Verdrängungswettbewerb und Branchenanalyse des europäischen Luftverkehrs


Exposé Écrit pour un Séminaire / Cours, 2002

59 Pages, Note: 1,3


Extrait


Inhalt

1 Einleitung

2 Predatory Pricing – Die Theorie
2.1 Definition
2.2 Theories for Assessing Predatory Pricing
2.2.1 Areeda- Turner
2.2.2 Williamson
2.2.3 Baumol
2.3 Problematik
2.4 Ein weiterer Test: Joskow & Klevorick
2.4.1 A Two-Tier Rule-of-Reason approach
2.4.2 Erste Ebene
2.4.3 Zweite Ebene
2.5 Exkurs: Non-Price Predation
2.6 Rechtslehre und Wettbewerbspolitik
2.7 Zusammenfassung

3 Analyse der Branchenstruktur des europäischen Luftverkehrs
3.1 Die Entwicklung des Luftverkehrs
3.2 Strukturkriterien nach Joskow und Klevorick
3.2.1 Kurzfristige Marktmacht
3.2.2 Markteintrittsbedingungen
3.2.3 Dynamische Effekte von Wettbewerbern und Newcomers

4 Wirtschaftspolitische Schlussfolgerung

1 Einleitung

Die vorliegende Arbeit untersucht die Möglichkeit von Verdrängungsstrategien in der Luftfahrtbranche. Es soll analysiert werden, ob Luftfahrtunternehmen in der Lage sind, durch Kampfpreise bzw. drastische Preissenkungen Wettbewerber aus dem Markt zu drängen oder potentielle Konkurrenten vom Marktzutritt zu entmutigen.

Im zweiten Kapitel soll zunächst auf die Theorie der Verdrängungsstrategie („Predatory Pricing“) im Allgemeinen eingegangen werden. Nach einer Definition werden die unterschiedlichen theoretischen Konzepte dargestellt, die in den 70er und 80er Jahren entwickelt worden sind, um das Vorliegen von Predatory Pricing zu prüfen. Im Mittelpunkt steht die Arbeit „Framework for Analyzing Predatory Policy“ von Paul L. Joskow und Alvin K. Klevorick. Im Anschluss folgen als Exkurs eine alternative Verdrängungsstrategie („Non-Price-Predation“) sowie eine kurze Schilderung der Rechtslage.

Zwar halten Ökonomen wie McGee Predatory Pricing für irrational und daher unrealistisch, jedoch ist durch die Spieltheorie bewiesen, dass Verdrängungswettbewerb rational ist und somit existiert. Das Problem hierbei ist, Predatory Pricing bzw. die Verdrängungsabsicht eines Unternehmens nachzuweisen.

Im dritten Kapitel soll untersucht werden, ob die Luftfahrtbranche besonders anfällig für Verdrängungsstrategien ist. Predatory Pricing würde hierbei eine strategische Markteintrittsbarriere darstellen, so dass neue Airlines mit Billigtickets („No Frills Carriers“ bzw. „low-fare airlines“) nicht einfach in den Markt eintreten könnten. Allianzen, eine andere strategische Eintrittsbarriere, soll Predatory Pricing gegenübergestellt werden. Als Basiskonstrukt für die Branchenanalyse werden die von Joskow & Klevorick entwickelten Strukturkriterien auf „First- Tier“ Basis herangezogen.

Im vierten Kapitel soll – ausgehend von den Erläuterungen der vorhergehenden Abschnitte – eine kritische Betrachtung darüber stattfinden, ob Predatory Pricing im Luftverkehr wahrscheinlich ist.

