vgl. LaPointe/Rivard 2005, S. 462). Dar- über hinaus hat sich bis dato kein einheitliches Begriffsverständnis durchgesetzt. So werden Resistenz und Akzeptanz, respektive Rejektion und Adoption, einerseits als zwei Pole eines Kontinuums verstanden, an denen eine Innovation entweder bejaht oder verneint wird (vgl. Binsack 2003, S. 10). Andererseits wird diese Abgrenzung in Frage gestellt (vgl. Lauer/Raja- gopalan 2003, S. 2; Bhattacherjee/Hikmet 2007, S. 1; Gatignon/Robertson 1989, S. 45).

Auch hinsichtlich ihrer Einordnung als Verhalten, Verkörperung von Verhalten und Einstellung oder als reine Einstellung besteht Uneinigkeit. Zunächst wurde Resistenz als Verhalten und erst später als Einstellung untersucht (vgl. Haber 2008, S. 21). Im Mittelpunkt dieser Untersuchungen standen dabei die Resistenz gegenüber Veränderungen im Allgemeinen (vgl. Oreg 2003, S. 680), gegenüber der IT-Implementierung im organisationalen Kontext (vgl. Marakas/Hornik 1996, S. 208; Laukkanen 2008, S. 3; Kim/Kankanhalli 2009, S. 567) oder gegenüber Innovationen (vgl. Bagozzi/Lee 1999, S. 218; Kleijnen et al. 2009, S. 344). Eine umfassende Darstellung der Resistenz gegenüber speziellen technologischen Innovationen, wie den Self-Service Technologien, fehlt jedoch bislang.

Es gelang bisher nur Ram auf Grundlage der Arbeiten von Sheth, ein Modell zur Operationa- lisierung der Resistenz gegenüber innovativen Produkten aufzustellen (vgl. Ram 1989, S. 23 ff.). In weiteren Arbeiten identifizierten sie gemeinsam verschiedene strukturelle Adop- tionsbarrieren und schlussfolgerten „the more radical the innovation, the greater the structural barriers and therefore the greater the resistance“ (Ram/Sheth 1990, S. 4). Die Resistenz wurde jedoch vorwiegend in Bezug auf die Einführung neuer Produkte zur Steigerung der Arbeitsef- fizienz analysiert (vgl. Ram 1989, S. 20; Szmigin/Foxall 1998, S. 459; Binsack 2003, S. 1 f.).

Dabei näherte man sich der Resistenz in bisherigen Untersuchungen über verschiedene Her- angehensweisen. So wurden Ursachen von Resistenz gegenüber Veränderungen im Allgemei- nen, gegenüber organisationalen IT-Implementierungen und Innovationen einerseits losgelöst von den Erkenntnissen der Akzeptanzforschung untersucht (vgl. Ellen et al. 1991, S. 298) und andererseits mit Hilfe der Variablen aus der Akzeptanzforschung ermittelt (vgl. Oreg 2006, S. 81; Haber 2008, S. 139 ff.; Garcia et al. 2007, S. 88).

Eine weitere Methode mit dem Konstrukt Resistenz umzugehen, besteht in einer bewussten Infragestellung ihrer Bedeutung. Hierbei geht man davon aus, dass die Nicht-Adoption einer Innovation höchstens temporär existiert und langfristig jede Neuerung übernommen wird (vgl. Rogers 2003, S. 214; Szmigin/Foxall 1998, S. 459).

Bis auf letztgenannte können diese Herangehensweisen erste Ansätze zur Ergründung der Resistenzursachen gegenüber Self-Service Technologien sein. So werden z. B. Faktoren aus der Akzeptanzforschung, wie die subjektiven Normen und die Komplexität, in Form eines abratenden Umfelds und einer komplex wahrgenommenen Bedienung eher zu Resistenz als zu Akzeptanz führen. Es reicht jedoch nicht aus, allein die Akzeptanzvariablen heranzuzie- hen, um die Entstehung von Resistenz und ihr Set an Ursachen erfassen zu können.

Angenommen, die gut prognostizierenden Akzeptanzvariablen des Technology Acceptance Models werden in ihrer Ausprägung als positiv wahrgenommen, d. h. als einfach bedienbar und sehr nützlich. Zusätzlich verbindet der Kunde mit der Benutzung der Self-Service Tech- nologie kein Risiko und auch sonst stehen keine weiteren Argumente aus der Akzeptanzfor- schung einer Adoption entgegen. Wie würde sich sein Verhalten erklären lassen, wenn er trotz dessen weder beabsichtigt die Technologie auszuprobieren noch zu nutzen? Weil er die Tech- nologienutzung als einfach, nützlich und risikofrei wahrnimmt, muss er sie schlussendlich auch adoptieren wollen? Folgt man der Akzeptanzforschung würde der Technologie hier ein Adopter gegenüberstehen, was der Realität aber zum Teil widerspricht.

Insofern leistet die Ergründung dieses Themas einen Beitrag zur Beantwortung der Frage, warum Self-Service Technologien am Markt weniger stark adoptiert werden als angenommen. Dabei werden die Autoren die Erkenntnisse der Akzeptanzforschung zwar nicht vernachlässigen, primär jedoch danach fragen, wann und wie ablehnendes menschliches Verhalten, auch unabhängig von den Ergebnissen der Akzeptanzforschung, zustande kommt. Denn Resistenz bedingende Ursachen können über jene, die Akzeptanz begünstigen, weit hinausgehen (vgl. Haber 2008, S. 167 f.; Lauer/Rajagopalan 2003, S. 3).

1.2 Ziel und Aufbau der Arbeit

Im Fokus dieser Arbeit steht die Untersuchung der Resistenz als Einstellung gegenüber SelfService Technologien. Dabei kommt der Einstellung eine besondere Bedeutung zu, da sie als eine der stärksten Prädikatoren des menschlichen Verhaltens diagnostiziert wurde (vgl. Ajzen 1991, S. 188 f.). Besonders für Praktiker ist die Ermittlung ihrer Ursachen von Interesse, damit sie resistentem Verhalten zukünftig entgegenwirken können.

Für die Bildung einer resistenten Einstellung können Merkmale der Innovation, des Konsu- menten und der Umwelt verantwortlich sein. Zur Ergründung der Ursachen wird in dieser Arbeit die Adopterperspektive eingenommen und somit erfragt, welche wahrgenommenen Merkmale der Innovation, der Umwelt und des Konsumenten, Resistenz auslösen können.

Ziel dieser Arbeit ist jedoch, jene Ursachen resistenter Einstellung zu ermitteln, die sich im Konsumenten selbst befinden, in Abhängigkeit von der jeweiligen Situation entstehen und sich als ursächlich für die Resistenzbildung erweisen. Hierbei spielen vor allem seine situationsabhängigen Empfindungen und Reaktionen, die sogenannten „states“ und weniger seine individuellen Charaktereigenschaften bzw. „traits“, eine Rolle. Dies geschieht vor dem Hintergrund, dass man situativen Einflussgrößen begegnen und sie dadurch verändern kann, während Charakterzüge stets als unveränderlich hingenommen werden müssen (vgl. Webster/Martocchio 1992, S. 203 f.; Igbaria/Iivari 1995, S. 592). Zusammenfassend stellen sich deshalb folgende, im Verlauf der Arbeit zu beantwortende Fragen:

1) Welche Theorien beschreiben das menschliche Verhalten und dienen deshalb dazu, Ursachen der Resistenz gegenüber Self-Service Technologien abzuleiten?
2) Welche konkreten Ursachen lassen sich aus diesen Theorien herleiten?
3) Wie können sich diese Ursachen auf die Bildung der Resistenz als Einstellung gegen- über Self-Service Technologien auswirken?
4) Welche Variablen könnten eine Kausalbeziehung zwischen den identifizierten Resis- tenzursachen verstärken oder abschwächen?
5) Wie können Anbieter von Self-Service Technologien Resistenz bereits vor der Einfüh- rung verhindern oder reduzieren?

Um diese Fragen zu beantworten, wird in Kapitel 2 zunächst der Begriff Self-Service Techno- logie genauer betrachtet. Denn bereits ihre Merkmale können Aufschluss darüber geben, warum ihnen mit Abneigung begegnet wird. Anschließend werden die verschiedenen Interpretationen von Resistenz erfasst und zu einem einheitlichen Begriff konsolidiert.

Auf diesem Begriffsfundament aufbauend, werden sich die Autoren in Kapitel 3 der Entstehung von Resistenz mit Hilfe verschiedener Verhaltenstheorien nähern. Sie begründen das Zustandekommen menschlichen Verhaltens und können deshalb Einblicke geben, wie und warum sich individuelle Widerstände gegenüber Self-Service Technologien entwickeln. Hierbei ist besonders die individuelle Resistenz von Interesse, die sich bereits vor der Nutzung einer Technologie bildet. Aus diesen Erkenntnissen werden schließlich geeignete Ursachen zur Erklärung der Resistenz abgeleitet und zusammengefasst.

Zusätzlich zu dieser theoriegeleiteten Ermittlung der Resistenzursachen wurde eine qualitative Untersuchung durchgeführt, deren Ablauf und Ergebnisse in diesem Kapitel vorgestellt wer- den. Sie diente dem Zweck, die authentischen Resistenzursachen zu ermitteln, die tagtäglich die Adoption und Nutzung einer Self-Service Technologie verhindern. Ein Vergleich der identifizierten Ursachen aus der qualitativen Untersuchung mit den Resistenzmotiven der Theorieanalyse ermöglicht es, Begriffe erneut zusammenzuführen, um Redundanzen zu ver- meiden und nicht-zuordenbare oder möglicherweise noch unbekannte Ursachen aufzudecken.

