Kultur und Persönlichkeit als Einflussfaktoren zwischen Rollenambiguität und proaktivem Arbeitsverhalten


Tesis de Máster, 2017

84 Páginas


Extracto


Inhaltsverzeichnis

Tabellen- und Abbildungsverzeichnis

Zusammenfassung

1. Fragestellung

2. Theoretischer Hintergrund & Hypothesen
2.1 Proaktives Arbeitsverhalten & Rollenambiguität
2.2 Kulturelle Faktoren: Machtdistanz & Unsicherheitsvermeidung
2.3 Persönlichkeitsfaktoren: Role Breadth Self-Efficacy & Desire for Control

3. Methodik
3.1 Stichprobe
3.2 Design und Durchführung

4. Ergebnisse
4.1 Voranalysen
4.2 Hypothesenüberprüfung
4.3 Weiterführende Datenanalyse

5. Diskussion
5.1 Zusammenfassung & Theoretische Implikationen
5.2 Praktische Implikationen
5.3 Limitationen & Zukünftige Forschung

Literaturverzeichnis

Tabellen- und Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1 Deskriptive Statistik, Interkorrelationen nach Pearson und Spearman und interne Konsistenzen

Tabelle 2 Multiple Regression zur Vorhersage proaktiven Arbeitsverhaltens

Tabelle 3 Multiple Regression zur Vorhersage proaktiven Arbeitsverhaltens, unterteilt in die Subskalen der Kulturdimensionen Unsicherheitsvermeidung und Machtdistanz (Organisation und Gesellschaft)

Tabelle 4 Multiple Regression auf Unterkategorien proaktiven Arbeitsverhaltens

Tabelle 5 Multiple Regression auf Unterkategorien proaktiven Arbeitsverhaltens, unterteilt in die Subskalen der Kulturdimensionen Machtdistanz und Unsicherheitsvermeidung (Gesellschaft und Organisation)

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1 Hypothetisches Forschungsmodell

Abbildung 2 Interaktion von Rollenambiguität und Machtdistanz auf die Vorhersage der Unterkategorie proaktiven Arbeitsverhaltens taking charge

Abbildung 3 Interaktion von Rollenambiguität und Unsicherheitsvermeidung auf die Vorhersage der Unterkategorie proaktiven Arbeitsverhaltens individual innovation

Abbildung 4 Forschungsmodell & Ergebnisse

Zusammenfassung

In der vorliegenden Arbeit wurden Einflussfaktoren von proaktivem Arbeitsverhalten untersucht. Dabei wurde analysiert, welchen Effekt Rollenambiguität, ausgewählte Kulturdimensionen sowie bestimmte Persönlichkeitsfaktoren auf derartiges Verhalten ausüben. Die Kulturdimensionen, die in diese Studie aufgenommen wurden, sind Machtdistanz und Unsicherheitsvermeidung. Die untersuchten Persönlichkeitsfaktoren belaufen sich auf role breadth self- efficacy (Selbstwirksamkeit hinsichtlich einer breit definierten Rolle) und desire for control (Verlangen nach Kontrolle). Neben vermuteten direkten Einflüssen wurden zudem moderierende Einflüsse der Kulturdimensionen und der Persönlichkeitsfaktoren auf den Effekt von Rollenambiguität auf proaktives Arbeitsverhalten untersucht. Die Studie wurde mit Hilfe eines Online-Fragebogens in zwei verschiedenen Kulturen durchgeführt. 144 Teilnehmer aus Deutschland (68) und Italien (76) beantworten dazu für jedes Konstrukt eine Reihe von Fragen.

Die Ergebnisse zeigten, dass Rollenambiguität, Machtdistanz, role breadth self­efficacy, und desire for control proaktives Arbeitsverhalten beeinflussen. Lediglich Unsicherheitsvermeidung beeinflusst proaktives Arbeitsverhalten nicht. Zudem wurden keine Moderatoreffekte hinsichtlich der zusammenfassenden Skala proaktiven Arbeitsverhaltens gefunden. Bei weiterführender Datenanalyse zeigten sich jedoch moderierende Einflüsse von sowohl Machtdistanz als auch Unsicherheitsvermeidung auf Unterkategorien dieser Variable.

1. Fragestellung

“In an increasingly global and ambiguous world of work, proactivity is perhaps more important than ever before.” - Ashford & Grant (2008)

In der heutigen Arbeitswelt wird in den verschiedensten Zusammenhängen Proaktivität statt Reaktivität gefordert (Parker & Collins, 2010). Sowohl im Sinne der individuellen, als auch der organisationalen Entwicklung ist Proaktivität oft zentraler Baustein und gewinnt stetig an Bedeutung (Ashford & Grant, 2008; Crant, 2000). Unter proaktivem Arbeitsverhalten werden dabei selbst initiierte Handlungen verstanden, die es zum Ziel haben, Veränderungen bzw. Verbesserungen am Arbeitsplatz herbeizuführen (Parker & Collins, 2010). Diese Art Verhalten kann in den verschiedensten Bereichen ein Schlüsselfaktor für nachhaltigen Erfolg von Unternehmen sein. Proaktivität von Mitarbeitern hat in gewissen Formen positive Auswirkungen auf ihre individuelle Arbeitsleistung sowie positive Effekte hinsichtlich effizienter Arbeitsweisen und der Gestaltung organisationaler Abläufe (Parker & Collins, 2010; Thompson, 2005; Seibert, Kraimer, & Crant, 2001). Da derartige Erfolgsfaktoren zur Erhaltung und Gewinnung nachhaltiger Wettbewerbsfähigkeit erstrebenswert erscheinen, ist die detaillierte Analyse von Voraussetzungen und Einflüssen hinsichtlich proaktiver Verhaltensweisen essenziell. Umso wichtiger ist es, zunächst relevante Einflussfaktoren zu identifizieren, unter denen Proaktivität am Arbeitsplatz hervorgerufen wird. Bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt existiert hinsichtlich des Zusammenhangs von Arbeitskontext und Kultur mit proaktivem Arbeitsverhalten, wie beispielsweise Innovation, wenig empirische Forschung (Erez, Van de Ven, & Lee, 2015). Daraus leiten sich Erkenntnisinteressen ab, um einen Beitrag zum Schließen dieser Lücke zu leisten. Abschließend liegt der Anspruch an die Forschung darin, eine möglichst vielschichtige Betrachtungsweise zu gewährleisten, weswegen auch der Einfluss von ausgewählten Persönlichkeitsfacetten untersucht werden sollten.

