Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Der offene Lateinunterricht
3. Eine Projektarbeit zum Partizip FuturAktiv
4. Geschlossener vs. offener Lateinunterricht
4.1. Die Untersuchung
4.1.1. Das Untersuchungsinstrument
4.1.2. Die Auswertung der Untersuchung
4.2. Die schulische Auswertung des Projekts
5. Fazit
6. Literaturverzeichnis
7. Anhang
7.1. Materialien zur Einfuhrung des Projekts
7.2. Feedbackbogen zum Video
7.3. Individualisierung der Gruppennote
7.4. Grammatiktests
7.5. Evaluation des Projekts
1. Einleitung
Hinsichtlich der Offnung des Lateinunterrichts gibt es „die Befurchtung, es werde womoglich in die ,Festung’ des altsprachlichen Unterrichts ein trojanisches Pferd hineingezogen, dem bald die Agenten der Beliebigkeit und des Niveau-Verlustes entsteigen."1 Diese Metapher verdeutlicht, in welch schlechtem Licht der offene Unterricht besonders in der klassischen Philologie steht. Doch die Offnung des Lateinunterrichts bietet die Moglichkeit, das Fach mit neuem Enthusiasmus zu bestreiten.2 Um die Echtheit von Unterricht zu gewahrleisten, muss er sich aufterdem den Veranderungen der Sozialisation anpassen, in welcher die Individualisierung einen immer grofteren Platz einnimmt.3 Dies kann durch den offenen Unterricht, in dessen Fokus die Selbsttatigkeit der Schulerinnen und Schuler4 steht, erfolgen. Naturlich kann er den geschlossenen Unterricht nicht ersetzen, sehr wohl aber erganzen.5
Anhand dieser Arbeit wird der offene Lateinunterricht anhand eines Beispiels aus dem Praxissemesters erortert. Um eine Basis zu schaffen, werden zunachst die Prinzipien des offenen Unterrichts dargelegt. Anschlieftend wird die Projektarbeit zu einem Lehrvideo zum Partizip Futur Aktiv[6], welche ich wahrend meiner Hospitation in diesem Kurs des Jahrgangs 9 verfolgt habe, vorgestellt. Anschlieftend soil der offene dem geschlossenen Unterricht gegenubergestellt werden. Dabei wird der Fokus auf die induktive bzw. deduktive Grammatikeinfuhrung gelegt. Den SuS dieses Kurses wurden die WD-Formen anhand einer deduktiven Grammatikeinfuhrung im Lehrgangsunterricht vermittelt, wohingegen die Auseinandersetzung mit dem PFA durch die induktive Projektarbeit erfolgte. Die Durchfuhrung eines Grammatiktests soil anhand der anschlieftenden Auswertung Aufschluss daruber geben, ob der offene Unterricht die Kompetenzen der Lernenden hinsichtlich des PFAs mehr gefbrdert hat als der geschlossene Unterricht, in dem die WD-Formen vermittelt worden sind. Die Ergebnisse dieser Arbeit werden in einem Fazit zusammengefasst.
2. DeroffeneLateinunterricht
Die Offnung des Unterrichts erfolgt auf mehreren Dimensionen, weshalb er nicht nur als eine Methode von Unterricht, sondern als padagogisches Konzept aufgefasst wird.7 Zum einen beeintrachtigt sie das Schuler-Lehrer-Verhaltnis in dem Sinne, als dass „die Autonomie der Lernenden an die Stelle der traditionellen padagogischen Heteronomie"8 ruckt. Aufterdem positioniert sich der Lehrende neu, da er nun nicht mehr als Vermittler des Lerngegenstandes sondern als Berater der SuS, die sich mit diesem eigenstandig auseinandersetzen, tatig ist.9 Dies kann fur die Lehrkraft durchaus eine Herausforderung darstellen, da sie sich selbst in der Erarbeitungsphase „konsequent zuruck[nehmen]“10 muss. Wahrend der Einfuhrung und Evaluation des Projektes fungiert die Lehrperson hingegen im Sinne der Lerntransparenz als Moderator.11
Der offene Unterricht orientiert sich auf der lernpsychologischen Ebene an dem „Prinzip der Selbsttatigkeit"12, durch welche die Kompetenz der eigenstandigen Problemlbsefahigkeit gefbrdert wird. Sie erweitern somit nicht nur ihr Fachwissen, sondern schulen daruber hinaus ihre Methodenkompetenz, ihre Kommunikations- und Teamfahigkeit sowie das eigenverantwortliche Arbeiten.
