Leseprobe
Index:
1. Einleitung - The Waste Land (1922)
1.1 Einleitende Worte
1.2 T.S. Eliot als Verfasser
1.3 Widmung, Hintergrund und Entstehungsgeschichte
1.4 These der Hausarbeit
2. Deutsche Übersetzungen
2.1 Ernst Robert Curtius als Übersetzer (Das wüste Land, 1927)
2.1.1 Zur Person
2.1.2 Bezug zu T. S. Eliot und The Waste Land
2.2 Norbert Hummelt als Übersetzer (Das öde Land, 2008)
2.2.1 Zur Person
2.2.2 Werk und bisherige Übersetzungen
3. Vergleichende Analyse der Neuübersetzung durch Norbert Hummelt
3.1 Entstehung der Übersetzung
3.2 Interpretationsansatz des Übersetzers
3.3 Titel
3.4 Analyse der Unterschiede und Auffälligkeiten anhand theoretischer Modelle
3.4.1 Equivalence
3.4.2 Skopos
4. Abschließende Beurteilung und persönliche Stellungnahme
1. Einleitung - The Waste Land (1922)
1.1 Einleitende Worte
Der Berliner Lyriker Norbert Hummelt hat T. S. Eliots The Waste Land neu übersetzt. Es ist die dritte Übersetzung der 433 Verse des Langgedichts. Die mediale Resonanz der Literaturkritik und der Leser spaltete sich in zwei Lager. Die eine Seite lobte die zeitgemäße und leicht zugängliche, beinahe prosaische Übersetzung, während die andere Seite sich über mangelnden lyrischen Wert und Verse wie „No No No No Shakespeare hat den Groove“1 oder „Wenn Pretty Women sich getäuscht hat“2 aufregte. Unter Berücksichtigung der Theorien der Übersetzungswissenschaften soll in dieser Hausarbeit die Herangehensweise bei der Neuübersetzung untersucht und kritisiert werden.
1.2 T.S. Eliot als Verfasser
Geboren wurde Thomas Stearns Eliot 1888 in St. Louis, Missouri. Er wuchs dort in wohlhabenden, aber einfachen Verhältnisse auf. Im Alter von 19 Jahren veröffentlichte er 1907 seine ersten Gedichte in der Hauszeitschrift der Harvard University, bei der er später als Herausgeber fungierte. Nach dem Studium der Literatur und der Philosophie besuchte er Paris und London und lernte dort intellektuelle, sowie kulturelle Größen wie Henri Bergson, Bertrand Russel und Ezra Pound kennen. 1915 heiratete er Marries Vivien HaighWood und beschließt endgültig nach London zu ziehen, wo er als Lehrer arbeitete. Sechs Jahre später bricht Eliot unter physischen und psychischen Stress zusammen. Er beginnt die Arbeit an The Waste Land, welches 1923 in England veröffentlicht wird. 1938 wird seine Frau Vivien Eliot mit einem starken Nervenleiden in eine psychiatrische Klinik gebracht, wo sie neun Jahre später stirbt. Ein Jahr vor seinem eigenen Tod (4. Januar 1965) wird Eliot die amerikanische Friedensmedaille verliehen.3
1.3 Widmung, Hintergrund und Entstehungsgeschichte
The Waste Land gilt als eines der wichtigsten Gedichte des 20. Jahrhunderts. Trotz seiner schwer zugänglichen Art hat es bis heute seinen populären Status erhalten können.4 Das lyrische Werk, des damals 33 jährigen Schriftstellers erschien nahezu zeitgleich mit James Joyce‘ Ulysses, einem Werk, dass Eliot später in einem Essay als episches Ausformung seiner eigenen dramatischen Gedankenwelt, die er mit The Waste Land beschritten hatte, betitelte.5 Begeistert von der Arbeit am Mythos, der Verbindung von Altertum und Moderne, sah Eliot in beiden Werken die literarische Möglichkeit das „immense Panorama aus Nichtigkeit und Anarchie unter Kontrolle zu bringen, zu ordnen, ihr Form und Bedeutung zu geben.“6
Von den ursprünglichen 800 Versen verblieben, nach Diskussionen und Streichungen durch Eliot und seinem Vertrauten und Mentor Ezra Pound (dem er das Gedicht widmete), letztendlich 433 Verse. Das Manuskript wurde an John Quinn, einem literarisch versierten Rechtsanwalt, verkauft. Quinn verstarb 1924 und das Manuskript von The Waste Land geriet für die nächsten 44 Jahre in Vergessenheit. In der öffentlichen Bibliothek von New York wurde es 1968, drei Jahre nach Eliots Tod wiederentdeckt und erschien wiederum drei Jahre später als hochwertige und kommentierte Ausgabe.7
Eliots Gedicht handelt von der Arbeit am Mythos der europäischen Geistesgeschichte, von der Moderne und der Abwendung vom humanistischen Begriff des Mythos. Bedingt durch wissenschaftliche Erkenntnisse der Soziologie, der Psychologie und der Ethnologie (hier ganz besonders die Rückbesinnung auf archaische und primitive Kunsterzeugnisse), arbeitete Eliot an der Herausbildung eines neuen Geschmacks und einer neuen Auffassung von Geschichte, einer aus der Zeit und der Tradition herausgehobenen und dem Individuum entspringenden, Geschichte.8