Die mit Hilfe der Theorien und der qualitativen Untersuchung ermittelten Ursachen werden schließlich in Kapitel 4 einer genaueren Begutachtung unterzogen. Ziel ist es hier, ihre kausa- len Zusammenhänge im Hinblick auf die Entstehung von Resistenz theoretisch zu beschreiben und zu einem Gesamtmodell zusammenzuführen. Bei der Betrachtung der einzelnen Bezie- hungen werden darüber hinaus auch mögliche Moderatoreneffekte berücksichtigt.

Nach einer Zusammenfassung der wichtigsten Erkenntnisse wird in Kapitel 5 die theoriegeleitete Ursachenanalyse bewertet. Daraus ergeben sich relevante Implikationen für die Forschung und Praxis, weshalb einerseits die Grenzen der Untersuchung und weitere Forschungsanstrengungen aufgezeigt werden. Andererseits geben formulierte Handlungsmaßnahmen und eine erstellte Checkliste den Unternehmen die Möglichkeit, bereits vor der Einführung einer neuen Self-Service Technologie der Entstehung von Resistenz vorzubeugen.

2 Charakterisierung und Einordnung der Begriffe Resistenz und Self-Service Technologie

Die Grundlage zur Beantwortung der gestellten Fragen bildet eine genauere Begutachtung der Begriffe Self-Service Technologie und Resistenz. Deshalb werden im Folgenden einerseits die Formen der Self-Service Technologie und ihr Innovationscharakter eingehender betrachtet. Andererseits werden auch ihre Vor- und Nachteile näher vorgestellt, da sich ihr Einsatz für die Unternehmen und Konsumenten als Segen oder Last erweisen kann. Eine nachfolgende Unterscheidung zwischen Resistenz und Akzeptanz sowie ein genauerer Blick auf die Formen der Resistenz sollen darüber hinaus sicherstellen, dass ausschließlich jene Ursachen identifiziert werden, die zu einer resistenten Einstellung führen.

2.1 Self-Service Technologien - Dienstleistung des 21. Jahrhunderts

Der steigende Kostendruck in vielen Wirtschaftsbereichen (vgl. Klein-Boelting 2009, S. 6) stellt die Anbieter von Dienstleistungen vor immer neue Herausforderungen. Dabei haben sich mit Beginn des 21. Jahrhunderts Self-Service Technologien als lukrative Alternative zur Servicekraft herausgestellt (vgl. Harms 2003, S. 1). Sie bieten den Unternehmen die Möglich- keit, Kosteneinsparungen und Effizienzsteigerungen zu realisieren (vgl. Salomann 2008, S. 30), indem sie den Konsumenten mit Hilfe von Technik aktiv in die Wertschöpfungskette einbinden. So setzt beispielsweise das Möbelhaus IKEA inzwischen Selbstbedienungskassen ein und bietet somit seinen Kunden die Möglichkeit, ihre vor Ort getätigten Einkäufe selbst einzuscannen und ohne Mitwirkung eines Mitarbeiters zu bezahlen. Das auf diese Art frei gewordene Personal kann nun andere Aufgaben übernehmen.

2.1.1 Formen der Self-Service Technologie

Der Begriff Self-Service Technology wurde in der Literatur bisher noch keiner abschließenden Definition unterzogen. Er wird häufig synonym mit „Technology Based Self-Service“ ver- wendet, wobei letzteres den Fokus stärker auf die erbrachte Dienstleistung als auf die verwen- dete Technik legt (vgl. Wang/Namen 2004, S. 4). In der vorliegenden Untersuchung soll je- doch die Resistenz gegenüber der Technik zur Erbringung eines Self-Services im Mittelpunkt stehen. Deshalb wurde sich bewusst für den Ausdruck Self-Service Technologie entschieden. Die Wortgruppe Self-Service Technology besteht aus drei Elementen mit jeweils eigenständi- ger Bedeutung. Eine separate Analyse und anschließende Synthese dieser drei Wendungen könnte zur Entstehung einer Definition des Begriffs Self-Service Technologie beitragen.

Technology bildet als letztes Wort der Wortgruppe das Hauptbezugswort und somit die Basis für eine Definition. Es bedeutet wörtlich übersetzt Technik, wird aber auch als „Technologie“ bezeichnet. Obwohl letzteres genau genommen „die Lehre von der Technik“ darstellt, werden die Begriffe Technik und Technologie häufig synonym verwendet. Das Langenscheidt Fremd- wörterbuch (2009, WWW) bezeichnet Technik unter anderem als „…Verfahren und Maschi- nen, die dazu dienen, die Natur dem Menschen nutzbar zu machen“. Diese Auslegung ist jedoch für eine Definition von Self-Service Technologie sehr weitreichend und muss in einen Kontext gebracht werden, welchen die verbleibenden Wörter „Self“ und „Service“ liefern.

Das Wort Service wird im deutschen Sprachraum inzwischen wie ein einheimisches Wort verwendet, stammt jedoch ursprünglich aus dem anglo-amerikanischen Raum. Es wird mit Dienstleistung übersetzt und findet damit die gleiche Bedeutung, wie sein deutsches Äquivalent. Corsten (vgl. 1985, S. 186) bezeichnet Dienstleistungen sehr weit gefasst als zeitraumoder zeitpunktbezogene immaterielle Leistungen

- „ … bei denen der Leistungsnehmer die Teilnahme in der Faktorkombination nachfragt und dabei selbst Produktionsfaktor wird…“ und
- „ … die von personellen oder materiellen Leistungsträgern an einem personellen oder materiellen Objekt, das sich nicht im uneingeschränkten Verfügungsbereich des Leistungsträgers befindet, erbracht werden…“.

Diese Definition verdeutlicht den Unterschied zu Gütern und zeigt, dass bei Services die Verrichtung einer Leistung und nicht das Ergebnis im Mittelpunkt der Betrachtung steht.

Auch der Begriff Self entstammt dem Englischen und bedeutet ins Deutsche übersetzt „selbst“. Dieses „selbst“ hat jedoch allein stehend keine Aussagekraft und benötigt für eine Interpretation grundsätzlich einen Bezug. Grammatikalisch betrachtet bezieht es sich im Satz stets auf das Subjekt und damit entweder auf die handelnde Person oder auf das Objekt, an dem eine Handlung vorgenommen wird.

Unternimmt man den Versuch einer Synthese und bringt die Wörter Self und Service miteinander in Verbindung, bezeichnet Self-Service einen Prozess, bei dem der Leistungsnehmer oder Nutzer eine Dienstleistung an sich selbst verrichtet.

Der ehemalige Leistungsgeber der klassischen Dienstleistung wird bei Self-Services zu einer außenstehenden Person, mit der kein direkter Kontakt mehr notwendig ist. Er stellt stattdessen materielle Leistungsgeber, die Self-Service Technologien, zur Verfügung, welche die Leistun- gen in Interaktion mit dem Kunden erstellen. Aus diesem Grund zeichnen sich Self-Services in der Regel durch zwei Leistungsgeber aus, den Kunden und der Self-Service Technologie.

Somit werden Self-Service Technologien als materielle Leistungsgeber (Maschinen, Automa ten etc.) definiert, die eine Dienstleistung, teilweise oder vollständig automatisiert, in Interaktion mit dem Kunden erstellen.

Sie werden in der Literatur in drei verschiedene Klassen eingeteilt, wobei die verwendete Technik häufig als Basis dient (vgl. Harms 2002, S. 36 f.). Der Kioskterminal bietet Kunden die Möglichkeit, Informationen über öffentlich bereitgestellte Systeme abzurufen oder Transaktionen durchzuführen (vgl. Fischer 2004). Die Palette der Kioskterminals reicht von einfachen Selbstbedienungsautomaten, bei denen die Bereitstellung eines Gutes im Vordergrund steht, bis hin zu komplexen, multimedialen und interaktiven Transaktionsterminals. So werden Snack- und Kaffeeautomaten ebenso unter dem Begriff Kioskterminal erfasst, wie CheckIn-Terminals am Flughafen oder Banküberweisungsautomaten.

Sprachverarbeitungssysteme ermöglichen es, Serviceanfragen zu strukturieren, bevor es zu einem direkten Kontakt mit einem Servicemitarbeiter kommt. Sie kombinieren Daten und Sprache miteinander und stellen sie dem Kunden auf Abruf zur Verfügung. Oft wird dadurch der Kontakt mit dem Servicepersonal unnötig, da die gesuchte Information bereits im System vorhanden ist (vgl. Harms 2002, S. 36 f.). Sprachverarbeitungssysteme finden ihren Einsatz häufig in Form von Hotlines oder Bestellannahmen.

Das Internet stellt an sich weder einen Service noch eine eigenständige Technik dar. Bestimmte angebotene Online-Services können jedoch als Self-Services im Internet angesehen werden, sofern der Kunde einen automatisierten Prozess zur Befriedigung eigener Bedürfnisse nutzt, welcher auf die Verwendung von Hard- und Software angewiesen ist. In diesem Fall erfüllen Online-Self-Services die Eigenschaften von Self-Service Technologien und werden deshalb als eigene Form aufgenommen. Sie stellen aufgrund ihres zunehmenden Einsatzes das umfangreichste Informations- und Leistungsmedium dar und erlauben es dem Konsumenten, die Dienstleistung unabhängig von Ort und Zeit nachzufragen.

Auffällig ist, dass sich im Verlauf vom Kioskterminal zum Internet die Bereitstellung der verwendeten Technik schrittweise vom Unternehmen zum Kunden verlagert (vgl. Harms 2002, S. 36 f.). Während diese beim Kioskterminal noch vollständig durch das Unternehmen bereitgestellt wird, muss der Konsument zur Nutzung von Sprachverarbeitungssystemen be- reits über ein Telefon verfügen und bei der Inanspruchnahme von Online-Self-Services sogar einen Computer inklusive Internetzugang besitzen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1 Klassifizierung und Beispiele von Self-Service Technologien (angelehnt an Meuter et al. 2000, S. 52; Harms 2002, S. 40 f.)