2 Predatory Pricing – Die Theorie

“Economics (...) believe that Predatory Pricing is a successful and rational business strategy that is more common than

believed in earlier years.”[1]

2.1 Definition

“Predatory Pricing behavior involves a reduction of price in the short run so as to drive competing firms out of the markets or to discourage entry of new firms in an effort to gain larger profits via higher prices in the long run (...).“[2]

Ein klassischer Fall des missbräuchlichen Behinderungswettbewerbs ist die gezielte Kampfpreisunterbietung – „Predatory Pricing“. Hierbei nutzt ein marktbeherrschendes dominantes Unternehmen seine überlegene Finanzkraft aus, indem es Preise für einen bestimmten Zeitraum unterhalb der Gewinnschwelle – also unterhalb der eigenen Kosten – ansetzt. Ziel ist es, existierende Konkurrenten aus dem Markt zu drängen und/ oder potentielle Konkurrenten vom Markteintritt abzuhalten, um ein Monopol zu errichten oder zu erhalten. Den hierbei entstehenden kurzzeitigen Verlust versucht das marktbeherrschende Unternehmen nach erfolgreicher Verdrängung der Konkurrenten dadurch wieder auszugleichen, dass es durch langfristig überhöhte Preise die Konsumentenrente abschöpft. Der Gewinn des Unternehmens ist dann langfristig höher als im Wettbewerbsfall.

Voraussetzung für eine erfolgreiche Wettbewerbsbeschränkung durch Predatory Pricing ist „that some method exists for the predator to outlast its victim(s), whether through greater cash reserves, better financing or cross- subsidization from other markets or other products.”[3]

Von aktueller Bedeutung ist das Thema aufgrund der zunehmenden Liberalisierung von Netzindustrien. Ehemalige Staatsbetriebe mit staatlich garantierter Monopolstellung verfügen aufgrund first-mover-advantage und ehemaligen Monopolrenten über größere finanzielle Reserven. Diese Unternehmen sollen davon abgehalten werden, Preise derart zu senken, dass Mitstreiter aus dem Markt gedrängt werden.

Aktuell ist die Thematik zum Beispiel im Luftverkehr, wo die etablierten nationalen Luftfahrtunternehmen versuchen, neu in den Markt eintretende Unternehmen wie Germania oder Billigflieger wie Ryan Air oder Go-fly durch Niedrigpreise, die noch unterhalb der Preise der eintretenden Unternehmen liegen, wieder aus dem Markt zu drängen.

Im Gegensatz zur US-amerikanischen Wirtschaft ist das Aufkommen von Billig-Airlines im europäischen Markt relativ neu. Predatory Pricing ist im europäischen Raum noch sehr unerforscht.

2.2 Theories for Assessing Predatory Pricing

Bei der Analyse von Predatory Pricing werden Theorien herangezogen, die die Kostenstruktur eines Unternehmens mit den korrespondierenden Marktpreisen vergleichen. Diese Theorien sind in den 70er und 80er Jahren vor allem von US-amerikanischen Ökonomen entwickelt worden. Entsprechend der Unterscheidung im US-amerikanischen Wettbewerbsrecht zwischen „per se“- und „rule-of-reason“- Verstößen kann man auch bei den Theorien zum Predatory Pricing solche unterscheiden, die „per se“-Verbote formulieren, und solche, die „rule of reason“-Verbote formulieren.

Verstöße gegen „per se“-Verbote sind per se rechtswidrig. Die Wettbewerbsbehörde hat insoweit keinen Beurteilungsspielraum. Zu per se-Verstößen zählen beispielsweise Preisabsprachen oder andere horizontale Wettbewerbsbeschränkungen.

Bei „rule-of-reason“-Verboten verstoßen die Wettbewerbsbeschränkungen dagegen nur dann gegen das Gesetz, wenn sie „unreasonable“ sind. Die Wettbewerbsbehörde muss im Rahmen ihres Beurteilungsspielraums die positiven und negativen Auswirkungen auf den Wettbewerb gegeneinander abwägen. „Rule-of-reason“-Verbote werden beispielsweise bei vertikalen Wettbewerbsbeschränkungen herangezogen.

Während Areeda-Turner, Williamson und Baumol „per se“-Verbote formulieren, entwickeln Joskow & Klevorick– wie im Abschnitt 2.4 erläutert wird – einen Prüfungsmaßstab auf der Basis einer „rule-of-reason“.

