Thomas Hobbes und die politische Strömung des Realismus. Gemeinsamkeiten und Unterschiede


Hausarbeit, 2017

20 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung und Fragestellung

2. Der Naturzustand und das Menschenbild nach der Vorstellung von Thomas Hobbes
2.1. Der Naturzustand als Gefangenendilemma
2.2. Die Konzeption des fiktiven Staatskörpers "Leviathan"

3. Die Eigenschaften der politischen Strömung Realismus
3.1. Der Naturzustand im realistischen Ansatz
3.2. Das Sicherheitsdilemma

4. Die Rolle des Realismus in den Internationalen Beziehungen aus heutiger Sicht

5. Politische Unordnung und Ordnung bei Hobbes und im Internationalen Realismus

6. Fazit

7. Literaturverzeichnis

1. Einleitung und Fragestellung

In meiner Hausarbeit möchte ich untersuchen, in welchem Maß das Menschenbild von Hobbes für die politische Strömung des Realismus prägend war. Da sich Thomas Hobbes (1588-1679) in seinem Werk Leviathan als erster zur Legitimation des Staates und seiner Zwangsgewalt Gedanken gemacht hat, gilt er als Begründungsfigur der politischen Neuzeit (vgl. Celikates/Gosepath: 55). Um die besondere Bedeutung von Hobbes´ Menschenbild in Bezug auf den Realismus zu erklären, gehe ich zunächst auf den Naturzustand (d.h. ungeregeltes Zusammenleben) nach den Vorstellungen von Thomas Hobbes ein und versuche anschließend, die zentralen Elemente des Naturzustands zu charakterisieren. Danach soll auf die Konzeption des fiktiven Staatskörpers Leviathan eingegangen werden, wobei vorwiegend die Funktionalität des Staates (d.h. einer Ordnung) betont werden soll.

Insgesamt lautet die konkrete Fragestellung: Warum ist besonders der Leviathan für die Entstehung des Realismus der Internationalen Beziehungen so bedeutsam bzw. genauer:In welcher Hinsicht zeichnet Hobbes idealtypisch den Prozess einerOrdnungskonstruktion und welche Implikationen ergeben sich daraus für die Theorie des politischen Realismus? Diese Frage steht in meiner Hausarbeit im thematischen Mittelpunkt. Thomas Hobbes erkannte als einer der ersten Philosophen der Neuzeit, dass der Egoismus immer wieder zu Krieg und Chaos führt und die Sicherheitsfrage ein Politikproblem darstellt. Ich finde das Werk Leviathan (im Jahre 1651 veröffentlicht, aber bis in die Gegenwart relevant) speziell als Forschungsgegenstand interessant, weil sich dort bereits signifikante Parallelen zum später entstandenen Realismus der Internationalen Beziehungen erkennen lassen, denen ich mich im Verlauf meiner Hausarbeit widmen werde.

