Die Reportage in Buch und Film


Hausarbeit, 2017

12 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Die Reportage im Buch

Die Reportage im Film

Vergleich und Resümee

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Die Reportage ist die bekannteste und vielfältigste journalistische Darstellungsform. Sie kann als Zeitungs- oder Zeitschriftenartikel, Film, Buch, Podcast usw. erscheinen. Doch was verändert sich, wenn das Medium gewechselt wird? Welche journalistischen Praktiken kommen zum Einsatz, wie verhält sich der Berichtende zum Berichteten? Diesen und weiteren Fragen wird sich diese Hausarbeit widmen. Untersucht werden einige Reportagen von Günter Wallraff. Für die Buchform werden einige Teilreportagen aus seinen Büchern13 Unerw ü nschte ReportagenundGanz Untenherangezogen und mit seinen filmischen ReportagenBei Anruf Abzockeund Wo Arbeit weh tutverglichen. Warum Günter Wallraff und warum ausschließlich er? Zum einen hat er mitGanz Unteneine der wirkmächstigsten, wenn nicht sogardie wirkmächtigste Reportage seit dem 2. Weltkrieg vorgelegt. Zum anderen halte ich es nicht für sinnvoll, bei einem Vergleich der Medien unterschiedliche Journalisten zu benutzen. Schließlich können unterschiedliche Journalisten unterschiedliche Stile in der Berichterstattung pflegen. Da das Repertoire Wallraffs sehr umfangreich ist, eignet er sich also gut. Überdies verfahren alle untersuchten Reportagen nach dem gleichen Prinzip: Günter Wallraff nimmt mit Hilfe von Maskenbildnern eine andere Identität an (zum Schutze der eigenen Identität, aber auch, da er mit seinem eigentlichen Alter bei den inspizierten Firmen "sonst wohl nichts zu lachen gehabt"1 hätte), schleust sich bei verschiedenen Firmen oder sonstigen Institutionen ein und berichtet von seinen Erlebnissen.

Besonderes Augenmerk soll bei dieser vergleichenden Untersuchung auf der Frage liegen: Beeinflusst das Medium die Berichterstattung, und wenn ja, auf welche Weise? Ich stelle die Hypothese auf, dass die filmischen Reportagen einen eher nüchternen Ton anschlagen werden, da die Videoaufnahmen, die per versteckter Kamera aufgenommen wurden, für sich sprechen werden, und nicht viel mehr dazu gesagt werden muss. Analog dazu lässt sich annehmen, dass in der Buchform ausführlicher und vor allen Dingen wertender berichtet wird. Inwiefern dies realisiert wird, soll anhand der Reportagen Asyl ohne R ü ckfahrkarte(13 unerw ü nschte Reportagen) und"Essen mit Spa ß " oder der letzte Fra ß(Ganz Unten) untersucht werden. Diese Reportagen sind nicht die Längsten oder von der Textquantität her die umfangreichsten Reportagen der jeweiligen Bücher, können aber aufgrund ihrer journalistische Herangehensweise als exemplarisch angesehen werden.

2. Die Reportage im Buch

Schon der Paratext von 13 Unerw ü nschte Reportagen scheint vom Gegenteil überzeugen zu wollen. Er verspricht "eine ebenso mutige wie exakte Dokumentation"2, die ihre Wirkung dadurch entfaltet, dass "Wallraff [...] die Ergebnisse kaum [kommentiert]"3. Es ist bemerkenswert, dass es kein Vorwort o.Ä. gibt, das dem Leser einen eventuellen Gesamtkontext der Reportagen geben kann. In medias resbeginnt also der erste Abschnitt,Asyl ohne R ü ckfahrkarte, mit einer Wiedergabe der Eindrücke und Konversationen Wallraffs. Wallraff schreibt im Präsens, erste Person Singular und rekonstruiert seine Erlebnisse im Obdachlosenasyl Pik As. Die Konversationen werden in direkter Rede wiedergegeben. '"Was willst du hier?' - 'Voriibergehend', sage ich, 'im Ruhrgebiet keine Arbeit mehr, vielleicht kann ich im Hater)...' - 'Ha, voriibergehend, das sagen bergehend, das sagen alle[...]'"4. Bei längeren Monologen vermischt Wallraff direkte Zitate mit Nacherzählung: "Ein 60jähriger mit Vollbart versteht es, 'auf die fromme Tour zu reisen'. Besonders an Priester macht er sich heran, um 'Im Namen des Gekreuzigten' um Geld zu betteln. Aber: 'Wenn Not am Mann ist, staube ich auch in Kirchen ab.'"5.In solchen Monologen soll die Biographie und der Lebenslauf einzelner Personen wiedergegeben werden. Hin und wieder fügt Wallraff seiner Nacherzählung einige Hintergrundinformationen hinzu: "Als ich zum Treppenhaus gehe, höre ich, wie er den Telefonhörer abnimmt. [...] Die Registratur von Pik Asarbeitet mit der Kriminalpolizei Hand in Hand."6 Tatsächlich ist der Ton der Wiedergabe sehr nüchtern. Nicht einmal findet sich in der Reportage ein wertender Kommentar, die Berichterstattung ist kurz gehalten und nicht ausschweifend. Höchstens der letzte Satz der Reportage "Sollen die Blinden den Blinden helfen!"7 ist ironisch-wertend gehalten. Eine wirkliche Strukturierung scheint es hier nicht zu geben, in chronologischer Reihenfolge werden die Ereignisse und Unterhaltungen nacherzählt. Der Bericht lässt sich jedoch grob in zwei Teile teilen: Die Eindrücke vom Innenleben des Asyls und die Schilderung der Weihnachtsfeierlichkeiten. Beide leben von den Wiedergaben des Erlebten und Erzählten durch Wallraff. Hintergründe zu Einrichtungen wie demPik As, derHeilsarmeeoder derStra ß enmissionbeschränken sich auf hier und da eingestreute Randinformationen, die allerdings nur dazu dienen, das Nacherzählte besser zu verstehen. Die im Paratext aufgestellte Behauptung, die Erlebnisse werden nicht kommentiert, ist zwar richtig, das birgt aber den Nachteil, dass nicht klar wird, was genau Wallraff mit seinen Reportagen bewirken möchte.

