Rentensysteme im postfordistischen Zeitalter. Eine Ländervergleichsstudie zu Dänemark, Deutschland, den Niederlanden und dem Vereinigten Königreich


Thèse de Bachelor, 2017

74 Pages, Note: 2,0


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Fragestellung
1.2 Vorgehensweise

2 Theoretische Grundlagen, Konzepte und Zentrale Begriffe
2.1 Historischer Neo-Institutionalismus
2.1.1 Pfadabhängigkeitstheorie
2.2 Wohlfahrtssysteme nach Esping-Andersen
2.2.1 Systemspezifische Merkmale
2.2.1.1 Dekommodifizierung
2.2.1.2 Stratifizierung
2.2.1.3 Universalismus
2.2.2 Wohlfahrtssystemtypen
2.2.2.1 Liberal-angelsächsisches System
2.2.2.2 Konservativ-kontinentaleuropäisches System
2.2.2.3 Sozialdemokratisch-skandinavisches System
2.2.3 Prekäre Beschäftigung und prekäre Erwerbsbiografien
2.2.4 Drei-Säulen-Modell der Alterssicherung
2.2.4.1 1. Säule
2.2.4.2 2. Säule
2.2.4.3 3. Säule

3 Bestimmung der Variablen
3.1 Operationalisierung der unabhängigen Variable „Wohlfahrtssystem“
3.2 Operationalisierung der abhängigen Variable „Alterssicherungsfunktion bei prekären Erwerbsbiografien“

4 Fallauswahl

5 Vergleichende Auswertung
5.1 Zuordnung der Wohlfahrtssysteme
5.1.1 Dänemark
5.1.2 Deutschland
5.1.3 Niederlande
5.1.4 Vereinigtes Königreich
5.2 Untersuchung der Alterssicherungsfunktion
5.2.1 Dänemark
5.2.2 Deutschland
5.2.3 Niederlande
5.2.4 Vereinigtes Königreich

6 Fazit

7 Literaturverzeichnis

8 Abbildungs- und Tabellenverzeichnis

9 Anhang

1 Einleitung

Mit dem Anbruch der postfordistischen Ära erlebt die Arbeitswelt einen in ihrer Geschichte beispiellosen und auch im 21. Jahrhundert weiter fortschreitenden Umgestaltungsprozess (vgl. Amin 2003: 18). Dem Postfordismus vorausgegangen ist der Fordismus1, unter dem das Industrie-Zeitalter der Massenproduktion, gekennzeichnet durch Fließbandarbeit, Fabriken, Massenkonsum, Vollzeiterwerbstätigkeit mit einem hohen Anteil sozialversicherungspflichtiger Normalarbeitsverhältnisse, verstanden wird. Den Postfordismus hingegen charakterisieren eine Abnahme von Industriearbeitsplätzen, Normalarbeitsverhältnissen und Vollzeiterwerbstätigkeit sowie eine Zunahme nichtindustrieller Arbeitsplätze und atypischer Beschäftigungsformen. Bereits seit den 70er Jahren ist ein „grundlegender struktureller Wandel der Arbeitsmärkte“ (Schulze Buschoff 2011: 3) zu verzeichnen. Hierzu zählt auch die zunehmende Verdrängung von Normalarbeitsverhältnissen durch prekäre Beschäftigungsverhältnisse. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, inwiefern sich unter den gegebenen Bedingungen unterschiedliche Sozialstaatsmodelle auf die Alterssicherungsfunktion im Falle prekärer Erwerbsbiografien auswirken? Hierzu ist auch von Interesse, welche Rolle die gesellschaftlichen Institutionen dabei spielen. Einen interessanten Ansatz liefert der historische Neo- Institutionalismus (vgl.: Csigó 2006: 43/44). Dieser postuliert, dass es ein Bestreben gibt, einmal eingeschlagenen Pfaden, in den jeweiligen Politikfeldern beharrlich zu folgen. Die vorliegende Arbeit soll erforschen, ob auch für dieses spezielle Politikfeld im Bereich der Alterssicherung angenommen werden kann, dass es eine Tendenz zur sogen.

Pfadabhängigkeit gibt. Konkret soll dies am Beispiel der Alterssicherungssysteme überprüft werden. Die Charakterisierung unterschiedlicher Alterssicherungssysteme soll auf Grundlage der Klassifizierung der basierenden Sozialstaatsmodelle bzw. Wohlfahrtsregime nach Esping-Andersen (1990) erfolgen. Zu diesem Zweck wird folgende Fragestellung/Hypothese untersucht:

„Ermöglichen Wohlfahrtssysteme sozialdemokratisch-skandinavischer Prägung eine effektivere Absicherung bei prekären Erwerbsbiografien im Alter als Wohlfahrtssysteme konservativ-kontinentaleuropäischer oder liberalangelsächsischer Art ?“

Die Untersuchung findet im Rahmen eines MSSD (Most-Similar-Systems- Designs) (vgl. Mill 1858) statt. Im Fokus einer qualitativen Studie mit niedrigen Fallzahlen stehen dabei folgende zu untersuchende Variablen:

