Rekrutierung von Soldaten für die U.S. Streitkräfte. Von der Wehrpflicht zur All-Volunteer Force


Term Paper (Advanced seminar), 2012

22 Pages


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

I Einführung

II Von der Wehrpflicht zur All-Volunteer Force (AVF)
1. Historische Entwicklung der amerikanischen Rekrutierung
2. Ökonomische Gründe für die Einführung der All-Volunteer Force (AVF)

III Fazit

IV Quellen- und Literaturverzeichnis

I Einführung

„Die Wehrpflicht ist so ein tiefer Eingriff in die individuelle Freiheit des jungen Bürgers, dass ihn der demokratische Rechtsstaat nur fordern darf, wenn es die äußere Sicherheit des Staates wirklich gebietet. Sie ist kein allgemeingültiges, ewiges Prinzip, sondern sie ist auch abhängig von der konkreten Sicherheitslage. Ihre Beibehaltung, Aussetzung oder Abschaffung und ebenso die Dauer des Grundwehrdienstes müssen sicherheitspolitisch begründet werden können.“[1]

Diesen Beitrag leistete Roman Herzog in der Debatte über die Aussetzung der Wehrpflicht in der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1995. Sechzehn Jahre später wird die Wehrpflicht schließlich zum ersten Mal seit die Bundeswehr besteht, ausgesetzt. Auf rechtlicher Grundlage darf kein deutscher Staatsbürger mehr zum Dienst in den Streitkräften eingezogen werden. Das ehemalige „Wehr-Recht“ des Bürgertums, sozusagen das Recht eine Waffe zu tragen, war nicht nur Ausdruck eines neuen Selbstbewusstseins, sondern auch Folge liberaler und demokratischer Herrschaftsverhältnisse.[2] Die Verteidigung des Staates, der eigenen Nation, sollte Anliegen aller Bürger sein. Ob jedoch die Struktur der Streitkräfte durch ein Pflichtverhältnis oder auf freiwilliger Basis fußt, war nicht eindeutig in der Verfassung festgehalten. Die Situation ist vergleichbar mit der rechtlichen Grundlage der Vereinigten Staaten von Amerika, die seit 1973 bis heute auf eine All-Volunteer Force (AVF) schwört.

Doch wieso hat man auch in Amerika die Wehrpflicht abgeschafft - gilt doch die allgemeine Meinung, diese wäre um einiges kostengünstiger? Ist es nicht moralisch vertretbar auch einen Dienst am Staat zu leisten, etwas zurückzugeben. Wieso haben wir trotz Zusammenwachsen der Welt und trotz der militärischen Bündnissystem der verschiedenen Staaten unterschiedliche Wehrsysteme?

Die Debatte um die Einführung oder Beibehaltung einer Wehrpflicht ist so facettenreich, dass in dieser Hausarbeit nur ein kleiner Teilbereich unter die Lupe genommen werden kann. Der Fokus liegt auf der ökonomischen Überlegung, wieso eine All-Volunteer Force (AVF) in den Vereinigten Staaten von Amerika eingeführt wurde. Es wird zudem der Frage nachgegangen, inwiefern momentan die All-Volunteer Force der U.S. Army finanziell tragbarer ist, als die Verpflichtung von jungen Rekruten durch eine Wehrpflicht. Zunächst wird ein historischer Abriss über die gesetzlichen Veränderungen innerhalb der amerikanischen Streitkräfte von der Kolonialzeit bis zum Ende des Vietnamkriegs geliefert, um nachzuzeichnen wie es zum heutigen Status quo der amerikanischen Militärs kam. Anschließend werden die wirtschaftlichen Gründe für die Umstrukturierung zu einer Freiwilligenarmee nachgezeichnet. Fokus liegt hierbei auf den Personalkosten des Verteidigungsbudgets. Spannend wäre auch zu untersuchen wie stark sich die langfristigen Kosten für die Unterhaltung von Veteranen auswirken. Dies würde jedoch den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Die Einbeziehung wäre jedoch für ein größere Forschungsarbeit unbedingt zu empfehlen.

