Leseprobe
Inhalt
VORWORT
EINLEITUNG
1 WISSENSCHAFTLICHE GRUNDLAGEN
1.1 Ausgangslage im Ubergang Schule-Beruf 2010
1.2 Grundlagen der Berufsorientierung
1.3 Ziele & Ztelgruppf.
1.3.1 Ziele
1.3.2 Zielgruppe
1.3.3 Gender- / Cultural Mainstreaming
1.3.4 Ausbildungsfahigkeit.
1.4 Grundlagen des Case Management
1.5 Grundlagen des Coaching
1.6 Grundlagen des E-Coaching
1.6.1 Didaktisch offenes E-Coaching
1.6.2 Didaktisch vorstrukturiertes E-Coaching (virtuelles Coaching)
1.7 Grundlagen der Mediendidaktik
1.7.1 lerntheoretische Grundlagen
1.7.2 Bedeutung der lerntheoretischen Grundlagen fur die Berufsorientierung
1.8 Medienhandeln von Hauptschulern
1.9 Zwischenfazit Wissenschaftlicher Grundlagen
2 BLENDED-COACHING KONZEPTION ZUR BERUFSORIENTIERUNG. ..
2.1 Analyseverfahren
2.1.1 Screening
2.1.2 Kompetenzanalyse „ Profil AC “
2.1.3 Zieldefinitionen
2.2 Prasenzcoachtng bet der Berufsorientierung
2.2.1 Ausbildungsberufe
2.2.2 Bewerbungsunterlagen
2.2.3 Feedbackverfahren
2.3 E-Coaching bet der Berufsorientierung
2.3.1 Personliche Coachingumgebung
2.3.2 Medienwahl
2.4 Exemplarischer Blended-Coaching Prozess
2.5 Zwischenfazit Blended-Coaching Konzept
3 SCHLUSSBETRACHTUNG
3.1 Zusammenfassung
3.2 Faztt
3.3 Ausblick
ANHANG
LITERATURVERZEICHNIS
Verzeichnis der Abbildungen
Abbildung 1: Bildungsorte und Lernwelten in Deutschland
Abbildung 2: Soziotopenanalyse Pestalozzi Schule (Stand: 2010)
Abbildung 3: Begriffsstruktur von Coaching
Abbildung 4: Behavioristischer Ansatz
Abbildung 5: Lernpyramide nach Dale
Abbildung 6: Kybernetischer Ansatz
Abbildung 7: Schematische Darstellung des Coachingprozesses
Abbildung 8: Coachingverlauf
Abbildung 9: Profil AC, Ablauf des Verfahrens
Abbildung 10: Profil AC, Das Kompetenzmodell
Abbildung 11: Profil AC, Personliche Auswertung
Abbildung 12: Screeningformular IV, Zieldefinitionen
Abbildung 13: Auszubildende 2008 in den 20 am starksten besetzten Ausbildungsberufen in Deutschland
Abbildung 14: E-Coaching
Abbildung 15: Personliche Coachingumgebung Edunex
Abbildung 16: Skype Videotelefonie
Abbildung 17: Instant Messenger MSN
Abbildung 18: Twitter
Abbildung 19: Blended Coaching Prozess
Verzeichnis der Tabellen
Tabelle 1: Berufswegplan Pestalozzi Schule Schuljahr 2010/2011
Verzeichnis des Anhangs
Anhang I: Screeningfragebogen
Anhang II: Screeningformular II - Informationen
Anhang III: Screeningformular III - Begleitung
Anhang IV: Screeningformular IV - einfaches Case Management
Anhang V: Screeningformular V - intensives Case Management
Verzeichnis der Abkurzungen
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Vorwort
An dieser Stelle mochte ich mich bei alien bedanken, die mich bei der Erstellung dieser Bachelor Arbeit begleitet haben.
Mein Dank gilt meiner Betreuerin, Frau Prof. Dr. Klimsa, die mir bei allen Fragen eine gute Ratgeberin war.