- Wohlfahrtssystem
- Alterssicherungsfunktion bei prekären Erwerbsbiografien

Die unabhängige Variable Wohlfahrtssystem ordnet ein Sozialstaatsmodell und damit auch das Alterssicherungsmodell einer der drei Klassifizierungen nach Esping-Andersen (1990) zu: liberal-angelsächsisches, konservativ- kontinentaleuropäisches und sozialdemokratisch-skandinavisches Wohlfahrtssystem. Die Operationalisierung wird mittels der Merkmale Dekommodifizierung des Faktors Arbeit, Stratifizierung der Gesellschaft und Universalismus vorgenommen. Weitere unabhängige Variablen im Rahmen des MSSD, die sich in einem vergleichbaren Wertebereich für die zu untersuchenden Länder bewegen müssen, sind entsprechende sozioökonomische Kennzahlen. Die abhängige Variable Alterssicherungsfunktion bewertet die Effektivität der Alterssicherungsfunktion eines Alterssicherungssystems bei prekärer Erwerbsbiografie. Die Operationalisierung erfolgt durch die Messung der Höhe der Nettoersatzraten für diesen Personenkreis. Bei den zu untersuchenden Alterssicherungssystemen handelt es sich um diejenigen der folgenden Staaten: Dänemark, Deutschland, die Niederlande und das Vereinigte Königreich. In dieser Arbeit wird mittels hinreichender Mechanismen untersucht, ob und wie sich die spezifischen Charakteristika der unterschiedlichen Wohlfahrtssysteme im Rahmen der Pfadabhängigkeit in den jeweiligen Alterssicherungssystemen fortsetzen und sich diese auf die Alterssicherungsfunktion bei prekärer Erwerbsbiografie auswirken.

Es werden dabei nur die Regelaltersrenten der ausgewählten Länder betrachtet. Andere Formen, z. B. Erwerbsunfähigkeitsrenten oder Mindestsicherungen sind hiervon ausgenommen. Nicht Gegenstand dieser Untersuchung sind die demografischen Einflüsse auf die unterschiedlichen Alterssicherungsmodelle. Vielmehr besteht der Zweck dieser Arbeit darin zu erforschen, ob und wie sich pfadabhängige Entwicklungen von Wohlfahrtssystemen und damit korrespondierenden Alterssicherungssystemen auf die Folgen prekärer Erwerbsbiografien auswirken.

1.1 Fragestellung

Die in dieser Arbeit zu untersuchende Fragestellung/Hypothese lautet:

„Ermöglichen Wohlfahrtssysteme sozialdemokratisch-skandinavischer Prägung eine effektivere Absicherung bei prekären Erwerbsbiografien im Alter als Wohlfahrtssysteme konservativ-kontinentaleuropäischer oder liberalangelsächsischer Art ?“

Es wird der Zusammenhang zwischen dem jeweiligen Wohlfahrtssystem und der Alterssicherung einer bestimmten Personengruppe untersucht sowie die diesen Zusammenhang vermittelnden Mechanismen.

1.2 Vorgehensweise

Zunächst werden die relevanten Theorien, Konzepte und Begriffe erläutert. Dieser Arbeit liegen insbesondere die Theorien bzw. Konzepte vom historischen Neo-Institutionalismus bzw. historischen Institutionalismus (vgl. Steinmo 1992) und den Wohlfahrtsregimen nach Esping-Andersen (1990) zu Grunde. Diese werden zusammen mit der vom historischen Neo- Institutionalismus abgeleiteten Pfadabhängigkeitstheorie in den folgenden Kapiteln beschrieben. Außerdem werden auch das Drei-Säulen-Modell der Alterssicherung und der Begriff prekäre Erwerbsbiografie erklärt bzw. definiert. Im nächsten Schritt folgt eine Bestimmung der Variablen sowie die Operationalisierung der unabhängigen und abhängigen Variable im Rahmen des MSSD.

Im daran folgenden Abschnitt, dem Hauptteil dieser Arbeit, werden die Fallbeispiele ausgewählt und es kommt zu einer vergleichenden komparativen Untersuchung. Die Arbeit schließt mit einem Fazit.

2 Theoretische Grundlagen, Konzepte und Zentrale Begriffe

Die für diese Arbeit wichtigen Theorien, Konzepte und zentralen Begriffe, also der historische Neo-Institutionalismus, die Wohlfahrtsregime nach EspingAndersen, die prekäre Erwerbsbiografie und das Drei-Säulen-Modell der Alterssicherung werden folgend vorgestellt.

2.1 Historischer Neo-Institutionalismus

Ausgehend von der makro-analytischen, strukturalistisch-komparativen Geschichtsschreibung der 1960er und 1970er Jahre, erweitert um Ideen der Gruppenbildung und des Strukturfunktionalismus, entwickelte sich der historische Institutionalismus (vgl. Csigó 2006: 43). Im Gegensatz zu anderen Systemtheorien haben Institutionen2 eine zentrale Bedeutung im historischen Institutionalismus für die Strukturierung einer Gesellschaft und das Policy- Making. „Der historische Institutionalismus betrachtet Institutionen als Erklärungsvariablen“ (ebd.). Gegenwärtige politische Entscheidungen sind im historischen, politischen Kontext zu bewerten. Der historische Neo- Institutionalismus beruht auf zwei fundamentalen Annahmen (vgl. a. a. O., S. 43/44):

1. Institutionelle Faktoren beeinflussen grundlegend politische Entscheidungen und die politische Problemlösungsfähigkeit.
2. Anfängliche Entscheidungen in den betroffenen Politikfeldern prägen auch den weiteren Verlauf des Policy-Making. Dies führt zum Konzept der Pfadabhängigkeit.

