Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Die Kurfürst-Moritz-Schule Boxdorf
2. Ziele und methodische Vorgehensweise
3. Integration im Unterricht
3.1. Beteiligung am Frontalunterricht
3.2. Partner- und Gruppenarbeit
3.3. Projekt „Rock Challenge“
4. Umgang mit den Schülern außerhalb des Unterrichts
5. Ergebnisreflexion
6. Fazit und Schlussbemerkungen
7. Anhang
1. Die Kurfürst-Moritz-Schule Boxdorf
Die Schule unterrichtet Schülerinnen und Schüler aus den umliegenden Ortschaften, wie Moritzburg, Radeburg, Radebeul und teilweise auch aus Dresden. Das Schulgebäude ist relativ platzsparend und bietet gerade ausreichend Raum für die knapp 250 Schüler. Derzeit beginnen Umbauarbeiten, welche zur Vergrößerung des Schulgebäudes dienen.
Die Unterrichtsräume sind abgesehen von verschiedenen Sitzordnungen gleich aufgebaut. Es gibt im Großen und Ganzen keine markanten Unterschiede zwischen selbigen. Die Kabinette für Physik, Chemie und Biologie sind nur notdürftig auf das jeweilige Fach eingerichtet. Erst bei näherer Betrachtung kann man ein Zimmer als Fachkabinett erkennen. In allen Klassenzimmern findet sich durchgehend neueste Medientechnik, wie zum Beispiel eine computergestützte SmartBoard, wieder.
Die Schule ist seit dem Jahr 2007 eine Gemeinschaftsschule, das heißt es werden parallel Schüler unterrichtet, die sowohl den Realschulabschluss als auch das Abitur anstreben. In Kooperation mit dem Gymnasium „Luisenstift“ in Radebeul wird den Schülern die Möglichkeit geboten, einen fließenden Übergang von der Mittelschule zum Gymnasium zu erhalten. Durch Unterstützung des Landes Sachsen ist es möglich, dieses Projekt bis 2015 zu erproben. Sollte ein sichtbarer Erfolg zustande kommen, so ist eine dauerhafte Unterstützung der Gemeinschaftsschule zugesichert.
Während des Praktikums wurde mir eine Lehrerin für Mathematik und Physik als Mentorin zugewiesen. Wir einigten uns darauf, nicht nur in den Unterrichtsstunden zu hospitieren, die meine Fächerkombination abdecken, sonder bei verschiedenen Lehrern Beobachtungen anzustellen, um einen umfassenderen Einblick zu gewinnen. Ich erhielt die Information von meiner Mentorin, dass es durchaus die verschiedensten Typen von Lehrern an dieser Schule gäbe. Diese Tatsache war eine positive Voraussetzung, um zu untersuchen, wie Lehrer mit männlichen und weiblichen Schülern umgehen. Meine Fragestellung bezieht direkt auf dieses Verhältnis zwischen Lehrern und den unterschiedlichen Geschlechtern der Schüler. Einzuordnen ist diese in den Bereich des „Umgang[s] mit Heterogenität: Integration in der Schule“, da die verschiedenen Auslegungen von Heterogenität ebenfalls das Problem der Differenzierung in Jungen und Mädchen beinhaltet.
2. Ziele und methodische Vorgehensweise
Bei der Betrachtung des Umgangs mit Heterogenität fokussiere ich speziell die Differenzierung von Schülern in Mädchen und Jungen. Bekanntlich haben Jungen und Mädchen verschiedene Interessen und Verhaltensweisen, die sich nicht zuletzt auf den Schulalltag auswirken. Während Jungen größeres Interesse an Naturwissenschaften zeigen, verfolgen Mädchen eher die sprachliche und künstlerische Richtung. Ziel ist es, herauszufinden, wie diese beiden Gruppen in der Schule und im Unterricht integriert werden. Dabei stehen die Beziehungen zwischen Schülern und Lehrern ebenfalls im Blickpunkt meiner Betrachtungen. Dies soll ergründen, ob eine Schülergruppe bevorzugt beteiligt wird auf Grund deren Dominanz in der Schülergemeinschaft.