Des Weiteren mochte ich mich bei Herrn Rektor Brugger der Pestalozzi Schule Fried- richshafen und dem Team von Jugend in Arbeit e.V. bedanken, die mir immer wieder neue Impulse fur die inhaltliche Gestaltung dieser Arbeit gaben.
AuBerdem mochte ich mich bei meiner Familie und meinen Freunden bedanken, die mich wahrend dieser Zeit unterstutzt haben. In schweren Zeiten waren alle fur mich da.
Danke
Ravensburg, im Mai 2011
Marc Kummer
Einleitung
Mit dieser Arbeit wird erforscht, wie ein Blended-Coaching Modul zur Berufsorientie- rung an Werkrealschulen aussehen konnte. Blended-Coaching wird hier definiert als ein „Mix“ aus Prasenzcoaching in der Schule und virtuellem Coaching durch neue (digitale) Medien. Die Arbeit zeigt die Ausgangslage der Berufsorientierung bzw. des Ubergangs Schule-Beruf in deutschen Hauptschulen, die Grundlagen verschiedener Bereiche der Berufsorientierung, der Mediendidaktik und des Coachings und E-Coachings. Wie in Kapitel 2 zu sehen ist, kann Blended-Coaching eine Methode zur Berufsorientierung sein, die fur Werkrealschulen von zentraler Bedeutung werden kann. Gerade bei der Umsetzung der Berufsorientierung an Schulen, wie in Kapitel 2 dargestellt, wird klar dass nicht alle Haupt- und Werkrealschulen uber solch eine Infrastruktur fur den Uber- gang Schule-Beruf verfugen. Jedoch konnen Schulen in Schulentwicklungsprozessen davon profitieren, wie das Konzept des Blended-Coachings in Berufsorientierungspha- sen sinnvoll eingesetzt werden kann.
Zur Verbesserung der Lesbarkeit wird in dieser Arbeit ausschlieBlich die mannliche Form verwendet. Diese impliziert aber immer auch die weibliche Form.
1 Wissenschaftliche Grundlagen
1.1 Ausgangslage im Ubergang Schule-Beruf 2010
Verschiedene Studien, wie der Bildungsbericht des Bundesministeriums fur Bildung und Forschung (BMBF 2010), das Ubergangspanel des Deutschen Jugend Instituts (DJI 2008) und der Berufsbildungsbericht des Bundesministeriums fur Bildung und Forschung (BMBF 2010), weisen auf die schlechte Quote im Ubergang Schule-Beruf an Hauptschulen hin. Wie die Friedrich Ebert Stiftung in ihrem Sonderheft (Friedrich Ebert Stiftung 2009: 8) feststellte, ist eines der Probleme im Alter und dem daraus resul- tierenden Entwicklungsstand der Schuler zu finden. Hauptschuler verlassen die Schule in der Regel im Alter von 15 bis 16 Jahren. Der bundesweite Durchschnitt des Eintritts- alters aller Schuler von allen Schularten in die Berufsausbildung ist jedoch bei 19 Jahren (Friedrich Ebert Stiftung 2009: 7). Das bedeutet, dass Hauptschuler erstens mit alteren und somit erfahrenen, aber auch zweitens mit Mitbewerbern mit hoherem Bildungsni- veau konkurrieren mussen. das wirft die Frage auf, was mit den Jugendlichen geschieht, die in diesem Wettlauf nicht mithalten konnen.