Eine weitere Einteilung von Self-Service Technologien folgt dem Zweck ihrer Nutzung (vgl. Meuter et al. 2000, S. 52). Hierbei entscheidet die Form der Kundenintegration in den Dienst- leistungserstellungsprozess, inwieweit die Self-Service Technologie einen Informations-, Kommunikations- oder Transaktionszweck erfüllt. Hat der Nutzer einer Self-Service Techno- logie lediglich Bedarf nach einer Auskunft, so nutzt er die Self-Service Technologie zum Zweck der Informationsaufnahme. Hierbei sind in der Regel keine personengebundenen Ein- gaben erforderlich, z. B. Tourist-Information. In diesem Fall ist die Kommunikation fast aus- schließlich unidirektional in Richtung des Benutzers. Ist hingegen eine interaktive Kommuni- kation zwischen Bediener und Self-Service Technologie für die Erstellung der Dienstleistung notwendig, erfüllt diese zumindest einen Kommunikationszweck, z. B. Telefonauskunft. Mündet die Nutzung der Technik schließlich direkt in eine Handlung, besitzt die Self-Service Technologie einen Transaktionscharakter, z. B. Online Banking.

2.1.2 Self-Service Technologien als Innovation

Rogers (2003, S. 12) definiert eine Innovation als „ …an idea, practice, or object that is per- ceived as new by an individual or other unit of adoption“. Der Innovationscharakter einer Self-Service Technologie wird demnach einzig vom Konsumenten verliehen, wenn er sie als Neuheit wahrnimmt. Dies wird wiederum dann der Fall sein, wenn er in ihr eine Abweichung zum aktuellen bzw. bekannten Zustand entdeckt (vgl. Schmalen/Pechtl 1996, S. 822). Aus diesem Grund kann eine Innovation selbst dann gegeben sein, wenn lediglich minimale Ver- änderungen an der Funktion eines bestehenden Produktes bzw. der Erbringung einer Dienstleistung vorgenommen wurden, das Produkt oder die Dienstleistung schon länger am Markt verfügbar ist und ihn bereits durchdrungen hat (vgl. Robertson 1971, S. 6).

Robertson (vgl. 1971, S. 7) teilt Innovationen in drei unterschiedliche Kategorien ein:

- Kontinuierliche Innovationen zeichnen sich durch marginale Veränderungen an bestehenden Produkten oder Dienstleistungen aus. So genügt es bereits, die Farbe eines Logos zu verändern, um eine kontinuierliche Innovation zu erschaffen.
- Dynamisch-kontinuierliche Innovationen ziehen bereits einen deutlichen Anpassungsaufwand beim Konsumenten nach sich, lassen allerdings den Ursprung der Innovation noch erkennen. Mobiltelefone haben beispielsweise das Telefonierverhalten deutlich verändert, sind aber immer noch deutlich als Telefon erkennbar.
- Diskontinuierliche Innovationen verlangen dem Konsumenten hingegen eine völlig neue Denkhaltung und Handhabung ab. Diese Produkte oder Dienstleistungen zeichnen sich durch völlig neue Merkmale aus und stellen dadurch eine noch nie dagewesene Form der Bedürfnisbefriedigung bereit. Als Beispiel sei hierfür der Buchdruck mit beweglichen Lettern genannt, der das Buch allgemein verfügbar machte.

Wie bei jedem Kontinuum sind auch hier die Übergänge zwischen den Kategorien fließend, weshalb die Einordnung einer Innovation in eine der drei Kategorien von Person zu Person variieren kann. Es entscheidet jedoch allein ihr Kenntnisstand in Bezug auf die Existenz der Self-Service Technologie, ob sie vom Individuum überhaupt als Innovation wahrgenommen wird. Kennt ein Konsument die Self-Service Technologie bereits, wird er sie nicht als neu und demzufolge auch nicht als Innovation wahrnehmen. Da in der vorliegenden Arbeit allerdings diejenige Resistenz untersucht wird, die zum Zeitpunkt der Einführung einer Self-Service Technologie entsteht, wird im Weiteren davon ausgegangen, dass die Konsumenten ihr einen Innovationscharakter zuschreiben.

2.1.3 Segen oder Last

Der Einsatz von Self-Service Technologien ist sowohl für Unternehmen als auch Konsumen- ten mit Vor- und Nachteilen verbunden. Investiert ein Dienstleistungsanbieter in Self-Service Technologien, kann er nicht nur seine Arbeitsprozesse effizienter gestalten und dadurch Kos- ten einsparen, sondern auch die Zufriedenheit seiner Kunden erh ö hen, indem er ihren Erwar- tungen gerecht wird. Diese werden es dem Anbieter danken, indem sie sich an seinen Service binden und ihm dadurch sichere Einnahmen generieren. Zusätzlich eröffnen insbesondere Online-Services die Möglichkeit, neue Kundensegmente zu erschließen. Die exakte Höhe der Kosteneinsparungen lässt sich zwar nicht genau beziffern, dennoch haben Studien ergeben, dass die möglichen Einsparungen im Vergleich zur Servicekraft zwischen einem Faktor von 20 und 1000 liegen (vgl. Saloman 2008, S. 30 ff.; Caterinicchia 2007, S. 101). Diese Vorteile lassen sich für die Unternehmen erreichen, indem sie den ehemaligen Kunden als produzierenden Konsumenten bzw. Prosumenten seiner nachgefragten Dienstleistung einsetzen und somit in die Wertschöpfungskette integrieren (vgl. Meuter et al. 2005, S. 63).

Geben sie schließlich die eingesparten Kosten über einen reduzierten Preis an ihn weiter, ver- bindet auch der Konsument einen Vorteil mit der Self-Service Technologie. Darüber hinaus können Prosumenten mit der Benutzung von Self-Service Technologien aktiv an der Leis- tungserstellung teilnehmen, wodurch sie nicht nur das Gefühl verspüren, ihre Zeit effizienter zu nutzen, sondern auch ihr Streben nach Unabhängigkeit erfüllen. Sie können einerseits zu jeder Zeit in den Prozess eingreifen und haben dadurch die Kontrolle über den Verlauf und das Ergebnis der Nutzung (vgl. Saloman 2008, S. 35). Andererseits haben sie die Möglichkeit, die Dienstleistung sowohl „ anywhere “ als auch „ anytime “ nachzufragen und sind dadurch weder an Filialstandorte noch an Öffnungszeiten gebunden (vgl. Meuter et al. 2000, S. 55 f.).

Bevor jedoch diese Vorteile für Konsumenten und Unternehmen entstehen, ist es notwendig, dass Nachfrager die Self-Service Technologie nicht nur akzeptieren, sondern auch adoptieren. Eine Adoption bringt allerdings für beide Marktteilnehmer auch Nachteile mit sich. So wird der Konsument infolge einer Substitution von Servicekräften durch Self-Service Technolo- gien förmlich zur Aktivität gezwungen, womit die Dienstleistung für ihn an Komfort verliert. Hinzu kommt, dass ihm bei der Bedienung häufig niemand zur Seite steht. Dadurch muss er nicht nur auf die pers ö nliche Kommunikation mit einer Servicekraft verzichten, sondern auch bei auftretenden Fehlern allein zurechtkommen (vgl. Gelbrich 2009, S. 42).

Aufgrund des Self-Serving Bias ‘ wird der Konsument diese Fehler wiederum dem Anbieter der Self-Service Technologie zuschreiben (vgl. Bendapudi/Leone 2003, S. 15) und sich von ihm oder einer weiteren Nutzung distanzieren. Die Fehler könnten einen Imageverlust zur Folge haben und dazu führen, dass die Self-Service Technologie nicht in dem Maße adoptiert wird, wie es das Unternehmen annahm. Dadurch werden die angestrebten Effizienzsteigerungen nicht erreicht und Kosten produziert, die sich nicht amortisieren lassen.

Um einen derartigen Worst-Case zu verhindern, ist es zwingend erforderlich, die Self-Service Technologie in den Augen des Konsumenten so attraktiv wie möglich zu gestalten. Schafft es das Unternehmen nicht, die Self-Service Technologie mit Vorteilen für beide Parteien auszu- statten und ihre Nachteile zu kompensieren, kann sich ihr Einsatz nicht als Segen, sondern als Last entpuppen.

2.2 Resistenz - mehr als nur Verhalten

„Ca. 529000 Treffer“, so lautet die Antwort von Google bei der Suche nach Resistenz. Sie hinterlässt einen ersten Eindruck, wie häufig der Begriff verwendet wird, um dieser speziellen Reaktion auf ein Ereignis einen Namen zu geben. Gleichzeitig legt sie auch die Vermutung nahe, dass sich mehrere Wissenschaftsdisziplinen mit dem Begriff auseinandersetzen. Für ein umfassendes Verständnis hinsichtlich der Resistenz gegenüber Self-Service Technologien, soll sie deshalb zunächst aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet werden. Anschließend werden die verschiedenen Definitionen zu einem Resistenzbegriff vereinigt, um diesen der nachfolgenden Theorien- und Ursachenanalyse zugrunde zu legen.

2.2.1 Außerhalb der Betriebswirtschaftslehre

Etymologisch betrachtet ist der Begriff Resistenz am Anfang des 17. Jahrhunderts dem Wort „Resistentia“ bzw. „resistēns“ entlehnt worden und hat somit lateinische Wurzeln (vgl. Braun 1993, „Resistenz“). Er wurde als Ausdruck für Widerstand, des sich Widersetzens und Entgegenstellens eingeführt und zu Beginn vor allem durch das Militär verwendet (vgl. Brockhaus 2006, S. 35; Kluge 1995, S. 682). Bildungssprachlich wird unter Resistenz ebenfalls eine aktive Abwehrhaltung verstanden und kann deshalb ebenso mit Gegenwehr oder Widerstand übersetzt werden. Daneben werden synonym auch Begriffe wie Widerstandsfähigkeit, ausdauernd, hartnäckig oder zäh sein verwendet (vgl. Duden 2004, S. 713).