In den von mir besuchten Unterrichtsstunden habe ich eine kleine empirische Erhebung angefertigt, die in Form von Strichlisten auflistet, wie viele Jungen und wie viele Mädchen während einer Unterrichtseinheit am Unterricht teilgenommen haben. Die Teilnahme definiert sich hierbei darüber, dass der Lehrer den Schüler auswählt und zu Wort kommen lässt. Es ist dabei nebensächlich ob der Schüler sich vorab gemeldet hat oder nicht. Letztlich hängt es vom Lehrer ab, welchen Schüler er in das Unterrichtsgeschehen integriert. Die Auflistung unter diesen formalen Aspekten orientiert sich deshalb eher an der Fragestellung, als wenn jede Meldung mitberücksichtig worden wäre. Diese Methode ist allerdings auch fehlerbehaftet, da ich nebenbei Notizen am Rande zum Unterricht und Verhalten von Lehrern und Schülern niedergeschrieben habe. Somit ist es durchaus möglich, dass nicht alle Schüler erfasst wurden und folglich eine Abweichung von durchschnittlich ein bis zwei Schülern aufgetreten sein kann. Zusätzlich habe ich die Anzahl der Schüler gezählt, welche während meiner Hospitation in der Stunde anwesend waren. Die Zählung erfolgte ebenfalls geschlechterspezifisch. Nebenbei wurde eine Differenzierung in die verschiedenen Klassenstufen vorgenommen, um eine durchschnittliche Verteilung von männlichen und weiblichen Schülern aufzeigen zu können. Aus den gesammelten Daten war es mir möglich eine Statistik zu entwerfen, die durch eine grafische Auswertung bessere Visualisierung erfährt. Auf die im Anhang vorzufindenden Grafiken wird noch im folgenden Rücksicht genommen.
Bei der Vielzahl von Gesprächen mit den Fachlehrern entweder vor oder nach dem Unterricht habe ich zusätzliche Informationen und Meinungen einholen können, die mir bei der Beantwortung meiner Frage nützlich sind. Zu diesen Dialogen fertigte ich keine Gesprächsprotokolle an, sondern vielmehr Gedankenprotokolle, welche ich im Anschluss durch Notizen und Stichpunkte schriftlich festhielt.
3. Integration im Unterricht
3.1. Beteiligung am Frontalunterricht
Unter Integration versteht man im Allgemeinen die Verbindung von Personen und Gruppen zu einer gesellschaftlichen Einheit. Das bedeutet also, dass Mädchen und Jungen im Bezug auf den Schulalltag zu einer Gruppe zusammengeführt werden, welche entweder das Klassenbild oder den Unterricht prägen. Logische Konsequenz ist die Gleichbehandlung aller Mitglieder dieser Gruppe in allen Situationen. Während des Frontalunterrichts findet eine einfache Form der Integration statt. Der Lehrer ist hier angehalten den Schüler durch einen Impuls, sei es eine einfache Geste oder eine sprachliche Äußerung, aufzufordern am Unterricht teilzunehmen und somit zu integrieren. Es ist, wie schon erwähnt, für meine Betrachtungen unerheblich, ob sich der Schüler dabei willentlich beteiligt oder nicht.
Anhand der Auszählung der Schüler (siehe: Abb. 2) zeigt sich, dass zunächst einmal ein relativ ausgeglichenes Verhältnis bei nahezu je 50% von Jungen und Mädchen vorliegt. Es wäre dabei zu erwarten, dass die Beteiligung beider Geschlechtergruppen ebenfalls in diesem Maße ausfällt. Die Analyse hat jedoch ergeben, dass der Anteil der von den Lehrern aufgeforderten Mädchen im Frontalunterricht mit 59% deutlich höher ist, als der der Jungen (siehe: Abb. 2). Die Statistik sagt uns nun, dass die Lehrer eher Mädchen in den Unterricht integrieren als Jungen. Die Zahlen stellen zwar aus persönlicher Sicht keine massive Zurückstellung der männlichen Schüler dar, jedoch demonstrieren sie einen Trend, der scheinbar von der Jungen-Mädchen-Verteilung in den einzelnen Klassen(-stufen) abhängig ist. Betrachtet man dazu die Klassenstärken, sprich die Verteilung von Jungen und Mädchen auf die Klassenstufen (siehe: Abb. 1), erkennt man eine schwankende Aufteilung der Geschlechter. So dominieren Mädchen in der 5. Klasse sowie 7. bis 10. Klasse deutlich gegenüber den Jungen. Folglich erklärt sich auch die unterschiedliche Beteiligung der Schüler. In Klassen, bei welchen die Mädchen in der Überzahl sind ist es freilich nicht verwunderlich, dass hier auch mehr Mädchen zu Wort kommen, als Jungen. Würde man bei diesen Verhältnissen auf einen Ausgleich plädieren, so müsste das rezessive Geschlecht vermehrt ihre Meinung kund tun, was auf Dauer für den einzelnen zu einer Mehrbelastung führen würde. Kurz ausgedrückt: Es wäre nicht gut, wenn einer um des Ausgleichs Willen zehnmal mehr dran kommt, als andere.