Eine zweite Frage stellt sich in Bezug auf die Berufsorientierung der Hauptschuler: Wer hilft den Jugendlichen bei der Berufswahl bzw. der Berufsorientierung? Laut DJI Ubergangspanel (BMBF 2008) sind es an erster Stelle die Eltern, an zweiter Stelle sind es die Freunde bzw. die Peer-Group. Als professionelle Helfer erscheinen mit 62% als erstes die Lehrer vor. Sozialarbeiter und Berufsberater rangieren auf den hinteren Platzen. Wieso ist das so? Zum einen haben nicht alle Hauptschulen Schulsozialarbeiter, zum an- deren sind Schulsozialarbeiter oft fur andere Problemlagen in der Schule zustandig. Die Berufsberater der Agentur fur Arbeit oder anderer Trager kommen nur temporar in die Schulen um „Stichprobenweise“ die Schuler zu beraten. Die 62% der Lehrerquote ist dem Bildungsplan geschuldet. Im Bildungsplan von Baden Wurttemberg ist die Berufs- orientierung dem Facherverbund Wirtschaft, Arbeit und Gesundheit (WAG) zugeordnet. Somit sollen in diesem Facherverbund ab Klasse 5 berufsorientierende MaBnahmen stattfinden. Definiert ist hierbei nur ein grober Rahmen, in dem sich die Schulen nach eigenen Ideen bewegen konnen.
Eine dritte Frage wirft die Kombination von all dem auf. Bei hohem Migrantenanteil in den Hauptschulen (vgl. BMBF 2010: 65), bei schlecht oder nicht integrierten Familien, bei Familien mit niedrigem Bildungsniveau, bei Peer-Groups mit schlechten Berufs- chancen und dazu noch Schulen mit temporaren BerufsorientierungsmaBnahmen liegt die Uberlegung nahe, dass hier eine Situation entstehen kann, die 8 bis 11% der Hauptschuler erleben: keinen Ausbildungsplatz zu bekommen. Mit 35% als hochsten Anteil gehen die Hauptschuler auf weiterfuhrende Schulen. 25% der Hauptschuler wechseln in eine Ausbildungsstelle, weitere 25 % gehen in die sogenannte Ubergangsphase wie Be- rufsvorbereitungsjahr (BVJ), Berufseinstiegsjahr (BEJ) oder Einstiegsqualifizierung fur Jugendliche (EQJ) (FES 2009: 8). Hierbei ist jedoch zu berucksichtigen, dass der zu er- reichende Notenschnitt, um am Ende der Klasse 9 fur die Werkrealschulen zugelassen zu werden, bei 2,4 und fur Berufsfachschulen bei 3,0 liegt. Wie im Bildungsplan von Baden Wurttemberg vorgeschrieben, ist die Berufsorientierung durch verschiedene Kompetenzen zu erreichen. Der Bildungsplan gibt hier lediglich Rahmenbedingungen vor, die zu erfullen sind, jedoch keine Methoden oder Handlungsanweisungen. Dies ist die Hoheit der Schule bzw. des Lehrpersonals. Durch verschiedene Verwaltungsvor- schriften der Lander werden einzelne Teile jedoch genauer geregelt. Dies sind z.B. Dau- er der Praktika in den jeweiligen Klassenstufen.
Der Bildungsplan sieht vor, dass bis Klasse 6 folgende Kompetenzen zu erreichen sind: „Die SchUlerinnen und Schuler konnen Arbeitsplatze und Berufe in Familie und Umfeld erkunden und vorstellen; konnen ihren Wunschberuf beschreiben und begrUnden; erken- nen, wie unterschiedlich Berufswege sein konnen (Bildungsplan 2004: 6).
Bis zur Klassenstufe 9 sind folgende berufsorientierenden Kompetenzen zu erreichen: „Die SchUlerinnen und Schuler konnen verschiedene Berufe erkunden und verstehen, dass sich Berufsbilder im Wandel befinden; konnen Erfahrungen aus Erkundungen und Praktika reflektieren und prasentieren; konnen ihre BerufswUnsche vor dem Hinter- grund ihrer Fahigkeiten und Moglichkeiten einschatzen; kennen Zusammenhange zwi- schen Arbeitsbelastung und Gesundheit und konnen diese bei der eigenen Berufswahl berUcksichtigen; konnen geschlechtsspezifische Zuordnungen von Berufen kritisch reflektieren; kennen Wechselwirkungen zwischen Berufswahl, Lebensplanung und Ge- schlechterrolle und reflektieren diese in Bezug auf personliche LebensentwUrfe; konnen Informations- und Beratungsstellen als Hilfe zur Berufswahl nutzen und Informationen auswerten; konnen sich auf einen Ausbildungsplatz oder auf eine Arbeitsstelle angemes- sen bewerben; verstehen die Bedeutung von Weiterbildung und lebenslangem Lernen; kennen gesetzliche Rahmenbedingungen im Zusammenhang mit der Berufsausbildung; konnen fur berufliche Problemsituationen Bewaltigungsstrategien und Handlungsmog- lichkeiten entwickeln“ (Bildungsplan 2004: 6).