Abzugrenzen ist der historische Neo-Institutionalismus vom Rational Choice Neo-Institutionalismus und vom soziologischen Neo-Institutionalismus (vgl. Csigó 2006: 33ff.). Während im Rational Choice Neo-Institutionalismus die Akteure und nicht die Institutionen wie im historischen Neo-Institutionalismus eine zentrale Rolle spielen, untersucht der soziologische Neo- Institutionalismus den Einfluss des kulturellen Kontexts auf die Institutionen im Gegensatz zum historischen Kontext im historischen Neo-Institutionalismus.

2.1.1 Pfadabhängigkeitstheorie

Mit dem Konzept der Pfadabhängigkeit „dem Kern des historischen Institutionalismus“ (Csigó 2006: 43) wird die Grundidee bezeichnet, „[...] dass frühere Perioden historischer Entwicklung für spätere Perioden entscheidend sind [...]“ (a. a. O., S. 44). Eine Herausforderung besteht nun darin, solche anfänglichen und grundlegenden Entscheidungen zu identifizieren, die für die weitere institutionelle Entwicklung von hinreichender Bedeutung sind (vgl. auch a. a. O., S. 46).

2.2 Wohlfahrtssysteme nach Esping-Andersen

Die Ausgestaltung der Alterssicherung eines Wohlfahrtsstaates hängt maßgeblich vom zu Grunde liegenden Wohlfahrtssystem ab. Nach Esping-Andersen (1990: 27ff.) können in den westlichen Industriestaaten vornehmlich drei unterschiedliche Wohlfahrtssysteme unterschieden werden. Je nachdem, auf welcher zentralen Institution (Markt, Familie/Korporation oder Staat) der Schwerpunkt liegt, unterscheidet Esping- Andersen (ebd.) zwischen „liberal“, „conservative“ bzw. „corporatist“ und „social democratic“ „welfare states“, die in dieser Arbeit als liberal- angelsächsische, konservativ-kontinentaleuropäische und sozialdemokratisch- skandinavische Wohlfahrtsregime bezeichnet werden (vgl. Schmid 2010: 104; Butterwegge 2012: 22f.). Relevante Institutionen für diese Arbeit sind im Bereich Staat: neben der exekutiven bzw. ausführenden Gewalt, also den Regierungen, und zum Teil der judikativen bzw. richtenden Gewalt, die legislative bzw. gesetzgebende Gewalt, also die Parlamente, und natürlich die Wohlfahrtsstaaten bzw. -systeme selbst sowie besonders die Sozialversicherungen, staatlichen Alterssicherungssysteme und gesetzlichen Rentenversicherungen; im Bereich Familie/Korporationen sind neben der

Familie, z. B. Gewerkschaften, Arbeitgeberverbände, korporatistisch 3 ausgehandelte sektorale Betriebsrentenschemata oder der Tripartismus4 von Bedeutung; im Bereich Markt interessieren besonders die Anlage- und Finanzmärkte. Eine Klassifizierung der Wohlfahrtsregime kann anhand der Merkmale bzw. Indikatoren Dekommodifizierung, Residualismus, Privatisierung, Korporatismus/Etatismus, Umverteilungskapazität und Vollbeschäftigungsgarantie (vgl. Schmid 2010: 100) sowie Stratifizierung (vgl. Esping-Andersen 1990: 55) und Universalismus (vgl. a. a. O., S. 28) vorgenommen werden.

Bei den folgenden beschriebenen Typen handelt es sich um Idealtypen.

In der Realität sind eher Mischformen aus allen drei Wohlfahrtssystemen mit jeweils unterschiedlicher Gewichtung der Idealtypen anzutreffen. Auch kann dieses Modell nicht auf alle in der Praxis vorkommenden Wohlfahrtssysteme angewendet werden. So haben z. B. viele mittel- und osteuropäische Staaten mit dem Übergang aus der postkommunistischen Phase andere Entwicklungen vollzogen (vgl. Baum-Ceisig et al. 2008: 43ff.). Auch manche südeuropäische Wohlfahrtsstaaten lassen sich in dieses Modell nicht einfach einordnen, wenngleich auch oft Ähnlichkeiten zum konservativ- kontinentaleuropäischen System bestehen mögen. Für diese Gruppe ist der Begriff des „rudimentären Wohlfahrtsstaats“ entwickelt worden (vgl. Leibfried 1990: 301, Lessenich 1995: 227). Neben Esping-Andersens System spielen in der Wohlfahrtsstaatsforschung auch noch weitere Modelle eine Rolle. So gibt es einerseits die ältere Typologisierung nach dem Beveridge-Modell5, einem Fürsorgemodell, und dem Bismarck-System6, dem Sozialversicherungsmodell, (vgl. Schmid 2010: 108f.) sowie eine neuere Systematisierung in Fordismus und Postfordismus und keynesianischen Wohlfahrtsstaat7 und Schumpeterianischen workfare state8 (vgl. a. a. O. S. 112f.).