Aus diesen Überlegungen und dem aktuellen Forschungsstand abgeleitet, wurde in der vorliegenden Masterarbeit der Einfluss von Rollenambiguität auf proaktives Arbeitsverhalten untersucht. Dabei wurden kulturelle Faktoren (Unsicherheitsvermeidung & Machtdistanz) und Persönlichkeitsfaktoren (desire for control & role breadth self-efficacy) als potenzielle Moderatoren dieses Effekts analysiert. So wurde angenommen, dass der Effekt von Rollenambiguität auf proaktives Arbeitsverhalten umso stärker ausgeprägt ist, je höher das Bedürfnis ist, Unsicherheit zu vermeiden. Ein ebenso positiver Verstärkungseffekt wurde hinsichtlich der Wertevorstellung zum Thema Machtdistanz angenommen. Auch die Persönlichkeitsfaktoren desire for control und role breadth self-efficacy wurden als positiv verstärkende Faktoren eingeschätzt. Darüber hinaus wurden positive Haupteffekte von Unsicherheitsvermeidung, desire for control und role breadth self­efficacy sowie ein negativer Haupteffekt von Machtdistanz auf proaktives Arbeitsverhalten erwartet.

Ziel der Arbeit war es, einen Beitrag zur Identifikation relevanter Einflussfaktoren für proaktives Arbeitsverhalten, unter Berücksichtigung individueller und kultureller Aspekte, zu leisten.

2. Theoretischer Hintergrund & Hypothesen

2.1 Proaktives Arbeitsverhalten & RoMenambiguität Proaktives Arbeitsverhalten.

Proaktivität wird als aktives Hinterfragen eines Status quo und selbst-initiiertes Suchen und Herbeiführen von Möglichkeiten zur Verbesserung einer Situation definiert. Es handelt sich um ein aktives Agieren anstelle einer passiven Anpassung an bestehende Umweltbedingungen (Crant, 2000). Unter einer proaktiven Handlung versteht man eine „vorrausschauende Handlung, die Mitarbeiter durchführen, um sich selbst und/ oder ihre Umwelt zu beeinflussen" (Grant & Ashford, 2008, S.4). Nach Frese und Fay (2001) ist diese Handlung zukunftsorientiert und nach Sternberg (2000) von Achtsamkeit geprägt. Proaktives Arbeitsverhalten wird nach Parker und Collins (2010, S. 637) als das „Übernehmen von Kontrolle und das Herbeiführen von Veränderung hinsichtlich der internen organisationalen Umgebung" definiert. Diese Dimension wird demnach abgegrenzt von proaktivem Verhalten bezüglich der Passung zwischen Person und Umwelt und proaktivem strategischen Verhalten. Unter proaktives Arbeitsverhalten fallen die Verhaltensweisen taking charge, expressing voice, individual innovation und problem prevention (Parker & Collins, 2010). Gerade aufgrund des kulturvergleichenden Forschungsansatzes dieser Arbeit soll auch unter diesen Verhaltensweisen differenziert werden. Alle beziehen sich zwar auf Kontrollübernahme und Veränderungsbestreben, jedoch werden unterschiedliche Teilaspekte dieser übergeordneten Kategorie fokussiert (Parker & Collins, 2010). So wird unter taking charge etwa ein Bemühen von Mitarbeitern verstanden, das durch regelmäßige Versuche gekennzeichnet ist, Veränderungen und Verbesserungen hinsichtlich der Art, wie Arbeit durchgeführt wird, herbeizuführen (Morrison & Phelps, 1999). Dabei resultieren diese Bemühungen jedoch nicht zwangsläufig aus einer Unzufriedenheit mit bestehenden Arbeitsweisen. Vielmehr steht der Gedanke von kontinuierlicher Verbesserung hier im Vordergrund. Ob derartiges Verhalten an den Tag gelegt wird, hängt nach einem Modell von Morrison und Phelps (1999) zudem entscheidend von kontextuellen sowie individuellen Faktoren ab. Auch expressing voice bezieht sich auf veränderungsorientierte Bemühungen. Im Gegensatz zu taking charge handelt es sich hier jedoch vorrangig um die kommunikative Ebene. Das Unterbreiten von Vorschlägen, Kommunizieren seiner eigenen Vorstellungen und das Festhalten an diesen beschreiben dieses Konzept (Van Dyne & LePine, 1998). Individual innovation hingegen fokussiert die innovative, neuartige Komponente von Ideen, Vorschlägen und Verhaltensweisen. Dies kann sich sowohl auf Produkte und Technologien, als auch auf Prozesse und Arbeitsabläufe beziehen (Scott & Bruce, 1994). Nach Scott und Bruce (1994) beginnt innovatives Verhalten mit dem Erkennen von Problemen und der daraus folgenden Suche nach Lösungsmöglichkeiten. Hier wird bereits die Verwandtschaft zur letzten Unterkategorie problem prevention deutlich. Bei dieser Dimension wird die Suche nach Ursachen von Problemen sowie die Verhinderung eines Wiederauftretens von Problemen im Sinne von Herausforderungen und Hindernissen betont (Parker & Collins, 2010). Besonders an dieser Stelle sind sowohl der vorrauschauende, als auch der selbstbestimmende Charakter von proaktivem Verhalten hervorzuheben (Frese & Fay, 2001). Zusammenfassend ergeben sich also vier unterschiedliche Unterkategorien, die proaktives Arbeitsverhalten definieren.

