Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Ziel und Aufbau der Arbeit
2 Was ist selbstgesteuertes Lernen?.
2.1 Komponenten des Begriffs „Selbstgesteuertes Lernen“
2.2 Selbst / Fremdsteuerung
2.3 Definitionsversuch zum Begriff „selbstgesteuertes Lernen“
2.4 Anforderungen an den Lernenden
3 Die Rolle des Lehrers.
3.1 Einführung in die Rolle des Lehrers
3.2 Die „neue“ Rolle des Lehrers
4 Fazit und Ausblick
Literaturverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Problemstellung
Das Thema „selbstgesteuertes Lernen“ ist seit langer Zeit Diskussionsgegenstand in der beruflichen Bildung. Der Wandel der Zeit mit zunehmenden wirtschaftspolitischen, arbeitsorganisatorischen und gesellschaftlichen Veränderungen führen zu weitreichen- den Auswirkungen, die auch die berufliche Bildung beeinflussen. Das System ist immer mehr geprägt durch Individualisierung, Emanzipation, ständige Veränderungen und neue Technologien. Forderungen nach hoher Flexibilität, sowie der Bereitschaft zur ständigen Wissenserweiterung und Neuerung werden gestellt. Zudem sind flacher werdende Hierarchien einhergehend mit höherer Eigenverantwortung und Eigeninitiati- ve für die einzelnen Mitarbeiter.1 Die Fähigkeit der Selbststeuerung wird immer bedeut- samer. Was aber bedeutet Selbststeuerung genau? Wie kann diese grundlegend in der Berufsbildung gefordert und gefördert werden?
Im klassischen Sinne finden in der Schule Lehr- Lern - Arrangements statt. Lehren beinhaltet, dass in bestimmter Weise, so wie es der Lehrer vorgibt, gelernt wird.2 Diese klassische Rolle des Lehrers3 muss aufgebrochen werden, um selbstgesteuertes Lernen zu ermöglichen. Wie aber gestaltet sich dann die „neue“ Rolle des Lehrers? Wie ist diese definiert und welche Anforderungen werden an diese gestellt, um selbstgesteuertes Lernen der Schüler zu ermöglichen und zu fördern, unter Berücksichtigung der Erfüllung curricularer Vorgaben, z. B. der Rahmenlehrpläne.
1.2 Ziel und Aufbau der Arbeit
Um eine Empfehlung darüber abgeben zu können, wie die Rolle des Lehrers bezüglich der Förderung von „selbstgesteuertem Lernen“ zu gestalten ist, muss in Kapitel 2 zu- nächst definiert werden was der Begriff des „selbstgesteuerten Lernens“ genau bein- haltet. Die Facetten des Begriffs werden zunächst näher betrachtet, um im nächsten Schritt eine Abgrenzung zum Pendant, dem „fremdgesteuerten Lernen“ vorzunehmen. Auch wenn auf Grund der Komplexität des Begriffs eine einheitliche Definition nicht möglich ist, so kann ein Definitionsversuch, welcher möglichst viele Gesichtspunkte beachtet, als Orientierungspunkt für die weiteren Abschnitte hilfreich sein. In Kapitel 3 wird zunächst kurz auf die Rolle des Lehrers im Allgemeinen eingegangen. Im nächs- ten Schritt wird erläutert, welche Anforderungen an die Rolle des Lehrers bei selbstge- steuertem Unterricht gestellt werden und Verhaltensempfehlungen abgegeben. Ziel der Arbeit ist es, herauszukristallisieren, ob und auf welche Weise der Lehrer die Lernen- den hierbei unterstützen kann.
2 Was ist selbstgesteuertes Lernen?
2.1 Komponenten des Begriffs „Selbstgesteuertes Lernen“
Der Begriff „Selbstgesteuertes Lernen“ beinhaltet drei Begriffe, die zunächst einzeln definiert werden, um einen Überblick über die die wesentlichen Bedeutungen der Komponenten zu erlangen.
