Bilinguale Frühförderung von hörgeschädigten Kindern


Hausarbeit, 2012

17 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Hörschädigung
2.1 Hörgeschädigte
2.2 Technische Ausstattung
2.2.1 Hörgeräte
2.2.2. Cochlea-Implantat
2.3 Vorschulische Fördermöglichkeiten

3. Inklusion

4. Bilinguale Förderung im Sinne von Inklusion?

5. Die besondere Bedeutung der Frühförderung

6. Fazit

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Die Idee, eine Arbeit über die Personengruppe der Hörgeschädigten zu schreiben, kam mir, als ich zur Vorbereitung auf eine mündliche Studienleistung in einem Seminar über unterstützte Kommunikation eine Gruppe Gehörloser besuchte, um Eindrücke und Informationen direkt von Betroffenen zu sammeln. Als ich darüber nachdachte, wie ungewohnt es für mich ist, als einziger, die Sprache der Anwesenden nicht zu verstehen (dort wurde gebärdet), wurde mir erst bewusst, dass dieser Zustand für die Menschen im Raum Alltag sein muss, da schließlich die Mehrheit der lautsprachlich kommunizierenden Menschen keine Gebärdensprache beherrscht. Lediglich durch einen Dolmetscher konnte ich mich unterhalten, bis schließlich einer der Gehörlosen anfing, sich mir per Lautsprache mitzuteilen. Er las mir von den Lippen ab und/oder bekam meine Sätze übersetzt. Bis zu diesem Moment hielt ich es für völlig normal, dass Gehörlose Gebärden nutzen, um sich verständlich zu machen. Dass dieser Mann nun die Lautsprache beherrscht (verständlich, aber sehr undeutlich), führte mich zu der Frage, warum nicht einfach jede oder jeder Gehörlose so sprechen kann. Damit fing ich an, mich für die vorliegende Arbeit in das Themenfeld der Hörgeschädigten/-pädagogik einzulesen, um mir ein Bild zu verschaffen. Dass dieses Themenfeld so komplex ist, wie es sich schließlich darstellte, hätte ich nicht erahnt. Tatsächlich liest man in diesem Themenbereich oft sehr ähnliche Fragestellungen, wie ich sie mir selbst stellte. Die Möglichkeiten des Lautspracherwerbs für gehörlose Menschen haben sich in den letzten Jahren durch technische/medizinische Fortschritte stetig verbessert. Auf den ersten Blick, liest sich das als sehr positive Entwicklung, da man automatisch davon ausgeht, dass Menschen sich mit Lautsprache besser in der Gesellschaft bewegen können, als mit Gebärden. Dennoch begegneten mir in vielen Texten immer wieder Aussagen, die darauf hindeuten, dass Gebärdensprache deswegen nicht ausgeschlossen werden soll und durchaus hilfreich für die Entwicklung gehörloser Menschen sein kann. Sind das nun zwei Förderwege? Gebärden, oder Lautsprache? Warum nicht einfach beides? Da im Studiengang der Erziehungs- und Bildungswissenschaften der Begriff Inklusion gern und häufig benutzt wird, dachte ich mir, ich versuche auch darauf Bezug zu nehmen. Denn was spricht auf den ersten Blick nicht mehr für Inklusion, als die Förderung einer Sprache, die die Mehrheit spricht? Da sich der natürliche Spracherwerb einer Erstsprache in frühen Kindesjahren vollzieht, will ich meinen Fokus auf diesen vorschulischen Lebensabschnitt legen. Da für Gehörlose die Kommunikation eine immense Rolle spielt, dürfte schnell deutlich werden, dass in diesen frühen Jahren wichtige Weichen gestellt werden, indem darüber entschieden wird, welche Sprache nun gelernt und gefördert wird. Die erste Assoziation mit dem Begriff der Inklusion ist für mich die Wahlfreiheit, die jeder Mensch haben sollte. Ich habe die Wahl und werde nicht durch die Gesellschaft an der Teilhabe an dieser wegen meiner Behinderung eingeschränkt. Für mich stellt sich die Frage, ob nicht im frühen Kindesalter getroffene Entscheidungen durch Ärzte, Eltern, Berater etc., die eine monolinguale Erziehung hörgeschädigter Kinder fokussieren, dem Inklusionsgedanken widersprechen könnten. Selbstverständlich nur, wenn eine bilinguale Erziehung der Entwicklung des Kindes nicht abträglich ist. Ich werde versuchen in dieser Arbeit folgende Fragestellung zu beleuchten:

Sollte ein bilinguales Förderkonzept in der Früherziehung hörgeschädigter Kinder fokussiert werden, um einen Lebensweg unter dem Zeichen der Inklusion zu ermöglichen?

2. Hörschädigung

In der Einleitung wurden bereits die Begriffe Hörgeschädigte und Gehörlose verwendet. In diesem Kapitel soll es darum gehen, wer in dieser Arbeit überhaupt als Hörgeschädigte gilt, welche technischen/medizinischen Ausstattungsmöglichkeiten bestehen und welche sprachlichen Frühförderkonzepte angestrebt werden können.

