Das Augenmerk dieser Arbeit soll auf der Schmerztherapie geriatrischer Tumorpatienten liegen. Vor allem soll untersucht werden, aus welchen Möglichkeiten die Tumorschmerztherapie schöpfen kann, um eine Schmerzreduktion zu erzielen. Hierzu gesellt sich die Frage, wie im klinischen und außerklinischen Alltag eine gute Schmerzversorgung gewährleistet werden kann und welche Medikamente bei der komplexen Behandlung von Tumorschmerzen eine hohe Anwendungshäufigkeit finden.
Gibt es Nebenwirkungen, welche die Patienten beeinflussen und welche Möglichkeiten stehen zur Verfügung diesen entgegen zu wirken? Stellen dabei biologische Veränderungen im Organismus eine zusätzliche Anforderung an das Schmerzmanagement dar?
Zudem wird eine Studie aus dem Jahr 1995 mit aktuellen Beobachtungen des klinischen Alltages auf der Palliativstation der Thoraxklinik Heidelberg verglichen. Im Fokus hierbei stehen die Fragen, ob sich, im Zeitraum von acht Jahren, Veränderungen im Nebenwirkungsspektrum bei Opioid-Gabe zeigen und ob es heute eine veränderte und zugleich verbesserte Tumorschmerztherapie gibt und überhaupt geben kann.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Epidemiologie und Inzidenz geriatrischer Krebserkrankungen
3. Was ist Schmerz?
3.1 Neurophysiologie des Schmerzes
3.2 Schmerzformen
3.2.1 Akuter Schmerz
3.2.2 Chronischer Schmerz
3.2.3 Somatischer Schmerz
3.2.4 Viszeraler Schmerz
3.2.5 Neurogener Schmerz
3.2.6 Somatoforme Schmerzstörungen
3.3 Ätiologische Klassifikation maligner Tumorschmerzen
3.3.1 Tumorbedingter Schmerz
3.3.2 Therapiebedingter Schmerz
3.3.3 Tumorassoziierter Schmerz
3.3.4 Tumorunabhängiger Schmerz
3.4 Pathophysiologische Klassifikation
3.4.1 Neuropathische Schmerzen
3.4.2 Nozizeptorschmerzen
3.5 Gate-Control-Theory
4. Was bedeutet Schmerztherapie?
4.1 Ziele der Schmerztherapie
4.1.1 Schmerzanamnese und Schmerzdiagnose
4.1.2 Schmerzverlauf
4.2 Dokumentation - Schmerzerfassungsinstrumente
4.2.1 Subjektive Schmerzerfassung
4.3 Grundprinzipien medikamentöser Schmerztherapie
4.3.1 Leitfaden der medikamentöse Therapie
4.4 Das WHO - Stufenschema
4.5. Arzneimittel in der Tumorschmerztherapie
4.5.1 Schmerztherapie mit Nicht-Opioiden Analgetika
4.5.2 Schmerztherapie mit Opioid-Analgetika
4.5.3 Schmerztherapie mit Nicht - Opioiden Analgetika
4.5.4 Adjuvanzien und Koanalgetika
4.5.5 Nebenwirkungsspektrum bei Opioidtherapie
5. Altersphysiologische Veränderungen
5.1 Multimorbidität
6. Veränderte Pharmakokinetik und Pharmakodynamik im Alter
6.1 Pharmakodynamik im Alter
6.2 Erhöhtes Risiko für Nebenwirkungen im Alter
7. Morphin - heute noch „Goldstandard“ bei älteren Patienten?
8. Studie zur „Langzeittherapie von Tumorschmerzen“ von Wieth
9. Medikamentöse Schmerzbehandlung auf der Palliativstation der Thoraxklinik
10. Schlussbetrachtungen
11. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Unter Schmerzen kommen wir auf die Welt, unter Schmerzen müssen wir wieder von der Welt gehen?
Ist diese Aussage zutreffend? Unbestritten ist, dass eine Mutter bei der Geburt ihres Kindes Anstrengung und Schmerzen erfährt, die sie ihr Leben lang nicht mehr vergisst. Ist es aber auch notwendig Schmerzen am Lebensende verspüren zu müssen?