Abzugrenzen ist proaktives Arbeitsverhalten nach Parker und Collins (2010) zu den Konstrukten proaktives strategisches Verhalten und proaktives Verhalten hinsichtlich der Passung einer Person zu ihrem Umfeld. Auch diese Dimensionen beziehen sich auf das Arbeitsumfeld, fokussieren jedoch andere Schwerpunkte. Proaktives strategisches Verhalten bezieht sich im Gegensatz zu proaktivem Arbeitsverhalten auf das Erlangen von Kontrolle und das Herbeiführen von Veränderungen hinsichtlich der Organisationsstrategie. Darunter fallen Unterkategorien, die die Analyse des Passungsverhältnisses eines Unternehmens mit dem jeweiligen Markt beinhalten. Ebenso ist das Abgleichen der Organisationsstrategie mit aktuellen Trends und Entwicklungen der Branche Thema dieser Skala. Die Dimension der Passung einer Person zu seinem Umfeld bezieht sich hingegen auf die persönliche Verträglichkeit mit seiner Situation im organisatorischen Umfeld. Unterkategorien dieser Dimension beinhalten das Einfordern von Feedback oder den Umgang mit dem eigenen Job im Sinne des individuellen Karriereentwurfs.

Dabei liegen all diesen Verhaltensweisen im Ursprung die Wert­Erwartungstheorie nach Vroom (1964) sowie die Handlungstheorie nach Fishbein & Ajzen (1980) zu Grunde (zit. nach Morrison & Phelps, 1999). Der Wert­Erwartungstheorie folgend wird Verhalten, in diesem Fall proaktives Arbeitsverhalten, eher ausgeführt, je höher die Wahrscheinlichkeit auf Erfolg durch bestimmte Handlungen und je attraktiver die erwarteten Ergebnisse dieser Handlungen sind. Auch dem Handlungsmodell nach Fishbein & Ajzen nach wird ein Verhalten durch spezifische Erwartungen der Ergebnisse sowie der sozialen Erwünschtheit determiniert. Dementsprechend haben sowohl intra- als auch interpersonelle Faktoren einen Einfluss darauf ob eine Person proaktiv handelt und wenn ja, welche Art proaktiven Verhaltens sie wählt.

In der vorliegenden Studie wird proaktives Arbeitsverhalten als abhängige Variable gemessen. Da das Forschungsinteresse darin liegt, Einflussfaktoren von proaktivem Arbeitsverhalten zu identifizieren, befasst sich die erste Hypothese mit dem Effekt von Rollenambiguität auf dieses Konstrukt.

Rollenambiguität. Rollenambiguität beschreibt einen Zustand unklarer oder unsicherer Erwartungen hinsichtlich einer bestimmten Rolle (Edmonson, 2007). Dieser Zustand kann in Situationen unklarer Aufgaben- und Rollenbeschreibungen, sowie mangelnder zwischenmenschlicher Erwartungsabgleichung auftreten (Grant & Ashford, 2008). Im Arbeitskontext entsteht Rollenambiguität darüber hinaus bei vage definierten Zielen und Verantwortungen, die mit der Leistung eines Arbeitsnehmers zusammenhängen. Auch schlecht definierte Arbeitsabläufe oder spezielle Aufgabeninstruktionen, die nicht eindeutig sind, können zu diesem Zustand führen (Grant & Ashford, 2008).

Der vermutete Effekt von Rollenambiguität auf proaktives Arbeitsverhalten fußt in der uncertainty reduction theory (Berger & Calabrese, 1975). In diesem Modell wird angenommen, dass Individuen in einer ersten sozialen Interaktionssituation Unsicherheit hinsichtlich der Eigenschaften des Interaktionspartners verspüren. Die Autoren postulieren, dass versucht wird, diese Unsicherheit zu reduzieren. Zur Unsicherheitsreduktion beschreiben Berger und Calabrese diverse Axiome, die ihre Theorie untermauern. Ein Axiom besagt, dass Unsicherheitsreduktion durch die Suche nach Informationen betrieben wird. Verallgemeinert besteht also Berechtigung zur Annahme, dass Unsicherheit, zu dem Verlangen führt, eine Form von Sicherheit bzw. Kontrolle über eine Situation herzustellen. Auf das dieser Forschungsarbeit zu Grunde liegende Modell übertragen, folgt daraus, dass bei Rollenambiguität, also einer Form von Unsicherheit, wahrscheinlich Handlungen hervorgerufen werden, die zu Sicherheit und Kontrolle hinsichtlich der eigenen Rolle führen sollen. Da proaktives Arbeitsverhalten als das „Übernehmen von Kontrolle und Herbeiführen von Veränderung hinsichtlich der internen organisationalen Umgebung" (Parker & Collins, 2010, S. 637) definiert wird, ergibt sich die Annahme, dass dies ein Mittel sein könnte, um Unsicherheit zu reduzieren und in diesem Zusammenhang Kontrolle wiederzuerlangen. Auch Grant & Ashford (2008) postulieren in ihrem proactivity dynamics framework einen Haupteffekt von Ambiguität auf proaktive Verhaltensweisen.

Darüber hinaus untersuchten Wanberg und Kammeyer-Müller (2002), inwiefern proaktives Sozialisierungsverhalten Rollenklarheit beeinflusst. Da der in dieser Studie gefundene Effekt positiv war, erhält die These, dass Unklarheit durch Proaktivität verringert werden kann, Unterstützung. Deshalb wird in der vorliegenden Studie angenommen, dass bei unklaren Rollen ein ähnliches Verhalten hinsichtlich Proaktivität durchgeführt wird. Aus diesen Überlegungen ergibt sich die Vermutung, dass Rollenambiguität direkt positiv mit proaktivem Arbeitsverhalten zusammenhängt.

H1: Rollenambiguität hat einen positiven Effekt auf proaktives Arbeitsverhalten.

Je stärker Rollenambiguität ausgeprägt ist, desto stärker wird proaktives

Arbeitsverhalten ausgeprägt sein.