2.1 Hörgeschädigte

Hörgeschädigt bedeutet nicht automatisch gehörlos. Dieser Satz deutet schon an, dass Hörgeschädigte als Personengruppe einen Oberbegriff darstellt. Dieser Kategorisierung soll hier in Anlehnung an Annette Leonhardt gefolgt werden, die in ihrem Buch Einführung in die Hörgeschädigtenpädagogik feststellt, dass bereits die Unterscheidung zwischen Gehörlosen und Schwerhörigen variiert, je nachdem, ob die Betrachtung aus medizinischer, pädagogischer oder Betroffenen-Perspektive geschieht. Dies lässt darauf schließen, dass viele unterschiedliche Definitionen getroffen werden können. Folgt man Leonhardts weiteren Überlegungen, dann besteht der Personenkreis der Hörgeschädigten aus Gehörlosen, Schwerhörigen und Ertaubten[1] (vgl. Leonhardt 2010, S. 22). Im Folgenden werden diese drei Untergruppen kurz vorgestellt:

- Schwerhörige: Die Gruppe der Schwerhörigen ist äußerst unterschiedlich, da eine Schwerhörigkeit zu jedem Zeitpunkt im Leben eines Menschen erworben werden kann. Der Grad der Schwerhörigkeit kann von „fast normalhörend“ bis hin zu „hochgradig schwerhörig“ reichen (vgl. ebd., S. 80 ff).

- Gehörlose: „Als gehörlos bezeichnet man Menschen, bei denen im frühen Kindesalter (prä-, peri- oder postnatal) vor Abschluss des Lautspracherwerbs (also prälingual) eine so schwere Schädigung des Gehörs vorliegt, dass seine Funktionstüchtigkeit hochgradig bis total beeinträchtigt ist.“ (ebd., S. 86 f).

- Ertaubte: Eine Taubheit kann ebenso wie die Schwerhörigkeit in jedem Alter postlingual auftreten und bedeutet, dass man Schallereignisse (und damit Sprache) nicht mehr wahrnehmen kann (vgl. ebd., S. 91 f).

Da in dieser Arbeit die Förderkonzepte in Bezug auf den Spracherwerb von Kindern eine Rolle spielen, werden die ertaubten Menschen nicht zu der Gruppe der Hörgeschädigten gezählt, wie sie hier verstanden werden soll. Wichtigstes Eingrenzungsmerkmal ist die Tatsache, dass die Hörschädigung prälingual erworben wurde, was die Gruppe der Gehörlosen laut oben stehender Definition generell einschließt. Aber auch schwerhörige Menschen werden hier dazugezählt, sofern auch ein prälingualer Erwerb und ein hoher Grad der Schwerhörigkeit vorliegen. Kinder, die durch Versorgung mit einem Hörgerät und der Verstärkung ihrer Hörreste Lautsprache ohne Hindernisse wahrnehmen können, sind auch in der Lage den Spracherwerb ähnlich einem Kind ohne Hörbeeinträchtigung zu durchlaufen.

Als hörgeschädigte Kinder in dieser Arbeit werden also diejenigen bezeichnet, deren Beeinträchtigung prälingual so schwerwiegend ist, dass sie ohne medizinische, therapeutische und pädagogische Förderung nicht in der Lage sind einen natürlichen Lautspracherwerb zu durchlaufen. Fokussiert wird hier vor allem der pädagogische Aspekt, da die Hörfunktionsstörungen „die Beziehung zwischen Individuum und Umwelt beeinträchtigen und damit soziale Auswirkungen auf den Betroffenen haben.“ (ebd., S. 22). Von großer Bedeutung ist allerdings auch der medizinische Aspekt, da die Versorgung mit technischen Hilfsmitteln hörgeschädigter Kinder meist erst weitere Förderungen ermöglicht. Einen Überblick über die vorhandenen Möglichkeiten soll deswegen das nächste Kapitel geben.

2.2 Technische Ausstattung

Durch das im Jahr 2009 verbindlich eingeführte Neugeborenenhörscreening können Hörschädigungen schon zeitnah nach der Geburt festgestellt werden (vgl. ebd., S. 121). So ist es schon frühzeitig möglich, Maßnahmen zu ergreifen, die den Kindern durch technische Ausstattung ermöglichen, ihre Hörreste so gut es geht zu verstärken, oder sogar ausgefallene Hörfunktionen zu ersetzen. Im Folgenden soll die Versorgung mit Hörgeräten und dem Cochlea-Implantat (CI) vorgestellt werden, um einen Überblick zu gewährleisten. An dieser Stelle erscheint es wichtig darauf hinzuweisen, dass natürlich das Einverständnis der Eltern für solche Ausstattungen gegeben werden muss. Denkbar ist auch, dass es Eltern gibt, die sich z.B. gegen den medizinischen Eingriff zur Implantierung eines CI entscheiden. Ebenfalls möglich sind physiologische Besonderheiten bei den Betroffenen Kindern, die eine technische Versorgung verhindern. Auf diese Sonderfälle kann hier nicht in angemessenem Umfang eingegangen werden. Es wird davon ausgegangen, dass bei den meisten Kindern, die Ausstattung möglich ist und auch Eltern sich in der Regel für eine bestmögliche Wiederherstellung oder Ermöglichung der Hörfähigkeit ihres Kindes entscheiden.