Was sagt Schmerz eigentlich aus, wodurch und wie entsteht er und ist Schmerz gleich Schmerz? Werden Schmerzen möglicherweise von verschiedenen Faktoren beein- flusst?
Was bedeutet es am Lebensende Schmerzen zu haben? Welche Möglichkeiten stehen der modernen Medizin zur Verfügung die letzte Lebensphase lebenswert zu gestalten? Gibt es ein Mittel der Wahl oder ist eine Neuorientierung in der Schmerztherapie zu erkennen?
Das Augenmerk dieser Arbeit soll auf der Schmerztherapie geriatrischer Tumorpatienten liegen. Vor allem jedoch aus welchen Möglichkeiten die Tumorschmerztherapie schöpfen kann, um eine Schmerzreduktion zu erzielen.
Hierzu gesellt ich die Frage, wie im klinischen und außerklinischen Alltag eine gute Schmerzversorgung gewährleistet werden kann und welche Medikamente bei der komplexen Behandlung von Tumorschmerzen eine hohe Anwendungshäufigkeit fin- den. Gibt es Nebenwirkungen, welche die Patienten beeinflussen und welche Möglich- keiten stehen zur Verfügung ihnen entgegen zu wirken? Stellen dabei biologische Veränderungen im Organismus eine zusätzliche Anforderung an das Schmerzma- nagement dar?
Ganz sicher ist, dass Schmerzen komplex und individuell sind und dass es zahlreiche bewährte Möglichkeiten gibt, LEBEN am Ende des Lebens zu ermöglichen.
Zudem wird eine Studie aus dem Jahr 1995 mit aktuellen Beobachtungen des klini- schen Alltages auf der Palliativstation er Thoraxklinik verglichen. Im Fo- kus hierbei stehen die Fragen, ob sich Veränderungen im Zeitraum von acht Jahren im Nebenwirkungsspektrum bei Opioid-Gabe zeigen und ob es heute eine veränderte und zugleich verbesserte Tumorschmerztherapie gibt und überhaupt geben kann.
"Wenn wir jemandem helfen wollen, müssen wir zunächst herausfinden, wo er steht. Das ist das Geheimnis der Fürsorge.
Wenn wir das nicht tun können, ist es eine Illusion zu denken, wir könnten anderen Menschen helfen.
Jemanden zu helfen impliziert, dass wir mehr verstehen als er, aber wir müssen zunächst verstehen, was er versteht."
Søren Kierkegaard
2. Epidemiologie und Inzidenz geriatrischer Krebserkrankungen
An Krebs zu erkranken kann einen Menschen jederzeit treffen. Die Wahrscheinlichkeit steigt jedoch mit zunehmendem Lebensalter. „Zwischen dem Zeitpunkt der Geburt und dem 15. Lebensjahr, sowie später jenseits des 50. Lebensjahrs ist ein Mensch beson- ders krebsanfällig“ (Höffken 2002: 29). Zu Beginn des 25. Lebensjahrs verdoppelt sich das Risiko an einer bösartigen Neubildung zu erkranken alle fünf Jahre, sodass eine Zunahme der Krebserkrankung ab dem 40. Lebensjahr zu beobachten ist. Hinzu kommt, dass das Alter der an Krebs verstorbenen Patienten in den letzten 30 Jahren um 3,1 Jahre auf 73 Lebensjahre angestiegen ist. Bei Frauen liegt das Durchschnitts- alter im Jahr 2011 bei 74 Jahre, bei Männern durchschnittlich bei 72,1 Jahre (Statisti- sches Bundesamt: Todesursache 2011: Krebs immer häufiger. URL: https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesellschaftStaat/Gesundheit/Todesursa- chen/Aktuell.html. Stand:19.11.2013).
Laut einer Studie des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) ist Krebs heutzu- tage eine Alterskrankheit. Das mittlere Erkrankungsalter für eine bösartige Neubildung beträgt bei Frauen im Durchschnitt 68 Jahre, bei Männern durchschnittlich 69 Jahre (von Koh (2013): Krebs und demografischer Wandel - eine Herausforderung. URL: http://www.dkfz.de/de/presse/pressemitteilungen/2013/dkfz-pm-13-07-Krebs-und-de- mografischer-Wandel-eine-Herausforderung.php. Stand: 19.11.2013).