3.2. Partner- und Gruppenarbeit
Partner- oder Gruppenarbeit ist die Erarbeitung eines Themas/ einer Aufgabe durch zwei oder mehrere Personen. Diese Sozialform bietet dem Lehrer die Option soziale Kompetenzen der Schüler zu fördern und Mädchen und Jungen auf andere Art zu beteiligen. Im Physikunterricht wurde zur Zeit meiner Hospitation ein Experiment durchgeführt, bei welchem der Fachlehrer die Klasse in Gruppen aufteilte. Interessant war dabei festzustellen, dass in den Gruppen sowohl Jungen als auch Mädchen vorhanden waren. Im Gespräch mit dem Fachlehrer bestätigte sich die These, dass Jungen eher zu den Naturwissenschaften neigen, als Mädchen. Die Aufteilung der Gruppen folgte indirekt dem Ziel, Mädchen mittels der Jungen an das Experiment heranzuführen und ihnen bei Problemen zu helfen. Dieses Phänomen zeigte sich auch im Deutschunterricht. Hier jedoch mit vertauschten Rollen. Es oblag den Mädchen die Jungen zu integrieren und mit dem Thema vertraut zu machen, da von deren Seite ein besseres Verständnis zu erwarten war.
Die Partnerarbeit, bei welcher eben zwei Schüler an einer Aufgabe arbeiten, ist auf Grund der Verteilungsverhältnisse und der Gemüter der Schüler schwer in Hinblick auf einen Geschlechterausgleich zu realisieren. Da an dieser Schule die Klassen nicht gleichverteilt sind, sprich Jungen und Mädchen jeweils 50% ausmachen, ist es nicht selten zu vermeiden, dass zwei Jungen oder zwei Mädchen ein Team bilden. Außerdem kommt es vor, dass eine Abneigung vor der Vorstellung seitens der Schüler herrscht, die es für unmöglich erklärt, dass ein Junge mit einem Mädchen zusammen arbeitet. Diese Meinung ist stärker in den jüngeren Klassen vertreten. Der Lehrer setzt sich jedoch in den häufigsten Fällen über diese Ansichten hinweg und begründet seine Entscheidung durch einen meist humorhaften Kommentar[1]. Er hält mit klarer Zielorientierung an der Förderung der sozialen Kompetenzen fest, die eine der wichtigen Fähigkeiten bildet, welche ein Schüler nach Absolvierung seiner Schullaufbahn aufweisen muss.
3.3. Projekt „Rock Challenge“
Im Rahmen des Musikunterrichts bereiten sich die Schüler auf den Wettbewerb „Rock Challenge“ vor, welcher jährlich zwischen Schulen im Umland von Dresden stattfindet. Dabei haben die Schüler die Aufgabe, zu einer vorgegeben Musik und einem speziellen Thema eine Choreographie, Licht, Kostüme und Maske zu entwickeln und einzustudieren. Ich persönlich habe bei dem ersten Mal, als ich von diesem Projekt gehört habe, an die starke Präsenz von Mädchen gedacht, die die Choreographie tanzen und die Jungen kümmern sich um die Technik. Jedoch wurde ich eines besseren belehrt. Die „Rock Challenge“ integriert beide Geschlechter gleichsam in die Arbeit. Eine beachtliche Zahl von Jungen gestaltet aktiv die Choreographie und nimmt an der Aufführung selbiger teil. Gleichsam begeistert engagieren sich die Mädchen im Bereich der Technik, um faszinierende Ergebnisse zu Tage zu bringen. In Rücksprache mit einem der betreuenden Lehrer erfuhr ich, dass hierbei alle am selben Strang ziehen und keiner zu kurz kommt. Alle Ideen und Vorschläge werden gemeinsam diskutiert, verbessert und in die Aufführung eingebunden. Es war auch seiner Meinung nicht schwer, die männlichen Schüler in die Arbeiten zu integrieren, da man ihnen freien Lauf lässt, was Effekte während der Vorstellung betrifft. So wedeln die Jungs beispielsweise mit Tüchern und tanzen wie eine Ballerina allein aus dem Grund, weil dies unter Schwarzlicht geschieht und da einen besonderen Effekt erzielt. Nach Meinung der Lehrer ist dieses Projekt eine gute Sache, die jedem Schüler, egal ob Junge oder Mädchen, die Gelegenheit bietet, seine Stärken zu beweisen.
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[1] Ein Kommentar kann u. U. sein: „Du musst sie/ihn ja nicht gleich heiraten!“, „Sie/Er wird dich schon nicht beißen etc.“ Durchaus sind solche Aussagen seitens der Lehrer zu hören, die aber durch die Schüler mit Humor getragen werden