Diese Hausarbeit kann leider auch nicht auf die moralische Diskussion über die Verpflichtung von jungen Staatsbürgern eingehen. Die vielleicht für real politische Entscheidungen viel gewichtigeren Argumente zur Beibehaltung einer Wehrpflicht werden, um den Umfang der Arbeit beizubehalten, nicht näher beleuchtet. In diesem Kontext wäre die Überlegung nach der geografischen Lage des Staates und die daraus resultierende Notwendigkeit einer Armee oder die taktische Einstellung auf den momentanen Gegner, beziehungsweise das Schlachtfeld, von Bedeutung. Ausgeblendet wird zudem die enorme Militärwirtschaft und Rüstungsindustrie, welche enorm von der Armee und dem Kriegsdienst profitiert und die daraus resultierenden Wechselbeziehung zwischen Politik und Wirtschaft.

Es werden hauptsächlich Gesetzestexte von der U.S. Constitution und aus Kreidberg, Fitzpatrick, Rostker und Witherspoon sowie Daten aus Müller, Krell, Warner und Asch, Oi und Flynn als Quelle verwendet. Unterfüttert werden die Quellen durch Literatur von Fröhling zur deutschen Bundeswehr sowie Flynn, Kennedy, Kreidberg, Lee, zur historischen Entwicklung der amerikanischen Streitkräfte. Darüber hinaus werden Schriften von Friedman, Oi, Poutvaara, Rockoff, Sandler und Warner zur wirtschaftlichen Situation des U.S. Militärs und besonders zur Wehrpflicht und Levitan zu Soldaten als Arbeitnehmer herangezogen.

II Von der Wehrpflicht zur All-Volunteer Force (AVF)

1. Historische Entwicklung der amerikanischen Rekrutierung

„And besides, soon there won´t be any army. We shall all be in it, from the age of seven to sixty - in what come to think of it? The word “army” means nothing when entire nations are hurling themselves against each other.“[3]

Im 20. Jahrhundert galt es große Schlachten durch einen enormen Einsatz an Material und Menschenleben zu entscheiden. Als der französische Schriftsteller Georges Bernanos 1936 diese Zeilen, mit den Erfahrungen aus dem Ersten Weltkrieg im Nacken, als ganze Nationen mobilisiert wurden, verfasste, stand der Zweite Weltkrieg schon pochend vor der Tür. Die Geschichte zeigte, dass auch der folgende Krieg bis 1945 durch die Erschaffung einer enorm großen Armee und die Militarisierung der Bevölkerung vonstatten ging.[4] Die Einberufung, die Draft, von wehrfähigen Bürgern war auch in den Vereinigten Staaten von Amerika zu jener Zeit unabdingbar, um die Reihen zu halten.[5]

Doch die Verpflichtung zu „dienen“ war in den USA nicht immer selbstverständlich. Schon die Loslösung der ehemaligen britischen Kolonie und damit die Legitimierung zu einer eigenständigen Nation, musste auf militärische Weise gegen das Mutterland ausgefochten werden. Bis heute waren und sind die Vereinigten Staaten in viele kriegerische Auseinandersetzungen involviert und mussten in Folge das amerikanische Militär auf die Gegebenheiten und natürlich die finanzielle Situation im Bezug auf das Haushaltsbudget einstellen.