Exkurs: Kostenkurven[4]

[...]

C = cvy + cF

AC = [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] = cV + [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] MC = [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten]= CV = AVC

Obige Grafik zeigt den typischen Verlauf von Kostenkurven. Das langfristige Gewinnmaximum wird erreicht, wenn die AC den MC entsprechen ( p*). Kurzfristig kann auch ein Preis unter p* optimal sein, wenn ein Newcomer Fuß am Markt fassen will (AVC=MC). Aus der angeführten Rechnung ist ersichtlich, dass gilt: C > AC > MC = AVC

2.2.1 Areeda-Turner Test

Areeda und Turner sehen den Verdrängungsprozess als einen dynamischen, der sich über mehrere Perioden erstreckt. Voraussetzung für eine erfolgreiche Verdrängung der Konkurrenz durch Predatory Pricing ist, dass der Rivale klein ist und die Eintrittsbarrieren groß sind.

Sie versuchen, eine Preisuntergrenze zu ermitteln, deren Unterschreitung als gesetzeswidrig angesehen werden soll.

Hierbei kommen sie zu dem Ergebnis, dass “a price at or above average cost should be deemed non-predatory, (...).“[5] - ebenso Preise, die unter den Durchschnittskosten, aber über den Grenzkosten liegen.

Preissetzungen, die den Grenzkosten entsprechen, sind gesellschaftlich optimal.

Jedoch “a monopolist pricing below marginal cost should be presumed to have engaged in a predatory or exclusionary practice.”[6]

Somit stellen die Grenzkosten (MC), die mittels der durchschnittlichen variablen Kosten (AVC) geschätzt werden, die untere Grenze der „legalen“ Preise dar. Eine Ausnahme hierbei bilden Newcomer, denen es gestattet werden soll, kurzzeitig Preise („Promotional pricing“) unter den Grenzkosten anbieten zu dürfen, um am Markt Fuß fassen zu können - vorausgesetzt jedoch, dass eine oligopolistische Marktstruktur gegeben ist.

2.2.2 Williamson Regel

Williamson schließt sich nicht der Meinung von Areeda und Turner an, da seiner Auffassung nach die Kostenfunktion eines Unternehmens nur schwer bestimmt werden könne: “The problem (...) is that marginal costs are sometimes a poor indicator of total [costs],(...).“[7] Nach Ansicht von Williamson ist der „pre-entry“ Output eines Monopolisten oder Oligopolisten, dessen Marktmacht durch potentielle Konkurrenz bedroht wird und die somit einen Anreiz hat, den Newcomer durch Niedrigpreise zu verdrängen, von größerem Gewicht: “Only in dominant firms and collusive oligopoly industries do firms have a clear incentive to exclude or eliminate rivals. (...) A dominant firm industry can be defined as one in which the largest firm has a market share of at least sixty percent and entry into the market is not easy.“[8]

Williamson entwickelt eine “Output Restriction” Regel, die es dem marktbeherrschenden Unternehmen für eine Dauer von 12 bis 18 Monaten[9] nicht gestattet, den Output nach Markteintritt eines Newcomers (drastisch) zu erhöhen, um Senkungen des Marktpreises zu verhindern und dem Neuling die Möglichkeit zu geben, im Markt bestehen zu bleiben. Geringe Preissenkungen wären jedoch zulässig, so lange der resultierende Marktpreis kurzfristig die AVC, langfristig die AC deckt.

Das dominante Unternehmen wird nun vor dem Eintritt des Newcomers seinen („pre-entry“) Output anpassen. Wird der Output kurzfristig erhöht, so kann dies als predatory pricing interpretiert werden.

Solange der Rivale im Markt ist, kann das dominante Unternehmen nun nicht Monopolpreise fordern, da sonst die eigenen Kunden zur Konkurrenz abwandern würden (vorausgesetzt es handelt sich um homogene Produkte), was die Marktmacht schmälert.

