Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Definition Change Management
2.1 Ein Modell des Sozialen Wandels
2.2 Eine Strategie des Change Management
3 Führungsstil im Change Management
3.1 Definition Führung
3.2 Definition Führungsstil
3.2.1 Transformationale Führung
3.2.2 Menschenbild der Transformationalen Führung
3.2.3 Eigenschaften und Verhalten der Führenden
4 Personalentwicklung im Change Management
4.1 Kriterien der Personalentwicklung
4.2 Methoden der Personalentwicklung
5 Fazit
6 Literaturverzeichnis
1 Einleitung
Wandel und Veränderungsprozesse sind in unserer Gesellschaft allgegenwärtig. Sie werden zum Beispiel deutlich in Form von Globalisierung, demografischem Wandel und im Umgang mit Zuwanderung. Man erkennt sie an der Vielzahl von Lebensentwürfen als individuelle Reaktion auf Veränderungen, sowie in rasanten technologischen Innovationen.
Die aktuellen Herausforderungen gesellschaftlichen und technologischen Wandels betreffen Individuen und Organisationen gleichermaßen, wenn auch mit unterschiedlichem Gewicht. Besonders Organisationen sehen sich in dieser Hinsicht mit Problemen konfrontiert, auf Veränderungen zu reagieren und Wandel aktiv zu gestalten. Einflüsse in Form knapper Ressourcen wie Zeit und Geld sowie in Form von Konkurrenz und Innovationszwang erfordern von Organisationen mehr als je zuvor flexible Instrumente und Strategien, um die eigene Zukunftsfähigkeit zu sichern.
Organisationen begegnen diesen Einflüssen entweder, indem sie zukünftige Entwicklungen vorwegnehmen und Veränderungen frühzeitig gestalten, oder, indem sie aufgrund einer Krise darauf reagieren (vgl. Lauer, 2010:5). In beiden Fällen besteht für die Akteure die Notwendigkeit, gegenwärtige Zustände zu verändern, um die Funktion der Organisation den veränderten Bedingungen anzupassen und aufrechterhalten zu können. Der Umgang mit Veränderungen und der Aufbau von Veränderungskompetenzen gehört folglich zu den zentralen Aufgaben von Organisationen, deren Erfolg oder Misserfolg maßgeblich davon abzuhängen scheint, wie Entwicklungsprozesse bewältigt werden. Eine Strategie, mit deren Hilfe solche Entwicklungsprozesse gestaltet werden können, ist das Change Management. Der Untersuchung organisationaler Entwicklungsprozesse wird im Rahmen dieser Arbeit folgende Leitfrage vorangestellt:
"Wie können Entwicklungsprozesse in Organisationen gestaltet werden? Eine Auseinandersetzung am Beispiel des Change Management."
Systematik der Arbeit: Die folgende Auseinandersetzung soll systematisch offenlegen, auf welche theoretischen Überlegungen die Gestaltung organisationaler Entwicklungsprozesse zurückgeführt werden kann, und welche praktischen Implikationen daraus resultieren. Zu diesem Zweck wird zuerst ein Modell sozialen Wandels von Kurt Lewin dargestellt. Am Beispiel der Change Management-Strategie von John P. Kotter wird im Anschluss untersucht, wie organisationaler Wandel in der Praxis gestaltet werden kann (Kapitel 2). Basierend auf der Theorie von Bernhard M. Bass wird anschließend der Frage nachgegangen, wie ein spezifischer Führungsstil Veränderungsprozesse unterstützen kann, und welche individuellen Kompetenzen die Führungspersönlichkeit dafür benötigt (Kapitel 3). Die abschließende Betrachtung konzentriert sich auf die Frage danach, wie Mitarbeiter auf Veränderungsprozesse vorbereitet werden können (Kapitel 4). Diese Vorgehensweise soll dazu führen, ein tieferes Verständnis für den Umgang mit organisationalen Veränderungsprozessen zu erlangen, und im besten Fall dazu anregen, das eigene Handeln in dieser Hinsicht weiterzuentwickeln.
Literaturauswahl: Bei der Literaturauswahl wurde darauf geachtet, die Grundlagenwerke zum Thema einzubeziehen (Lewin/Kotter/Bass) und deren Kernaussagen aus primärer Quelle zu gewinnen. Die Primärquellen sind vorwiegend in Englischer Sprache verfasst. Im Sinne einer besseren Lesbarkeit dieser Arbeit wurden nur zentrale Begriffe in Englischer Sprache übernommen. Längere Gedanken der Urheber wurden durch den Verfasser dieser Arbeit übersetzt und unter Verweis auf die Quelle zumeist paraphrasiert dargestellt.