Die Offnung des Unterrichts kann in verschiedenen Formen erfolgen. Zum einen gibt es den Wochenplan-Unterricht, bei dem das selbsttatige Lernen unterAnleitung einer Lehrperson durchgefuhrtwird.13 Zum anderen gilt die Freiarbeit als eine Methode des offenen Unterrichts, die hingegen ohne jegliche Vorgaben erfolgt.14 Eine Variante dessen ist der Projektunterricht, welcher in dieser Arbeit thematisiert wird.15
Die projektorientierte Gruppenarbeit ist eine Art des Projektunterrichts, die sich durch die starkere Strukturierung der Lehrperson auszeichnet16. Die SuS setzen sich im Lateinunterricht mit diversen Themen einer Unterrichtsreihe auseinander.17 Sie wahlen ihre Gruppe nach Interesse und erstellen eigenstandig einen Plan, anhand dessen sie die Arbeit erledigen wollen. Ihre Ergebnisse werden im Plenum prasentiert.18 Die Rolle der Lehrperson besteht darin, den Lernenden Hilfestellung anhand von Leitfaden, welche er unter didaktischen Fragestellungen konzipiert hat, zu leisten.19 Hier liegt der Unterschied zum Projektunterricht, da dieser weniger durch die Lehrkraft vorstrukturiert wird.20 Beide Unterrichtsformen sind handlungs- und produktorientiert.21 Meist beziehen sich die Aufgabenstellungen auf einen konkreten Text, welcher ggf. auch grammatikalisch analysiert werden soll.22 Wahrend der Lehrbuchphase kbnnen jedoch auch grammatische Themen selbststandig erarbeitet werden.23 Auch im Rahmen der Ubergangslekture und der Lekturephase kann dieser durchgefuhrt werden.24 Diese Form der Projektarbeit ist ab dem dritten Lehrjahr angemessen.25
Der Zeiteinsatz variiert je nach „der Thematik; der Lange und dem Schwierigkeitsgrad der Texte, die bearbeitet werden sollen; der Klassenstufe; den methodischen Vorkenntnissen"26. Dabei sollte die Arbeit in einem gewissen Rahmen auch als Hausaufgabe erledigt und anschlieftend innerhalb der Gruppe besprochen werden.27 Der Verlauf des Projektes korreliert nicht nur mit der Vorbereitung durch den Lehrer sondern auch der Vorkenntnisse derSuS hinsichtlich der Arbeitsform. Letztere kbnnen auch anhand der Gruppenarbeit gefbrdert werden und somit als Ziel fungieren.28
Die projektorientierte Gruppenarbeit erfolgt in vier Phasen.29 Zunachst prasentiert die Lehrperson die Methode und den Leitfaden. Anschlieftend bearbeiten die SuS innerhalb ihrer Gruppen die Aufgaben und prasentieren sie im Plenum. Dabei erhalten sie unmittelbar Ruckmeldung von ihren Mitschulern/Mitschulerinnen. Anhand eines Feedbackbogens wird dann die gesamte Gruppenarbeit begutachtet. Davon profitieren vorallem die Lehrkraft und die nachfolgenden Schulergruppen, da so Fehler vermieden werden konnen.
Bei der Benotung der Projektarbeit muss die Lehrperson im Sinne der Lerntransparenz vorsichtig vorgehen, sodass er mbglichst alle Prozesse in seine Leistungsbewertung einbezieht.30
3. Eine Projektarbeit zum Partizip FuturAktiv
In der methodischen Groftform der projektorientierten Gruppenarbeit haben die SuS des Jahrgangs 9 innerhalb mehrerer Wochen ein Lehrvideo zum PFA anhand einer Legetechnik erarbeitet.
Zunachst wurde das Projekt „Ein grammatisches Lehrvideo drehen" von der Lehrkraft eingefuhrt und vorgestellt.31 Dieses Erklar-Video soil in einem Zeitrahmen von acht Minuten das PFA und den Infinitiv Futur Aktiv im Accusativus cum Infinitivo32 thematisieren. Das Kernanliegen ist somit „die Einfuhrung des Zeitverhaltnisses Nachzeitigkeit bei Wiederholung der Zeitverhaltnisse Gleichzeitigkeit und Vorzeitigkeit anhand von originellen Beispielen"33. Fur die Umsetzung stehen den SuS 135 Minuten Unterrichtszeit und 60 Minuten Hausaufgabenzeit pro Woche zur Verfugung. Die Lernenden konnten sich selbststandig zu Gruppen von vier bis funf Personen zuordnen. Da die SuS auch aufterhalb des Unterrichts miteinander arbeiten mussten, sollte diese Wahlmbglichkeit Konflikte vorbeugen. Der Ablauf wurde durch die Lehrperson wie folgt festgelegt34:
1. Grammatik in der Gruppe besprechen
2. Inspiration bei anderen Videos suchen
3. Skript erstellen
4. feste Absprachen und Aufgabenverteilung und Zeitplan
Die Bewertungskriterien waren im Sinne der Lerntransparenz von Anfang an fur die Lernenden einsichtig, sodass sie ihre Arbeit anhand dieser immer wieder uberprufen konnten.35 Das Video sollte sich durch Kreativitat und Originalitat bei der Auswahl von Beispielsatzen auszeichnen. Aufterdem wurden die technische Realisation und der Bearbeitungsausdruck bewertet. Daruber hinaus mussten die SuS ein Lernjournal verfassen und einen Lerntest schreiben, was auch in die Bewertung einfloss. Die individuellen Lernjournale sollten den Arbeitsaufwand, die Lernfortschritte, die Schwierigkeiten und die anstehenden Aufgaben bei der Durchfuhrung des Projektes dokumentieren.36 Die SuS konnten sich bei deren Erstellung, welche pro Woche zusatzlich 15 Minuten einnehmen sollte, an Leitfragen orientieren.37 Hinsichtlich der Gruppenarbeit wurde auch die Zuverlassigkeit der Lernenden in den Blick genommen.