2.2.3 Baumol Regel

“While Williamson focused on controlling output increases in response to entry, Baumol aims at price increases after “successful” predation, i.e., after the new entrant has been driven off.”[10]

Baumol betrachtet langfristige Preiserhöhungen nach erfolgreicher Verdrängung. Preissenkungen – auch in Form von Kampfpreisen - bei Markteintritt eines Newcomers wären legitim, allerdings müssten diese Preisreduzierungen nach Verdrängung der Konkurrenz beibehalten werden - für eine Dauer von fünf Jahren, wie Baumol vorschlägt. Dies verhindere Monopolprofite – trotz eventueller Monopolstellung. Das marktbeherrschende Unternehmen werde sich gut überlegen müssen, wie weit es die eigenen Preise bei Markteintritt des Neulings senken kann, um nicht selbst aus dem Markt ausscheiden zu müssen.

Verändern sich die Inputpreise des dominanten Unternehmens, so kann es ihm gestattet werden, die Produktpreise leicht zu erhöhen.

Bei Baumols Regel müssen somit nicht Preissenkungen oder Outputerhöhungen betrachtet werden, sondern Preiserhöhungen.

2.3 Problematik

Die ökonomische Theorie des Predatory Pricing ist sehr komplex. Problematisch ist eine Unterscheidung zwischen wettbewerbsbeeinträchtigenden Niedrigpreisstrategien und normalen wettbewerblichen Preisunterbietungen, was den Nachweis der Behinderungsstrategie erheblich erschwert.

Manche Ökonomen behaupten gar, dass es Predatory Pricing überhaupt nicht gebe: “I still believe that attempts at predation have been rare, and that successful attempts will be found to be still rarer.(…) I believe that predatory pricing is (…) not an important problem for competition.”[11] Daher sehen Wissenschaftler wie McGee, Bork oder Easterbrook keinen Grund darin, dass sich die Wirtschaftspolitik mit Kampfpreisunterbietungen beschäftigen muss. Ihrer Meinung nach würde das Eingreifen der Wettbewerbsbehörden nur zu Fehlern führen, die den Wettbewerb beeinträchtigen könnten. McGee kommt mittels empirischen Untersuchungen zum Ergebnis, dass Predatory Pricing irrational wäre.

Fusionen würden von Unternehmen bevorzugt, um eine Monopolstellung zu erreichen. Hierbei müsste kein Unternehmen Verlust machen oder das Risiko eingehen, selbst aus dem Markt auszuscheiden: “(...) predatory pricing cutting would be inferior to mergers [and acquisitions] as a monopolizing technique in an era in which mergers were permitted.“[12] Wie McGee erwähnt, hängt dies von der Effektivität der Fusionskontrolle ab. Zumindest in Fällen, in denen die betreffende Wettbewerbsbehörde einen Zusammenschluss mit dem Konkurrenten verbiete, kann es dementsprechend rational sein, ihn stattdessen mit Kampfpreisen aus dem Markt zu drängen.

Anhand der Strukturkriterien von Joskow und Klevorick kann auch in der Praxis Predatory Pricing nicht vollständig erkannt werden. Mittels der Methodik der beiden Autoren kann lediglich eine Wahrscheinlichkeitsaussage getroffen werden. Gerichte erwarten jedoch auch keinen vollständigen Nachweis über das Vorliegen einer Verdrängungsabsicht.

2.4 Ein weiterer Test: Joskow & Klevorick

Joskow & Klevorick halten ein „per se“-Verbot für unzureichend, Predatory Pricing zutreffend zu erfassen, da für unterschiedliche Märkte unterschiedliche Regelungen gelten müssten: “no single rule will be best for all market situations“[13]. Sie entwickeln daher ein zweistufiges „rule-of-reason“-Verbot. Auf der ersten Stufe sollen bestimmte Partialmärkte anhand aktueller Marktbedingungen identifiziert werden, in denen die Wahrscheinlichkeit einer “Predatory Pricing“ Praxis hoch ist. Auf der zweiten Ebene analysieren sie bei den infragekommenden Partialmärkten die Kostenstruktur der Unternehmen und geben eine Preis-/ Kostenrelation zur Schätzung von Predatory Pricing an.