Begriff: Der Begriff Organisation soll in dieser Arbeit verstanden werden als "[...] besondere Form eines sozialen Systems, das sich von anderen sozialen Gebilden wie Familien, Gruppen oder Netzwerken [...] unterscheiden lässt" (Kühl, 2011:13f), und das "[...] über seine Zwecke, Hierarchien und Mitgliedschaften selbst [...] entscheiden kann" (Kühl, 2011:22). Das Verständnis von Organisation umfasst in dieser Hinsicht gleichermaßen kommerzielle und nicht-kommerzielle Institutionen als soziale Gesamtheit. Diesbezüglich bleiben enger gefasste Sichtweisen auf den Begriff, wie beispielsweise Aufbau- und Ablauforganisation, unberücksichtigt. Diese verallgemeinerte Sicht liegt im Zweck der Arbeit begründet, eine Einführung in das vielschichtige Spektrum organisationaler Veränderungsprozesse zu vermitteln, und in dieser Hinsicht Komplexität zu reduzieren.
2 Definition Change Management
Der Begriff Change Management wird in verschiedenen Kontexten unterschiedlich gebraucht, häufig jedoch in der Psychologie und Medizin, den Sozialwissenschaften, in Disziplinen von Bildung und Erziehung und der Betriebswirtschaft. Daher scheint es zunächst sinnvoll, verschiedene Definitionen des Begriffs zu betrachten, um einen besseren Eindruck davon zu bekommen, welche Aspekte und Prozesse dem Begriff Change Management zugeschrieben werden:
(1) Aus allgemeiner Perspektive bezeichnet Change Management das "Initiieren, Leiten und Durchführen von grundlegenden Veränderungsprozessen in Firmen" (Duden, Change Management, 2016).
(2) Aus ökonomischer Perspektive bezeichnet Change Management die "laufende Anpassung von Unternehmensstrategien und -strukturen an veränderte Rahmen-bedingungen" (Springer Gabler, Change Management, 2016).
(3) Aus der Perspektive der Organisationsentwicklung bezeichnet Change Management "[...] die Planung und Durchführung aller Aktivitäten, welche die betroffenen Führungskräfte und Mitarbeiter auf die zukünftige Situation vorbereiten und ihnen eine möglichst optimale Umsetzung der veränderten Anforderungen ermöglichen soll. Veränderungsmanagement konzentriert sich auf die überfachliche Seite einer Veränderung und achtet auf die Ausgewogenheit beider Seiten" (Stolzenberg, 2006:5).
Im folgenden Kapitel wird die Begriffsdefinition vertieft mithilfe eines Modells sozialen Wandels. Das Modell bildet die Grundlage für das Verständnis der darauf folgenden spezifischen Entwicklungsprozesse in Organisationen.
2.1 Ein Modell des Sozialen Wandels
Kurt Lewin wurde 1890 in Polen geboren, er lebte in Deutschland und den USA und gilt als einer der einflussreichsten Psychologen des 20. Jahrhunderts. Als einer der Begründer moderner experimenteller Sozialpsychologie fand seine Grundlagenforschung zu Themen wie Gruppendynamik und Organisationsentwicklung Einfluss in Theorien und Sichtweisen gegenwärtiger Psychologie, Pädagogik und Ökonomie (vgl. Teutsch, 2006:286f). Eine seiner meist-rezipierten Arbeiten beinhaltet das 3-Phasenmodell sozialen Wandels, welches kurz vor seinem Tod 1947 veröffentlicht wurde. Seine für diese Arbeit relevanten Befunde werden im Folgenden dargestellt und erläutert.
Ausgehend von Ergebnissen experimenteller Forschung zum Verhalten von Menschen in Gruppen im Kontext ihrer Arbeit (vgl. Lewin, 1947:29f), sowie früheren Forschungen zur Wirkungsweise sozialer Kräfte (vgl. Lewin, Force Field Analysis, 1936) systematisierte Lewin drei Phasen, mit deren Hilfe Veränderungen in sozialen Gefügen dauerhaft erreicht werden können (vgl. Lewin, 1947:31):
(1) unfreezing of group standards: Das "Auftauen" des bisherigen Zustandes, oder anders gesagt, den gegenwärtigen Zustand befreien von Hemmnissen.