2. Der Naturzustand und das Menschenbild nach der Vorstellung von Thomas Hobbes

Ein Krieg mit furchtbarem Chaos von Blut und Gewalt. Ein "Krieg aller gegen alle"(Leviathan 1651: Kap.13), so definiert Hobbes den Naturzustand. Der Naturzustand ist ein Zustand, in dem es noch keinen Staat, keine politische Regierung und auch sonst keine allgemeinverbindlichen moralischen und politischen Regeln gibt (vgl. Nitschke 2002: 86). Demnach beruht der Naturzustand einzig und allein auf dem naturgegebenen Wesen der Menschen. Dort gelten lediglich die sogenannten natürlichen Gesetze (z.B. Triebe und Instinkte), die Hobbes zufolge dem Selbsterhalt des Menschen dienen. "Die Freiheit, nach welcher ein jeder zur Erhaltung seiner selbst seine Kräfte beliebiggebrauchen und folglich alles, was dazu beizutragen scheint, tun kann" (Leviathan 1651: Kap.14). Das Streben nach Selbsterhaltung führt laut Hobbes zu einem unausweichlichen sowie unerbittlichen Konflikt zwischen den Menschen. Die Menschen treten miteinander in einen Wettbewerb. Hierbei geht es meist um den Zugang zu im anarchischen Zustand beschränkten Ressourcen (vgl. Kersting 1992: 104). Dementsprechend sind Konkurrenzkampf und Machtgier zwangsläufige zentrale Elemente des Naturzustands. Hobbes begründet den Konflikt im staatslosen Zusammenleben mit den natürlichen Charakterzügen des Menschen. Seiner Ansicht nach ist der Mensch als trieb- und instinktgesteuertes Wesen geboren (vgl. Räder 1990: 15). Obendrein behauptet er sogar, dass der Mensch grundsätzlich aus egoistischen Motiven heraus handelt (vgl. Kersting 1992: 104). Dahingehend leitet Hobbes seine These "homo homini lupus oder derMensch ist des Menschen Wolf" ab (vgl. Nitschke 2002: 85). Primär richtet sich der Kampf im Naturzustand mit anderen Individuen auf die Erhaltung von Leib und Leben. Der sekundäre Grund für den ständigen, bitteren Kampf miteinander ist das individuelle Streben nach Glück, das heißt, dass Thomas Hobbes eine friedliche Koexistenz und zugleich Kooperation der Menschen im Naturzustand für absolut ausgeschlossen hält. Gemeinhin charakterisiert Hobbes das Leben im anarchischen Naturzustand als "einsam,armselig, scheußlich, tierisch und kurz" (Hobbes 1984: 96). Diese Annahme impliziert ein äußerst negatives Menschenbild. Oder anders formuliert: Die menschliche Natur ist von Grund auf böse und unvernünftig. Für den Rechtspositivisten Hobbes gelten keine vernunftrechtlichen Normen des Guten und Bösen im Naturzustand (vgl. Celikates/Gosepath: 59). Ferner liegt darin nach der Auffassung von Hobbes die Wurzel für die drei hauptsächlichen Konfliktursachen im staatslosen Zustand: Konkurrenz, Misstrauen, Ruhmsucht (Hobbes 1991: 95). Konkurrenz führt zu Übergriffen des Gewinns wegen, Misstrauen dagegen der Sicherheit und Ruhmsucht schließlich des Ansehens wegen (vgl. Räder 1990: 6). Demgemäß ist das Leben im Naturzustand oder in einer liberalen Gesellschaft mit permanenter Gefahr sowie latenter Angst verbunden. Zwar ist im staatslosen Zustand das Recht des Stärkeren vorherrschend, aber selbst die Schwachen sind in der Lage, z.B. durch List oder im Schlaf, den Starken zu überwältigen. "Obwohl es stärkere und schwache Menschen gibt, wird man gewiss selten einen so schwachen Menschen finden, der nicht durch List und in Verbindung mit anderen, die in gleicher Gefahr sind, auch den stärksten Gegner töten könnte" (Leviathan 1651: Kap.13). Dieses Zitat ist ein Indikator für die Gleichheit der Menschen. Diese Hypothese involviert quasi eine Anarchie unter Menschen. Und wenn Menschen gleich sind, gibt es eine "Bedrohungssymmetrie" (vgl. Kersting 1992: 110). Auf diesem Gedankengut beruht auch die Behauptung von Hobbes, dass die (endgültige) Glückseligkeit ein unerreichbares Ziel darstellt. Daher ist Glückseligkeit im Naturzustand für Hobbes schlichtweg eine Utopie. Zusammenfassend kann man sagen, dass der Naturzustand bei Hobbes durchweg negativ konnotiert (egoistische Nutzenmaximierung) ist.