Der wohlfahrtsökonomische Ansatz versucht eine optimale Eingriffsintensität der Wettbewerbsbehörden zu bestimmen. Mögliche Fehlentscheidungen seitens der Wettbewerbsbehörden und die Folgen jener in Form von gesellschaftlichen Kosten („error costs“) sollen minimiert werden, so dass die Gesamtwohlfahrt steigt. Eine optimale Eingriffsintensität soll auch dazu beitragen, dass das Ziel der Liberalisierung von ehemaligen Staatsbereichen unterstützt wird.

2.4.1 A Two-Tier Rule-of-Reason Approach

Joskow und Klevorick stellen fest, dass “a variety of different “rules” have been suggested”, jedoch “no unified structure has been provided”[14]. Weder über die Struktur der Methodik, über die zu ziehenden wirtschaftspolitischen Schlussfolgerungen, über die Häufigkeit von Predatory Pricing noch über den Typus der Regel seien sich Autoren wie Areeda und Turner, Baumol, Williamson oder McGee einig. “A Framework for Analyzing Predatory Pricing Policy” versucht, einen alternativen Ansatz auf zwei Stufen zu entwickeln, bei dem auf der ersten Stufe das langfristige (nicht beobachtbare) Marktergebnis anhand kurzfristiger (beobachtbarer) Marktbedingungen und Verhaltensweisen prognostiziert werden soll.

“It must be distinguished a “predatory” price cut from a “competitive” one and develop behavioral constraints that deter the former, but not the latter. (…), the best way to assess whether current behavior is predatory is to evaluate its expected effects on long-run market outcomes.”[15]

Aus den beobachtbaren gegenwärtigen Marktbedingungen wie Marktmacht, Markteintrittsschranken oder Dynamik der Branche sollen nun jene Partialmärkte ermittelt werden, bei denen bestimmte Fehlertypen bzw. gesellschaftliche Kosten („error costs“) besonders ausgeprägt sind, was für eine hohe Wahrscheinlichkeit für (erfolgreiches) Predatory Pricing steht. Jene Branchen gilt es zukünftig genauer zu beobachten um langfristig ein gesellschaftlich erwünschtes Marktergebnis erreichen zu können; anderen Branchen dagegen solle uneingeschränkter Handlungsspielraum gewährt werden, da hier nach Meinung der Autoren Predatory Pricing langfristig nicht erfolgreich sein kann.

In den Kapiteln 3 und 4 soll diskutiert werden, ob die Luftverkehrsmärkte zu jenen Partialmärkten zählen, bei denen Predatory Pricing wahrscheinlich ist.

Durch diese Prognosen, die bestimmte Partialmärkte „verdächtigen“ oder „freisprechen“, können Fehler entstehen, wenn entweder harter Wettbewerb fälschlicherweise als Predatory Pricing qualifiziert wird oder Predatory Pricing umgekehrt als harter Wettbewerb. Dem- entsprechend unterscheiden die Autoren zwei Fehlertypen.

Ein „false positive error“ oder Typ-1-Fehler tritt ein, wenn ein Verhalten als Verdrängungsstrategie klassifiziert wird, dies aber in Wirklichkeit nicht ist.

Ein „false negative error“ oder Typ-2-Fehler ergibt sich, wenn Predatory Pricing nicht erkannt wird. Beide Fehler verursachen gesellschaftliche Kosten („error costs“).

Typ-1-Fehler ziehen (1) Wohlfahrtsverluste wegen unnötig hoher Preise nach sich, weshalb

(2) ineffiziente Unternehmen im Markt bestehen bleiben bzw. diese einen Anreiz bekommen, in den Markt einzutreten.