Wie in Abbildung 1 ersichtlich wird, haben Hauptschuler durch die Bandbreite des Bil- dungsangebots immer wieder die Chance, ihre Noten und auch die eigenen Kompeten- zen zu erweitern. Auch bei einer versaumten ersten Chance auf einen Schulabschluss kann in dieser pluralen Bildungslandschaft vieles nachgeholt werden, was fruher ver- saumt wurde. In Abbildung 1 ist ebenfalls ersichtlich, dass Bildung sich nicht nur in den formalen Bereichen des Systems niederschlagt, sondern die nonformale und informelle Bildung als wichtiger Bestandteil des Lernens zu werten ist.
Aus volkswirtschaftlicher Sicht ist eine praventive Strategie zur Integration der Haupt- schuler in das Berufsleben erstrebenswert (Bertelsmann Stiftung 2008: 4). MaBnahmen, wie die der sogenannten Ubergangsphase, sind sinnvoll, jedoch im Vergleich zu praven- tiven BerufsorientierungsmaBnahmen teurer (vgl. Bertelsmann Stiftung 2008: 21 ff).
1.2 Grundlagen der Berufsorientierung
In Deutschland gibt es keinen klaren Rahmen fur berufsorientierende MaBnahmen in Hauptschulen. Auch sind Konzepte zur Berufsorientierung von Bundesland zu Bundes- land verschieden. Fur eine einheitliche Struktur fur die Berufsorientierung sind politi- sche Entscheidungen maBgeblich. Bisher gibt es lediglich Empfehlungen der zustandi- gen Regierungsprasidien. Die Freiheit, berufsorientierende MaBnahmen an Hauptschulen durchzufuhren, obliegt wie in Kapitel 1.1 erlautert bei den Schulen. Wie zu sehen ist, ist der Rahmen sehr grob gesteckt und gibt somit den kompletten Handlungsablauf an das Lehrpersonal ab. Dies bedeutet jedoch, dass die betreffenden Schulen selbst verant- wortlich und kreativ mit diesem Thema umgehen mussen. Das Lehrpersonal muss sich hierbei in formalen Kriterien der Bewerbungsunterlagen, der Vorstellungsgesprache so- wie der regionalen Ausbildungsmarktlage und der Moglichkeiten von ca. 350 moglichen Ausbildungsberufen auskennen. Ein Anspruch an die Lehrer, der den standigen Wandel des Marktes zu beobachten voraussetzt.
1.3 Ziele & Zielgruppe
1.3.1 Ziele
Die Schuler werden individuell bei der Berufswegplanung beraten und betreut. Jeder Schuler geht dabei seinen eigenen Weg, je nach Kompetenzstand und nach vorhandenen eigenen Vorstellungen, Uberlegungen und Moglichkeiten.
1. Individuelle Schulerberatung rund um das Thema Ausbildung
- Gemeinsam Ideen zur beruflichen Orientierung entwickeln
- Kontakte zu Betrieben, Mentoren, beruflichen Schulen und Amtern herstellen
- Unterstutzung beim Bewerben und Finden geeigneter Ausbildungsplatze
2. Netzwerke aufbauen und pflegen
- Firmenkooperationen
- Zusammenarbeit mit Organisationen: Stiftungen, Agentur fur Arbeit, etc.