Auch die Biologie und Medizin bedienen sich des Resistenzbegriffs. Hier beschreibt er einen Zustand der Immunität gegenüber externen Einflüssen. So werden Organismen, die extremen Umweltbedingungen unbeschadet widerstehen können oder unempfindlich auf Giftstoffe reagieren, als besser angepasste Lebewesen und somit als resistent bezeichnet (vgl. Brockhaus 2006, S. 35). Diese Organismen können sowohl den Wirt als auch den Erreger verkörpern.

Selbst in der Informatik werden resistente Viren thematisiert, die sich unaufhaltsam im Arbeitsspeicher einnisten und den Computer schädigen (vgl. Janssen 2004, WWW). Darüber hinaus werden Systemarchitekturen, die sich als widerstandsfähig gegenüber Angriffen von außen erweisen, als resistent charakterisiert (vgl. Hildebrand 2003, S. 79).

Innerhalb der Physik hat hingegen das Wort „Resistanz“ eine Bedeutung mit Widerstandscha- rakter. Der elektrische Widerstand R gibt an, wie stark der Stromfluss durch das verwendete Leitmaterial gehemmt wird bzw. wie viel Widerstand überwunden werden muss, damit Strom fließen kann (vgl. Hering 2009, S. 167).

Aber auch in politischer und gesellschaftlicher Hinsicht versucht man, einen Zustand des sich Widersetzens zu umschreiben. In diesem Zusammenhang spricht man häufig von Widerstand gegenüber Besatzungsmächten oder der Wehr gegen die Unterdrückung von persönlicher Freiheit. Diese Haltung findet ihren Ausdruck unter anderem in der Résistance-Literatur, in der man sich auf poetisch-subtile Weise für mangelnde Menschenrechte stark machte (vgl. Brinkmann 2005, S. 10 f.).

Die Psychologie stellt jedoch zur Erklärung und Begründung von Resistenz alleinig den Men- schen und seine kognitiven Schemata in den Vordergrund. Unter Resistenz wird hier das prinzipielle Weigern zur Veränderung verstanden. Dieser Widerstand wird auf ein stark aus- geprägtes Sicherheitsbedürfnis „…and the tendency to protect one's self against the risk of change as a result of learning…” zurückgeführt (Diamond 1986, S. 543 f.). Dabei vertreten die psychologischen Schulen jeweils unterschiedliche Erklärungsansätze. Im Behaviorismus wird der Widerstand gegenüber Veränderungen allgemein als oppositionelles Verhalten inter- pretiert (vgl. Decker 1988, S. 74).

Innerhalb der Psychoanalyse, in der menschliches Verhalten auf negative Erfahrungen zurückgeführt wird, soll die Resistenz gegenüber einer Veränderung unerwünschte Zustände und Gefühle vermeiden. Dies bewahrt das eigene Selbst nicht nur vor Enttäuschung, sondern auch vor emotionalem Schmerz (vgl. Messer 2002, S. 158). Resistenz wird hier als Spiegelbild eines internen Konflikts betrachtet (vgl. Newman 2002, S. 166).

Die kognitive Psychologie begründet Widerstand gegenüber Veränderungen hingegen mit dem Drang zum Erhalt der Freiheit. Veränderung resultiert aus einer zuvor getätigten Entscheidung, bei der häufig eine alternative Wahlmöglichkeit und somit auch Freiheit aufgegeben werden müsste (vgl. Beutler 2002, S. 209 f.). Jene Intoleranz gegenüber Freiheitsverlusten hat zum Ziel, den Status Quo beizubehalten und somit die individuelle Autonomie und Persönlichkeit zu bewahren (vgl. Diamond 1986, S. 544).

Der Resistenzbegriff außerhalb der Betriebswirtschaftslehre kann somit zusammenfassend als Attribut beschrieben werden, mit dessen Hilfe sich der Eigenschaftsträger den Auswirkungenäußerer Einflüsse zu entziehen versucht.

2.2.2 Innerhalb der Betriebswirtschaftslehre

Auch innerhalb der Betriebswirtschaftslehre wird Resistenz aus mehreren Blickwinkeln be- trachtet. Selbst Ram und Sheth, als Vorreiter der Resistenzforschung (vgl. Kleijnen et al. 2009, S. 345), entziehen sich in ihren ersten Arbeiten einer Begriffsdefinition (vgl. Sheth 1981; Ram 1987). Erst in gemeinsamen Publikationen bezeichnen sie Resistenz zunächst als Verhalten (vgl. Ram/Sheth 1989, S. 6) und später als Einstellung (vgl. Ram/Sheth 1990, S. 9).

Resistenz als Verhalten

Dabei wurde Resistenz bereits vor ihren gemeinsamen Publikationen als „… any conduct that serves to maintain the status quo in the face of pressure to do otherwise“ bezeichnet (Zalt- man/Wallendorf 1983, S. 662). Dem schließen sich weitere Forscher an und definieren Resis- tenz als ein Verhalten, welches die Implementierung oder Nutzung eines Systems verhindern soll (vgl. Markus 1983, S. 433; Kim/Kankanhalli 2009, S. 568). Andere Autoren sprechen schlicht von Resistenzverhalten (vgl. LaPointe/Rivard 2005, S. 464), welches offen oder la- tent sein kann (vgl. Hirschheim/Newmann 1988, S. 398; Lauer/Rajagopalan 2003, S. 3 f., 8 f.; Price 2006, S. 23) und vielfältige Formen besitzt (vgl. Marakas/Hornik 1996, S. 209; Szmi- gin/Foxall 1998, S. 463 f.; Kleinen et a. 2009, S. 345). Gatignon und Roberston (vgl. 1989, S. 36) schreiben hingegen allgemein von ablehnenden Handlungen und verwenden den Be- griff „Rejection“ für ein abschlägiges Entscheidungsergebnis. Wieder andere Autoren entzie- hen sich einer direkten Definition, lassen jedoch über den Gebrauch des Wortes Resistenz auf eine Verwendung als Verhalten schließen (vgl. O’Connor et al. 1990; Garcia et al. 2007).

Nach dem Equity-Implementation Modeläußert sich resistentes Verhalten, wenn das Indivi- duum versucht, den eigenen Output aus dem alten System zu maximieren, indem es den eige- nen Input in das neue System minimiert. Ein resistentes Individuum wird daher so wenig wie möglich von einer Innovation Gebrauch machen, aber auch versuchen, andere davon zu über- zeugen, diese Innovation nicht zu nutzen. Dies hat zur Folge, dass es damit gleichzeitig den Output aller Individuen aus dem neuen System reduziert, die von seinem Input abhängig sind (vgl. Joshi 1991, S. 231). Diejenigen, die den größten Nutzen von der Innovation hätten, wer- den auf diese Weise um ihren Vorteil gebracht, während der Nutzen des resistenten Individu- ums steigt, indem es die alte, präferierte Alternative weiterhin konsumiert.

Resistenz als Einstellung

Binsack (vgl. 2003, S. 14) definiert Resistenz als eine erste spontane Reaktion, die zwar die Innovation nicht bewertet, aber zum Abbruch oder zur Verzögerung des Adoptionsprozesses führt. Resistenz wird auch als Persönlichkeitsmerkmal (vgl. Nov/Ye 2009, S. 1702) oder als kognitive Kraft verstanden, die den Status Quo sichern und Veränderungen verhindern soll (vgl. Bhattacherjee/Hikmet 2007, S. 3). In seiner Verwendung als Einstellung setzt sich das Konstrukt der Resistenz aus Gefühlen und Einschätzungen (affektiv), Meinungen und Überzeugungen (kognitiv) und der Verhaltensabsicht (konativ), z. B. bezüglich der Self-Service Technologie, zusammen (vgl. Oreg 2006, S. 74; Fishbein/Ajzen 1975, S. 11 ff.) und ist „…an evaluative response […] distinct from behavior“ (Ellen et al. 1991, S. 298).

Resistenz als Verhalten und Einstellung

Selbst Ram und Sheth waren sich nicht sicher, ob Resistenz ein Verhalten (vgl. Ram/Sheth 1989, S. 6) oder eine Einstellung (vgl. Ram/Sheth 1990, S. 9) sei. Es wurde jedoch erkannt, dass Resistenz mehrere Dimensionen besitzt (vgl. Penaloza/Price 1993, S. 123). Sie kann sich einerseits auf einem Kontinuum von Passivität zur Aktivitätäußern, anderseits aber auch durch Gemütszustände ausdrücken, die durch die Konfrontation mit einer Innovation ausge- löst werden (vgl. Martinko et al. 1996, S. 314). Resistenz gegenüber einer Innovation wird sogar als wahrscheinlichste Reaktion bezeichnet und ablehnendes Verhalten als mögliche Folge davon benannt (vgl. Bagozzi/Lee 1999, S. 219). Welches Verhalten allerdings genau entsteht, hängt von den Präferenzen des Individuums ab (vgl. Laukkanen et al. 2008, S. 2). Resistenz wird daher als ein psychologischer Vorgang mit einem korrespondierenden Verhal- ten definiert (vgl. Meissonier/Houze 2009, S. 3).

Resistenz als Einstellung wird im Weiteren als Bereitschaft verstanden, einem Objekt gegen- über ablehnend zu reagieren (vgl. Trommsdorff 1998, S. 143), aus der ein resistentes Verhal- ten folgt (vgl. Fishbein/Ajzen 1975, S. 316). Demzufolge wird Resistenz in der vorliegenden Arbeit als ein Konstrukt definiert, welches eine Einstellungs- und eine Verhaltenskomponente in sich trägt, die jeweils aktiv oder passiv sein kann. Dies bedeutet, dass auch bei einem Ver- ständnis der Resistenz als Verhalten implizit von zugrundeliegenden Einstellungen ausgegan- gen werden muss. So gesehen widersprechen sich die Autoren nicht in ihren unterschiedlichen Begriffsverständnissen, sondern legen lediglich den Fokus ihrer Arbeit auf unterschiedliche Manifestationen des gleichen Phänomens.