2.2.1 Systemspezifische Merkmale

Als spezifische Merkmale zur Charakterisierung des Wohlfahrtssystemtyps nach Esping-Andersen habe ich die Dekommodifizierung des Faktors Arbeit, die Stratifizierung der Gesellschaft sowie den Universalismus gewählt, da es sich hierbei um entscheidende und zentrale Merkmale zur Einordnung der Regime handelt und ausreichend Datenmaterial vorliegt.

2.2.1.1 Dekommodifizierung

Unter Dekommodifizierung (von engl. commodities: „Waren“) wird in der Sozialpolitik verstanden, dem Faktor Arbeit bzw. den Arbeitnehmern den Warencharakter zu nehmen. Denn wie Esping-Andersen (1990: 37) feststellt: “As commodities, people are captive to powers beyond their control; the commodity is easily destroyed by even minor social contingencies, such as illness, and by macro-events, such as the business cycle.“ Der Warencharakter des Faktors Arbeit bewirkt, dass die Arbeitsnehmer den Marktkräften schutzlos ausgeliefert sind. Der Wert ihrer Arbeitskraft kann z. B. durch individuelle Schicksalsschläge wie Krankheit oder konjunkturell bedingte Großereignisse wie etwa eine Rezession leicht zerstört werden. Durch Begründung und Ausweitung von Arbeitnehmerschutzrechten sowie durch die Schaffung von Lohnersatzleistungen z. B. bei Arbeitslosigkeit, Behinderung/Erwerbsunfähigkeit, Krankheit, Geburt eines Kindes/Elternzeit und Alter verliert der Faktor Arbeit zum Teil seinen Warencharakter bzw. wird dekommodifiziert (vgl. a. a. O., S. 47ff.). Schmid (2010: 100/101) sieht in der Dekommodifizierung eine „[relative] Unabhängigkeit von den Zwängen und Risiken kapitalistischer (Arbeits-)Märkte […]“. Die Arbeitnehmer werden weniger abhängig von der Institution Markt, da an dessen Stelle die Institution Staat tritt.

2.2.1.2 Stratifizierung

Mit der Stratifizierung (von lat. stratum: “Schichtung“) wird die soziale Ausdifferenzierung einer Gesellschaft im Wohlfahrtsstaat bezeichnet. Sie ist sogar eines seiner typischen Merkmale: „Welfare states are key institutions in the structuring of class and the social order.“ (Esping-Andersen 1990: 55). Die Wohlfahrtsstaaten haben eine Schlüsselfunktion in der Strukturierung gesellschaftlicher Klassen und ihrer Sozialordnung. Für eine starke Stratifizierung spricht zum Beispiel das Bestehen unterschiedlicher statusabhängiger sozialer Sicherungssysteme. Wohlfahrtsstaaten mit umlagefinanzierten Sozialversicherungssystemen sind häufig stark stratifiziert.

2.2.1.3 Universalismus

Unter Universalismus (von lat. universalis: „allgemein“) wird verstanden, inwiefern die Leistungen eines Sozialstaats der Allgemeinheit, also einer breiten Bevölkerungsschicht, im gleichen Maße zur Verfügung stehen. Esping- Andersen (1990: 28) formuliert dies so: „[...] all strata are incorporated under one universal insurance system, yet benefits are graduated according to accustomed earnings.“ Alle gesellschaftlichen Schichten sind unter einem universellen Versicherungssystem vereint, auch wenn es dem jeweiligen Einkommen angepasst ist. Weiter führt Esping-Andersen an gleicher Stelle aus: „This model crowds out the market, and consequently constructs an essentially universal solidarity in favor of the welfare state. All benefit; all are dependent; and all will presumably feel obliged to pay.” Dieses Modell [Anm.: damit ist im Kontext das sozialdemokratisch-skandinavische Wohlfahrtsregime gemeint] grenzt den Markt aus und erschafft eine universelle Solidarität im Sinne des Wohlfahrtsstaats. Alle profitieren; alle sind von ihm abhängig; und fühlen sich aller Voraussicht nach verpflichtet, ihre Beiträge zu zahlen. Universalistische Wohlfahrtsstaaten beziehen also möglichst viele Bevölkerungsschichten in die sozialen Sicherungssysteme ein. Mit dem in dieser Arbeit verwendeten Begriff „Nutzengleichheit“ ist die Ausprägung einer vergleichbaren Höhe der Wohlfahrtsleistungen für die breite Bevölkerungsschicht gemeint.

2.2.2 Wohlfahrtssystemtypen

Nach Esping-Andersen (1990: 26/27f.) werden folgende drei Wohlfahrtssyteme unterschieden:

2.2.2.1 Liberal-angelsächsisches System

Zentrale Institution dieses Wohlfahrtssystems ist der Markt.