Die Verbindung zwischen dem Recht auf Staatsbürgerschaft und dem Privileg Waffen zu tragen, bestand schon seit der Antike und wurde gerade nach dem zweiten Weltkrieg lebendig, als die afroamerikanische Bevölkerung der Vereinigten Staaten frisch vom Kriegsdienst zurückkamen und schließlich ihr Recht auf gleichberechtigte Staatsbürgerschaft einforderten.[6] Schon Jean-Jacques Rousseau, einer der wichtigsten geistigen Wegbereiter der Französischen Revolution, legte 1772 die Grundlage der Wehrpflicht, indem er deutlich hervorhob, dass die Verteidigung eines Staates nur durch die persönliche Verpflichtung jeden einzelnen Staatsbürgers als Soldat zu dienen, gewährleistet wäre. Inwiefern die Vereinigten Staaten von Amerika diesen Leitsatz des späteren Konzepts „the nation in arms“, tatsächlich für sich umsetzten, möchte ich im Folgenden historisch nachzeichnen.[7]

Der größte Teil der Rekrutierung von amerikanischen Soldaten basierte, wie in Großbritannien auch, auf freiwilliger Grundlage. Nur vier Mal mussten in den einzelnen Bundesstaaten die Soldaten durch Zwang einberufen werden. Meistens wurde in diesen Ausnahmephasen auch nur nach Bedarf rekrutiert.[8] Nach britischer Tradition wurde oftmals eine „mixed force“ gebildet, welche sich aus professionellen Soldaten und Wehrpflichtigen zusammensetze.[9] Schon 1066 kämpfte eine gemischte britische Armee unter König Harald II. bei der Schlacht bei Hastings gegen die französischen Normannen. Das französische Heer unter Herzog Wilhelm dem Eroberer konnte diese letzten Endes für sich entscheiden. Ob das, nach König Harald II., an der angeblichen geringen Motivation der Verpflichteten lag, war nicht eindeutig zu belegt.[10] Jedoch ist die Diskussion über die Einsatzbereitschaft von Freiwilligen oder Wehrpflichtigen bis zum heutigen Tag in Gange.

Kolonialzeit bis zum Sezessionskrieg Sicher ist jedoch die Übertragung des militärischen Gedankengutes vom Mutterland in die damalige Kolonie nach Amerika und die daraus resultierende Beeinflussung der Declaration of Independence und der Verfassung. Von offizieller Seite wurde folgende Erklärung über die Wehrbereitschaft in der Kolonie herausgegeben:

„[In the colonies] every able-bodied man, within prescribed age limits, (…) [was] required by compulsion to possess arms, to be carried on muster rolls, to train periodically, and to be mustered into service for military operations whenever necessary.”[11]

In der revolutionären Folgezeit nutzten einige neugegründeten Bundesstaaten den militärischen Zwang zur Einberufung. Ab 1777 wurde eine einheitlichere Rekrutierungsstruktur erlassen. Sollten sich beim militärischen Notstand keine Freiwilligen melden, war es durchaus möglich die Bürger direkt für das Militär zu verpflichten. Die Verantwortung sollte über die Staaten auf die einzelnen Städte übertragen werden.[12] Auch George Washington war zwar gegenüber der Wehrpflicht nicht besonders gut gestimmt, sah diese jedoch als notwendige Alternative. Denn grundsätzlich favorisierten die Amerikaner eher das Recht auf maximale individuelle Freiheit, als die Verpflichtung für das Land einzustehen.[13] Trotzdem trat Washington am 28. Januar 1778 mit der folgenden Bitte an das Committee of Congress with the Army:

„Some other mode must be concerted, and no other presents itself, than that of filling the Regiments by drafts from the Militia. This is a disagreeable alternative, but it is an unavoidable one. As drafting for the war, or for a term of years, would probably be disgusting and dangerous, perhaps impracticable, I would propose an annual draft of men, without officers, to serve´till the first day of January, in each year.”[14]

Jeder Bürger, der die Freiheit von Selbstbestimmung und gemeinschaftlicher Führung genieße, besäße, nach Washington, nicht nur ein Teil seines Eigentums, sondern stehe auch für den Schutz dieser Gemeinschaft ein.[15] Die Präambel der amerikanischen Verfassung beginnt daher auch mit den Worten „We the People“ und beinhaltet „provide for the common defense“.[16]

[...]