Die Auswertung und Reflexion fand in zwei Phasen statt. Zunachst prasentierten die Lernenden ihre Ergebnisse im Plenum, wobei die Gruppen sich gegenseitig Feedback geben mussten. Dazu sollten sie einen Bogen ausfullen, anhand dessen sie durch die Beantwortung von zielgerichteten Fragen die Arbeit beurteilen konnten.38 Zudem hatte die bewertete Gruppe die Moglichkeit, Kommentare auf das Feedback zu geben. In einer zweiten Phase sollte die Gruppennote fur das Videoprojekt individualisiert werden. Dazu trugen sich die SuS nach einer Diskussion innerhalb ihrer Gruppen in eine Skala ein, aus welcher der Grad der Mitarbeit wahrend des Projektes ersichtlich wird. Eine Orientierung fur die Verortungen der einzelnen Leistungen boten einige Leitfragen.39 Zusammen mit den Lernjournals und dem Lerntest, welcher nach der Presentation der Projektarbeit erfolgte, ergab sich eine individuelle Gesamtnote fur die Lernenden. Die Projektarbeit ersetzte die erste von zwei Klassenarbeiten des Halbjahres.
Da die Lehrperson ein solches Projekt selbst zum ersten Mai durchgefuhrt hatte, sollte ein Gesamturteil uber dessen Sinnhaftigkeit anhand von Placemates gefallt werden. Dazu beantworteten die SuS Leitfragen, um abschlieftend eine Entscheidung daruber treffen zu kbnnen, ob ein derartiges Projekt nochmals zustande kommen soll.40
[...]
1 Michaela Pfeiffer: Zur Einfuhrung. In: DerAltsprachliche Unterricht 40, 1/1997. S.2.
2 Vgl. ebd.
3 Vgl. Peter H. Nissen: Offnung von Unterricht. In: DerAltsprachliche Unterricht 40, 1/1997. S.5.
4 Im Folgenden werden Schuler und Schulerinnen im fortlaufenden Text als SuS abgekurzt.
5 Vgl. Peter H. Nissen: Offnung von Unterricht. In: DerAltsprachliche Unterricht 40, 1/1997. S.5.
6 Im Folgenden wird Partizip FuturAktiv im fortlaufenden Text als PFA abgekurzt.
7 Vgl. Peter H. Nissen: Offnung von Unterricht. In: DerAltsprachliche Unterricht 40, 1/1997. S.5,7,10.
8 Michaela Pfeiffer: Zur Einfuhrung. In: DerAltsprachliche Unterricht 40, 1/1997. S.2.
9 Vgl. ebd.
10 Ebd.
11 Vgl. Julia Drumm, Roland Frohlich: Innovative Methoden furden Lateinunterricht. Gottingen 20082. £5.202.
12 Michaela Pfeiffer: Zur Einfuhrung. In: DerAltsprachliche Unterricht 40, 1/1997. S.2.
13 Vgl. Julia Drumm, Roland Frohlich: Innovative Methoden furden Lateinunterricht. Gottingen 20082. £5.202.
14 Vgl. ebd.
15 Vgl. ebd.
16 Vgl. ebd. S.197.
17 Vgl. ebd.
18 Vgl. ebd.
19 Vgl. ebd. S.197f.
20 Vgl. ebd. S.198.
21 Vgl. ebd.
22 Vgl. ebd.
23 Vgl. ebd.
24 Vgl. ebd.
25 Vgl. ebd.
26 Vgl. ebd. S.199.
27 Vgl. ebd. S.199f.
28 Vgl. ebd. S.200.
29 Vgl. ebd.
30 Vgl. ebd. S.202.
31 Vgl. 7.1.
32 Im Folgenden wird Accusativus cum Infinitivo im fortlaufenden Text als Ad abgekürzt.
33 7.1.
34 Vgl. ebd.
35 Vgl. ebd.
36 vgl. 7.1.
37 vgl. ebd.
38 vgl. ebd.
39 vgl. 7.3.
40 vgl. 7.4.