2.2 Kulturelle Faktoren: Machtdistanz & Unsicherheitsvermeidung

Neben Rollenambiguität und proaktivem Arbeitsverhalten werden zudem bestimmte Kulturdimensionen in das Forschungsmodell der vorliegenden Arbeit aufgenommen. Dieser Schritt erfolgt einerseits, da zum gegenwärtigen Zeitpunkt wenig kulturvergleichende Forschung bezüglich bestimmter proaktiver Arbeitsverhaltens­weisen existiert (Erez et al., 2015). Andererseits konnten Grant & Rothbard (2013) den Einfluss von Wertevorstellungen zwischen Rollenambiguität und Proaktivität als bedeutsam identifizierten, was die Sinnhaftigkeit einer Untersuchung von Einflussfaktoren aus unterschiedlichen Perspektiven weiter unterstützt.

Nach Hofstede (1980, 2001) unterscheiden sich Kulturen in fünf verschiedenen Dimensionen bezüglich ihrer arbeitsbezogenen Wertevorstellungen. Um die Dimensionen zu identifizieren, auf denen sich Kulturen voneinander unterscheiden, führte Hofstede verschiedene Studien durch. In der Zeit zwischen 1968 und 1997 befragte er 116.000 Mitarbeiter des IBM-Konzerns in 40 Ländern, zweimal im Abstand von vier Jahren, nach ihren arbeitsbezogenen Wertvorstellungen. Aus diesen Untersuchungen kristallisierten sich letztendlich fünf Dimensionen zur Unterscheidung von Kulturen heraus (Hofstede, G., 1980, 2001). Da Kultur jedoch ein fluides Konzept beschreibt, das auch durch Globalisierungsfaktoren und Völkerbewegungen beeinflusst wird, verändern sich auch die Ausprägungsgrade auf den Dimensionen und sogar die Dimensionen selbst im Laufe der Zeit.

Machtdistanz. Die erste Kulturdimension wird als power distance (Machtdistanz) bezeichnet und beschreibt im Wesentlichen, inwiefern in einer Gesellschaft Werte wie Autorität, Respekt und Hierarchie eine Rolle spielen. Dies bezieht sich im wirtschaftlichen Zusammenhang natürlich auch auf die Strukturen in einer Organisation. Machtdistanzierte Kulturen kennzeichnen sich durch den Grad an geteilter Erwartung darüber, wie ungleich Machtverhältnisse in einer Gesellschaft oder Organisation verteilt sind bzw. sein sollten. Zu Machtdistanz zählt dabei auch das Ausmaß, zu dem Autoritäten, Statusprivilegien sowie Machtunterschiede akzeptiert werden (Hofstede, 1980, 2001). In stark machdistanzierten Gesellschaften sind demzufolge ausgeprägte Unterschiede hinsichtlich Privilegien und Entscheidungsgewalt zu erwarten. Dabei besteht im Allgemeinen auch eine hohe Abhängigkeit zwischen weniger machtvollen zu machtvollen Mitarbeitern (Uehlinger, 2009). Die Ausprägung einer Kulturdimension liegt häufig in der Geschichte eines Landes verankert. So werden konfuzianisch geprägte Kulturen wie beispielsweise Japan oder Südkorea auch mit einer hohen Ausprägung auf der Skala Machtdistanz in Verbindung gebracht. Länder wie die USA hingegen weisen eher geringe Ausprägungen auf dieser Dimension auf. Dies wird häufig als Ursache dafür angesehen, dass selbstständiges Denken und Hinterfragen von Autoritäten und ihren Entscheidungen tendenziell selbstverständlich sind (Uehlinger, 2009).

Unsicherheitsvermeidung. Die zweite Kulturdimension wird nach Hofstede als uncertainty avoidance (Unsicherheitsvermeidung) beschrieben. Diese Dimension definiert den Grad an Regelbezogenheit, die Stabilität und etwaige Absicherungsgedanken innerhalb einer Gesellschaft, sowie in Unternehmen einer Kultur. Unter Unsicherheitsvermeidung ist also das Ausmaß zu verstehen, in dem mehrdeutige Situationen als bedrohlich wahrgenommen werden und nach Planmäßigkeit, Struktur, Konsistenz, formalisierten Abläufen und gesetzlichen Regelungen gestrebt wird. Die Dimension beschreibt zudem, inwiefern Mitglieder einer Kultur unsichere Situationen tolerieren (Hofstede, 2001; House et. al., 2004).

Abzugrenzen ist kulturelle Unsicherheitsvermeidung vor allem zu der Persönlichkeitsfacette desire for control. Sie bezieht sich auf die Wahrnehmung und Einstellung hinsichtlich der eigenen Kultur, nicht jedoch auf die persönlichen Bedürfnisse nach Sicherheit und Kontrolle. In Kolumbien herrscht beispielsweise eine vergleichsweise hohe Unsicherheitsvermeidung. Das bedeutet, dass klare Regeln und Strukturen, Ordnung und genaue Statuten und Verträge nahezu in allen Bereichen des Lebens Unsicherheit verhindern sollen (Uehlinger, 2009). Indien oder Kanada sind jedoch Beispiele für Länder, in denen Unsicherheit weniger stark vermieden wird. Eine solche Klarheit des Erlaubten und des nicht Erlaubten wird dort eher als Einschränkung der eigenen Handlungsfreiheit empfunden. Aufgrund dessen herrschen dort weniger klare Strukturen, was aus kolumbianischer Sicht beispielsweise als eher chaotisch empfunden wird. Furnham & Ribchester (1995) vermuten einen hoch negativen Zusammenhang zwischen Unsicherheitsvermeidung und Ambiguitätstoleranz.

Darüber hinaus wird nach House et al. (2004) zwischen der organisationalen und der gesellschaftlichen Ebene hinsichtlich der Kulturdimensionen unterschieden. Dabei messen ähnliche Items, wie stark die Kulturdimensionen einerseits in Unternehmen, beispielsweise unter Kollegen und gegenüber Führungskräften, ausgeprägt sind. Andererseits werden Werte und Verhaltensweisen in der Gesellschaft beleuchtet, um unabhängig von der Organisation, in der gearbeitet wird, ein soziokulturelles Bild umreißen zu können.