3. Forderung von Zusatzqualifikationen
- Jahresangebote erstellen
- Durchfuhrung organisieren
4. Organisation eines Berufswegportfolios als Zeugnisbeiblatt fur Klasse 8 - 10
- Dokumentation von Zusatzqualifikationen (z.B. Excel-Kurs, Lotkurs, Benimmkurs, usw.)
- Dokumentation von Praktika
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 1: Berufswegplan Pestalozzi Schule Schuljahr 2010/2011 Quelle: eigene Darstellung
Klasse 7
- Informationsveranstaltung zur Berufsorientierung organisieren
- Berufswahlordner einfuhren
- Schnupperpraktikum (1 Tag) unterstutzen
- Kompetenzanalyse vorbereiten und organisieren
Klasse 8
- Erweiterte Berufsorientierung begleiten
- Praktika in zwei unterschiedlichen Berufsfeldern dokumentieren und ggf. organisieren
- Berufswegportfolio als Zeugnisbeiblatt erstellen
- Berufswahltests zur Verfugung stellen
- Klassenstufen bei Bewerbungstrainings unterstutzen (Vorstellungsgesprache und Bewerbungsschreiben)
- Telefonate uben
Klasse 9
- Sozialpraktikum und Praktika dokumentieren und ggf. organisieren
- Berufswegportfolio als Zeugnisbeiblatt erstellen
- Bewerbungsunterlagen optimieren
- Bewerbungsfristen klaren und transparent machen
- Vorstellungsgesprache und Telefonate uben
1.3.2 Zielgruppe
Hier wurde die Pestalozzi-Schule Friedrichshafen als exemplarische Werkrealschule ver- wendet. Im Schuljahr 2010/2011 besuchen Schuler aus folgenden Landern die Pestalozzi-Schule: Deutschland, Turkei, Italien, Kroatien, Tunesien, Serbien, Griechenland, Frankreich, Bosnien-Herzegowina, Eritrea, Thailand, Albanien, Athiopien, Iran, Irak, Marokko, Mazedonien, Polen, Rumanien, Slowenien, Russland, Mexiko, Libanon, Spa- nien, Vietnam.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Soziotopenanalyse Pestalozzi Schule (Stand: 2010) (Quelle: eigene Darstellung)
1.3.3 Gender- / Cultural Mainstreaming
Durch die heterogene Zusammensetzung der Hauptschulklassen ist ein individuelles Konzept der Berufsorientierung zwingend notwendig (vgl. BMBF 2010: 65). Dies gilt besonders in Bezug auf Gender- und Cultural Mainstreaming. Schulen sind vermehrt mit der Problematik beschaftigt inklusionspadagogisch, also auf Einbeziehung und Wertschatzung der Individualitat des Menschen ausgerichtet, zu arbeiten. Bei der Be-
rufsorientierung gilt dies ebenso wie in anderen Bereichen der Schule. Daher ist das Konzept des Diversity Managements besonders bei Hauptschulen notwendig. „Beim Diversity Ansatz in padagogischen Arbeitsfeldern muss es darum gehen, die Differenzen bzw. Differenzlinien als Ressource anzuerkennen und Gemeinsamkeiten zu finden und zu nutzen. Das Ziel des Diversity Ansatzes ist es, nicht nur auf die Vielfalt der Differenzlinien und die Heterogenitat von Identitaten aufmerksam zu machen, sondern auch die VerknUpfungen mit Fragen von Macht und Abhangigkeit ins Bewusstsein zu rticken“ (Heinrich Boll Stiftung 2010).