Zudem prognostiziert die Deutsche Krebshilfe, dass der Anteil an alten Menschen im Bereich der Krebserkrankungen in den kommenden drei Jahrzehnten um 50 Prozent steigen wird. Die Todesrate bei Krebserkrankungen liegt in der Alterspanne 45-55 Jahre bei 183/100000 Personen, mit zunehmendem Lebensalter steigt sie dann bei den 75-85-Jährigen auf mehr als 2610/100000 Personen an (Statistisches Bundesamt: Todesursache 2011: Krebs immer häufiger.URL:https://www.destatis.de/DE/Zahlen- Fakten/GesellschaftStaat/Gesundheit/Todesursachen/Aktuell.html. Stand:19.11.2013). Dadurch kann jedoch nicht das Argument bestärkt werden, dass durch den Alterungsprozess zwangsweise Krebs entsteht:
„Der Ausbruch einer Krebserkrankung gehört nicht zwangsläufig zu den Alterungsprogrammen im Organismus, sondern der alternde Organismus ist für eine Krebserkrankung anfälliger als ein Organismus in seinem biologischen Zenit“ (Höffken 2002: 29).
Die Zunahme der Krebserkrankungen hängt zudem mit der wachsenden Bevölke- rungszahl, den Umweltbelastungen, sowie der steigenden Lebenserwartung des Men- schen zusammen. Der Demografische Wandel verschiebt das Wachstum der Alterspyramide in das hohe Lebensalter. Die sinkende Geburtenrate und durch Fort- schritt in der Medizin nimmt der Anteil an geriatrischen Patienten drastisch zu. Die Lebenserwartung stieg in den letzten 60 Jahren bei den Frauen um durchschnittlich 14 Jahre beziehungsweise bei den Männern im Durchschnitt um 13 Jahre (Statistisches Bundesamt: Todesursache 2011: Krebs immer häufiger. URL: https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesellschaftStaat/Gesundheit/Todesursa- chen/Aktuell.html. Stand:19.11.2013).
Diese Veränderungen zeigen, dass durch die Zunahme an Krebserkrankungen im ho- hen Alter die veränderte Pharmakokinetik und Pharmakodynamik im Alter eine we- sentliche Rolle spielen. Die altersphysiologischen Veränderungen und das damit einhergehende erhöhte Risiko für Medikamentennebenwirkungen, sowie die Effektivi- tät der onkologischen Therapien, sollen im Verlauf der Arbeit dargestellt werden. Zunächst sollen jedoch die Bereiche „Schmerz“ und „Schmerztherapie“ näher bespro- chen werden.
3. Was ist Schmerz?
Eine Definition für „Schmerz“ liefert die International Association for the Study of Pain (1994):
„Schmerz ist ein unangenehmes Sinnes- und Gefühlserlebnis, das mit aktueller oder potenzieller Gewebeschädigung verknüpft ist oder mit Begriffen einer solchen Schädigung beschrieben wird (Benrath 2012: 4).“
Oder nach McCaffery:
„Schmerz ist stets so, wie die empfindende Person sagt, dass er ist, und vorhanden, wann immer sie sagt, dass er vorhanden ist (McCaffery 1997:23).“
Das Schmerzempfinden eines Individuums ist immer subjektiv. Wie Schmerzen wahr- genommen werden, kann von externen und internen Faktoren beeinflusst werden. Fer- nen ist Schmerz ein „psycho-physisches Erleben“, welches durch diverse Faktoren (biologisch - nichtbiologisch) beeinflusst werden kann. Hierzu gehören individuelle Er- fahrungen mit Schmerz, sowie sozialer und ökonomischer Status (Pflege Heute 2004: 472).
„Es gibt keinen seelischen Schmerz ohne körperliche Reaktion und keinen körperlichen Schmerz ohne seelische Empfindung“. (Deutsche Krebshilfe e.V 2011:19)
Werden beide Aspekte in einer ganzheitlichen Tumortherapie beachtet, können sie zu einer guten, erfolgreichen Therapie beitragen.