2.2.1 Hörgeräte

Während früher noch Hörhilfen wie z.B. ein Hörrohr verwendet wurden, wird heutzutage auf elektroakustische Geräte zurückgegriffen. Diese werden individuell an ihre Träger angepasst und müssen stetig gewartet und überprüft werden. Ziel aller Hörgeräte ist es, den Hörschall so zu verstärken, dass bei der hörgeschädigten Person ein besseres Hören und Verstehen erreicht wird. Zu unterscheiden ist hier zwischen Hinter-dem-Ohr-Geräten (HdO-Geräte) und Im-Ohr-Geräten (IdO-Geräte)[2].

HdO-Geräte sind die zur Zeit am meist benutzten Hörhilfen. Wie ihr Name schon sagt, wer-den sie hinter der Ohrmuschel getragen. Durch den technischen Fortschritt verringert sich ihre Größe zunehmend. Der Vorteil dieser Geräte liegt darin, dass sie die meisten Möglichkeiten der Anpassung bieten, da z.B. ihre Größe leicht variiert werden kann oder Schaltungen für bestimmte Hörfehler eingebaut werden können. Die IdO-Geräte sitzen ihrerseits direkt im Gehörgang und schließen diesen schalldicht ab. Generell verfügen sie über dieselben technischen Merkmale der HdO-Geräte, erfordern aber bei den Nutzern ein gewisses manuelles Geschick beim Herausnehmen bzw. Einsetzen. Ihr Vorteil ist die geringere Sichtbarkeit und ihr natürlicherer Höreindruck, da das Mikrofon recht nah am natürlichen Ort der Schallaufnahme sitzt. Nachteilig sind die geringeren Ausstattungsmöglichkeiten, da nur wenig Platz zur Verfügung steht, eine Rückkopplungsgefahr, sowie die geringere Verstärkungsmöglichkeit. Letzteres bedeutet einen geringeren Nutzen bei hochgradigeren Hörverlusten (vgl. Leonhardt 2010, S. 107 ff).

2.2.2. Cochlea-Implantat

„Cochlea-Implantate sind künstliche Innenohren, mit denen ertaubte und an Taubheit grenzend schwerhörige Menschen eine deutliche Verbesserung ihres Hörvermögens erzielen können. Es ersetzt die Funktion der Hörsinneszellen, indem es den Schall über ein Mikrofon aufnimmt, in eine Abfolge von elektrischen Impulsen umsetzt und diese über eine Elektrode auf die Hörnervenfasern weitergibt.“ (Hannoversche Cochlear-Implant-Gesellschaft e.V., o. J.).

Das CI wird in einer ca. 1,5 stündigen Operation eingesetzt. Ähnlich der Anpassung von Hörgeräten, erfordert auch das CI kontinuierliche Anpassungsarbeit des Sprachprozessors im Laufe des postoperativen Hörlernprozesses. Die Dauer dieses Hörlernprozesses variiert je nach Person und hängt von vielen Faktoren ab. Wichtig ist es, den implantierten Kindern[3] die Fähigkeit zu geben ihre (neu-)gewonnene Hörkapazität zu nutzen (vgl. Leonhardt 2010, S. 119).

[...]


[1] Annette Leonhardt fügt noch eine vierte Untergruppe, die der CI-Träger, hinzu. Im Kapitel 2.2.2 über die technischen Ausstattungsmöglichkeiten wird erläutert, was CI bedeutet. In dieser Arbeit soll die technische Ausstattung allerdings kein Gruppierungsmerkmal darstellen.

[2] Der Vollständigkeit halber müssen auch noch Taschenhörgeräte und Hörbrillen genannt werden, auf die hier aber nicht näher eingegangen wird, da ihre Marktanteile jeweils unter 1,5 % liegen (vgl. Leonhardt 2010, S. 110 ff).

[3] Das CI kann natürlich auch bei Erwachsenen eingesetzt werden. Da hier aber der Fokus auf dem prälingualen Zeitraum liegt, werden vor allem Kinder betrachtet.

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Bilinguale Frühförderung von hörgeschädigten Kindern
Hochschule
Philipps-Universität Marburg  (Erziehung- und Bildungswissenschaft)
Veranstaltung
Einführung in die Sozial- und Rehabilitationspädagogik
Note
1,3
Autor
Jahr
2012
Seiten
17
Katalognummer
V340180
ISBN (eBook)
9783668299429
ISBN (Buch)
9783668299436
Dateigröße
455 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
bilinguale, frühförderung, kindern
Arbeit zitieren
Sandra Kraft (Autor:in), 2012, Bilinguale Frühförderung von hörgeschädigten Kindern, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/340180

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