InGanz Untenstehen die einzelnen Reportagen hingegen in einem klar erkennbaren Gesamtzusammenhang und laufen auf ein deutlich formuliertes Ziel hinaus: "[D]ie täglichen Demütigungen, die Feindseligkeiten und den Haß"8abzubilden, der den Türken in Deutschland entgegenschlägt. Das verbindet die verschiedenen Einzelreportagen inGanz Untenmiteinander. In"Essen mit Spa ß " oder der letzte Fra ßfindet sich bereits ein ganz anderer Ton als inAsyl ohne R ü ckfahrkarte: Schon in der Überschrift kommentiert Wallraff den McDonald's-"Leitsatz"9Essen mit Spa ß auf sehr polemische Art und Weise. Was er über das Essen von McDonald's denkt, macht er hier mehr als deutlich. Auch seine Arbeitsuniform, an der jedes Teil mit einem "McDonald's"-Schriftzug versehen ist, kommentiert er sarkastisch mit: "Es fehlt nur noch, dass sie uns vorher auch auf den Grill legen"10. Doch solche sarkastischen Kommentare finden sich nicht allzu oft und beschränken sich auf einen gelegentlichen Einwurf. Auch hier steht die Wiedergabe der Ereignisse und des Arbeitsalltags im Vordergrund, wobei hier ebenfalls hin und wieder Hintergrundinformationen eingestreut werden. Dem Haupttext vorangestellt ist ein Zitat aus einem McDonald's-Inserat in derZeit, die Kritikern vorwirft, dass diese sich nicht die Mühe machen, "richtig zu recherchieren, geschweige denn hinter die McDonald's-Kulissen zu schauen"11. Es scheint, als hätte Wallraff dieses Zitat angegeben, um zu zeigen, was er zu beweisen suchte: Dass "richtige Recherche" eben nicht den Wind aus den Segeln der Kritiker nehmen, sondern erst recht befeuern wird.

Am Ende werden einige Zitate angegeben, die darstellen, wie die Meinung von Autoritäten (z.B. Firmengründer Ray Croc oder der Personalchef für die Bundesrepublik) zu den schlechten Arbeitsbedingungen und der Ausbeutung des Personals ist.12Außerdem finden sich in den Fließtext eingestreut einige größere Textkästen:Der Big M ä c, ein Zitat aus einer internen McDonald's-Zeitschrift, die erotisierend und romantisch-verklärt die Zutaten und Zubereitung eines Big Mäcs beleuchtet13undWohl bekommt's!, der eine ganze Seite einnimmt und eine Menge Hintergrundinformationen über Zubereitung und gesundheitliche Risiken liefert14. All diese zusätzlichen Textabschnitte, die nicht Teil seiner eigentlichen Reportage sind, machen deutlich, was das Ziel der Reportage ist, während Wallraff inAsyl ohne R ü ckfahrkartesehr wenige Hintergrundinformationen liefert und diese Reportage fast bloß eine Nacherzählung seiner Erlebnisse ist, die sozusagennur f ü r sichsteht (d.h. es ist nicht erkennbar, was die Reportage bezwecken soll). Zwar ist im Klappentet die Rede von einem "Dokument über Härten, Vorurteile und Diskriminierungen, denen diejenigen ausgesetzt sind, vor denen der Sozialstaat versagt hat"15. Diese Angabe ist aber erstens sehr vage und zweitens revidiert der Klappentext sich selber, als er erwähnt, dass Günter Wallraff auch in der Rolle eines Napalmherstellers oder als studentischer Spitzel, der den SDS ausspionieren sollte, tätig war16.

Wir haben nun gesehen, dass eine Reportage im Buchform von bloßer Nacherzählung bis zur sorgfältigen Recherche rangieren kann. Jetzt werden die filmischen Reportagen von Günter Wallraff untersucht.

[...]


[1] Wallraff, Gunter: Ganz Unten. Koln: Kiepenheuer & Witsch 1985, S. 28

[2] Wallraff, Gunter: 13 Unerwunschte Reportagen, Koln / Berlin: Kiepenheuer & Witsch 1969, S. 4

[3] Ebd.

[4] Ebd. S. 8

[5] Ebd. S. 11

[6] Ebd. S. 8

[7] Ebd. S. 17

[8] Wall raff, Gunter: Ganz Unten, S. 12

[9] Ebd. S. 28

[10] Ebd. S. 29

[11] Ebd. S. 28

[12] Vgl. ebd.S. 36

[13] Vgl. ebd.S. 38

[14] Vgl. ebd.S. 35

[15] 13 Unerwunschte Reportagen, Klappentext 16 Vgl. ebd.

[16]Vgl. ebd.

Ende der Leseprobe aus 12 Seiten

Details

Titel
Die Reportage in Buch und Film
Hochschule
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn
Note
1,0
Autor
Jahr
2017
Seiten
12
Katalognummer
V364781
ISBN (eBook)
9783668445567
ISBN (Buch)
9783668445574
Dateigröße
436 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
reportage, buch, film
Arbeit zitieren
Farsin Marzban (Autor:in), 2017, Die Reportage in Buch und Film, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/364781

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