3.1 Neurophysiologie des Schmerzes
Kommt es auf Grund von elektrischen, chemischen, thermischen oder mechanischen Reizen zu einer Schädigung, Entzündung, Reizung oder Zerstörung von Zellen werden so genannte Entzündungsmediatoren ausgeschüttet (zum Beispiel freie Radikale, Prostaglandine, Purine, Serotonin, Histamin und Kinine). Dieser Vorgang führt zur Entstehung von Schmerzen durch Sensibilisierung von Nozizeptoren1. Afferente Nervenbahnen leiten entstandene Reize Richtung Rückenmark, in dem sich so genannte Neurotransmitter zur Weiterleitung des Schmerzsignals über Synapsen befinden. Die ausgelösten elektrischen Impulse werden über das Hinterhorn des Rückenmarks an das zentrale Nervensystem weiter geleitet (Schmidt 2012: 53).
Dort werden die Impulse speziell vom Thalamus in die Großhirnrinde fortgesetzt (Pflege Heute 2004: 473). In der Großhirnrinde stimulieren die Signale den Bereich der sensorischen Rindenfelder. Des Weiteren wird die Schmerzleitung an den Hypo- thalamus gesendet. Dieser reguliert den Hormonhaushalt. Weitere Schaltstellen bilden das Endhirn und das limbischen System, dem emotionalen Zentrum. Das Kleinhirn leitet auf schnellstem Weg die Schmerzlinderung ein. Zusätzlich starten körpereigene Schmerzhemmsysteme (Kränzle 2011: 264). Zu diesen Schmerzhemmsystemen ge- hören die Endorphinausschüttung und die Rückkopplung der aufsteigenden exzitato- rischen Bahnen mit absteigenden hemmenden Bahnen (Schmidt 2012: 53).
3.2 Schmerzformen
3.2.1 Akuter Schmerz
Ein akuter Schmerz ist meist durch eine Gewebeschädigung bedingt und somit ein Alarmzeichen des Körpers. Dieses Alarmsystem, sowie die „Atmungs - und Kreislauf- regulation, Husten - und Lidschlussreflex gehören zum protektiven System des menschlichen Organismus“ (Braune et. al 2013:13). Ein akuter Schmerz besteht we- niger als einen Monat und tritt meist in Verbindung mit einer Operation, einem Trauma, einer Kolik, Ischämie oder einer Entzündung auf. Hinzu kommen meistens weitere Faktoren, wie zum Beispiel der Anstieg der Herzfrequenz oder des Blutdrucks.
Der Schmerz ist oftmals gut zu lokalisieren. Wichtig ist dabei, die Ursache zu finden und zielgerichtet zu behandeln (Pflege Heute 2004: 475).
3.2.2 Chronischer Schmerz
Chronische Schmerzen erstrecken sich über eine Zeitspanne von mindestens drei bis sechs Monaten und äußern sich häufig in Dauerschmerzen oder immer wieder keh- rendem Schmerz. Anzeichen einer Gewebeschädigung liegen in den wenigsten Fällen überhaupt noch vor. Zu den chronischen Schmerzen werden zum Beispiel Kopf- schmerzen, Rückenschmerzen, Neuralgien und Phantomschmerzen gezählt. Somit hat der chronische Schmerz keine sinnvolle Alarmfunktion mehr. Ferner kann bei die- ser Schmerzform zwischen „malignen und nicht malignen Schmerzen“ differenziert werden. Maligne Schmerzen entstehen im Verlauf einer Krebserkrankung, nicht ma- ligne Schmerzen bedingen sich durch diverse andere Krankheiten. Unter diesem As- pekt nimmt die Schmerztherapie einen hohen Stellenwert in der Behandlung chronischer Schmerzpatienten ein (Pflege Heute 2004: 475).