In der vorliegenden Studie wird ein direkter Effekt der beiden beschriebenen Kulturdimensionen (Machtdistanz & Unsicherheitsvermeidung) auf proaktives Arbeitsverhalten vermutet. Dies wird sowohl auf organisationaler, als auch auf gesellschaftlicher Ebene angenommen, weil davon ausgegangen wird, dass organisationsbezogene Werte von der jeweiligen Nationalkultur beeinflusst werden und dadurch individuelle Einstellungen mit beiden Ebenen zusammenhängen. Diese Vorstellung folgt im Kern den Gedanken von Hofstedes Forschungen, bei denen Kulturdimensionen nach den arbeitsbezogenen Wertevorstellungen von Mitarbeitern entwickelt wurden. Nichtsdestotrotz kann mit einem geringen Unterschied zwischen organisationalen und gesellschaftsbezogenen Werten gerechnet werden, da Organisationskulturen natürlich auch einigen anderen Einflüssen unterliegen. Gerade im Zuge der Globalisierung kann diese Annahme unterstützt werden.

Von der Dimension Machtdistanz wird in dieser Studie ein negativer Effekt auf proaktives Arbeitsverhalten angenommen. Diese Annahme resultiert aus der Vermutung, dass Personen in stark machtdistanzierten Kulturen unter normalen Umständen nicht aus ihrer vorgegebenen Rolle ausbrechen möchten. Die Befürchtung, von Führungskräften getadelt bzw. bestraft zu werden, sollte man aus seinem vorgesehenen Verantwortungsfeld ausbrechen, ist in stark machtdistanzierten Kulturen präsenter, als in gering machtdistanzierten (Hofstede, 2001). Dementsprechend liegt die Vermutung nahe, dass Mitglieder einer solchen Kultur weniger zu proaktivem Verhalten tendieren, da dies häufig bedeutet, über die klar definierten Vorgaben hinauszugehen bzw. sich stärker zu engagieren. Auch ihr Umfeld könnte Mitglieder derartiger Kulturen beeinflussen. So könnte es sein, dass Arbeitnehmer entmutigt werden, proaktiv zu handeln, da die Unternehmenskultur und die Gesellschaft ihnen suggeriert, dass ihre Bemühungen zwecklos und unangemessen seien. Dementsprechend wäre es ebenfalls wichtiger, nur seinen vom Vorgesetzten streng vorgegebenen Aufgaben Folge zu leisten, ohne diese zu hinterfragen und zu erweitern. Derart negative Zusammenhänge zwischen Machtdistanz und dem proaktiven Arbeitsverhalten expressing voice wurden bereits von Botero & Dyne (2009) gefunden. Da Hierarchien in machtdistanzierten Kulturen klarer definiert sind und die Distanz zwischen Hierarchien groß ist, wird angenommen, dass auch die Rollenklarheit tendenziell ausgeprägter ist, als in wenig machtdistanzierten Kulturen. Demzufolge bestünde in machtdistanzierten Kulturen weniger Veranlassung, aufgrund von ambiger Rollenauffassung proaktiv zu werden. Abgesehen davon wurden auch hier signifikante negative Zusammenhänge zwischen Machtdistanz und ähnlichen Konstrukten wie Innovation gefunden (Rinne, Steel & Fairweather, 2012). Ebenfalls signifikante negative Effekte wurden zudem von Ringov & Zollo (2007) zwischen Machtdistanz und sozialem und umweltbezogenen Engagement von Unternehmen gefunden. Auch Calza, Canavale, & Tutore (2016) postulierten zunächst einen negativen Effekt von Machtdistanz auf proaktives Umweltverhalten. Bei diesen Studien wurden jedoch weniger das proaktive Verhalten von Mitarbeitern, als vielmehr strategische proaktive Entscheidungen von Managern untersucht. Umso wichtiger ist es, an dieser Stelle eine Forschungslücke zu schließen.

Es wird zudem ein direkter Effekt von Unsicherheitsvermeidung auf proaktives Arbeitsverhalten vermutet. Wenn eine Person ein kulturell geprägtes Interesse daran besitzt, Unsicherheit zu vermeiden, werden demnach die Bemühungen steigen, Sicherheit und in diesem Sinne auch Kontrolle über Situationen zu erlangen bzw. zu erhalten. Diese Vermutung knüpft auch an die uncertainty reduction theory (Berger & Calabrese, 1975) an, da angenommen wird, dass proaktives Arbeitsverhalten ein Mittel sein könnte, Sicherheit zu erhalten. Abgesehen davon wird angenommen, dass Mitglieder einer unsicherheitsvermeidenden Kultur auch umso eher proaktiv werden, da ihr Umfeld von Ihnen erwartet, Sicherheit über eine Situation zu behalten. In diesem Sinne ist das kulturell geprägte Bedürfnis nach Unsicherheitsvermeidung von Persönlichkeitsfaktoren, wie beispielsweise desire for control, abzugrenzen.

Da das Zurückgreifen auf proaktive Arbeitsverhaltensweisen per definitionem einen Zustand anstrebt, in dem Kontrolle wiedererlangt wird, liegt die Vermutung nahe, dass ein positiver Effekt von Unsicherheitsvermeidung auf proaktives Arbeitsverhalten besteht. Auch wenn Sicherheit und Kontrolle unterschiedliche Konstrukte sind, so kann doch davon ausgegangen werden, dass sie miteinander verwandt sind (Ashford & Black, 1996). Der postulierte Effekt wird zudem durch diverse Ergebnisse zu ähnlichen Konstrukten unterstützt. So wurden in bisherigen Forschungen bereits positive Zusammenhänge zwischen Unsicherheitsvermeidung und information search (Ashford & Cummings, 1985; Morrison, 2002), information seeking (Early, 1997; de Luque & Sommer, 2002) und proactive career behavior (Claes & Ruiz-Quintanilla, 1998) gefunden.