Geplagt von seelischen Leiden und von der umwälzenden Unsicherheit der Nachkriegsjahre (unzählige Arbeitslose, wirtschaftliche und politische Krisen und Identitätsverluste) bildete The Waste Land für Eliot ein Ventil um seinen Unmut in „rythmischer Quengelei“ auszudrücken. Eliot verabscheute seine Zeit und versuchte daher, sich auf den Mythos zurückzubesinnen, ganz wie seine zeitgenössischen Kollegen Freud, Joyce, Mann und Pound. Die Moderne war in eine Krise gestürzt. Intellektuelle wie Eliot hatten mit der zunehmenden Verbitterung und Desillusionierung zu kämpfen. „April is the cruellest of months, breeding“. So beginnt das Gedicht. Der versprochene Aufschwung, der Frühling nach dem Ersten Weltkrieg blieb aus. Stattdessen folgte einer Zeit der Wirrnis, der Unübersichtlichkeit.9
Um die Entfremdung des modernen Menschen darzustellen, bediente Eliot sich popkultureller, kompositorischer und religiöser Quellen und Zitate. The Waste Land ist ein intertextuelles Gedicht, voller Verweise und Entleihungen. Hummelt greift diese elementare Idee auf und zeigt dabei ein Bildnis des modernen Menschen, der sich zunehmend aus medialen und kulturellen Einflüssen zusammensetzt und seine brüchige Identität in wandelbaren Trends verortet.10
Unter Einbeziehung des Motivs der Gralssuche, wirft Eliot die Frage der Sinnsuche in der einer zunehmend säkularisierten Welt auf. Mit seiner lyrischen Dichtung fühlt er sich in dieses wüste Ödland ein und fragt nach dem Überzeitlichen, der wild wirbelnden, aber konstanten Achse, die den Augenblick des Seins bestimmt.
1.4 These der Hausarbeit
The Waste Land hat sich in den Jahrzehnten seit seinem Erscheinen beinahe als eine eigene akademische Disziplin im Bereich der Literaturwissenschaft etabliert. Neben unzähligen kritischen Anmerkungen, Kommentaren, Interpretation und Ausarbeitungen zur Entstehung und zum geschichtlich-kulturellen Hintergrund gibt es ebenfalls diverse Anmerkungen von Eliot selbst, so dass das lyrische Werk kaum noch für sich alleine stehen kann. Gegenstand dieser Hausarbeit sollen jedoch zwei Übersetzungen ins deutsche sein. Dabei versuche ich, den ausufernden akademischen Kontext auf die Übersetzungsarbeit zu fokussieren, ohne jedoch wichtige Erkenntnisse aus den Literatur-, Kultur-, und Geschichtswissenschaften zu ignorieren. Die Schwierigkeit dabei liegt im Gravitationsfeld des Gedichts selbst, welches durch seine Frage nach Sinn und Geschichte, genau diese komplexe und weit verzweigte Suche in akademischen Arbeiten evoziert hat.
Um eine adäquate Analyse der Übersetzungen anzufertigen, wird man automatisch mit den unterschiedlichen Ansätzen der Übersetzungswissenschaften konfrontiert. Schaue ich lediglich auf das Gedicht, lediglich auf das Sprachliche? Schaue ich mir die Intentionen des Autors und den historischen Kontext an? Berufe ich mich als Übersetzer auf die eigenen Anmerkungen des Verfassers, oder lasse ich die Sprache einfach auf mich wirken, ganz so, als ob dahinter keine endlos verzweigte Gedankenwelt liegen würde?
Um diese Frage zu bearbeiten stelle ich in dieser Hausarbeit die These auf:
Nobert Hummelts Neuübersetzung von The Waste Land erfüllt die theoretischen
Ansprüche der Ü bersetzungswissenschaften und stellt eine adäquate Ü bersetzung des Gedichts dar.
[...]
1 Eliot, T. S., Hummelt, Norbert - The öde Land S. 17
2 Eliot, T. S., Hummelt, Norbert - The öde Land S. 27
3 Vgl.: Eliot, T.S., North, Michael - The Waste Land S. 293 - 295
4 Vgl.: Eliot, T.S., North, Michael - The Waste Land S. ix
5 Vgl.: Eliot, T.S., Curtius, Ernst Robert - Das wüste Land S. 10
6 Eliot, T.S., Curtius, Ernst Robert - Das wüste Land S. 10
7 Vgl.: Eliot, T.S., Curtius, Ernst Robert - Das wüste Land S. 7, 8
8 Vgl.: Eliot, T.S., Curtius, Ernst Robert - Das wüste Land S. 10, 11
9 Vgl.: http://www.berlinerliteraturkritik.de/
10 Vgl.: http://www.berlinerliteraturkritik.de/