Else Haugk. Die erste Fliegerin der Schweiz


Livre Spécialisé, 2014

67 Pages


Extrait


Else Haugk (1889-1973), nach fälschlicher Schreibweise auch Haugh, verheiratete Else von Oldershausen. Zeichnung: Antje Püpke, Berlin, www.fixebilder.de

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Segelflugpionier Wolfram („Wolf“) Hirth (1900-1959), Foto: Bundesarchiv, Bild 102-11940 / CC-BY-SA (via Wikimedia Commons), lizensiert unter CreativeCommons-Lizenz by-sa-3.0-de, http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/legalcode

Die Ehre, als erste Schweizerin das Fliegen gelernt zu haben, gebührt der Kaufmannstochter Else Haugk (1889-1973), nach fälschlicher Schreibweise auch Haugh, verheiratete Else von Oldershausen. Im Alter von 24 Jahren legte sie am 11. Mai 1914 in Hamburg auf einem Eindecker des Typs „Hansa-Taube“ die Flugprüfung ab und erfüllte damit die Voraussetzungen für das Schweizer Brevet.

Lange Zeit war wenig über diese Pionierin der Luftfahrt bekannt, bis Dr. Stefan Blumenthal im November 2011 einen aufschlussreichen Artikel über Else Haugk in der schweizerischen Zeitschrift „Cockpit“ veröffentlichte. Er ist der Großneffe des deutschen Segelflugpioniers Wolf Hirth (19001959).

Else Haugk kam am 10. Juni 1889 in Enge (heute in Stadtteil von Zürich) zur Welt. Ihr Vater Theodor Haugk stammte aus der bayerischen Landeshauptstadt München und heiratete in Zürich die Schweizerin Elise Brandstetter. In Zürich lebten auch der sieben Jahre ältere Bruder Otto, der den Kaufmannsberuf ergriff, und die um sieben Jahre jüngere Schwester von Else. Diese Geschwister wohnten bis ins hohe Alter in Zürich.

Else wird als ein aufgewecktes und resolutes Kind geschildert. Dem Vernehmen nach interessierte sie sich fast für alles, vor allem für Technik, Literatur und Malerei. In München besuchte Else die höhere Mädchenoberschule. Bei dem renommierten deutsch-mährischen Maler Adolf Hölzel (1853-1934) in Dachau nahm sie Malunterricht. Später wurde sie Schülerin des schweizerischen Künstlers Ferdinand Hodler (1853-1918) in Zürich, der als Maler des Symbolismus und Jugendstils gilt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Ferdinand Hodler (1853-1918),

„Selbstbildnis mit aufgerissenen Augen III“, 1912

Im Mai 1912 besuchte Else Haugk den „II. Zuverlässigkeitsflug am Oberrhein“ in Konstanz am Bodensee. Dabei handelte es sich um einen Zuverlässigkeitswettbewerb für deutsche Flugzeuge, der von 1911 bis 1914 ausgetragen wurde. Ab 1913 hat man diesen Wettbewerb nach Übernahme der Schirmherrschaft durch Prinz Heinrich von Preußen (1862-1929), den jüngeren Bruder von Kaiser Wilhelm II. (1859-1941) auch „Prinz-Heinrich-Flug“ genannt.

Der „II. Zuverlässigkeitsflug am Oberrhein“ dauerte vom 12. bis 23. Mai 1912. Die Strecke verlief von Straßburg nach Metz, Saarbrücken, Mainz, Frankfurt am Main, Karlsruhe, Freiburg und Konstanz. An der Veranstaltung nahmen auch drei Zeppelin-Luftschiffe teil: LZ 10 „Schwaben“, LZ 11 „Viktoria Luise“ (mit Hugo Eckener (1868-1954) an Bord) und LZ 12 („Z III“ von Ferdinand Graf von Zeppelin (1838-1917) persönlich geführt). Die Zeppeline beteiligten sich an Aufklärungsflügen und nahmen Passagiere mit. Auch die erstmalige West-Ost-Überquerung des Schwarzwaldes stand auf den Programm. Während des Zuverlässigkeitsfluges gab es zahlreiche Pannen und Unfälle. Es waren aber keine Todesopfer zu beklagen. Am Ziel in Konstanz kamen nur vier Teilnehmer an: Hellmuth Hirth (1886-1938), Leutnant Alfred Mahnke (1888-1979), Oberleutnant Luitpold Graf Wolffskeel von Reichenberg (1879-1964) und Oberleutnant Erwin Barends (1880-1952).