(2) moving of group standards: Das Gruppenverhalten überführen vom alten Zustand in den neuen.
(3) freezing of group standards: Das neue Gruppenverhalten sichern gegen vorherige Einflüsse.
Diesem Prozess legt Lewin die Annahme zugrunde, dass jede Phase bestimmt wird durch diametral wirkende soziale Kräfte. Diese Kräfte sind gekennzeichnet in ihrer Wirkung als verändernde Kräfte und rückhaltende Kräfte: Verändernde Kräfte begünstigen den Wandel. Ihr Ursprung liegt beispielsweise darin, dass die Betroffenen den Wandel und seine Effekte als positiv und vorteilhaft für sich bewerten. Rückhaltende Kräfte dagegen hemmen den Wandel, sie wirken ihm entgegen, weil kommende Veränderungen mit individuellen Nachteilen assoziiert werden.
Lewin zufolge können in diesem permanenten Kraftfeld dauerhafte Veränderungen nur erreicht werden, wenn das Feld im Zielzustand abgesichert wird gegen dessen weitere Veränderung (freezing of group standards). Sicherheit im Zielzustand kann allerdings nur eintreten, wenn die widerstrebenden sozialen Kräfte miteinander in Einklang gebracht werden (equilibrium). Einklang bedeutet in dieser Hinsicht jedoch nicht, dass die Kräfte gleich groß sind - es bedeutet vielmehr, dass ein Kräfteverhältnis angestrebt wird, in welchem die fördernden Kräfte die hemmenden übersteigen (vgl. Lewin, 1947:32f).
Um eine bessere Übersicht über das bisher Gesagte zu erhalten, werden die vorherigen Ausführungen an dieser Stelle zusammengefasst und mit dem Leitgedanken dieser Arbeit verbunden:
(1) Wandel in sozialen Gefügen - wie zum Beispiel in Organisationen - bedeutet vor allem Wandel im Sozialverhalten der beteiligten Gruppen, weil intentionale und dauerhafte Veränderungen - unabhängig von Kontext und Ausmaß - nur von Menschen initiiert und durchgeführt werden können.
(2) Gruppenverhalten vollzieht sich im Spannungsfeld permanenter widerstrebender sozialer Kräfte, die Ausdruck finden in individuellen Gefühlen und Einstellungen, Absichten und Verhaltensmustern.
(3) Dauerhafte Veränderung des Gruppenverhaltens bedeutet dauerhafte Veränderung der Einstellung der Gruppe; dauerhafte gemeinschaftliche Veränderung von Einstellungen gilt als wesentlicher Erfolgsfaktor für langfristigen Wandel und übersteigt Effekte kurzfristigen Handelns signifikant (moving group standards)
(4) Dauerhaften Veränderungen im Gruppenverhalten wird ein Gleichgewicht der sozialen Kräfte innerhalb einer Gruppe zugrunde gelegt (freezing group standards)
Überdenkt man das bisher Gesagte, so kann man hinsichtlich des Prozesses der Entscheidungsfindung fragen, warum eine Führungsperson Veränderungsprozesse nicht autonom durchsetzen, oder "verordnen" sollte? Schließlich gibt es zahlreiche Beispiele aus dem Alltag von Arbeitnehmern, welche mit solchen Vorgehensweisen korrespondieren, und daher den Gedanken nahelegen, dass die Praxis "verordneter" Veränderungen bewährt und folgerichtig ist. Kurt Lewin gewann in dieser Hinsicht Erkenntnisse aus den Ergebnissen seiner experimentellen Forschung, er formulierte zwei zentrale Argumente, warum Gruppenentscheidungen der Einzelentscheidung vorzuziehen seien:
Erstens: Werden Individuen Entscheidungen lediglich mitgeteilt im Sinne der Kenntnisnahme (lecture) und Veränderungsprozesse in dieser Hinsicht verlangt (demand), so arbeiten individuelle Präferenzen der Gruppenmitglieder in Bezug auf das Verlangte der Erfüllung des Verlangten tendenziell entgegen, oder anders gesagt: Das Engagement der Gruppe bleibt uneinheitlich, weil die individuellen Einstellungen der Gruppenmitglieder zum Handlungsgegenstand uneinheitlich sind. Aus solchen widersprüchlichen Auffassungen resultiert mangelnde Bereitschaft zur Kooperation - ein Zustand, der jedes Bestreben zum Wandel von vornherein erschwert. Werden dagegen die Gruppenmitglieder am Entscheidungsprozess beteiligt, so können unterschiedliche Auffassungen erkannt, und nach Möglichkeit synchronisiert werden. Die Gruppenentscheidung initiiert ein höheres Verantwortungsgefühl im Einzelnen der Sache gegenüber. Dadurch werden verändernde Kräfte gestärkt und rückhaltende Kräfte geschwächt. Das Individuum wird am Entscheidungsprozess beteiligt und agiert hauptsächlich als Gruppenmitglied (vgl. Lewin, 1947:34f).