Tumorschmerzen können den chronischen Schmerzen zugeordnet werden. Zu Beginn des Schmerzgeschehens wird vom Körper auf eine Gewebeschädigung hingewiesen. Meist kann jedoch die Ursache, der Schmerzauslöser an sich nicht beseitigt werden, es gilt die Symptome zufriedenstellend zu lindern. Manche Patienten lehnen es ab, komplett schmerzfrei zu sein. Sie sehen ihre Erkrankung und damit verbundene Be- schwerden möglichweise als Prüfung, die es auszuhalten gilt. Wieder andere geben an, sich komplett schmerzfrei nicht mehr als Mensch zu fühlen, weswegen sie es eher in Kauf nehmen, Schmerz zu ertragen. Gläubige Betroffene sehen ihre Pein gegebenenfalls auch als Strafe für vergangene Sünden, die in ihrer religiösen Weltansicht nun abgebüßt werden müssen. Auch die Angst vor Abhängigkeit von Schmerzmitteln lässt Patienten in vielen Fällen zu weniger Medikamenten greifen, als vielleicht angebracht wäre (Deutsche Krebshilfe e.V 2011: 20).
Jeder Mensch hat als Individuum das Recht, Schmerz ertragen zu wollen, oder die ihm angebotene Unterstützung in der Bekämpfung des belastenden Schmerzes anzuneh- men.
Werden Schmerzen über einen längeren Zeitraum ertragen und ungenügend behandelt, kann es zur Ausbildung eines Schmerzgedächtnisses kommen. Dies kann vor allem im Rückenmark und Gehirn zu Veränderungen führen. Dieser Vorgang führt dazu, dass die Nozizeptoren eine erhöhte Empfindlichkeit aufweisen. Hierbei kann ein Patient spontan Schmerzen äußern, obwohl es keine schmerzhaften Reize gab. Diese Schmerzspuren im zentralen und peripheren Nervensystem werden als Schmerzge dächtnis bezeichnet (Diener 2013: 4f.).
Der Schutz des eigenen Organismus gegenüber Schmerzen ist stets in Bereitschaft und kann auch im äußersten Fall, wie zum Beispiel bei Stress oder häufiges Auftreten von Schmerzreizen spontan aktiviert werden. Ist dieser Mechanismus in seiner Funktion gestört, kann die Schmerzempfindlichkeit zunehmen. Das Risiko für eine Ausbildung eines Schmerzgedächtnisses steigt damit an. Die individuellen Unterschiede prägen damit eine different auftretende Chronifizierung von Schmerzen bei entsprechenden gleichen Erkrankungen.
Resultierend aus diesen Erkenntnissen zeigt sich, dass eine Behandlung von Schmerzen stets indiziert ist und ein „Aushalten“ der Schmerzen nicht ratsam ist. Wenn ein Schmerzgedächtnis bereits entstanden ist, kann es durch kein Medikament, ob NichtOpioid oder Opioid, wieder gelöscht werden (Sandkühler 2001).
3.2.3 Somatischer Schmerz
Bei Schädigungen an „Haut, Muskeln, Knochen, Gelenken und Bindegewebe“ (Pflege Heute 2004: 474) spricht man von somatischem Schmerz. Differenziert werden kann zwischen Oberflächenschmerz (Haut) und Tiefenschmerz (Muskeln, Knochen, Gelenken und Bindegewebe). Beschrieben wird dieser Schmerz meist durch Begriffe wie „scharf oder pulsierend“ oder „dumpf und drückend“ (Pflege Heute 2004: 474).
3.2.4 Viszeraler Schmerz
Der viszerale Schmerz findet seinen Ursprung in den Eingeweiden und kann „durch Dehnung von Hohlorganen, Organkapseln, Spasmen von glatter Muskulatur, Durchblutungsstörungen oder Entzündungen entstehen“ (Pflege Heute 2004: 474). Worte wie kolik - oder krampfartig sowie dumpf sind charakteristisch für diese Schmerzform. Hinzu kommen meist vegetative Symptome (Pflege Heute 2004: 474).
3.2.5 Neurogener Schmerz
Kommt es zu Destruktionen an Nerven entsteht meist ein quälender oder einschießender Schmerz. Die Schmerzlokalisation ist diffizil, da die Schädigung im Verlauf der Nerven entsteht und der Schmerz damit nur ein projizierter Schmerz ist. Charakteristische Wörter hierbei können sein „brennend, blitzartig, elektrisieren oder einschießend“ (Pflege Heute 2004: 474).