1.3.4 Ausbildungsfahigkeit
Heutzutage sprechen die Akteure im Bereich Ubergang Schule-Beruf immer mehr von Ausbildungsfahigkeit oder Ausbildungsreife (vgl. Schlemmer 2008). Was aber ist darun- ter zu verstehen? Ausbildungsfahigkeit wird in der Literatur als eine Schlusselqualifika- tion betrachtet, die den Menschen am alltaglichen (Berufs-) Leben teilhaben lasst. All- gemeinbildenden Schulen haben den Auftrag Ausbildungsfahigkeit herzustellen (vgl. Schlemmer 2008: 17). Hierbei ist jedoch die Definition der Ausbildungsfahigkeit stets dem politischen und wirtschaftlichen Diskurs unterworfen. Sowohl Anforderungen an die Schuler im Ubergang Schule-Beruf sind dem Wandel unterworfen als auch die Anforderungen an die Schulen bzw. an das Lehrpersonal. In diesem sich standig wandeln- den Bereich mussen sich also 15-jahrige Hauptschuler immer neu anpassen. Kriterien zur Ausbildungsreife sind in Form eines „Nationalen Pakts fur Ausbildung und Fach- kraftenachwuchs in Deutschland“ geschlossen worden (Bundesagentur fur Arbeit 2006). „Der Kriterienkatalog gliedert sich in die Merkmalsbereiche Schulische Basiskenntnis- se, Psychologische Leistungsmerkmale, Physische Merkmale, Psychologische Merkmale des Arbeitsverhaltens und der Personlichkeit, Berufswahlreife“ (Bundesagentur fur Arbeit 2006: 17).
1. Schulische Basiskenntnisse
- Die Jugendlichen konnen einfache Texte fehlerfrei schreiben und verstand- lich formulieren.
- Die Jugendlichen konnen Texte lesen und verstehen.
- Die Jugendlichen konnen sich in deutscher Sprache verstandlich und adressa- tengerecht ausdrucken und mundliche Aussagen verstehen.
- Die Jugendlichen sind in der Lage, grundlegende mathematische
- Kenntnisse und Fertigkeiten anzuwenden und zutreffende Losungen zu ent- wickeln.
- Die Jugendlichen kennen grundlegende betriebs- und marktwirtschaftliche Zusammenhange.
2. Psychologische Leistungsmerkmale
- Fahigkeit, mundlich und schriftlich formulierte Sachverhalte zu verstehen, und die Fahigkeit, Sachverhalte mundlich und schriftlich verstandlich wie- derzugeben.
- Fahigkeit, schriftlich oder mundlich dargestellte Problemstellungen zu analy- sieren und in eine Rechenoperation umzusetzen. (Sprachkompetenz und das Beherrschen der Grundrechenarten wird vorausgesetzt.)
- Fahigkeit zum schrittweise vorgehenden, schlussfolgernden Denken
- Die Jugendlichen konnen sich auf Grund von Zeichnungen etwas raumlich vorstellen und in Schaubildern dargestellte Zusammenhange erkennen.
- Die Jugendlichen konnen mundlich oder schriftlich dargestellte sowie wahr- genommene Sachverhalte behalten.
- Die Jugendlichen konnen einfachere Aufgaben mit Routinecharakter oder solche, mit denen Sie vertraut sind, in einer bestimmten Zeitdauer erledigen (zugige Arbeitsweise).
- Die Jugendlichen sind in der Lage, eine Tatigkeit uber langere Zeit auszuu- ben, ohne sich ablenken zu lassen.
3. Physische Merkmale
- Die korperliche Reife ist soweit fortgeschritten, dass der/die Jugendliche den physischen Mindestanforderungen eines Acht-Stunden-Tages gerecht werden kann. Es liegen keine eine Ausbildung grundsatzlich ausschlieBenden ge- sundheitlichen Beeintrachtigungen vor.
4. Psychologische Merkmale des Arbeitsverhaltens und der Personlichkeit
- Die Jugendlichen sind in der Lage, auch gegen innere und auBere Widerstan- de und bei Misserfolgen, ein Ziel oder eine Aufgabe in einem uberschauba- ren Zeitraum zu verfolgen.
- Kommunikationsfahig ist eine Person, wenn sie sich verbal und nonverbal verstandlich ausdrucken kann und Botschaften anderer angemessen zu inter- pretieren und darauf zu reagieren weiB.
- Konfliktfahigkeit beinhaltet, Interessengegensatze zu erkennen und die Be- reitschaft, sie zuzulassen und einvernehmlich zu uberwinden.