Der Begriff beinhaltet das alleinstehende Wort „Lernen“. Lernen kann nicht einheitlich definiert werden und umfasst ein facettenreiches Spektrum an inhaltlichen Auffassungen, was sich je nach wissenschaftlicher Disziplin vom Betrachtungsschwerpunkt her auch unterscheiden kann. Als allgemeine Definition lässt sich der Begriff als den absichtlichen oder den zufälligen, individuellen oder kollektiven Erwerb von geistigen, körperlichen, sozialen Kenntnissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten beschreiben. Lernen soll zu einer dauerhaften Verhaltensänderung führen.4
Lernen ist nicht direkt beobachtbar. Allerdings kann aus dem herbeigeführten verän- derten Verhalten auf einen erfolgreich abgeschlossenen Lernvorgang geschlossen werden. Lernen baut demnach auf Erfahrungen auf, die das Individuum mit und in sei- ner Umwelt macht. Eine dauerhafte Verhaltensänderung entspricht zwar dem Idealzu- stand, allerdings ist eine relative Stabilität bereits ausreichend, um als gelernt zu zäh- len.5 Das Gelernte kann also im Laufe der Zeit vergessen werden, oder sich auch durch äußere Umwelteinflüsse oder auch innere Umstände verändern.
Lernen ist auch ein psychischer Prozess. Unser Lernverhalten wird zudem durch indi- viduelle genetische Voraussetzungen beeinflusst. Diese führen zu unterschiedlichen Lernpotentialen und Lernfähigkeiten je nach Person. Jedes Individuum ist einzigartig in seiner Denkweise sowie in seiner Art, wie es Sachverhalte auffasst, fühlt und handelt. Dies führt wiederum zu verschiedenen Lernmöglichkeiten. Lehrer müssen sich hiermit vorher auseinandersetzten.
Das Wort „Selbstgesteuert“ lässt sich wiederum aufspalten in die Begriffe „Selbst“ und „Steuerung“.
Betrachtet wird zunächst die Bedeutung des Begriffs „Selbst“.
Jedes Individuum hat eine eigene Vorstellung von sich selbst. Diese Vorstellung be- steht aus vielen Facetten und Punkten, die, wenn man sie zusammenführt, die Persön lichkeit der Person ausmachen. Dabei bleiben nicht unerhebliche Teile dieses Selbst unbewusst und werden entsprechend vom Individuum nicht bewusst wahrgenommen. Das Selbst ist nicht als unveränderbarer Begriff zu deuten, sondern bezieht sich viel- mehr auf ein dynamisches „Selbstkonzept“, das sich im Laufe der Zeit mehr oder weni- ger verändern kann. Konrad und Traub führen dies auf die Tatsache zurück, dass Menschen als rationale Individuen, stets die Gelegenheit haben, Neues über die eige- ne Person zu lernen.6 Je nach Kontexten und Situationen, im Zusammenspiel mit ihren Absichten und Zielen, sowie in Übereinstimmung mit ihren Fertigkeiten, die sowohl genereller, spezifischer kognitiver, motivational-affektiver, soziokultureller oder strate- gischer Natur sein können, wird der eigene Lernvorgang geprägt.7 Im nächsten Schritt kann auf die enge Verbindung der Begriffe „Selbstkonzept“ und „Selbststeuerung“ ver- wiesen werden. Hauptargument stellt hier die Feststellung dar, dass informatorisch geprägte Prozesse, welche im Inneren des Individuums ablaufen und welche zudem in der Verantwortung und im Bereich der Möglichkeiten des Lernenden liegen, stets die Selbstbeteiligung verlangen.8 Unser Handeln wird also durch uns selbst beeinflusst und somit auch gesteuert. Entscheidungen zu treffen, die durch das Handeln offen- sichtlich werden, beschreibt eine bedeutsame Fähigkeit des Menschen und hat große Auswirkungen auf seine Fähigkeit, selbständig zu lernen.
Das Wort „Steuern“ genau zu definieren, insbesondere im Zusammenhang mit „selbstgesteuertem Lernen“, gestaltet sich als nicht ganz eindeutig. Am ehesten lässt sich das Wort mit der „Lenkung in eine bestimmte Richtung“ umschreiben. Das Indivi- duum selbst entscheidet somit, in welcher Art es sein Lernen gestaltet. Da bei der Steuerung der Informationsfluss nur in eine Richtung möglich ist, gestaltet sich die Verwendung des Begriffs Regulation als passender. Durch Rückkopplung ist eine An- passung der Lernaktivitäten möglich, welches die Steuerung durch Festlegung der Lernaktivität in eine bestimmte Richtung nicht ermöglicht. Somit können die Lernaktivi- täten den Lernzielen und dem individuellen Lernfortschritt angepasst werden, und Re- gelkreise entstehen, um den vom „Kurs“ abweichenden Istzustand wieder dem Sollzu- stand anzupassen9. Siebert führt jedoch ein weiteres einleuchtendes Argument auf, das die Operationalisierbarkeit der Begriffe in Frage stellt. Lernprozesse ereignen sich teilweise auch unbewusst und werden somit nicht vollständig gesteuert bzw. reguliert.10 Formal wird im weiterem sowohl der Begriff der Selbststeuerung als auch Selbstregula- tion aufgeführt, da diese in der Literatur meistens gleichbedeutend verwendet werden. Nach Betrachtung der Begriffe Selbst und Steuerung, ist es sinnvoll, im nächsten Schritt eine Abgrenzung zur Fremdsteuerung vorzunehmen, insbesondere da Metho- den, die von Fremdsteuerung geprägt sind, immer noch hohen Stellenwert an Schulen haben.