Aus diesen Herleitungen ergeben sich folgende Hypothesen:

H2a: Machtdistanz hat einen negativen Effekt auf proaktives Arbeitsverhalten. Je höher der Ausprägungsgrad auf der Kulturdimension Machtdistanz ist, desto schwächer ist der Ausprägungsgrad hinsichtlich proaktiven Arbeitsverhaltens.

H2b: Unsicherheitsvermeidung hat einen positiven Effekt auf proaktives Arbeitsverhalten. Je höher der Ausprägungsgrad auf der Kulturdimension Unsicherheitsvermeidung ist, desto stärker ist der Ausprägungsgrad hinsichtlich proaktiven Arbeitsverhaltens.

Hinsichtlich der Dimension Machtdistanz wird zudem ein positiver moderierender Einfluss auf den Effekt von Rollenambiguität auf proaktives Arbeitsverhalten erwartet. Hier baut die Argumentationsstruktur ebenfalls auf der Unsicherheitsreduktionstheorie auf. Es wird angenommen, dass in stark machtdistanzierten Kulturen aufgrund des distanzierten Umgangs zwischen Hierarchieebenen, die Befürchtung vor Bestrafung bei einem Nicht-Gerecht-Werden der Erwartungen groß ist. In einer Situation starker Rollenambiguität bestünde genau dieses Risiko, da Verantwortungen nicht klar verteilt wären. Daraus folgt die Vermutung, dass Mitglieder einer machtdistanzierten Kultur ein starkes Verlangen besitzen, Rollenambiguität zu reduzieren. Diverse proaktive Verhaltensweisen sind jedoch trotz dieses Verlangens nicht unbedingt zu erwarten, da andere Wertvorstellungen in machtdistanzierten Kulturen dadurch verletzt würden. Beispielsweise ist aufgrund der starken Distanz zwischen den Hierarchieebenen nicht davon auszugehen, dass verstärkt auf feeback seeking zurückgegriffen würde.

Ebenfalls besteht die Gefahr, durch proaktives Verhalten wie z.B. breaking rules (Brechen von Regeln) in extremem Maß kulturelle Wertvorstellungen zu verletzen. Proaktives Arbeitsverhalten soll jedoch zu einer Verbesserung der organisationalen Bedingungen führen, was also auch den Vorgesetzten nützen würde. Da sich vor allem die Unterkategorie expressing voice nicht auf die operative Handlungsebene bezieht, sondern lediglich verbale Vorschläge zu Veränderungen beinhaltet (Van Dyne & LePine, 1998), kann vermutet werden, dass diese Art proaktiven Verhaltens in stark machtdistanzierten Kulturen eher gezeigt wird, als in gering machtdistanzierten Kulturen. Das Bedürfnis nach Kontrolle und Veränderung würde dann das Risiko wegen zu stark eigenmächtigem Handeln bestraft zu werden, überwiegen.

Es besteht die Annahme, dass Individuen bei Konfrontation mit Ambiguität normalerweise danach streben, Unsicherheit zu reduzieren. Vor dem Hintergrund, dass Unsicherheitsvermeidung die kulturell geprägte Wertvorstellung nach geregelten Arbeitsabläufen und Struktur definiert (Hofstede, 2001), kann angenommen werden, dass Rollenambiguität besonders in unsicherheitsvermeidenden Kulturen als etwas stark Negatives wahrgenommen wird. Aus dieser Argumentationslinie folgt, dass das Bestreben nach Vermeidung von Rollenunsicherheit und nach Verbesserung der Situation, durch Kontrollerlangung und Veränderung des Status quo, stark ausgeprägt ist. Handlungen, die dazu führen, Rollenambiguität zu reduzieren, werden bei Vorliegen von Rollenambiguität in einer Kultur, die einen hohen Ausprägungsgrad auf der Skala Unsicherheitsvermeidung aufweist, umso stärker ausgeprägt sein. Eine durch das Reduzieren von Unsicherheit ausgelöste Wiedergewinnung und Erhaltung von Sicherheit und Kontrolle kann durch proaktives Arbeitsverhalten erreicht werden (Parker & Collins, 2010).

Dementsprechend leiten sich folgende Hypothesen ab:

H3a: Der Effekt von Rollenambiguität auf proaktives Arbeitsverhalten wird durch den Grad der kulturellen Machtdistanz moderiert. So werden Arbeitnehmer mit einer hohen Ausprägung auf der Dimension kulturelle Machtdistanz in Abhängigkeit von Rollenambiguität stärker proaktives Arbeitsverhalten zeigen, als Arbeitnehmer mit einer niedrigen Ausprägung auf kultureller Machtdistanz.

H3b: Der Effekt von Rollenambiguität auf proaktives Arbeitsverhalten wird durch den Grad der Machtdistanz moderiert. So werden Arbeitnehmer mit einer hohen Ausprägung auf der Dimension kulturelle Unsicherheitsvermeidung in Abhängigkeit von Rollenambiguität stärker proaktives Arbeitsverhalten zeigen, als Arbeitnehmer mit einer niedrigen Ausprägung auf kultureller Unsicherheitsvermeidung.

2.3 Persönlichkeitsfaktoren: Role Breadth Self-Efficacy & Desire for Control

Einflussfaktoren auf proaktives Arbeitsverhalten sind nicht allein von Ambiguität abhängig und kulturell geprägter Art. Um eine weitere Ebene dieser Materie zu beleuchten, sollen deswegen zudem Persönlichkeitsfacetten untersucht werden. Eine Betrachtung von sowohl kulturellen als auch Persönlichkeitsfaktoren ermöglicht eine Erforschung der Thematik proaktiven Arbeitsverhaltens aus noch umfassenderer Perspektive. Dabei werden in der vorliegenden Studie die Konstrukte role breadth self­efficacy (RBSE) sowie desire for control untersucht, da hier Zusammenhänge aufgrund vorangehender Studien und logischer Herleitung vermutet werden können (z.B.: Ashford & Black, 1996; Parker, 1998; LePine & Van Dyne, 2001; Griffin, Neal, & Parker, 2007).