Der Staat hält sich mit sozialpolitisch korrigierenden Eingriffen weitestgehend zurück. Es werden soziale Mindeststandards auf eher sehr niedrigem Niveau angeboten und ansonsten wird auf die Eigenverantwortung der Bürger vertraut. Liberal-angelsächsische Wohlfahrtssysteme sind durch eine niedrige Dekommodifizierung des Faktors Arbeit (vgl. Esping-Andersen 1990: 27), eine eher geringe Stratifizierung der Gesellschaft und keine Universalisierung sozialer Leistungen gekennzeichnet.

Für Schmid (2010: 100) ist dieses System dadurch gekennzeichnet, dass Dekommodifizierung, Korporatismus/Etatismus, Umverteilungskapazität und eine Vollbeschäftigungsgarantie eher schwach ausgeprägt sind, während hingegen die Merkmale Residualismus und Privatisierung eher stark vertreten sind.

2.2.2.2 Konservativ-kontinentaleuropäisches System

In diesen Wohlfahrtssystemen wird neben dem Markt besonders den Institutionen Familie bzw. Korporationen eine zentrale Funktion zugesprochen. Staatliche Interventionen sind nachrangig bzw. subsidiär und kommen meist erst dann zum Einsatz, wenn die Institutionen Markt und Familie keinen ausreichenden Sozialschutz ermöglichen. Anstelle der Institution Familie können dabei im weiteren Sinne auch andere Organisationen wie etwa Glaubensgemeinschaften, Verbände, (gemeinnützige bzw. soziale) Vereine, Berufsverbände oder Gewerkschaften treten. Es liegen eine mäßige Dekommodifizierung des Faktors Arbeit und eine weitere Verbreitung (wenn auch keine universelle) sozialer Leistungen vor. Entsprechende Gesellschaften sind deutlich stratifiziert und um Statuserhalt bemüht (vgl. Esping-Andersen 1990: 27). Dies kommt besonders in den die Grundsicherung ergänzenden Sozialversicherungen zum Ausdruck. Die Rentensysteme sind meistens umlagefinanziert und die Altersrenten richten sich nach Dauer und Beitragshöhe. „[…] soziale Rechte sind an Klasse und Status gebunden.“ (Schmid 2010: 101). Es handelt sich hierbei um die klassischen Sozialversicherungsstaaten. Schmid (2010: 100) sieht bei diesen Wohlfahrtsstaatstypen einen starken Residualismus sowie Korporatismus/Etatismus, eine mittlere Dekommodifizierung, eine niedrige Privatisierung sowie eine schwache Ausprägung von Umverteilungskapazität und Vollbeschäftigungsgarantie.

2.2.2.3 Sozialdemokratisch-skandinavisches System

In diesen Wohlfahrtssystemen ist der Staat die zentrale Institution.

Der Faktor Arbeit ist weitestgehend dekommodifiziert (vgl. Esping-Andersen 1990: 27) durch das Angebot entsprechender staatlicher Lohnersatzleistungen. Es besteht weiterhin im Sinne des Universalitäts-Prinzips (ebd.) ein umfassendes soziales Netz, das weite Bereiche des Lebens abdeckt, wie etwa auch Arbeitsmarktintegration, Bildung und Kinderbetreuung. „[…] es wird Gleichheit auf dem höchsten Niveau angestrebt und die Anspruchslage bilden soziale Bürgerrechte.“ (Schmid 2010: 101). Eine ausgeprägte Stratifizierung der Gesellschaft liegt hingegen nicht vor. Während er die Merkmale Residualismus, Privatisierung und Korporatismus/Etatismus eher schwach entwickelt sieht, erkennt Schmid (2010: 100) bei diesem Systemtyp eine starke Dekommodifizierung, Umverteilungskapazität und Vollbeschäftigungsgarantie.

2.2.3 Prekäre Beschäftigung und prekäre Erwerbsbiografien

Ein zentraler Begriff der vorliegenden Arbeit ist der der Prekären Beschäftigung bzw. der Prekären Erwerbsbiografie. Das Adjektiv prekär kann auf seinen französischen Ursprung précaire bzw. seinen lateinischen Ursprung precarius bzw. precari zurückgeführt werden, was soviel wie „bittweise erlangt“ oder „flehentlich bitten“ bedeutet. Im Römischen Privatrecht stellt ein precarium (Ableitung vom Wort preces) eine Bittleihe dar (vgl. Kaser und Knüttel 2008: 109). Bei einem Prekarium handelte es sich um die unentgeltliche Überlassung einer beweglichen oder unbeweglichen Sache mit der Möglichkeit eines jederzeitigen Widerrufs ohne Begründung eines Vertragsverhältnisses. Auf Grund einer gewissen Ähnlichkeit zu entsprechenden Beschäftigungsverhältnissen in der postfordistischen Ära (z.

B. Zeitarbeit, Personalleasing und befristete Arbeitsverträge) ist der Begriff der Prekären Beschäftigung entstanden.

Das Statistische Bundesamt (2010: 5) unterscheidet zwischen den Beschäftigungsformen Normalarbeitsverhältnis, Atypische Beschäftigung und Prekäre Beschäftigung.