Was sie beim „II. Zuverlässigkeitsflug am Oberrhein“ in Konstanz mit eigenen Augen erblickte, faszinierte Else Haugk so sehr, dass sie sich spontan dazu entschloss, das Fliegen zu lernen. In Konstanz begegnete sie erstmals dem Oberstleutnant Freiherr Martin von Oldershausen (1865-1924), der dem Präsidium der Südwestgruppe des „Deutschen LuftfahrerVerbandes“ angehörte, mit der Organisation des Wettbewerbes betraut war und einige Jahre später im Privatleben von Else Haugk eine wichtige Rollle spielte.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Prinz Heinrich von Preußen (1862-1929) mit Gattuin Irene, zwischen 1905 und 1910 entstandenes Foto

(via Wikimedia Commons), Lizenz: gemeinfrei (Public domain)

Der am 24. November 1865 als Sohn eines k. und k. Rittmeisters in Hildesheim geborene und seit dem 16. September 1896 mit Frieda von Polentz verheiratete Martin Heinrich Franz Hans Freiherr von Oldershausen gehörte dem niedersächsischen Uradelsgeschlecht von Oldershausen an und machte eine beachtliche militärische Karriere. Bis 1917 war er Oberst, von 1916 bis 1918 Generalstabschef der 3. Armee, 1917 Generalmajor, 1919 Kommandeur der 1. sächsischen Grenzjägerbrigade und ab 1920 Chef des Stabes des Reichswehr-Gruppenkommandos 1.

Einerseits lehnte Martin von Oldershausen den Wunsch von Else Haugk, sie wolle Fliegerin werden, nicht ab. Andererseits erklärte er ihr, er sei hierfür nicht der richtige Ansprechpartner. Doch er vermittelte sie zu den „Hanseatischen Flugzeugwerken“ in Hamburg-Fuhlsbüttel von Karl Caspar (gestorben 1954). Dem Werk war eine zivile Flugschule angegliedert, bei der Karl Caspar als Fluglehrer wirkte.

Ende 1913/Anfang 1914 begann Else Haugk in HamburgFuhlsbüttel mit dem Flugunterricht. Nach einigen Monaten ging für sie am 11. Mai 1914 in der Hansestadt ihr großer Traum in Erfüllung. Sie erreichte die Voraussetzungen für das Schweizer Brevet. Der Schweizer Aeroclub verlieh ihr die Piloten-Nr. 48. Kurz darauf bestand Else in HamburgFuhlsbüttel auf einem Eindecker die Prüfung für den „Deutschen Pilotenschein“.

Das Flugzeug, mit dem Else Haugk ihre Ausbildung absolviert hatte, trug in Anlehnung an den Namen der „Hanseatischen Flugzeugwerke“ die Bezeichnung „Hansa-Taube“. Dabei handelte es sich nicht um eine Maschine aus eigener Herstellung, sondern um eine angekaufte „Rumpler-Taube“ der „Rumpler-Werke“ in Johannisthal bei Berlin. Else Haugk benutzte das selbe Schulflugzeugmuster wie Melli Beese, die 1911 in Johannisthal als erste Deutsche das Fliegen gelernt hatte. Das Baumuster, nach dem die „Hansa-Taube“ hergestellt wurde, war von dem österreichischen Flugpionier Ignaz („Igo“) Etrich (1879-1967) entwickelt worden. Er stellte 1909 die „Etrich I“ (Erstflug am 29. November 1909 auf dem Flugfeld in Wiener Neustadt) und im Winter 1909/1910 die „Etrich II- Taube“ (Erstflug am 6. April 1910) her. Dieses Flugzeug ist später von den „Rumpler-Werken“ in Deutschland in Lizenz unter dem Namen „Rumpler-Taube“ gebaut worden. Doch nach kurzer Zeit stellten die „Rumpler-Werke“ die Lizenzzahlungen ein. Wegen der zu befürchtenden Länge des Verfahrens und des Ausbruchs des Ersten Weltkrieges verzichtete Etrich auf eine Klage. Er gab des Baumuster frei, woraufhin über 40 Firmen Varianten dieses Typs unter eigenem Namen produzierten.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die „Rumpler-Taube“ beispielsweise war 9,90 Meter lang und 3,20 Meter hoch, hatte eine Flügelspannweite von 14,30 Metern, ein Leergewicht von 650 Kilogramm, einen Motor mit 100 PS, eine Höchstgeschwindigkeit von 100 Stundenkilometern und eine Reichweite von 140 Kilometern. Weil der Kurvenflug und das Manövrieren eine große körperliche Anstrengung erforderten, galt diese Maschine als schwer zu fliegen. Andererseits hieß es aber auch, bei schwierigen Fluglagen solle man das Steuer einfach loslassen, bis die „Taube“ wieder von selbst stabil flog.