3.2.6 Somatoforme Schmerzstörungen
Bei dieser Schmerzform ist die Ursache des Schmerzes nicht auf eine physische Kom- ponente zurück zu führen. Eine Behandlung dieser Schmerzen gestaltet sich oftmals schwierig, da die Schmerzen nicht auf eine Erkrankung zurück zu führen sind. Der Ursprung liegt viel mehr in der Psyche der Patienten verborgen (Pflege Heute 2004: 475).
3.3 Ätiologische Klassifikation maligner Tumorschmerzen
Krebsschmerzen können Symptom unterschiedlichster Ursachen darstellen. Dies ist der Grund, warum es keine einheitliche Klassifikation dieser Schmerzart gibt. Man kann jedoch zwischen zeitlicher Charakteristik (akut/chronisch; kontinuierlich/episo- denartig), Ätiologie und Pathophysiologie abgrenzen.
3.3.1 Tumorbedingter Schmerz
Unkontrolliertes Tumorwachstum und Metastasenbildung führt in einer Vielzahl der Erkrankungen zu heftigen Schmerzen.
Häufig ist das Skelettsystem vom tumorösen Wachstum betroffen. Im Bereich der Wirbelsäule, des Beckens und Bereich der großen Röhrenknochen lassen sich oftmals „Herde“ lokalisieren. Dabei kann der Skelettabschnitt vom Primärtumor, aber auch von gestreuten Metastasen in Mitleidenschaft gezogen werden. Jedoch ist es auch möglich, dass fast der gesamte skelettäre Anteil von bösartigen Tumoren befallen ist. Die Destruktion gesunder Stützsubstanz kann zu Instabilität führen und es für den Betroffenen notwendig machen, sich einer rekonstruierenden Operation zu unterziehen. Möglicherweise können jedoch auch nichtinvasive unterstützende und stabilisierende Maßnahmen, zum Beispiel durch Tragen eines Korsetts, verloren gegangene Stützfunktionen ausgleichen (Aulbert et.al. 2012: 148).
Schafft sich Tumorgewebe Platz am Ort des Geschehens, können kompressions- und infiltrationsbedingte Schmerzen entstehen. Gesundes Gewebe (vor allem auch Weich- teilgewebe) wird zerstört oder geschädigt, Entzündungen, Nekrosen oder Ulzerationen sind die Folge. Nerven und Nervenbahnen können ebenso vom Tumorwachstum be- einträchtigt werden und zu heftigen Schmerzereignissen führen (Aulbert et.al. 2012: 148).
3.3.2 Therapiebedingter Schmerz
Wie es der Titel erkennen lässt, hängt die Entstehung dieser Schmerzen direkt mit der Durchführung von Therapien zusammen, die gegen den Tumorbefall wirken sollen. Chemotherapien können beispielsweise schmerzliche Schädigungen an Nerven(bahnen) nach sich ziehen, vom Patienten oft als Missempfindungen beschrieben, die in einigen Fällen reparabel sind, in den Meisten jedoch bestehen bleiben, oder sich nur leicht zurück bilden (Polyneuropathie).
Operative Eingriffe, die immer mit der zusätzlichen Schädigung von gesundem Gewebe und Nerven einhergehen, können eine weitere therapiebedingte Schmerzursache darstellen.
Recht häufig treten, meist nach Chemotherapie oder Bestrahlung, schmerzende Ent- zündungen mit Schleimhautdefekten auf (zum Beispiel im Mund- Rachenraum, Gast- rointestinaltrakt, Nasenschleimhäute), die es durch Aufklärung der Patienten und regelmäßige Begutachtung schnellstmöglich zu erkennen und zu behandeln gilt. Wird der Plexus brachialis oder lumbosacralis durch Bestrahlung geschädigt, kann es in Folge dessen nach Jahren zur Ausbildung von radiogen bedingten Schmerzen kom- men. Außerdem ist es möglich, dass sich unangenehme Sensibilitätsstörungen hinzu- gesellen (Aulbert et.al. 2012: 149).
Untersuchungen haben gezeigt, dass sich zwischen fünf und 29 Prozent der erwachsenen Patienten mit therapiebedingten Schmerzen auseinander setzen müssen (Aulbert et al. 2012: 150).