Role breadth self-efficacy. Role breadth self-efficacy (RBSE) beschreibt die Selbstwirksamkeit hinsichtlich einer breit definierten Rolle. Eine starke Ausprägung dieses Faktors spricht auch für einen hohen Grad an Überzeugung und Selbstvertrauen, eine breit definierte und proaktive Rolle durchführen zu können (Parker, 1998). Nach Parker, Williams, & Turner (2006) wird RBSE als die Ausprägung eines motivationalen Zustandes definiert. Parker et al. (2006) vermuten zudem einen hohen Zusammenhang zwischen RBSE und proaktivem Arbeitsverhalten.

Die Relevanz von RBSE hinsichtlich aktueller Arbeitsanforderungen ist erheblich, da sich diese schnell wandeln (Sonnentag & Spychala, 2012). In vielen Arbeitsbereichen deutet der Trend in die Richtung, dass Tätigkeiten breiter definiert werden. Dies resultiert nach Sonnentag und Spychala (2012) mitunter aus neuen technologischen Entwicklungen. Jedoch wird vermutet, dass an dieser Stelle auch Faktoren der Globalisierung, flexibler Arbeitszeitmodelle sowie Konzepten wie job rotation, job enrichment oder job enlargement zum Tragen kommen, da somit nach Hartzell (2015) auch die Rolle verändert wird. Unter job rotation ist zu verstehen, dass Mitarbeiter systematisch ihren Arbeitsplatz im Rahmen ihrer Fertigkeiten wechseln. Job enrichment beschreibt eine Anreicherung von Anforderungen des Tätigkeitsgebiets eines Mitarbeiters, wohingegen job enlargement die Erweiterung des Aufgabengebiets auf ähnlichem oder gleichen Anforderungsniveau meint (Hong & Kuo, 2006). Aufgrund dessen ist es umso wichtiger, den Einfluss der Persönlichkeitseigenschaft RBSE genauer zu untersuchen. Insbesondere der Effekt von RBSE auf proaktives Arbeitsverhalten ist hierbei von Belang, da Erkenntnisse in diesem Bereich auch Maßnahmen im Sinne der Personalauswahl und -entwicklung nach sich ziehen können.

Desire for control. Als desire for control (Verlangen nach Kontrolle) wird das Ausmaß an Motivation beschrieben, Kontrolle über die eigenen Lebensumstände und -ereignisse zu erlangen und beizubehalten (Ashford & Black, 1996). Demnach ist es Menschen mit einer starken Ausprägung auf dieser Dimension wichtig, ein Gefühl der persönlichen Kompetenz in dem Umfeld, in dem sie sich bewegen, zu spüren. Ein starker Wunsch nach Kontrolle hängt häufig mit Durchsetzungsstärke, Bestimmtheit und dem Bestreben, andere zu beeinflussen, wenn daraus ein eigener Vorteil entsteht, zusammen. Desire for control beinhaltet sowohl den Willen, Entscheidungsgewalt hinsichtlich beruflicher Situationen und Arbeitsumständen zu besitzen, als auch das Verlangen nach Kontrolle hinsichtlich des eigenen Schicksals (Burger & Cooper, 1979). Nach Ashford und Black (1996) ist Kontrolle in diesem Zusammenhang zwar mit Sicherheit verbunden, jedoch nicht das selbe Konstrukt. Es kann also durchaus Sicherheit vorliegen, dass eine bestimmte Situation eintreten wird, jedoch keine Kontrolle darüber, diese Situation zu vermeiden.

Bezüglich dieser beiden Persönlichkeitsfaktoren (RBSE und desire for control) wird bei beiden ein positiver direkter Effekt auf proaktives Arbeitsverhalten vermutet. Hinsichtlich des Konstrukts RBSE leitet sich diese Annahme schon aus der Definition dieses Konstrukts ab. Wenn Menschen also eine starke Überzeugung besitzen, breit definierte und proaktive Rollen auch wirklich ausführen zu können, werden sie dies zu höherer Wahrscheinlichkeit auch wirklich tun (Parker, 1998; Griffin et al., 2007). Dieser Zusammenhang geht im Kern bereits auf die Wert-Erwartungs-Theorie nach Vroom (1964) zurück. Demnach führen Menschen dann Handlungen durch, wenn sie vom positiven Ergebnis dieser überzeugt sind. Parker & Collins (2010) konnten RBSE bereits als positiven Prädiktor von proaktivem Arbeitsverhalten identifizierten, weshalb auch in der vorliegenden Studie ein derartiger Effekt angenommen wird. Auch Griffin et al. (2007) fanden einen positiven Effekt von RBSE auf proaktive Arbeitsleistung und Hwang & Chiu (2015) einen positiven Effekt von RBSE auf pro-organisationales Verhalten, was als weitere Unterstützung der oben genannten Vermutung dient.

Neben dem vermuteten Effekt von RBSE auf proaktives Arbeitsverhalten, wird vermutet, dass auch ein starkes Bedürfnis nach Kontrolle (desire for control) dafür spricht, proaktive Arbeitsverhaltensweisen durchzuführen, um den Status der Kontrolle beizubehalten. Ein direkter Effekt ist hier anzunehmen, da proaktives Arbeitsverhalten mitunter als das Übernehmen und Wiedergewinnen von Kontrolle definiert wird (Parker & Collins, 2010) und genau dies das Ziel von Menschen mit einem ausgeprägten Bedürfnis nach Kontrolle ist. Abgesehen davon bestehen in vorangegangener Forschung Ergebnisse, die einen positiven Effekt von desire for control auf ähnliche Konstrukte wie negotiating job changes, socializing oder networking fanden (Ashford & Black, 1996). Da diese Handlungen ebenfalls zu proaktivem Verhalten zählen (Grant & Ashford, 2008; Parker & Collins, 2010), wird auch hinsichtlich proaktiven Arbeitsverhaltens ein Effekt erwartet.