In der Zeitschrift „Der Flugsport“ las man im Juli 1914 in Heft 14 auf Seite 600: „Fräulein Else Haugk, wohnhaft Hamburg-Fuhlsbüttel, geb. 10. Juni 1889 in Zürich, hat am 6. 6. 1914 auf dem Flughafen Fuhlsbüttel die Berechtigung für das Flugführer-Zeugnis für Eindecker (Hansa-Taube) erhalten. Sie erhielt die Nummer 785 des Deutschen Luftfahrerverbandes.“

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Eindecker „Rumpler-Taube“ , Foto: Bundesarchiv, Bild 146-1972-003-64 / CC-BY-SA (via Wikimedia Commons), lizensiert unter CreativeCommons-Lizenz by-sa-3.0-de, http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/legalcode

Da sie vor Ausbruch des „Ersten Weltkrieges“ (1914-1918) den Pilotenschein erwarb, gehörte Else Haugk zu den 817 „Alten Adlern“ („Vereinigung der Pioniere der Deutschen Fliegerei“). Zudem war sie die letzte Pilotin, die vor dem Ausbruch des „Ersten Weltkrieges“ in Deutschland eine Pilotenlizenz erwarb. Während des Krieges waren keine zivilen Flüge mehr möglich.

Noch früher als Else Haugk hatten einige andere Frauen in Europa den Pilotenschein erworben: 1910 Hélène Dutrieu (1877-1961) in Belgien, 1911 Lidija Swerea (1890-1916) in Russland, 1911 Hilde Hewlett (1864-1943) in Großbritannien, 1911 Melli Beese (1886-1925), verheiratete Boutard, in Deutschland und 1913 Rosina Ferrario (1888-1959) in Italien. Ebenfalls 1914 wie Else Haugk wurde Lilly Steinschneider (1891-1975) erste Pilotin in Österreich-Ungarn.

Bis August 1914 konnte Else Haugk viele Flüge in Norddeutschland absolvieren. Möglicherweise begegnete sie auch dem deutschen Flugpionier, Flugzeug- und Flugmotorenkonstrukteur Hellmuth Hirth (1886-1938), der als Chefpilot bei der Flugzeugfirma Rumpler bei den „Kieler Flugwochen“ oder in Warnemünde beim Wasserflugwettbewerb im Juli/ August 1914 teilnahm. Hirth hatte Melli Beese, der ersten deutschen Fliegerin, auf Wunsch seines Arbeitgebers das Fliegen beigebracht, war davon aber nicht begeistert gewesen. Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges im Sommer 1914 machte alle Pläne für eine fliegerische Zukunft von Else Haugk jäh zunichte. Günter Schmitt schrieb hierzu in seinem Buch „Die Ladys mit den fliegenden Kisten“ (1993): „Gewiß wäre von der damals 25jährigen Fliegerin aus Hamburg noch manches zu erwarten gewesen, doch wenige Wochen nach ihrem Ausbildungsabschluß begann eine Zwangspause für den zivilen Motorflug. Der größte Teil Europas war in den folgenden vier Jahren mit dem Krieg beschäftigt.“

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Erste russische Fliegerin: Lidija Swerea (1890-1916), Reproduktion

eines Fotos vor 1916

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Erste belgische Fliegerin: Hélène Dutrieu (1877-1961), Foto: Library of Congress,

Prints and Photographs Division, Washington, Urheber: George Grantham Bain

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Erste deutsche Fliegerin: Melli Beese (1886-1925), Foto: Bundesarchiv, Bild 183-1983-0617-302 / CC-BY-SA (via Wikimedia Commons), lizensiert unter CreativeCommons-Lizenz by-sa-3.0-de http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/legalcode

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Deutscher Flugpionier

Hellmuth Hirth (1886-1938), Foto: Flugsport at de.wikipedia (via Wikimedia Commons), Lizenz: gemeinfrei (Public domain)

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Fin de l'extrait de 67 pages

Résumé des informations

Titre
Else Haugk. Die erste Fliegerin der Schweiz
Auteur
Année
2014
Pages
67
N° de catalogue
V286568
ISBN (ebook)
9783656869108
ISBN (Livre)
9783656869115
Taille d'un fichier
2557 KB
Langue
allemand
Mots clés
Else Haugk, Else von Oldershausen, Fliegerinnen, Pilotinnen, Schweiz, Luftfahrt
Citation du texte
Ernst Probst (Auteur), 2014, Else Haugk. Die erste Fliegerin der Schweiz, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/286568

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