Dabei gelten folgende Kriterien für

- Normalarbeitsverhältnisse (alle Kriterien müssen erfüllt sein)
- Voll-/Teilzeittätigkeit mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von mindestens 20 Stunden
- unbefristetes Beschäftigungsverhältnis
- Integration in die sozialen Sicherungssysteme
- Identität von Arbeits- und Beschäftigungsverhältnis
- Atypische Beschäftigungen (mindestens ein Kriterium muss erfüllt sein)
- Befristung
- Teilzeitbeschäftigung mit höchstens 20 Stunden
- Zeitarbeitsverhältnis
- geringfügige Beschäftigung
- Prekäre Beschäftigungen
- keine Erwerbsform im.
- g. Sinne
- kann mit Atypischer Beschäftigung vergesellschaftet sein
- kann auf Dauer nicht den Lebensunterhalt einer Person sicherstellen und/oder soziale Sicherung gewährleisten

In Anlehnung hieran wird unter einer Prekären Erwerbsbiografie in dieser Untersuchung ein beruflicher Werdegang verstanden, der für die überwiegende Zeit der Erwerbstätigkeit auf Arbeitsverhältnissen mit einem Einkommensniveau von 0,5 des Medianverdienstes beruht und/oder einer Unterbrechung der Berufstätigkeit von bis zu drei Jahren. Hierbei handelt es sich um einen vereinfachenden Idealtyp. Reale Erwerbsbiografien können aus unterschiedlichen Anteilen aller drei Beschäftigungsformen sowie Ausbildungs- und Erziehungszeiten und Zeiten der Arbeitslosigkeit bestehen.

2.2.4 Drei-Säulen-Modell

Nach einem Konzept der Weltbank aus dem Jahre 1994 lassen sich die gängigen Alterssicherungssysteme in ein Drei-Säulen-Modell klassifizieren (Stöger 2011: 3).

2.2.4.1 1. Säule

Zur ersten Säule gehören die staatlich institutionalisierten Altersvorsorgesysteme. Hierbei handelt es sich etwa um vom Wohnsitz abhängige Renten, wie die „Staatsbürgerversorgung“, um einkommensbezogene, staatliche Renten oder beitragsorientierte, staatliche Renten, wie die Sozialversicherungsrente. Eine Kapitaldeckung liegt nicht vor. Die Finanzierung erfolgt über Beiträge oder Steuern im Rahmen des Umlageverfahrens. Diese Säule liegt im Verantwortungsbereich des Staates.

2.2.4.2 2. Säule

Mit der zweiten Säule werden korporativ institutionalisierte obligate und freiwillige Betriebsrentensysteme bzw. sektorale Rentenschemata beschrieben. Ähnlich wie bei der ersten Säule können die Rentenzahlungen beitragsbezogen oder leistungsorientiert sein. Eine Kapitaldeckung liegt vor. Verantwortlich für die zweite Säule sind die Sozialpartner bzw. Tarifparteien.

2.2.4.3 3. Säule

Zur dritten Säule gehören schließlich die Angebote der Institution Finanzmarkt zur freiwilligen privaten Altersvorsorge. Die Rentenzahlungen erfolgen beitragsorientiert inklusive evtl. Zinsüberschüsse. Es liegt vollständige Kapitaldeckung vor. Die Verantwortung liegt im Bereich der Manager der angebotenen Finanzprodukte. Die Risiken tragen die Versicherten.

3 Bestimmung der Variablen

Die folgende Tabelle stellt den Zusammenhang zwischen Fällen und Variablen im Rahmen eines Most-Similar-Systems-Designs (vgl. Mill 1858) dar. In dieser Arbeit wird eine komparative Ländervergleichsstudie mit geringer Fallzahl durchgeführt. Dabei werden einige zentrale unabhängige Variablen, die repräsentativ für die bedeutendsten sozioökonomischen Charakteristika eines Landes sind, verglichen, und es wird ein Zusammenhang mit der abhängigen Variable Alterssicherungsfunktion bei prekären Erwerbsbiografien untersucht. Zu den unabhängigen Variablen zählen die Arbeitslosenquote (AL-Quote), die Beschäftigungsquote, das Bruttoinlandsprodukt pro Einwohner (BIP/Einw.), das BIP-Wachstum, das Bruttonationaleinkommen pro Einwohner (BNE/Einw.), die jährliche Bevölkerungs-Wachstumsrate (Demografie), der Gini-Index, der Human-Development-Index (HDI), die durchschnittliche Lebenserwartung und der Typ des Wohlfahrtssystems. Bei letzterer Variable handelt es sich auch um die zu untersuchende und zu variierende unabhängige Variable. Die Alterssicherungsfunktion bei prekären Erwerbsbiografien stellt die zu untersuchende abhängige Variable dar.