2.1. Der Naturzustand als Gefangenendilemma

Ob sich das Gefangenendilemma mit Hobbes´ Naturzustand assoziieren lässt, ist in der Vergangenheit öfters kontrovers diskutiert worden (vgl. Hüttemann 2004: 29). Jedenfalls sind eindeutige Parallelen zu Hobbes erkennbar, weshalb dieses Gedankenexperiment nennenswert ist. Der Naturzustand geht einher mit einem Gefangendilemma. Das Gefangendilemma ist wie der Naturzustand ein rechtsfreier Raum. Es wird bei einer großen Bandbreite soziologischer und ökonomischer Fragestellungen angeführt. In der Ökonomie soll mit dem einfachen spieltheoretischen Modell des Gefangenendilemmas die Annahme, dass egoistisches und selbstsüchtiges Verhalten gleichzeitig zum Besten aller ist, widerlegt werden. Dieses Szenario heißt Gefangenendilemma, weil es - zurückgehend auf ein Forschungsprojekt des US- amerikanischen Mathematikers Albert William Tucker aus dem Jahre 1950- zumeist am Beispiel zweier Gefangener erklärt wird (vgl. Tucker 1950: 228). Das Beispiel geht (vereinfacht) so: Häftling A und B, die sich vorher nicht absprechen konnten, stehen vor folgender Entscheidung: Gesteht einer, kommt er als Kronzeuge frei, der andere bekommt sieben Jahre Gefängnis. Gestehen beide, bekommt jeder vier Jahre, leugnen beide, nur ein Jahr. Der ausschließlich auf Eigennutz fixierte homo oeconomicus in Gestalt von Häftling A kalkuliert: B gesteht: gestehe ich auch, bekomme ich vier Jahre, leugne ich, bekomme ich sieben Jahre; B leugnet: gestehe ich, komme ich frei, leugne ich, bekomme ich ein Jahr. In beiden Fällen würde sich A mit einem Geständnis besser stehen. Da aber auch B die gleichen nur auf den eigenen Vorteil bedachten Überlegungen anstellen wird, werden beide Häftlinge sich für ein Geständnis entscheiden, so dass beide vier Jahre bekommen werden. Hätten beide geleugnet, wären sie mit nur einem Jahr Gefängnis viel besser gefahren. Dieses Dilemma versinnbildlicht den rational kühlen homo oeconomicus im Menschen. Eine Fülle von Bestandteilen der Hobbesschen Naturzustandsbeschreibungen fügen sich problemlos in dieses Bild. Beim Gefangenendilemma ist analog zum Naturzustand keiner der Häftlinge vor dem Verhalten des anderen sicher und dauerhafte Vorteilspositionen sind höchst unrealistisch. Es ist der Mangel an zwischenmenschlichem Vertrauen, der das Gefangenendilemma mit dem Hobbesschen Naturzustand korrelieren lässt (vgl. Hüttemann 2004: 30). Kurzum in Anspielung auf Hobbes: Wenn sich die Naturzustandsbewohner wie rationale Egoisten benehmen, wird es zu keiner Zeit zur Umsetzung eines Staatsvertrages kommen (vgl. ebenda: 33). Ein Einwand gegen die methodologische Herangehensweise des Gefangenendilemmas im internationalen System ist, dass die Prozesse in der realen Welt weitaus subtiler sind (vgl. Kazarnovskis 2011: 58).