2.2.3 Resistenz versus Akzeptanz gegenüber Self-Service Technologien

Die Adoption von Self-Service Technologien erfolgt innerhalb eines fünfstufigen Prozesses, welcher mit der Knowledge Stage beginnt. In dieser ersten Phase kommt der potenzielle Adopter zum ersten Mal mit der Self-Service Technologie in Berührung und nimmt Informa- tionen über sie auf. Vorranging werden zu diesem Zeitpunkt Hinweise darüber gesammelt, was die Innovation kann und wie man sie bedient, um die kognitiv erfassten Eigenschaften anschließend zu bewerten. (vgl. Rogers 2003, S. 171 ff.).

In der zweiten Phase der Persuasion Stage finden hingegen überwiegend affektive Denkpro- zesse statt. Der Adopter verschafft sich einen Eindruck über die Self-Service Technologie und gewinnt, in Bezug auf diese Innovation, eine erste Meinung. Hierfür werden Informations- quellen hinsichtlich ihrer Glaubwürdigkeit bewertet und die kommunizierten Äußerungen, in Abhängigkeit vom Glaubwürdigkeitsurteil, interpretiert (vgl. Rogers 2003, S. 174 f.). In bei- den Phasen kann der Adopter aktiv nach Informationen suchen oder diese passiv rezipieren. Er stellt sich jedoch noch in dieser Phase für oder gegen die Self-Service Technologie ein.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1 Resistenz im Innovation-Decision-Process

Während sich die Einstellungskomponente von Resistenz oder Akzeptanz bisher in einem Aufbaustadium befand, liegt sie am Ende der Persuasion Stage gefestigt vor. Bereits mit dem Übergang in die dritte Phase der Decision Stage hat sich das Individuum für oder gegen eine Adoption der Self-Service Technologie entschieden und sucht lediglich nach weiteren Infor- mationen, um die getätigte Entscheidung zu bestärken. (vgl. Rogers 2003, S. 177 f.).

Innerhalb der Implementation Stage resultiert nun aus der gefestigt vorliegenden Einstellung in der Regel ein korrespondierendes Verhalten (vgl. Fishbein/Ajzen 1975, S. 316) wodurch die Verhaltenskomponente von Resistenz in Erscheinung tritt (vgl. Rogers 2003, S. 179). Der potenzielle Adopter wird die Innovation bei einer positiven Einstellung bzw. Akzeptanz in der Regel adoptieren (vgl. Binsack 2003, S. 9 f.) und somit die Self-Service Technologie nutzen. Fällt die Einstellung zur Self-Service Technologie jedoch negativ aus, hat sich Resistenz entwickelt, weshalb er die Self-Service Technologie mit hoher Wahrscheinlichkeit ablehnen und demzufolge nicht nutzen wird (vgl. Binsack 2003, S. 9 f.).

In der letzten Phase, der Confirmation Stage, versucht der Adopter bzw. Rejektor der SelfService Technologie schließlich seine vorangegangene Entscheidung und das daraus resultierende Verhalten zu rechtfertigen (vgl. Rogers 2003, S. 189). Hierfür sucht er erneut und gezielt nach bestätigenden Informationen, um mit ihrer Hilfe Konsonanz aufzubauen.

Die Phasen des Innovation-Decision-Prozesses müssen nicht, wie Abbildung 1 suggeriert, strikt voneinander getrennt sein. Sie können sich überlappen, teilweise sogar parallel verlau- fen und von unterschiedlicher Dauer sein (vgl. Robertson 1971, S. 75; Binsack 2003, S. 9). Darüber hinaus ist ein Wechsel von Resistenz zu Akzeptanz und umgekehrt zu jedem Zeit- punkt und in jeder Phase des Entscheidungsprozesses möglich (vgl. Robertson 1971, S. 75).

Abschließend betrachtet, stellen Akzeptanz und Resistenz alternative Ergebnisse dar, die aus den ersten beiden Phasen des Prozesses hervorgehen (vgl. Klonglan/Coward 1970, S. 79 f.). Auf Einstellungsebene verkörpern sie dasselbe Konstrukt mit gegensätzlicher Ausprägung und verhalten sich somit in ihrer Wirkung spiegelbildlich zueinander (vgl. Nabih et al. 1997, S. 191). Für eine kurze Zeitspanne kann die gebildete Einstellung als Prädikator für oder gegen die Nutzung einer Self-Service Technologie betrachtet werden, da sie mit dem zugehörigen Verhalten in einer Ursache-Wirkung-Beziehung steht (vgl. Ajzen 1985, S. 18).

In Bezug auf ihre Entstehung stellen Akzeptanz und Resistenz jedoch keine Spiegelbilder zu- einander dar. Sie bilden sich zum Teil aus verschiedenen bzw. asymmetrischen Ursachen und können deshalb in dieser Hinsicht nicht als Antonyme bezeichnet werden (vgl. Lauer/Rajago- palan 2003, S. 3; Haber 2008, S. 167 f.). So existieren Resistenzursachen, die sich bei gegen- sätzlicher Ausprägung neutral zur Bildung von Akzeptanz auswirken. Gleichzeitig bestehen akzeptanzfördernde Faktoren, welche bei ungünstiger Ausprägung, die Entstehung von Resis- tenz lediglich nicht behindern. Als Beispiel sei hier der spielerische Umgang mit Technik im Allgemeinen erwähnt. Fehlt dieser, wird die Akzeptanz einer Self-Service Technologie zwar nicht gefördert, aber auch der Bildung von Resistenz steht nichts im Wege.

Während Akzeptanz die Voraussetzung für Adoption darstellt, zieht Resistenz überwiegend die Ablehnung einer Self-Service Technologie nach sich (vgl. Binsack 2003, S. 9 f.). Ein vermeintlich widersprüchliches Verhalten tritt hingegen auf, wenn ungeachtet vorliegender Resistenz eine Adoption erfolgt (vgl. Marakas/Hornik 1996, S. 209) oder aus ursprünglicher Akzeptanz ein resistentes Verhalten hervorgeht. Dies kann jedoch eine Folge neu hinzuge- kommener Informationen sein, welche die bisherige Einstellung bezüglich eines Verhaltens in Frage stellen (vgl. Bagozzi/Lee 1999, S. 222).

2.2.4 Formen der Resistenz

Resistenz kann nicht nur in eine Einstellungs- und eine Verhaltenskomponente unterteilt wer- den (vgl. Nabih et al. 1997, S. 191), sondern besitzt zusätzlich eine passive und aktive Dimen- sion. Tabelle 2 führt diese zusammen und visualisiert die daraus resultierenden Formen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 2 Formen der Resistenz

Formen resistenter Einstellung

Passive Resistenz ist häufig die erste Reaktion eines potenziellen Adopters (vgl. Bagozzi/Lee 1999, S. 219; Ram 1987, S. 209; Nabih et al. 1997, S. 194). Sie kann zur Ablehnung oder Adoption einer Innovation führen, wenngleich eine Ablehnung als wahrscheinlicher gilt. Passive Resistenz tritt bereits auf, wenn sich der Konsument noch nicht intensiv mit der Self- Service Technologie auseinandergesetzt hat und sie infolge dessen latent ablehnt. Man geht davon aus, dass beim Aufbau passiver Resistenz die Stärken und Schwächen der Innovation noch nicht vollständig beurteilt wurden bzw. man die Nutzung der Technologie gar nicht erst in Erwägung zog. Dieser passive Resistenzzustand wird auch als mentale Resistenz bezeich- net, weil der Technologie gegenüber noch keine gefestigte Einstellung vorliegt und deshalb das endgültige Einstellungs- und Verhaltensergebnis noch offen bleibt (vgl. Binsack 2003, S. 10). Festigt sich die Resistenz, wird sie als aktiv bezeichnet (vgl. Binsack 2003, S. 10). Als eine Sonderform der aktiven Einstellung können Vorurteile angesehen werden. Hierbei liegt bereits eine gefestigte Einstellung vor, ohne dass sich der Konsument mit der Self-Service Technologie auseinandergesetzt hat (vgl. Iser 2007, S. 28 ff.).

Formen resistenten Verhaltens

Bei der Einteilung resistenten Verhaltens kann ebenfalls zwischen passivem und aktivem Verhalten (vgl. Lauer/Rajagopalan 2003, S. 9 f.) bzw. verdecktem und offenem Verhalten (vgl. Hirschheim/Newman 1988, S. 398) unterschieden werden. Sowohl die passive als auch die aktive Dimension der Einstellung kann dabei gleichberechtigt jede Verhaltensform an- nehmen, d. h. eine passive Einstellung kann zu aktivem oder passivem Verhalten führen und umgekehrt. So kann bereits eine passive Einstellung gegenüber einer Self-Service Technolo- gie beim Konsumenten oppositionelle Handlungen und damit aktives Verhalten hervorrufen. Üblicherweise wird eine derartige Einstellung jedoch die häufigste Form passiven Verhaltens nach sich ziehen: das Ausblenden vorhandener Alternativen (vgl. Sheth 1981, S. 275), wie z. B. eine Self-Service Technologie.