- Kritikfahigkeit zeichnet eine Person aus, die bereit und in der Lage ist, mit Fehlern anderer konstruktiv und fair umzugehen und auch eigenes fehlerhaf- tes Handeln wahrzunehmen und zu korrigieren.
- Bereitschaft, sich beim Bearbeiten von Aufgaben nach Kraften einzusetzen, und das Bestreben, moglichst gute Ergebnisse zu erzielen (auch bei „unbe- liebten“ Aufgaben).
- Jugendliche konnen den Lebensalltag selbststandig strukturieren und bewal- tigen und ubertragene Aufgaben eigenstandig erledigen.
- Jugendliche gehen beim Erfullen von Aufgaben gewissenhaft und genau vor mit dem Ziel eines fehlerfreien Arbeitsergebnisses.
- Bereitschaft und Kompetenz, mit den Mitgliedern einer Gruppe ziel- und aufgabenorientiert zu kooperieren.
- Jugendliche verhalten sich in der jeweiligen Situation angemessen hoflich, respekt- und rucksichtsvoll.
- Jugendliche haben die Fahigkeit und die Bereitschaft, fur das eigene Handeln Verantwortung zu tragen. Das bedeutet, dass sie fur die eigenen Taten einste- hen und die Konsequenzen dafur tragen.
- Jugendliche nehmen verbindliche Vereinbarungen ernst und halten sie - so- weit es die auBeren Umstande erlauben - ein.
5. Berufswahlreife
- Jugendliche kennen ihre eigenen Bedurfnisse und berufsbedeutsamen Fahig- keiten, Fertigkeiten und Kenntnisse und konnen diese mit wesentlichen Aspekten und Anforderungen von Berufen in Beziehung setzen. Sie nutzen vorhandene Informationsmoglichkeiten, um sich uber Berufe und deren Anforderungen zu informieren. Jugendliche konnen ihre Motive fur eine Berufs- wahlentscheidung wahrnehmen und benennen.
(Bundesagentur fur Arbeit 2006: 22-60)
Um eine Ausbildungsreife bei Hauptschulern nach diesem Kriterienkatalog zu errei- chen, bedarf es eines Instrumentariums, dass multifunktional und individuell auf die Schuler einzugehen vermag.
1.4 Grundlagen des Case Management
„Case Management ist eine Verfahrensweise in Humandiensten und ihrer Organisation zu dem Zweck, bedarfsentsprechend im Einzelfall eine notige UnterstUtzung, Behand- lung, Begleitung, Forderung und Versorgung von Menschen angemessen zu bewerkstel- ligen. Der Handlungsansatz ist zugleich ein Programm, nach dem Leistungsprozesse in einem System der Versorgung und in einzelnen Bereichen des Sozial- und Gesundheits- wesens effektiv und effizient gesteuert werden konnen.
Case Management oder UnterstUtzungsmanagement, zunachst als Erweiterung der Ein- zelfallhilfe in den USA entwickelt, ist zu einer methodischen Neuorientierung in der So- zialen Arbeit und im Gesundheitswesen geworden. Systemische und okosoziale Perspek- tive kommen in dieser Konzeption grundlegend zum Ausdruck. Case Management soll Fachkrafte im Sozial- und Gesundheitswesen befahigen, unter komplexen Bedingungen Hilfemoglichkeiten abzustimmen und die vorhandenen institutionellen Ressourcen im Gemeinwesen oder Arbeitsfeld koordinierend heranzuziehen.