Typ-2-Fehler führen zu (1) allokativer Ineffizienz, wenn das marktbeherrschende Unternehmen den Preis unter den Grenzkosten ansetzt; (2) „dead-weight-loss“, wenn das marktbeherrschende Unternehmen nach erfolgreicher Verdrängung Monopolpreise fordert sowie (3) Ineffizienzen hinsichtlich der Kosten des Unternehmens, da dieses als alleiniger Anbieter keinen F&E-Anreiz mehr hat - insbesondere in Form von produktionskostensenkenden Prozessinnovationen - aufgrund fehlenden Wettbewerbsdrucks.

2.4.2 Erste Ebene

“The relevant structural characteristics can be grouped into three basic categories: (1) factors indicative of short-run monopoly power; (2) conditions of entry into the market; and (3) the dynamic effects of competitors or entrants on the costs of production and the quality of products offered to consumers.”[16]

2.4.2.1 Kurzfristige Marktmacht

Joskow und Klevorick ziehen zur Schätzung zukünftiger Marktmacht (nach erfolgreicher Verdrängung) im relevanten Markt die gegenwärtig beobachtbare heran. Der relevante Markt soll ein Partialmarkt mit Anbietern sein, deren Produkte oder Dienstleistungen enge Substitute sind. Etablierte Airlines, meist staatlich subventioniert („national carriers“) stehen somit in Konkurrenz mit den Billigfliegern („No Frills“) im jeweiligen Partialmarkt.

Zur Prüfung kurzfristiger Marktmacht ziehen sie folgende Kriterien heran:

(1) Marktanteil des marktbeherrschenden Unternehmens,
(2) Anzahl und Größe der aktuellen Konkurrenten im Partialmarkt,
(3) Stabilität der Marktanteile im Zeitablauf,
(4) Gewinnentwicklung des marktbeherrschenden Unternehmens sowie
(5) die Elastizität der Nachfrage des marktbeherrschenden Unternehmens.

Von grundlegender Bedeutung ist die Schätzung der Nachfrageelastizität (e): „Hence the less elastic the demand for the product (...), the higher is the cost of a false negative error.(…), the lower the cost of a false positive error.”[17]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Preiselastizität der Nachfrage ist ein Indiz dafür, wie Konsumenten auf Preiserhöhungen (und –Senkungen) reagieren. Geht die Preiselastizität gegen Null – erfolgt also keine signifikante Verbraucherreaktion – so kann ein Monopolist den vollen Monopolpreis oder sogar Prohibitivpreis verlangen. Der Wohlfahrtsverlust (“dead-weight-loss“) bei Monopolpreisen ist somit umso höher, je unelastischer die Nachfrage ist. Der Monopolist wird allerdings nur im elastischen Bereich (Cournot’scher Punkt) produzieren und anbieten, da ein Preis im unelastischen Bereich kein Gewinnmaximum darstellt.[18] Senkt nun ein Monopolist bei Markteintritt eines Newcomers den Preis derart, dass der neue Preis nicht mehr im elastischen Bereich liegt und der Monopolist keinen Gewinn mehr macht, so kann dies bereits ein Hinweis auf Predatory Pricing sein.

Marktmacht hat zur Folge, dass die Kosten von Typ-2-Fehlern größer sind als jene von Typ-1-Fehlern. Wird bei einer Monopolstellung Predatory Pricing seitens der Wettbewerbsbehörden verkannt (= Typ-2-Fehler), so könnte das marktbeherrschende Unternehmen nach erfolgreicher Verdrängung Monopolpreise fordern, die die Konsumentenrente voll abschröpfen würde. Der hierbei u.a. entstehende dead-weight-loss ist höher als die Kosten des Typ-2-Fehlers.

Nach dem deutschen Wettbewerbsrecht wird vermutet, dass ein Unternehmen marktbeherrschend ist, wenn es einen Marktanteil größer als einem Drittel hat.