2.2. Die Konzeption des fiktiven Staatskörpers "Leviathan"

Der Name Leviathan steht für ein gewalterfülltes Ungeheuer und ist biblischen Ursprungs (vgl. Celikates/Gosepath 2013: 58). Die Gestalt des Leviathans symbolisiert in der Mythologie einen übermächtigen, feuerspeienden Meeresdrachen. Es ist das Hauptwerk von Thomas Hobbes, welches von der Überwindung des von Furcht, Ruhmsucht und Unsicherheit geprägten Naturzustandes durch die Gründung des Staates handelt. In seiner Theorie schließen alle Menschen einen Gesellschaftsvertrag mit dem Souverän, wodurch sie aus freiem Entschluss ihre Freiheit und Eigenverantwortung auf den Souverän übertragen. Diese Machtübertragung geschieht auf freiwilliger Basis, weil der Zustand ohne staatliche Herrschaftsordnung (d.h. der Naturzustand) langfristig für alle Menschen unerträglich ist (vgl. Mörz 2001: 3). Der Souverän verkörpert höchste Autorität und zudem gewissermaßen eine Schutzfunktion, da er die Menschen von einem Krieg aller gegen alle (siehe zweites Kapitel) abhalten soll. Überdies nimmt der Souverän eine Monopolstellung ein, denn die Menschen treten ihre persönlichen Herrschaftsrechte sowie jede Art von Gewaltanwendung an ihn ab. Der Souverän besitzt außerordentlich viel Macht. Hierbei sind bloße Gesetze für Hobbes unzureichend. Sie sind einfach nicht furchteinflößend genug. Damit ist gemeint, dass seine Machtmittel absolut wie grenzenlos sind. Er hat die Aufgabe -notfalls mit Gewaltausübung-, die Einhaltung des abgeschlossenen Gesellschaftsvertrags zu garantieren. Seine Theorie untermauert Hobbes mit der Äußerung "Verträge ohne das Schwert sind bloße Worte" (Hobbes 1984: 131). Allerdings scheint die Machtabgabe an den Souverän notwendig und unabdingbar, denn nur im staatlichen Zustand sind Leben, Freiheit und Besitz tatsächlich geschützt (vgl. Hoerster 1987: 116). Der Gesellschaftsvertrag dient dem Zweck, den Bürgern nach Verzicht ihrer Rechte aus dem Naturzustand die eigene Sicherheit und die ihres Besitzes zu gewährleisten. Dieser Vertrag jeden Individuums mit jedem lautet: "Ichübergebemein Recht, mich selbst zu beherrschen, diesem Menschen oder dieser Gesellschaft unter der Bedingung, dass du ebenfalls dein Rechtüber dich ihm oder ihr abtretest. Auf diese Weise werden alle Einzelnen eine Person und heißen Staat oder Gemeinwesen" (Bergstraesser/Oberndörfer 1962: 173). Gegenüber dem Souverän existiert keinerlei Widerstandsrecht. Dieses fehlende Widerstandsrecht impliziert eine enorme Gehorsamspflicht der Bürger. Außerdem hat der Staat keine Rechenschaftspflicht gegenüber dem Bürger (vgl. Celikates/Gosepath 2013: 59). Der Staat schuldet über sein Tun und Lassen keine Erklärungen. Das Hauptziel der Staatstheorie von Thomas Hobbes ist eine absolute Friedenssicherung durch ein Gewaltmonopol eines starken Staates (vgl. Druwe 1995: 135f). Ein Widerstandsrecht gegenüber dem Souverän ist nur in dem Notfall erlaubt, wenn die staatsinnere Sicherheit in akuter Gefahr ist, mit anderen Worten, wenn der Souverän seiner Aufgabe der Friedenssicherung nicht nachkommt. Ansonsten gilt ausnahmslos die uneingeschränkte Bevollmächtigung des Souveräns (vgl. Celikates/Gosepath 2013: 59). Dem Souverän fällt das Recht auf Gerichtsbarkeit im Alleingang zu. Er verkörpert Legislative, Exekutive und Judikative in einer Person. Eine Gewaltenteilung existiert nicht. Konkret definiert Hobbes die Staatsfunktion in seinem Werk "Leviathan" folgendermaßen: "Staat ist eine Person, deren Handlungen eine große Menge Menschen, kraft der gegenseitigen Verträge eines jeden mit einem jeden, als ihre eigenen angehen, damit dieselbe nach ihrem Gutdünken die Macht zum Frieden und zurgemeinschaftlichen Verteidigung anwendet" (Leviathan 1651: Kap.17).

[...]

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Thomas Hobbes und die politische Strömung des Realismus. Gemeinsamkeiten und Unterschiede
Hochschule
Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen  (Institut für Politische Wissenschaft der RWTH Aachen)
Veranstaltung
Theorien internationaler Ordnung und Unordnung
Note
1,3
Autor
Jahr
2017
Seiten
20
Katalognummer
V359185
ISBN (eBook)
9783668440074
ISBN (Buch)
9783668440081
Dateigröße
500 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
thomas, hobbes, strömung, realismus, gemeinsamkeiten, unterschiede
Arbeit zitieren
Julia Engels (Autor:in), 2017, Thomas Hobbes und die politische Strömung des Realismus. Gemeinsamkeiten und Unterschiede, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/359185

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