Daraus leiten sich folgende Hypothesen ab.

H4a: Role breadth self-efficacy hat einen positiven Effekt auf proaktives Arbeitsverhalten. Je stärker role breadth self-efficacy ausgeprägt ist, desto stärker wird proaktives Arbeitsverhalten ausgeprägt sein.

H4b: Desire for control hat einen positiven Effekt auf proaktives Arbeitsverhalten. Je stärker desire for control ausgeprägt ist, desto stärker wird proaktives Arbeitsverhalten ausgeprägt sein.

Stellt man sich nun einen Kontext vor, in dem starke Rollenambiguität vorliegt, so ist davon auszugehen, dass RBSE einen verstärkenden Effekt ausübt. Die Grundannahme dieser Arbeit postuliert, dass Menschen umso proaktiver werden, je unklarer ihre Rolle definiert ist. Bei ambiger Rollendefinition wird nach dieser Kernthese ein Handlungsimpuls hervorgerufen, da die Gefahr droht, die Kontrolle zu verlieren. Es wird nun ebenfalls vermutet, dass Menschen, die weniger davon überzeugt sind, einer breit gefächerten Rolle gerecht zu werden, auch bei unklar definierter Rolle weniger davon überzeugt sind, ein gewünschtes Handlungsergebnis erzielen zu können. Je stärker Personen jedoch davon überzeugt sind, breit definierten Rollen gerecht zu werden, desto eher werden sie auch bei unklarer Definition ihrer Rolle in ihre Fähigkeiten vertrauen. Um bei Rollenambiguität einem Kontrollverlust vorzubeugen, werden sie dementsprechend eher proaktive Handlungen durchführen, als Personen mit schwach ausgeprägter RBSE. Auch bei Menschen, die eine niedrige RBSE besitzen, wird dieses Bedürfnis nach Handlung angesprochen. Da jedoch die Überzeugung, der motivationale Zustand, bei Unklarheit über ihre Rolle angemessen und mit dem angestrebten Handlungsergebnis reagieren zu können, gering ausgeprägt ist, werden diese Personen weniger proaktiv handeln.

Darüber hinaus wird ein Moderatoreffekt von desire for control auf den Effekt von Rollenambiguität auf proaktives Arbeitsverhalten angenommen. Dieser Effekt wird vor allem vermutet, da in ambigen Situationen das subjektive Maß an Kontrolle sinkt (Grant & Ashford, 2008). Dies passiert, da nicht klar ist, wie genau der Verantwortungsbereich definiert ist. Es wird hergeleitet, dass durch diesen Verlust an Kontrolle der Wunsch nach einem Zurückgewinnen der Kontrolle getriggert wird. Diesem Gedanken folgend wird vermutet, dass gerade Menschen, denen es wichtig ist, Kontrolle über ihre Lebenslage und ihren Arbeitsbereich zu besitzen, bei Rollenambiguität einen starken Wunsch spüren, Handlungen auszuführen, die zur Wiedererlangung der Kontrolle beitragen. Daraus leitet sich ab, dass sie umso proaktiver handeln. Je stärker also der Wunsch nach Kontrolle ist, desto stärker werden in ambigen Situationen proaktive Arbeitsverhaltensweisen ausgeführt werden.

Aus diesen Überlegungen leiten sich des Weiteren folgende Hypothesen ab:

H5a: Der Effekt von Rollenambiguität auf proaktives Arbeitsverhalten wird durch role breadth self-efficacy moderiert. So werden Arbeitnehmer, die eine höhere Selbstwirksamkeit aufweisen, in Abhängigkeit der Rollenambiguität zu einer höheren Wahrscheinlichkeit die genannten proaktiven Verhaltensweisen zeigen, als Arbeitnehmer, die eine geringe Selbstwirksamkeit besitzen.

H5b: Der Effekt von Rollenambiguität auf proaktives Arbeitsverhalten wird durch den desire for control moderiert. So werden Arbeitnehmer, die einen höheren desire for control aufweisen, in Abhängigkeit der Rollenambiguität zu einer höheren Wahrscheinlichkeit proaktives Arbeitsverhalten zeigen, als Arbeitnehmer, die einen geringen desire for control besitzen.

Abbildung 1 Hypothetisches Forschungsmodell

Anmerkung. Proaktives Arbeitsverhalten wird unterteilt in die Unterkategorien taking charge, expressing voice, problem prevention und individual innovation

3. Methodik

3.1 Stichprobe

Im Sinne der kulturvergleichenden Forschung sollten Italiener eine Kultur repräsentieren, die auf den Dimensionen Unsicherheitsvermeidung (Hofstede Score: 75) und Machtdistanz (50) starke Ausprägungen aufweisen. Deutsche Teilnehmer sollten hingegen eine Kultur repräsentieren, bei denen derartige Ausprägungen bedeutend schwächer sind (Unsicherheitsvermeidung: 65, Machtdistanz: 35) (Hofstede, 2001; House et al., 2004). Nach Hofstedes Instrumenten kann die Ausprägung eines Landes auf einer Dimension maximal 100 betragen.

[...]

Final del extracto de 84 páginas

Detalles

Título
Kultur und Persönlichkeit als Einflussfaktoren zwischen Rollenambiguität und proaktivem Arbeitsverhalten
Autor
Año
2017
Páginas
84
No. de catálogo
V372078
ISBN (Ebook)
9783668500150
ISBN (Libro)
9783668500167
Tamaño de fichero
4675 KB
Idioma
Alemán
Palabras clave
kultur, persönlichkeit, einflussfaktoren, rollenambiguität, arbeitsverhalten
Citar trabajo
Philipp Ilgner (Autor), 2017, Kultur und Persönlichkeit als Einflussfaktoren zwischen Rollenambiguität und proaktivem Arbeitsverhalten, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/372078

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