Tabelle 1: Aufstellung des Studiendesigns

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Beschreibung: Aufstellung des Zusammenhangs zwischen Fällen und unabhängigen und abhängigen Variablen im Rahmen des MSSD (eigene Darstellung)

Die Arbeitslosenquote (AL-Quote) stellt nach der ILO9 den prozentualen Anteil der erwerbsfähigen Bevölkerung dar, der dem Arbeitsmarkt zur Verfügung steht, sich aber in keinem Beschäftigungsverhältnis befindet, obwohl er nach Beschäftigung sucht. Mit der Beschäftigungsquote wird der prozentuale Anteil der Erwerbstätigen an der erwerbsfähigen Bevölkerung abgebildet. Das Bruttoinlandsprodukt pro Einwohner (BIP10 /Einw.) ergibt sich aus dem gesamten Bruttoinlandsprodukt eines Landes in US-Dollar zum aktuellen Kurs geteilt durch seine Einwohnerzahl. Mit dem BIP-Wachstum wird die prozentuale Änderung des realen, also des um die Inflation bereinigten, BIP im Vergleich zum Vorjahr gemessen. Das Bruttonationaleinkommen pro Einwohner (BNE/Einw.) „[…] ist definiert als das BIP plus Einnahmen aus dem Ausland abzüglich Zahlungen von Erwerbs- und Vermögenseinkommen an das Ausland, zuzüglich Forderungen gegenüber dem Ausland in Form von Nettosteuern und -subventionen.“ (OECD 2015: 50). Die jährliche Bevölkerungswachstumsrate (Demografie) zeigt die prozentuale Änderung der ansässigen Bevölkerung im Vergleich zum Vorjahr an. Der Gini-Index oder auch Gini-Koeffizient11 gibt, vereinfacht gesagt, das Ausmaß einer Ungleichverteilung (hier der Einkommen) an. Die Werte reichen von 0 für keine Ungleichheit bis 1 für vollkommene Ungleichheit. Bei dem Human Development Index (HDI), also dem menschlichen Entwicklungsindex, handelt es sich um einen Wohlstandsindikator, der von den Vereinten Nationen ermittelt wird. Dieser Index setzt sich aus unterschiedlichen Teil-Indizes zusammen, die verschiedene sozioökonomische Felder bewerten. Die Variable Lebenserw. zeigt die durchschnittliche Lebenserwartung in den zu untersuchenden Ländern an. Folgend werden die zu untersuchende unabhängige und die abhängige Variable operationalisiert.

3.1 Operationalisierung der unabhängigen Variable „Wohlfahrtssystem“

Die Operationalisierung der Variable Wohlfahrtssystem erfolgt durch die Untersuchung der Merkmale Dekommodifizierung des Faktors Arbeit, Stratifizierung der Gesellschaft und Universalismus. Unter der Dekommodifizierung des Faktors Arbeit wird die Ausprägung verstanden, in welcher dem Faktor Arbeit der Warencharakter genommen wird. Dies kann z.

B. durch staatliche Transferleistungen und Arbeitnehmerschutzgesetze erfolgen. Mit zunehmender sozialer Absicherung nimmt die Abhängigkeit des Faktors Arbeit von den Gesetzen des Marktes ab und damit wird ihm auch teilweise sein Warencharakter genommen. Besonders in den sozialdemokratisch-skandinavischen Wohlfahrtssystemen ist der Faktor Arbeit stark dekommodifiziert, weniger in den konservativ-kontinentaleuropäischen und am geringsten in den liberal-angelsächsischen Wohlfahrtssystemen. Ein weiteres Merkmal stellt die Stratifizierung einer Gesellschaft dar. Hierunter wird das Ausmaß der Ausprägung gesellschaftlicher Klassen und Schichten im sozialen Sinne verstanden, welches auch Auswirkungen auf die Art der Einbindung unterschiedlicher gesellschaftlicher Schichten in die sozialen Sicherungssysteme und die Höhe der Leistungen hat. Besonders konservativ- kontinentaleuropäische Wohlfahrtssysteme sind durch eine hohe Stratifizierung der Gesellschaft gekennzeichnet, während hingegen in sozialdemokratisch-skandinavischen Systemen versucht wird, z. B. durch Inklusion, diesen Entwicklungen entgegen zu wirken. Liberal-angelsächsische Wohlfahrtssysteme nehmen hierbei eine Mittelstellung ein. Der Universalismus oder das Universalitätsprinzip kennzeichnet den Verbreitungsgrad von Sozialtransferleistungen. Hierunter wird verstanden, wie viele gesellschaftliche Gruppen innerhalb eines Sozialstaats an diesen Leistungen partizipieren können und wie hoch diese sind, orientiert am Einkommen (Nutzengleichheit). Besonders sozialdemokratisch- skandinavische Wohlfahrtssysteme sind durch einen hohen Universalismus der Gesellschaft gekennzeichnet, während dies hingegen weniger in den konservativ-kontinentaleuropäischen und in den liberal-angelsächsischen Wohlfahrtssystemen der Fall ist. Somit eignen sich diese mittels Indizes bzw. Kennzahlen gemessenen Merkmale zur Klassifizierung der zu Grunde liegenden Wohlfahrtssysteme.