[1] Roman Herzog anlässlich der Kommandeur-Tagung der Bundeswehr am 15.11.1995, in: Bundesministerium der Verteidigung (Hrsg.), Mitteilungen für die Presse (16.11.1995), Bonn 1995, S. 12. / Hans Fröhling, Arbeitspapier. Rund um die Wehrpflicht. Eine Zusammenstellung der Argumente, in: Zentrum Innere Führung, Vol. 1, 2002, S. 7.

[2] Hans Fröhling, Arbeitspapier. Rund um die Wehrpflicht. Eine Zusammenstellung der Argumente, in: Zentrum Innere Führung, Vol. 1, 2002, S. 8-9.

[3] Georges Bernanos, Diary of a Country Priest, in: George Q. Flynn, Conscription and Democracy. The Draft in France, Great Britain, and the United States, Westport 2002, S. 1.

[4] George Q. Flynn, Conscription and Democracy. The Draft in France, Great Britain, and the United States, Westport 2002, S. 1.

[5] Hugh Rockoff, War and the American Economy, in: Rutgers University Department of Economics, Working papers, Vol. 3, 2005, S. 13.

[6] David M. Kennedy, The Wages of a Mercenary Army: Issue of Civil-Military Relations, in: Bulletin of the American Academy of Arts and Sciences, Vol. 59 (3), 2006, S. 12-16.

[7] Flynn, Conscription and Democracy, Westport 2002, S. 3.

[8] Walter Y. Oi, The Virtue of an All-Volunteer Force, in: Regulation, Vol. 26 (2), 2003, S. 10.

[9] Bernard Rostker, I want you! The evolution of the All-Volunteer Force, Santa Monica 2006, S. 19.

[10] Ralph Pomeroy Witherspoon, The Military Draft and the All-Volunteer Force. A Case Study of a Shift in Public Policy, Blacksburg 1993, S. 76-153.

[11] Marvin R. Kreidberg / Henry Merton, History of Military Mobilization in the United States Army 1775-1945, Washington 1955, S. 3.

[12] Rostker, I want you, Santa Monica 2006, S. 19.

[13] Flynn, Conscription and Democracy, Westport 2002, S. 4.

[14] John C. Fitzpatrick (Hrsg.), The Writing of George Washington for the Original Manuscript Sources,, in: Bernard Rostker, I want you! The evolution of the All-Volunteer Force, Santa Monica 2006, S. 20-21.

[15] Rostker, I want you, Santa Monica 2006, S. 20.

[16] „We the People of the United States, in Order to form a more perfect Union, establish Justice, insure domestic Tranquility, provide for the common defence, promote the general Welfare, and secure the Blessings of Liberty to ourselves and our Posterity, do ordain and establish this Constitution for the United States of America.“ : U.S. Constitution Präambel, in: www.usconstitution.net, URL: http://www.usconstitution.net/xconst_preamble.html (13.10.2012), 2010.

Excerpt out of 22 pages

Details

Title
Rekrutierung von Soldaten für die U.S. Streitkräfte. Von der Wehrpflicht zur All-Volunteer Force
College
University of Mannheim  (Volkswirtschaftslehre)
Course
Amerika im Krieg. Ursachen, Finanzierung und Folgen.
Author
Year
2012
Pages
22
Catalog Number
V230887
ISBN (eBook)
9783656470199
ISBN (Book)
9783656470359
File size
588 KB
Language
German
Notes
Keywords
Geschichte, Amerikanische Geschichte, Amerikanische Kriege, Soldaten, Wehrpflicht, All-Volunterr Force, Draft, USA, Finanzierung Kriege, Neueste Geschichte, Wirtschaftsgeschichte
Quote paper
B.A. Nicola Kiermeier (Author), 2012, Rekrutierung von Soldaten für die U.S. Streitkräfte. Von der Wehrpflicht zur All-Volunteer Force, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/230887

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