Zweitens: Gruppenentscheidungen in Veränderungsprozessen haben einen deutlich längeren Effekt auf Handlungen und fördern dadurch Wandel nachhaltiger als bloße Anweisungen zum Handeln, welche unter Ausschluss der Gruppe gegeben werden. Motivation durch Instruktion allein genügt Lewin zufolge nicht, um Wandel dauerhaft zu implementieren - erst der gemeinschaftliche Prozess der Entscheidungsfindung verbindet Motivation mit andauernder Handlung (vgl. Lewin, 1947:34).
Im Hinblick auf Entwicklungsprozesse in Organisationen betonen Lewins Forschungsergebnisse den überfachlichen Aspekt von Veränderungen. Seine Befunde verweisen auf die Bedeutung zeitgemäßer Konzepte der Partizipation im Kontext der Arbeit, deren Vorteile in der Präferenz für Gruppenentscheidungen beispielhaft deutlich werden. Schließlich führt die Auseinandersetzung mit Kurt Lewins Theorie des sozialen Wandels zu Fragen danach, wie organisationale Veränderungen in der Praxis systematisch gestaltet werden können, und welche Voraussetzungen dafür vorhanden sein müssen. Antworten auf diese Fragen sollen im folgenden Kapitel gefunden werden.
2.2 Eine Strategie des Change Management
"Die Welt um uns herum verändert sich schneller als unsere Fähigkeit, mit diesen Veränderungen schrittzuhalten (Kotter, 2015:5). Diese Erkenntnis nahm John P. Kotter zum Anlass, Veränderungsprozesse in Organisationen zu untersuchen, und die Ergebnisse seiner Forschung in eine Strategie zum Umgang mit Veränderungen abzuleiten. Kotter lehrte in den USA als Professor an der Harvard Business School zum Thema Führungsmanagement. Die Ergebnisse seiner Arbeit wurden vielfach ausgezeichnet und brachten ihm weitreichende Anerkennung im akademischen und ökonomischen Kontext gleichermaßen (vgl. Harvard Business School). Im Jahr 1996 erschien seine Strategie des Wandels als Buch mit dem Titel Leading Change. Die Erkenntnisse seiner Arbeit wurden in der überarbeiteten Auflage aus dem Jahr 2015 den aktuellen Umweltbedingungen und Anforderungen angepasst - sie werden im Folgenden komprimiert dargestellt mit dem Zweck, das Verständnis für die Gestaltung von Entwicklungsprozessen in Organisationen aus strategischer Perspektive zu vertiefen.
Wenn von Veränderungen in Organisationen die Rede ist, kann man zunächst Fragen: Aus welcher Motivation heraus sollen diese Veränderungen geschehen? Kotter erkennt diese Motivation in zwei grundlegenden Bedürfnissen der Akteure: (1) Profit steigern und/oder Kosten senken, und (2) effektiver oder effizienter werden (vgl. Kotter, 2015:6). Diese Bestrebungen resultieren beispielsweise aus Defiziten innerhalb der Organisation hinsichtlich ihrer Konkurrenz- und Handlungsfähigkeit sowie ihrer Innovationskraft und Kooperationsbereitschaft (vgl. Kotter, 2015:7). Aus diesem Blickwinkel erscheint der Mangel als Urtrieb organisationalen Wandels. Erfolgreiche Veränderungsprozesse können Kotter zufolge in acht Schritten gestaltet werden, welche mit spezifischen Leitfragen und Handlungsanweisungen verbunden sind (vgl. Kotter, 2015:12-27).
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