Eine weitere und nicht seltene Reaktion auf eine technologische Innovation ist das Postpone- ment (vgl. Kleijnen et al. 2009, S. 347), in dessen Folge die Individuen die Nutzung einer Innovation aus verschiedenen Gründen zunächst verschieben. Auch wenn ursprünglich Ak- zeptanz vorlag, wird die Adoption der Self-Service Technologie, z. B. aufgrund von Unsi- cherheit, ob die Technologie zum Standard wird oder wegenäußerer Umstände, verschoben (vgl. Kleinen et al. 2009, S. 345, 352; Szmigin/Foxall 1998, S. 463). Die Entscheidung, die Self-Service Technologie abzulehnen, ist jedoch keineswegs endgültig, sondern wurde be- wusst in die Zukunft verlagert (vgl. Kleijnen et al. 2009, S. 345). Da eine Verschiebung auf Zeit allerdings auch eine Nicht-Nutzung der Technologie impliziert, bei der das Individuum keine offene Handlung vollzieht, wird sie dem passiven Resistenzverhalten zugeordnet.

Eine weitere Form passiven Verhaltens stellt die Rejection bzw. Ablehnung (vgl. Szmigin/Foxall 1998, S. 463) einer Innovation dar. Hierbei wird die Nutzung oder Adoption einer bereits eingeführten Self-Service Technologie nicht lediglich verschoben, sondern bewusst unterlassen (vgl. Kleijnen et al. 2009, S. 352). Genau diese bewusste Entscheidung grenzt dabei Rejection vom Ausblenden von Alternativen ab. Rejection wurde zunächst als extremste Form des Widerstandes bezeichnet, spätere Untersuchungen zeigten aber, dass eine Opposition stärkere Formen annehmen kann (vgl. Kleijnen et al. 2009, S. 353).

Eine aktive resistente Einstellung führt typischerweise zu Opposition, wenngleich sie auch aus passiver Resistenz entstehen kann. Im Gegensatz zu den Möglichkeiten Alternativen aus- zublenden, Rejection und Postponement tritt das resistente Verhalten bei Opposition offen zu Tage (vgl. Szmigin/Foxall 1998, S. 463), weshalb es als aktiv bezeichnet wird (vgl. Kleijnen et al. 2009, S. 353). Opposition bildet einen Oberbegriff für direkte Vorgehensweisen, welche die Einführung einer Innovation, wie z. B. einer Self-Service Technologie, behindern sollen (vgl. Kleijnen et al. 2009, S. 353). Hierzu gehören das Negative-Word-of-Mouth und die absichtliche Fehlbedienung (vgl. Davidson/Walley 1985, S. 39) ebenso, wie Boykottaufrufe (vgl. Bagozzi/Lee 1999, S. 219) und Sabotageversuche (vgl. Kleijnen et al. 2009, S. 353).

Opposition bietet jedoch nicht nur Nachteile, sondern auch Vorteile für die Unternehmen, da sich diese durch die sichtbaren, offenen Handlungen und Äußerungen ein Bild über die akuten Probleme erstellen können. Somit sind sie in der Lage, die Adoptionshindernisse zu beseiti- gen, was letztlich sogar zu einer Akzeptanz führen kann (vgl. Szmigin/Foxall 1998, S. 463).

Weitere Resistenzeinteilungen

Zusätzlich zur aktiven und passiven Resistenzeinteilung, lässt sich Resistenz auch in Einzel oder Gruppenresistenz kategorisieren, bei der entweder das einzelne Individuum oder eine Gruppe gemeinschaftlich die Technologie ablehnt (vgl. Bagozzi/Lee 1999 S. 219). Darüber hinaus kann unterschieden werden, inwieweit der Kunde bereits Erfahrungen im Umgang mit der Technik gesammelt hat, weshalb sich Resistenz, analog zu Akzeptanz, in Pre-Experience und Post-Experience unterteilen lässt (vgl. Nabih et al. 1997, S. 190 f.).

2.3 Zusammenfassung der Begriffe

Self-Service Technologien sind innovative, materielle Leistungsgeber, die den Kunden bei der Erstellung einer Dienstleistung involvieren. Sie ersetzen zum Teil die Servicekraft und repräsentieren neue, alltägliche Formen der Dienstleistungserbringung. Sprachverarbeitungssysteme spielen hingegen aufgrund ihrer starken Verdrängung durch Online-Services eine zunehmend untergeordnete Rolle, weshalb sie im Folgenden vernachlässigt werden.

Die Resistenz gegenüber Self-Service Technologien ist eine spezielle Version der Resistenz gegenüber Innovationen, die ihrerseits wiederum eine spezielle Ausprägung der Resistenz gegenüber Veränderungen darstellt. Sie wird in der vorliegenden Arbeit als Konstrukt mit einer Einstellungs- und einer Verhaltenskomponente definiert, welches dazu dient, den aktuellen Zustand aufrecht zu erhalten. Die Einstellungsebene von Resistenz setzt sich aus kognitiven, affektiven und konativen Bestandteilen zusammen und bedingt das resistente Verhalten. Den Schwerpunkt dieser Arbeit bildet die Untersuchung der Ursachen von Resistenz. Diese wirken sich in jedem Fall auf die Einstellungsbildung des Individuums, aber nur in Ausnahmenfällen direkt auf sein Verhalten aus (vgl. Ajzen 1991, S. 184). Aus diesem Grund wird im Folgenden der Begriff Resistenz als eine geformte Einstellung verwendet, aus der ein korrespondierendes passives oder aktives Verhalten hervorgehen kann.

3 Vorbetrachtungen zur Untersuchung der Resistenz

In den folgenden Kapiteln werden zum Teil etablierte aber auch junge Theorien aus Ökonomie, Sozialpsychologie und Akzeptanzforschung vorgestellt, die erklären wann, wie und warum menschliches Verhalten zustande kommt. Dazu werden ausschließlich Theorien und Modelle herangezogen, die einen Beitrag zur Untersuchung der Resistenz gegenüber SelfService Technologien leisten. Sie bilden das Gerüst zur Erklärung menschlichen Verhaltens und gleichzeitig das Fundament zur Ableitung von Resistenzursachen. Dadurch wird es möglich, die wahrscheinlichen Ursachen von Resistenz gegenüber der Nutzung einer Self-Service Technologie abzuleiten, um diese in Kapitel 4 intensiver zu betrachten.

Diese theoriegeleitete Herangehensweise dient dazu, sich der Resistenz von einem wissenschaftlichen Standpunkt aus zu nähern. Um jedoch auch die Ursachen zu identifizieren, die sich in der Praxis als relevant erweisen, ist es wichtig, die Stimmen zu Wort kommen zu lassen, die sich regelmäßig für oder gegen die Nutzung einer Self-Service Technologie entscheiden. Dazu haben die Autoren eine qualitative Untersuchung durchgeführt, die einen tieferen Einblick in die alltäglichen Resistenzmotive geben soll. Die daraus resultierenden Ergebnisse werden daraufhin mit den Faktoren aus der theoretischen Analyse verglichen, wodurch sich einerseits inhaltliche Parallelen aufdecken lassen, und andererseits Facetten der Resistenz sichtbar werden, die bisher noch nicht intensiver untersucht wurden.

3.1 Ökonomische und sozialpsychologische Theorien

Die Theorien aus der Ökonomie und Sozialpsychologie betrachten das Zustandekommen menschlichen Verhaltens aus verschiedenen Blickwinkeln und wenden zur Erklärung von Handlungen unterschiedliche Methoden an. Nach ökonomischen Gesichtspunkten wird ein Verhalten am Markt nur dann durchgeführt (vgl. Simon 1959, S. 254), wenn es den Nutzen maximiert (vgl. Picot 1991, S. 147; Kraus 2002, S. 787). Dabei steht nicht das Individuum sondern vielmehr die Frage im Mittelpunkt, welche Eigenschaften die Handlung haben muss, um nutzenmaximierend zu sein. Ökonomische Theorien beurteilen jegliches Handeln nach dem Wirtschaftlichkeitsprinzip, während sozialpsychologische Theorien das menschliche Verhalten auf soziale und kognitive Prozesse zurückführen. Dabei untersuchen sie, inwieweit das Verhalten von der Interaktion mit anderen Menschen, Gefühlen, Gedanken oder dem gesellschaftlichen Umfeld beeinflusst wird (vgl. Smith/Mackie 2000, S. 3). Die Handlung an sich muss dabei nicht zwingend dem Wirtschaftlichkeitsprinzip folgen, sondern kann auch aus bizarren Hintergründen zustande kommen, die nicht nachvollziehbar sein müssen.

3.1.1 Transaktionskostentheorie

Die Transaktionskostentheorie, als einzige ökonomische Theorie in dieser Arbeit, hat ihre Wurzeln in den Überlegungen von Coase. Gegenstand seiner Untersuchung waren die Auf- wendungen, die ein Individuum für Anbahnung und Abschluss einer Tauschbeziehung in Kauf nimmt. Dabei fand er heraus, dass es Kosten zu geben scheint, die über den eigentlichen Kaufpreis eines Gutes hinausgehen (vgl. Coase 1937, S. 390) und als monetärer oder nicht- monetärer Aufwand, gemeinsam mit dem Kaufpreis das Zustandekommen einer solchen Be- ziehung gefährden können. Somit dient die Theorie dazu, menschliches Verhalten zu erklären und kann vor allem nicht-praktizierte Verhaltensweisen begründen, insbesondere wenn es darum geht, die Wahl zwischen Alternativen zu rechtfertigen (vgl. Williamson 1985, S. 22).

Die Theorie beschreibt die effiziente und plausible Vorgehensweise der Marktpartner zur Be- urteilung eines potenziellen Verhaltens (vgl. Coase 1937, S. 390). Je mehr Transaktionskosten ein Individuum mit einer Austauschbeziehung verbindet, desto unwahrscheinlicher wird ihr Vollzug. Die Transaktionskostentheorie geht auf jegliches Verhalten am Markt ein und kann deshalb auch auf die Nutzung von Self-Service Technologien angewendet werden. So können Individuen Resistenz aufbauen und damit die Benutzung einer Self-Service Technologie un- terlassen, wenn sie die Aufwendungen, die mit der Nutzung einhergehen, zu hoch empfinden.