Kurzfristige Marktmacht eines Unternehmens ist jedoch nach Meinung der Autoren allein nicht ausreichend. „The critical question is whether or not the dominant firm can use that monopoly power to maintain prices above the competitive level for some significant period of time, and this depends on the conditions of entry into the market.”[19]

2.4.2.2 Markteintrittsbedingungen

Ist der Gewinn in einer Branche größer Null, so lockt dies Newcomer an. Nach (neo-) klassischer Volkswirtschaftlehre steigt die Anzahl der Anbieter in einem Partialmarkt so lange, bis der Gewinn jedes Unternehmens langfristig (AC=MC=p, siehe Seite 4) Null ist, d.h. der Marktpreis gleich den Grenzkosten aller Firmen ist. Dies gilt aber nur, wenn dem Markteintritt keine Schranken gesetzt sind.

Ist der Eintritt in einen Markt leicht und schnell möglich, so kann ein marktbeherrschendes Unternehmen selbst bei einer geringen Nachfrageelastizität seine Macht nur teilweise ausüben. Ist jedoch der Eintritt langwierig und kostspielig für den Newcomer, so kann das marktbeherrschende Unternehmen seine Marktmacht ausnutzen.

Je kostspieliger und langwieriger der Markteintritt für einen Newcomer ist, desto höher die Kosten von Typ-2-Fehlern, desto niedriger die Kosten von Typ-1-Fehlern.

Joskow und Klevorick geben Kriterien an, nach denen Markteintrittsbedingungen beurteilt werden können. Neben den

(1) Marktein- und -austritten der letzten Jahren und den
(2) Grad der Produktdifferenzierung zählen hierzu
(3) der Kapitalbedarf für einen Markteintritt,
(4) Markenpräferenzen der Verbraucher,
(5) die Übertragbarkeit von Unternehmensressourcen und
(6) die verfügbare Information über das Risiko des Markteintritts

Die Höhe des benötigen Kapitals, das der Neuling benötigt (für MES), bestimmt den Zeitbedarf, den dieser für den Eintritt benötigt. Hoher Kapitalbedarf kann ein Indiz dafür sein, dass extensive Vertriebsnetze oder skalenintensive Produktionshallen benötigt werden. Der Newcomer wird deshalb einige Zeit benötigen, um konkurrenzfähig zu werden. Das marktbeherrschende Unternehmen könnte in dieser Zeit die Preise erhöhen, um Reserven zu schaffen, bevor es die Preise wieder senkt.

Neben den technischen Anforderungen, denen ein Neuling zu entsprechen hat, muss dieser seine Produkte oder Dienstleistungen auch bekannt machen. Die Kosten hierfür hängen stark vom Bekanntheitsgrad des dominanten Unternehmens ab. Hat dieses es geschafft, bestimmte Kunden an seine Marke zu binden, so wird es der Newcomer schwer haben, diese (1) Stammkunden mit „brand preferences“ zu gewinnen. Ausschlaggebend hierfür ist die (2) Reputation der Produkte des etablierten Unternehmens. Tritt der Neuling somit gegen ein etabliertes Markenunternehmen mit Stammkunden an, das vielleicht nicht die qualitativ besseren Produkte anbietet, aber diesen einen guten Ruf genießen, so wird der Werbeaufwand sehr hoch und die Etablierung sehr langwierig sein, um dem etablierten Unternehmen, das, wenn es bisher alleiniger Anbieter war, einen (3) „first-mover“ Vorteil hat, Konkurrenz zu machen.

Markenpräferenzen der Verbraucher können somit den Markteintritt erschweren, da der Newcomer neben dem Aufbau von Produktion und Vertrieb zusätzlich hohe Ausgaben für das Marketing seiner Produkte aufbringen muss.