2.2 Selbst / Fremdsteuerung
Im Gegensatz zum aktiven Aneignungsprozess, bei dem das Individuum völlig selbst- ständig über sein Lernen entscheidet, beschreibt die Fremdsteuerung die extern auf den Lernenden und die Gestaltung seines Lernens einwirkenden Faktoren. Andere Personen können auf den Lernenden direkt in Form von z. B. Anweisungen oder Fra- gen einwirken. Auch bestimmte Merkmale des weiteren Lernumfeldes, wie z. B das. Klassenzimmer oder die Beschränkung auf bestimmte Medien zur Bearbeitung zählen mit zur Fremdsteuerung.11 Obwohl die beiden Wörter zunächst Gegensätzliches auf- zeigen, findet in der Realität ausschließlich eine Kombination der beiden Steuerungen statt. Lernen stellt immer, einmal mehr und einmal weniger, einen subjektiven Vorgang dar. Ein gewisser Grad an Eigeninitiative ist notwendig, um etwas zu lernen, da Lern- zwang als solches nicht möglich ist. Weiterführend können Lernprozesse nie ganz selbstgesteuert ablaufen, zumindest der Lerngegenstand bestimmt die Art der Lernak- tivität. Die Lernumgebung kann die Intensität der Fremdsteuerung bzw. Selbststeue- rung beeinflussen. Vollkommene Autonomie und vollkommene Fremdsteuerung sind daher nicht vollständig voneinander abgrenzbar, welches durch die folgende Grafik verdeutlicht wird. Formen, in denen sich der Lernende weitestgehend individuell entfal- ten kann und selbst verantwortlich für seine Lerntätigkeit ist sowie der Inhalt der Lern- tätigkeit frei gewählt werden kann, kommen dem Pole der „absoluten Autonomie“ am nächsten. Formen der Außensteuerung werden je nach Ausmaß der externen Vorga- ben immer näher am Pole der „vollkommenen Fremdsteuerung“ angesiedelt.12
Symbolisch untermalt wird die folgende grafische Darstellung durch den Adler, der sein Leben in Freiheit selbst gestaltet. Der Käfig mit seiner vorgegebenen Ausstattung als eingeschränktes Lernumfeld sowie der Mensch, der auf den Vogel einwirkt, führen zu einer weitestgehenden Fremdsteuerung.
[...]
1 Vgl. Lang, Pätzold, „Selbstgesteuertes Lernen in der beruflichen Erstausbildung“, S.9 http://www.pedocs.de/volltexte/2010/2042/pdf/Lang_Paetzold_9783897331587_D_A.pdf (07.12.2012)
2 Vgl. Bonz, „Methodik- Lern Arrangements in der Berufsbildung“, S.3
3 Aus Gründen besserer Lesbarkeit wird im folgenden ausschließlich die männliche Form verwendet, die Ausführungen beziehen sich hingegen sowohl auf männliche, als auch auf weibliche Personen
4 Gabler Wirtschaftslexikon, Stichwort Lernen, http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Archiv/85222/lernen- v5.html (09.12.2012)
5 Vgl. Zimbardo, Psychologie, S.206
6 Vgl. Konrad, Traub, „Selbstgesteuertes Lernen“, S.2
7 Vgl. Alexander, 1997: Markus, Wurf, 1987
8 Vgl. Prenzel. 1993: Reinmann-Rothmeier & Mandl, 2001
9 Vgl. Weltner, „Autonomes Lernen“, S.27
10 Vgl. Siebert, „Selbstgesteuertes Lernen und Lernberatung“, S.26 ff.
11 Vgl. Schiefel, Pekrun, „Psychologische Modelle des fremdgesteuerten und selbstgesteuerten Lernens“, S.249ff.
12 Vgl. Konrad, Traub, „Selbstgesteuertes Lernen“, S.4-6