3.3.3 Tumorassoziierter Schmerz
Schmerzen, die weder direkt in Folge einer Tumorerkrankung entstehen oder solche, die ebenfalls nicht aus einer onkologischen Therapie begründet sind, werden zu den tumorassoziierten Schmerzen gerechnet. Statistisch gesehen sind bis zu zehn Prozent der Krebspatienten davon betroffen. Zur Veranschaulichung kann man jene Schmerzen nennen, die aus Schonhaltungen, gefolgter Muskelverspannungen und resultierenden Schmerzen entstehen (Aulbert et.al. 2012: 150).
3.3.4 Tumorunabhängiger Schmerz
Auch Krebspatienten können unter Schmerzen leiden, die schon vor Auftreten der ma- lignen Erkrankung vorhanden waren und nicht im Zusammenhang mit dieser stehen. Ist zum Beispiel die Wirbelsäule durch Abbauprozesse degenerativ verändert und führt dieser Zustand zu einer Schmerzsituation, so wird diese Tatsache auch mit bestätig- tem Tumorwachstum bestehen bleiben und schmerzhafte Empfindungen hervorrufen.
Differenzialdiagnostisch sollte jedoch abgeklärt werden, ob, wie in genanntem Beispiel eine Knochenmetastasierung vorliegt oder nicht (Aulbert et.al. 2012: 150f.).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb.1 Ätiologie von Tumorschmerzen ( Aulbert et. al. 2012: 149)
Die Grafik verdeutlicht, dass sich die Ätiologie von Tumorschmerzen sehr vielfältig be- schreiben lässt. Zudem ist eine Kombination mehrere Klassifikationen im klinischen Alltag möglich, was sich wiederum auf die Schmerzbehandlung Betroffener auswirkt. Man sollte sich bewusst darüber sein, dass Schmerzen nicht direkt aus dem Tumor- geschehen hervor gehen müssen und in Folge dessen einen anderen Behandlungs- ansatz nach sich ziehen. Die Schmerzbehandlung von Krebspatienten stellt eine hohe Anforderung an das multiprofessionelle Team dar, weil sich der Symptomkreis oft kom- plex äußert und in einigen Fällen viel Geduld und Zeit, sowohl von Patient als auch Behandelndem, in Anspruch nimmt.
3.4 Pathophysiologische Klassifikation
Eine weitere Klassifikationsmöglichkeit der Tumorschmerzen lässt sich aus ihrer Pathophysiologie ableiten. Durch die Abhängigkeit von ihren pathophysiologischen Mechanismen erfolgt die Einteilung hierbei in Nozizeptorschmerzen und neuropathische Schmerzen. Organisch nicht begründbare Schmerzen werden als idiopathische Schmerzen betitelt (Aulbert et.al. 2012: 150).
3.4.1 Neuropathische Schmerzen
Diese Schmerzform tritt dann zu Tage, wenn direkt Anteile des peripheren oder/ und zentralen Nervensystems zu Schaden kommen. Die daraus resultierenden biochemischen und morphologischen Veränderungen an nozizeptiven und nicht nozizeptiven Neuronen können mit der Zeit irreversibel werden. Neuropathische Schmerzen können zum Beispiel als Folge der Kompression und Infiltration von peripheren Nerven, Nervenplexus und Nervenwurzeln auftreten. Häufig können dann, am Beispiel des Bronchialkarzinoms (als Primärtumor) im Verlauf Schädigungen am Plexus brachialis entstehen, die für den Patienten meist mit heftigsten brennenden Schmerzen einhergehen. Außerdem sind in einer Vielzahl der Fälle Parästhesien, Dysästhesien und Funktionsausfälle der betroffenen Extremität zu erwarten.
Deafferenzierungsschmerzen werden ebenfalls zu den neuropathischen Schmerzen gezählt. Dabei kommt es zur Durchtrennung peripherer Nerven, wie etwa nach Ampu- tationen. Afferente Reize fehlen in Folge dessen und es bilden sich Veränderungen an den zentralen Neuronen heraus. Möglicherweise kann es auch zu einer Übererregbar- keit zentraler nozizeptiver Systeme kommen. Betroffene beschreiben diese Art Schmerz häufig als elektrisierend oder als Missempfindungen (Aulbert et.al. 2012: 151).