Die anfallenden Transaktionskosten können zwar reduziert, aber nicht eliminiert werden (vgl. Coase 1937, S. 390 f.). Dabei entscheidet nicht ihre absolute Höhe, ob das entsprechende Verhalten durchgeführt wird, sondern die Differenz zu den Transaktionskosten der Alternati- ve (vgl. Williamson 1985, S. 22). Die Ursache für die Entstehung der Transaktionskosten begründet die Theorie mit der begrenzten Rationalität des Menschen (vgl. Williamson 1985, S. 31). Demnach verfügt niemand über das vollständige Wissen, welches für eine sichere Entscheidung notwendig ist, was wiederum Unsicherheit in Bezug auf die Durchführung eines Verhaltens zur Folge hat. Die Höhe der Transaktionskosten bestimmt sich jedoch nicht nur aus dieser Unsicherheit, sondern auch aus der Häufigkeit der durchgeführten Transaktion (vgl. Williamson 1996, S. 56 f.) sowie der Spezifität der eingesetzten Mittel und dem Grad an opportunistischem Verhalten (vgl. Williamson 1985, S. 31).

Unsicherheit erhöht die Transaktionskosten, weil dem Individuum Aufwand zu ihrer Reduktion entsteht, z. B. Kosten für die Informationssuche und Kontrolle. Diese Kosten werden jedoch mit der Häufigkeit einer Transaktion reduziert, da die Notwendigkeit einer erneuten Informationssuche entfällt (vgl. Williamson 1996, S. 59 f.).

Die Spezifität gibt an, wie gut man die zur Durchführung einer Handlung eingesetzten Res- sourcen bei einer anderen Transaktion verwenden kann (vgl. Williamson 1996, S. 59). Kön- nen diese Mittel nicht wiederholt angewandt werden, erweist sich die Handlung als hoch spezifisch und somit als kostenintensiv. Im Kontext von Self-Service Technologien ist sie ein Maß für die Übertragbarkeit bisherigen Wissens auf die zukünftige Nutzung anderer Techno- logien. Hoch spezifische Transkationen verhindern jedoch, dass erworbenes Wissen auf ande- re Anwendungsfälle übertragen werden kann, weshalb ein Zustandekommen einer anderen Markttransaktion neues Wissen erlernt werden muss. Diese nicht oder nur schwer transferier- baren Kenntnisse müsste der Konsument dann als sunk costs abschreiben.

Opportunistisches Verhalten ist hingegen alles andere als einzigartig. Es drückt das natürliche Bestreben jedes Individuums aus, seinen Nutzen aus dem eigenen Verhalten zu maximieren, sei es durch Kooperation oder auch durch List (vgl. Williamson 1985, S. 31). Hierfür entstehen dem Individuum vor allem Überwachungskosten, um z. B. die Einhaltung eines Vertrags zu überprüfen oder die Erschleichung von Vorteilen aufzudecken.

Bei der Untersuchung von Widerstand gegenüber Self-Service Technologien gewinnen die Transaktionskosten besonders bei einem Vergleich zur Alternative Servicekraft an Bedeutung. Aufgrund der Annahme, dass vor der Nutzung einer Self-Service Technologie die Dienstleistung meist durch sie erbracht wurde, sind die Transaktionskosten insbesondere in ihrer Form als Wechselkosten relevant.

3.1.2 Social Cognitive Theory

Im Gegensatz zur Transaktionskostentheorie betrachtet die Social Cognitive Theory nicht die Wirtschaftlichkeit von Transaktionen, sondern stellt das Individuum und sein Handeln ins Zentrum des Geschehens. Sie ist sowohl Lern- als auch Verhaltenstheorie (vgl. Stalder 1985, S. 2) und geht von willentlich handelnden, planenden und vorausdenkenden Individuen aus, die sich selbst regulieren und reflektieren (vgl. Bandura 2005, S. 9 f.). Die Theorie gründet sich gleichwohl auf der Annahme, dass der Mensch vor der Ausübung einer Handlung die dafür benötigten Fähigkeiten einschätzt und die Konsequenzen der Handlung beurteilt (vgl. Bandura 2001, S. 3). Fällt diese Bewertung negativ aus, baut das Individuum Widerstand gegenüber diesem Verhalten auf. Somit kann die Social Cognitive Theory einen Beitrag zur Erklärung der Ursachen von Resistenzen gegenüber Self-Service Technologien leisten und sollte deshalb genauer betrachtet werden.

Die Theorie basiert auf der Annahme, dass zwischen dem Menschen, seinem Verhalten und seiner Umwelt interaktive Wechselbeziehungen bestehen (vgl. Bandura 2001, S. 4). Dabei interpretiert Bandura die Umwelt nicht als unveränderliche, sondern als variable Außenbedin- gung. Sie bestimmt einerseits den Menschen, wird andererseits aber auch von ihm selbst be- einflusst. So formt der Mensch über sein Verhalten die Umwelt, z. B. indem er Staudämme errichtet, lernt aber auch ebenso aus den Konsequenzen seines Verhaltens (vgl. Bandura 1989, S. 3 ff.). Hält der Damm, erwächst die Erkenntnis, dass man auch in Dürrezeiten über Wasser verfügen und darauf zurückgreifen kann. Bricht der Damm hingegen, lernt man, dass angestautes Wasser eine gewaltige Energie in sich trägt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2 Interaktionsdreieck der Social Cognitive Theory (vgl. Compeau/Higgins 1995)

Verhalten und Lernen sind deshalb in der Social Cognitive Theory nicht voneinander zu tren- nen. Verhaltensweisen entstehen häufig aus verfolgten Zielen, die anhand der Zielerreichung als erfolgreich oder gescheitert beurteilt werden. Diese im Nachhinein durchgeführte Verhal- tensbewertung hat Lerncharakter und kann mit der Bildung eines Pawlow‘schen Reflexes im Behaviorismus verglichen werden. Wurde ein Ziel mit einem gegebenen Verhalten nicht erreicht, wird dieses zukünftig zur Zielerreichung nicht mehr in Erwägung gezogen. Der Mensch lernt jedoch nicht nur die notwendigen Fähigkeiten, um ein neues Verhalten, wie die Bedienung einer Self-Service Technologie, durchführen zu können. Mit steigender Erfahrung lernt er auch, die eigenen Fähigkeiten besser einzuschätzen. Dadurch wird es ihm möglich, in einer unbekannten Situation das Gelingen der Handlung im Vorfeld zu antizipieren.

Somit stellen eigene Erfahrungen und sich daraus ergebende Erkenntnisse eine Form des Lernens dar. Jeden Fehler persönlich zu machen, bezeichnet Bandura jedoch als ineffizient (vgl. Stalder 1985, S. 245) und schlägt das Social Modeling als effizientere Lernmethode vor (vgl. Bandura 2005, S. 10). Lernen findet hierbei statt, indem der Mensch die Gefahr Fehler zu machen, anderen überlässt und durch die Beobachtung ihres Verhaltens, z. B. die Bedienung einer Self-Service Technologie, lernt wie diese Fehler entstehen oder zu vermeiden sind. Die Erkenntnisse der Beobachtung bzw. die stellvertretenden Erfahrungen dienen anschließend als Ausgangsbasis für eigene Versuche das Verhalten durchzuführen und verringern auf diese Weise den eigenen Lernaufwand (vgl. Bandura 2005, S. 11 f.).

Ein weiteres Hilfsmittel für effizientes Lernen ist das Symbolic Modeling (vgl. Bandura 2005,

S. 14). Im Gegensatz zum Social Modeling geschieht das Lernen hier jedoch nicht aus der di- rekten Beobachtung, sondern indirekt mit Hilfe von Symboliken, wie z. B. Sprachen oder Bil- dern (vgl. Stalder 1985, S. 244). Dies kann mit einem Handbuch oder einer kurzen grafischen Bedienungsanleitung geschehen, die neben der Self-Service Technologie angebracht ist.

Menschen erlernen aber nicht nur Verhaltensweisen, sondern auch Wertvorstellungen, aus denen sie Regeln für ihr eigenes Verhalten ableiten (vgl. Stalder 1985, S. 249). Hierbei begrenzen besonders moralische Standards das Verhalten einer Person, indem sie jene Verhaltensweisen einschränken oder gar ausschließen, die den eigenen Standards widersprechen (vgl. Bandura, 2005, S. 21 f.; Kapitel 3.1.6).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3 Wirkung der Self-Efficacy

Bei der Nutzung einer Self-Service Technologie kommt der Self-Efficacy eine zentrale Be- deutung zu, da sie die Einschätzung der eigenen Fähigkeiten repräsentiert (vgl. Bandura 2005, S. 25). Self-Efficacy führt jedoch nicht direkt zu einem Verhalten, sondern schafft mit den Self-Efficacy Expactations zunächst Erwartungen an die eigenen Fähigkeiten (vgl. Abbildung 3). Diese Erwartungen beinhalten eine Beurteilung, ob die eigenen Fähigkeiten ausreichen, um beispielsweise eine Self-Service Technologie zu bedienen.

Dieses Urteil kann sich nicht nur auf das damit zu erwartende Handlungsergebnis auswirken, sondern auch einen separaten Effekt auf die Bildung von Resistenz haben (vgl. Stalder 1983, S. 256 f.). Diese Outcome Expectations an die Nutzung einer Self-Service Technologie entstehen und wirken jedoch auch unabhängig von den Self-Efficacy Expectations (vgl. Bandura 1977, S. 193). Werden die eigenen Fähigkeiten zur Bedienung einer Self-Service Technologie allerdings als unzureichend eingeschätzt, sieht der Konsument von ihrer Benutzung auch unabhängig von dem zu erwartenden Ergebnis ab.