Ein weiteres Kriterium der Markteintrittsbedingungen ist die Möglichkeit, ob und wie Unternehmensressourcen in Form von Sachanlagen oder Personal von einem Unternehmen auf ein anderes – im Falle eines Marktaustrittes - übertragen werden können. Schwierigkeiten können sich vor allem dort ergeben, wo Wissen in Form von „learning by doing, co-oporating oder networking“ generiert wird. Insbesondere spezifisches oder „tacit“ Know-how ist schwer zu übertragen. Jenes Wissen zu übertragen ist nur möglich, wenn komplette Teams das Unternehmen wechseln. Hierauf kann das dominante Unternehmen jedoch Einfluss nehmen, indem Schlüsselpersonen mit Effizienzlöhnen abgeworben werden. Je einfacher Ressourcen übertragbar sind – beispielsweise auf einen Newcomer - desto wahrscheinlicher bleibt der Wettbewerbsdruck in einer Branche erhalten - desto höher sind Kosten von Typ-1-Fehlern und desto geringer Kosten von Typ-2-Fehlern.

Ein letztes Kriterium ist die verfügbare Information über das Risiko des Markteintritts. Je mehr Unternehmen gleichzeitig oder nacheinander den Markt wieder verlassen, desto höher ist auch das Risiko des eigenen Misserfolgs. Bei hohem Risiko ist der Zinssatz für aufzunehmende Kredite (Kapitalkosten) hoch, was einen Markteintritt uninteressanter macht. Auf Märkten mit mangelnder oder asymmetrischer Information genügt es, wenn das marktbeherrschende Unternehmen signalisiert, dass es auf den Markteintritt eines Newcomers mit Preissenkungen reagiert.

Der Markteintritt wird riskanter, der Marktzins steigt, wodurch der Anreiz zum Markteintritt fällt. Dies verlängert die Zeit von Monopolrenten, in welchen der Monopolist – falls alleiniger Anbieter – Reserven sammeln kann.

Je mehr Information beeinflusst werden kann, desto höher sind die Kosten von Typ-2-Fehlern, desto geringer Kosten von Typ-1-Fehlern.

Hoch konzentrierte Märkte mit geringer Preiselastizität der Nachfrage und schwacher potentieller Konkurrenz trotz hoher Gewinnmargen (p > MC) sollten von den Wettbewerbsbehörden genau beobachtet werden:

“The combination of a highly concentrated market, low demand elasticity, and entry conditions that indicate that potential competition does not respond or responds only slowly to prices set at supra-competitive levels should be an area of primary concern for antitrust enforcement; failing to label a predatory price cut as predatory in such situations would be very costly.”[20]

[...]


[1] Department of Transportation (2001, 53)

[2] Joskow, Klevorick, (1979, 267f)

[3] OECD (1998, 7)

[4] Vgl. Varian (1999, 342)

[5] Areeda, Turner (1975, 709)

[6] Areeda, Turner (1975, 712)

[7] Williamson (1977, 106)

[8] Williamson (1977, 109)

[9] vgl. OECD (1989, 22)

[10] OECD (1989, 23)

[11] McGee (1980, 292, 294)

[12] McGee (1980, 291f)

[13] Joskow, Klevorick (1979, 266)

[14] Joskow, Klevorick (1979, 262)

[15] Joskow, Klevorick (1979, 270f)

[16] Joskow, Klevorick (1979, 272)

[17] Joskow, Klevorick (1979, 275)

[18] vgl. Varian (1999, 395)

[19] Joskow, Klevorick (1979, 275)

[20] Joskow, Klevorick (1979, 275f)

Fin de l'extrait de 59 pages

Résumé des informations

Titre
Verdrängungswettbewerb und Branchenanalyse des europäischen Luftverkehrs
Université
University of Augsburg
Note
1,3
Auteur
Année
2002
Pages
59
N° de catalogue
V31935
ISBN (ebook)
9783638327985
Taille d'un fichier
1164 KB
Langue
allemand
Mots clés
Verdrängungswettbewerb, Branchenanalyse, Luftverkehrs
Citation du texte
Alexander Albrecht (Auteur), 2002, Verdrängungswettbewerb und Branchenanalyse des europäischen Luftverkehrs, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/31935

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