3.4.2 Nozizeptorschmerzen
Bei direkter Gewebeschädigung und/oder Entzündungsreaktion auf Grund von malig- nem Wachstum, kann es zur Reizung spezieller afferenter Neurone - Nozizeptoren- kommen, die in fast allen Geweben und Organen anzutreffen sind . Verursacht wird dies zum Beispiel durch physikalische Reize oder Freisetzung von Mediatoren (wie etwa Bradykinin, Serotonin). Die durch Reizung ausgelösten Impulse werden über af- ferente Nervenbahnen an das Rückenmark und von dort an den Thalamus sowie das somatosensorische Zentrum weiter geleitet, in dem die Sinneswahrnehmung als Schmerz realisiert wird.
Die Unterteilung der Nozizeptorschmerzen erfolgt in Somatische Schmerzen und Vis- zerale Schmerzen (auf die in Kapitel 3.2.3 und 3.2.4 näher eingegangen wurde). Im klinischen Alltag könnten zum Beispiel Kapselschmerzen eines Organs, etwa der Leber, oder Schmerzen durch Knochenmetastasierung genannt werden (Aulbert et.al. 2012: 150 f.).
Mit fortschreitender Erkrankung ist bei den meisten Krebspatienten eine Kombination pathophysiologischer Schmerzursachen zu beobachten. Tumorgewebe und Tochtergeschwülste breiten sich oft, trotz intensiver Therapie, im Verlauf der Erkrankung aus, verdrängen, zerstören oder befallen gesundes Gewebe und Nerven, und führen zu Schmerzen unterschiedlichster Genese, die es aufmerksam zu erkennen, ihre Komplexität zu erfassen und zu behandeln gilt (Aulbert et.al. 2012: 150).
3.5 Gate-Control-Theory
Die Gate-Control-Theory nach Melzack und Wall aus dem Jahr 1965 beschreibt, dass der „ neuronale Mechanismus im Rückenmark gewissermaßen ein Tor (= Gate)“ ist, welches „die Schmerzreize passieren müssen, um ins Gehirn zu gelangen und somit bewusst wahrgenommen zu werden“ (Pflege Heute 2004: 474). Bei der Gate-Control- Theory sollen alle physischen und psychischen Prozesse bei der Schmerzempfindung als Ganzes verstanden werden. Das Schmerzerleben wird durch diese Faktoren be- einflusst. Nach der Theorie werden fünf Funktionssysteme unterschieden, an denen die Nozizeption beteiligt ist:
1. Der periphere Schmerzapparat
2. Der segmentale Schmerzapparat im Rückenmark
3. Das sensorisch - diskriminative System (Wahrnehmung Reizort, Reizstärke, Reizdauer und Art des Reizes)
4. Das motivierend - affektive System ( Erleben des Ereignisses „Schmerz“)
5. Das zentrale Kontrollsystem (Braune et. al. 2013:14)
Diverse Einflussfaktoren wie zum Beispiel „Wärme, Kälte, Akkupressur, Massage oder Elektroreize“ sowie „Ablenkung, Phantasiereisen, Entspannung und allgemeines Wohlbefinden“ (Pflege Heute 2004: 474), tragen dazu bei, dass die Wahrnehmung des Schmerzes positiv (oder möglicherweise auch negativ) beeinflusst wird. Dem gegenüber stehen Faktoren, die sehr häufig die Wahrnehmung von Schmerzen verstärken. Beispielhaft können hier belastende psychische Faktoren, ungeklärte Konflikte in der Familie oder mit Freunden, Sorgen und Ängste wie etwa finanzieller Ursache und Angst vor der eigenen Endlichkeit sein.
Bezieht man diese Überlegungen nun in die Behandlungen von Schmerzpatienten mit ein, steht das multiprofessionelle Team vor einer Herausforderung, ganzheitlich und individuell zu handeln.
[...]
1 Periphere Nervenendigungen einer spezialisierten Gruppe von afferenten Nervenfasern. Man findet sie in der Haut, Muskulatur, Gelenken und in den inneren Organen. (Speckmann et. al 2008:69).
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