Aufgabe ist es, ein zielgerichtetes System von Zusammenarbeit zu organisieren, zu kon- trollieren und auszuwerten, das am konkreten UnterstUtzungsbedarf der einzelnen Person ausgerichtet ist und an deren Herstellung die betroffene Person konkret beteiligt wird. Nicht die Qualitaten als Berater/-in allein sind gefragt, sondern die als Moderato- ren mit Letztverantwortung, die im Prozess der Hilfe die BedUrfnisse der Klienten ein- schatzen, die die Planung und Sicherung der Bereitstellung medizinischer und sozialer Dienstleistungen koordinieren, die Prioritaten setzen und ggf. zukUnftig Standards erar- beiten bzw. festlegen und fUr ihre Einhaltung sorgen. Ziel ist eine Qualitatsgewahrleis- tung, die untrennbar verknUpft ist mit der Sicherung von Konsumentenrechten“ (DGCC 2010). In diesem Kapitel sollen die zentralen Begrifflichkeiten des Case Managements naher gebracht werden. Die Ausweitung des Case Managements von Sozial- und Ge- sundheitsbereiche auf den Bildungsbereich ist in Deutschland vergleichsweise neu. Die Bundesagentur fur Arbeit sowie die Kompetenzagenturen des Bundesministeriums fur Bildung und Forschung praktizieren Teile des Case Managements in ihren Arbeitsfel- dern (Kompetenzagenturen 2011).
Einzelne Phasen des Case Managements:
Diese sieben Phase bilden in der Konzeption des hier vorgestellten Blended-Coachings, eine zentrale methodische Grundlage der individuellen Betreuung der Schuler.
- Klarungsphase - Intake
Intake bezeichnet den Erstkontakt und Beginn der Arbeitsbeziehung zwischen Klient und Case Manager.
- Assessment
Im Assessment werden die Ressourcen des Klienten (und dessen Umfeldes) als Hand- lungsfeld eingeschatzt. Es werden sowohl fachliche Einschatzungen von Personen, die den Klienten begleiten, als auch Einschatzungen des Klienten selbst in das Assessment eingebracht. Als Instrumentarium kann hier eine Assessment-Matrix verwendet werden .
- Hilfeplanung
Hier werden strukturierte MaBnahmen zum Erreichen der Ziele des Klienten entwickelt und besprochen. Die Hilfeplanung ist mehrstufig und auf die Selbstbestimmung des Kli- enten ausgerichtet.
- Linking
Hier findet eine Leistungssteuerung statt. Dies bedeutet, dass z.B. individuelle MaBnah- men oder Hilfen konkretisiert werden.
- Monitoring
Monitoring wird auch als „Begleitende Draufsicht“ bezeichnet. Hier werden die einge- leiteten MaBnahmen sozusagen feinjustiert. Die Akzeptanz des Schulers steht hierbei im Zentrum. Ebenso werden hier die MaBnahmen neu ausgerichtet.
- Evaluation
Evaluation ist die abschlieBende Bewertung des gesamten Prozesses und der Wirkung durch alle Beteiligten. Somit ist es eine Auswertung von Erfolg und Aufwand. Die Evaluation ist auch die Beendigung des Case Management Prozesses.
- Evaluierende Nachsorge
Die evaluierende Nachsorge ist eine Nachhaltigkeitsprufung nach 3 bis 6 Monaten der geleisteten Case Management Arbeit.
(vgl. DGCC 2010)
1.5 Grundlagen des Coaching
Coaching bezeichnet eine professionelle Beratung, Begleitung und Unterstutzung von Personen. Im Fall der Berufsorientierung sind dies Jugendliche. Durch die Optimierung der Potentiale der Jugendlichen sollen wertschopfende und zukunftsgerichtete Entwick- lungen der Jugendlichen gefordert werden (vgl. DBVC 2010). „Inhaltlich ist Coaching eine Kombination aus individueller Unterstutzung zur Bewaltigung verschiedener An- liegen undpersonlicher Beratung“ (DBVC 2010).
Bei der Berufsorientierung in Hauptschulen konnen solche Coachingprozesse wichtige und stabilisierende Faktoren darstellen. Personliche Beratung bzw. Coaching kann zwi- schen Coach und Schuler ein Vertrauensverhaltnis bilden. Die 1:1 Betreuung ist hier ebenso im Vordergrund wie das ressourcenorientierte Arbeiten mit den Jugendlichen.
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