3.1.3 Prospekttheorie

Während die Social Cognitive Theory die Erwartungen des Menschen als Grundlage für seine Entscheidungen heranzieht, untersucht die Prospekttheorie welchen Wahrnehmungsverzer- rungen er dabei unterliegt. Sie erklärt, wie menschliche Entscheidungen getroffen werden und könnte Aufschluss darüber geben, warum sich Individuen für und gegen die Nutzung von Self-Service Technologien entschließen. Entscheiden sie sich gegen die Self-Service Technologie entwickeln sie Resistenz, die als Einstellung eine affektive, kognitive und konative Komponente beinhaltet. Entscheidungsfindungen, wie sie in der Prospekttheorie beschrieben werden, repräsentieren hiervon die kognitiven Prozesse, die in der Regel bestimmten Mustern folgen und zum Teil irrational erscheinen (vgl. Schmook et al. 2002. S. 279).

Unterstellt man dem Menschen Rationalität, würde er immer diejenige Alternative mit dem höchsten Erwartungswert auswählen. Nach der Prospekttheorie weichen Menschen aufgrund verschiedener Effekte jedoch davon ab.

Der Sicherheitseffekt besagt, dass bei der Wahl zwischen einem sicheren und einem unsicheren Gewinn eine Tendenz zum sicheren Ereignis besteht. Dieser Effekt tritt selbst dann auf, wenn die sichere Alternative einen geringeren Erwartungswert aufweist (vgl. Kahneman/Tversky 1979, S. 265 ff.).

Handelt es sich bei den Erwartungen um Aufwendungen bzw. Verluste, kommt ein Reflekti onseffekt zum Tragen. Er beschreibt das Phänomen, dass sich die individuellen Präferenzen bei Verlusten umkehren. Während zuvor einem sicheren Gewinn der Vorzug gegeben wurde, fällt die Entscheidung bei Verlusten reziprok aus. Demnach entscheiden sich Menschen nicht für den sicheren aber geringen Verlust, weil sie damit ein negatives Ergebnis in Kauf nehmen würden. Stattdessen gehen sie bewusst das Risiko ein, zwar einen hohen aber vermeidbaren Verlust zu erleiden, da sie mit dieser Strategie noch die Möglichkeit haben, verlustfrei aus der Situation hervorzugehen (vgl. Kahneman/Tversky 1979, S. 268 ff.).

Sind die Faktoren zur Gewinn- bzw. Verlustbeurteilung nicht sofort überschaubar, verfolgt das menschliche Gehirn eine Strategie zur Komplexitätsreduktion. Dabei trennt der Mensch, im Sinne des Isolationseffekts, die Eigenschaften der zur Wahl stehenden Alternativen in gleiche und ungleiche Elemente auf, widmet sich jedoch für ein abschließendes Urteil nur den Unterschieden zwischen den möglichen Handlungen. Dies verfälscht die Wahrnehmung des Individuums und trägt dazu bei, dass es nicht die Alternative mit dem höchsten Erwartungswert wählt (vgl. Kahneman/Tversky 1979, S. 271).

Die Prospekttheorie basiert darauf, dass der Wert eines Gutes als Funktion zweier Variablen angegeben wird. Dabei bestimmen Menschen den Wert einer Handlungsalternative aus einem Vergleich zwischen ihren Erwartungen, d.h. ihrem Referenzpunkt und dem tatsächlichen Wert der Handlungsoption. Fällt diese Gegenüberstellung negativ aus, werden sie mit der Nutzung der Handlungsalternative Aufwand bzw. einen Verlust verbinden und diesen, wie Abbildung 4 zeigt, auch stärker empfinden als einen potenziellen Nutzen bzw. Gewinn (vgl. Kahneman/Tversky 1979, S. 277 ff.).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4 Wertfunktion der Prospekttheorie

Die Prospekttheorie kann singulär betrachtet noch nicht die Entstehung von Resistenz erklä- ren. In Verbindung mit der Theorie des wahrgenommenen Risikos kann sie allerdings zur Erklärung von Resistenz beitragen, da die Verluste für den Konsumenten wahrgenommene Risiken darstellen, die ihn an einer Nutzung der Self-Service Technologie hindern können.

3.1.4 Theory of Perceived Risk

Die Theorie des wahrgenommenen Risikos untersucht das Konsumentenverhalten in Abhängigkeit vom individuell wahrgenommenen Risiko (vgl. Bauer 1960, S. 389 ff.). Über eine genaue Definition und die Berechnung der Höhe herrscht in der Literatur allerdings Uneinigkeit. Den einzelnen Ansätzen ist jedoch gemein, dass sich die Höhe des wahrgenommenen Risikos über das Ausmaß negativer Konsequenzen und über die Wahrscheinlichkeit ihres Eintretens bestimmt (vgl. Mitchell 1992, S. 27). Es wird allerdings erst dann für eine Entscheidung relevant, wenn es die individuelle Toleranzschwelle übersteigt und somit eine Hürde erbaut, die zu Resistenz führen kann (vgl. Bauer 2005, S. 16).

Die Theorie geht davon aus, dass unabhängig von der Wahrnehmung des Konsumenten auch ein objektives Risiko existiert, welches ihn tatsächlich bedroht. Allerdings ist nur das wahr genommene Risiko für die Konsumentenforschung relevant, da nur jenes das Verhalten des Konsumenten beeinflusst (vgl. Mitchell 1999, S. 164 f.). Er kann z. B. Risiken vermuten, die in der Realität nicht existieren und diese trotzdem zur Bewertung einer Handlung heranziehen. Im Gegensatz dazu bleiben tatsächlich existierende Risiken hin und wieder unerkannt und werden deshalb bei einer Entscheidung nicht berücksichtigt.

Frank Knight grenzt Risiko von Ungewissheit ab. Er verwendet den Begriff Risiko, wenn die Eintrittswahrscheinlichkeiten der negativen Konsequenzen bekannt sind. Ungewissheit liegt hingegen vor, wenn diese Eintrittswahrscheinlichkeiten lediglich geschätzt werden können (vgl. Knight 1921, S. 233). Es ist jedoch unerheblich, ob es sich beim wahrgenommenen Risiko tatsächlich um Risiko oder um Ungewissheit handelt (vgl. Cunningham 1967, S. 83), da sich das Individuum bereits bei der bloßen Vermutung einer Gefahr verunsichert fühlt. Diese Unsicherheit kann schließlich zur

3.1.5 Reaktanztheorie

Die Reaktanztheorie geht davon aus, dass die Freiheit, eigene Entscheidungen zu treffen und sich ohne Zwänge verhalten zu können, ein wichtiger Bestandteil des menschlichen Lebens ist (vgl. Brehm 1966, S. 377). Wird diese Freiheit bedroht entsteht eine Motivation diese zu verteidigen, was als Reaktanz bezeichnet wird. Hierzu zählt auch die Freiheit, sich unabhän- gig von anderen eine Meinung bilden zu können (vgl. Dickenberger et al. 1993, S. 247).

Seit der Verbreitung von Self-Service Technologien existiert zur Erstellung von Dienstleistungen nicht mehr nur die Servicekraft. Dadurch steht dem Konsumenten die Wahl frei, mit welcher Form der Dienstleistungserbringung er vorlieb nehmen möchte. Auch hier ist allein der Glaube, diese Freiheit zu besitzen, für den Konsumenten auschlaggebend (vgl. Brehm 1966, S. 377). Wird nun die Freiheit bedroht, eine dieser Formen nutzen zu können, gelangt das Individuum in einen motivationalen Erregungszustand, welcher darauf gerichtet ist, diese Freiheit wieder herzustellen (vgl. Brehm 1966, S. 378).

Die Stärke der beobachtbaren Reaktanz richtet sich nach (vgl. Brehm 1966, S. 380)

- der Wichtigkeit der bisherigen Handlung für die betroffene Person,
- dem Umfang der bedrohten oder beschränkten Freiheit(en) und nach
- der Wahrscheinlichkeit, mit der ein Freiheitsverlust tatsächlich eintritt.

Unabhängig von der Höhe der Reaktanz ist das Individuum bestrebt, selbige wieder abzubau- en. Um eine verloren gegangene Freiheit wiederzuerlangen oder eine noch bestehende Frei- heit zu verteidigen, kann es dazu direkte oder indirekte Verhaltensmaßnahmen ergreifen. Eine direkte Maßnahme kann z. B. ein aggressives Verhalten wie Schreien oder etwas Zerstören sein, welches sich zum Teil ungerichtet entlädt, jedoch primär die Quelle der Freiheitsbedro- hung attackieren soll (vgl. Dickenberger 1993, S. 249). Eine andere direkte Maßnahme ist eine Form des Trotzes bzw. direkter Widerstand, bei dem z. B. die vom Unternehmen er- wünschte Handlung, Self-Service Technologien zu nutzen, einfach nicht durchgeführt wird. Direkte Maßnahmen werden jedoch häufig erst dann angewandt, wenn die Reaktanz ein hohes Niveau erreicht und sich das Individuum realistische Chancen für die Wiedererlangung der Freiheit einräumt (vgl. Brehm 1966, S. 384 f.).

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Excerpt out of 169 pages

Details

Title
Resistenz gegenüber Self-Service Technologien
Subtitle
Warum Nützlichkeit und einfache Bedienung zur Adoption nicht ausreichen
College
Technical University of Ilmenau  (Betriebswirtschaftslehre / Fachgebiet Marketing)
Grade
1,0
Authors
Year
2010
Pages
169
Catalog Number
V175012
ISBN (eBook)
9783640958863
ISBN (Book)
9783640958641
File size
1198 KB
Language
German
Keywords
Self-Service, Widerstand, Akzeptanz, Adoption, Ursachen, Innovation, Pro-Innovations Bias
Quote paper
Julia Jakof (Author)Andreas Wolf (Author), 2010, Resistenz gegenüber Self-Service Technologien, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/175012

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