3.2 Operationalisierung der abhängigen Variable „Alterssicherungsfunktion bei prekären Erwerbsbiografien“

Die Operationalisierung der Variable Alterssicherungsfunktion erfolgt über eine quantitative Auswertung der Nettoersatzraten der verschiedenen Säulen des Drei-Säulen-Modells der Alterssicherung für prekäre Erwerbsbiografien. Unter den Nettoersatzraten wird verstanden, welcher Anteil des früheren Erwerbseinkommens nach Abzug von Steuern und Abgaben durch die jeweilige Säule abgedeckt wird. Unter der 1. Säule wird eine staatliche, durch Umlagen, Beiträge oder Steuern finanzierte Regelaltersrente, unter der 2. Säule eine Betriebsrente, in die Arbeitgeber und Arbeitnehmer einzahlen, und unter der 3. Säule eine staatlich geförderte private Altersvorsorge, die von Finanzdienstleistern und Versicherungen angeboten wird, verstanden. Zum betrachteten Personenkreis gehören hierbei Arbeitnehmer mit einem unterdurchschnittlichen Einkommen und solche mit unterbrochenen Erwerbsbiografien von bis zu drei Jahren. Die Performance der Alterssicherungsfunktion der jeweiligen Säule ergibt sich aus der Höhe ihrer Nettoersatzraten. Je höher diese für den betrachteten Personenkreis sind, desto effizienter ist ihre Alterssicherungsfunktion.

4 Fallauswahl

Zur Beantwortung der Forschungsfrage im Rahmen eines Most-Similar- Systems-Designs werden folgende vier Fälle herangezogen: Dänemark, Deutschland, die Niederlande und das Vereinigte Königreich.

Tabelle 2: Aufstellung des Studiendesigns mit den Werten der nicht zu variierenden unabhängigen Variablen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Beschreibung: Aufstellung der Fälle und der unabhängigen und abhängigen Variablen im Rahmen des MSSD mit den Werten der nicht zu variierenden unabhängigen Variablen (eigene Darstellung)

a, b, c, d, e, f, g, i Arbeitslosenquote (2014), Beschäftigungsquote (2014), Bruttoinlandsprodukt pro Kopf in USD (2014 ), jährliches BIP-Wachstum (2014), Bruttonationaleinkommen/Einw. in USD (2013), jährliche Bevölkerungswachstumsrate (2012-2014), GINI--Index (2012), durchschnittliche Lebenserwartung (2013) nach OECD Factbook 2015 (OECD 2015)

hHDI Human Development Index (Indexwert+Rank) nach Human Development Report Office (2015)

Bei allen vier Ländern handelt es sich um Demokratien und Marktwirtschaften mit einem vergleichbaren kulturellen, politischen, sozialen und wirtschaftlichen Hintergrund. Zunächst wird in Tabelle 2 überprüft, inwiefern sich die nicht zu variierenden unabhängigen Variablen dieser vier Fälle ähneln. Alle vier Länder weisen vergleichbare Arbeitsmarktdaten auf, gemessen an Arbeitslosenquote und Beschäftigungsquote. So bewegt sich die Arbeitslosenquote dieser vier Länder gemäß Tabelle 2 im Bereich von 4,6% bis 7,7% und liegt damit unterhalb bzw. in der Nähe der OECD-Arbeitslosenquote von 7,5%. Auch bei der Beschäftigungsquote zeichnet sich ein recht einheitliches Bild mit einer Verteilung von 71,9% bis 73,8% ab mit Zahlen, die leicht oberhalb der OECD- Beschäftigungsquote von 65.7% liegen.

Eine Betrachtung des BIP pro Einwohner, des BIP-Wachstums und des BNE pro Einwohner nach Tabelle 2 macht deutlich, dass diese vier Länder auch über eine vergleichbare Wirtschaftsentwicklung verfügen. Mit einer Pro-Kopf- Leistung von $39709 - $47635 und einem BIP-Wachstum von +1,0% - +2,9% sowie einem Pro-Kopf-Einkommen von $38367 - $48235 liegen alle Werte in der Nähe bzw. oberhalb des jeweiligen OECD-Durchschnitts ($38865, +1,8%, $38213). Lediglich das britische BIP-Wachstum fällt hier mit +2,9% etwas aus der Reihe. Allerdings ist auch dieser Wert gewissen zeitlichen Schwankungen unterlegen. Beispielsweise hatte er in 2012 nur bei +1,2% gelegen. Somit deutet die Datenlage auf das Vorliegen entwickelter, reifer Volkswirtschaften mit einem nur noch moderaten Wirtschaftswachstum hin.

Auch mit den soziologischen Variablen (Demografie, Gini-Index, HDI und Lebenserwartung) ergibt sich ein ähnliches Bild. Mit einer Spanne von +0,27% - +0,64% liegt das jährliche Bevölkerungswachstum (Demografie) dieser vier Fälle in der Nähe des OECD-Durchschnitts mit +0,54%. Die Werte für den Gini-Index bewegen sich zwischen 0,25 und 0,35, und damit unterhalb bzw. knapp oberhalb des Durchschnitts der OECD-Länder mit 0,32. Dies deutet bei allen betrachteten Ländern auf eine moderate Ungleichverteilung hin. Im HDI belegen diese vier Länder die Plätze 4,5,6 und 14 mit Index-Werten von 0,923 - 0,907. Es handelt sich bei allen um hoch entwickelte Gesellschaften. Die durchschnittliche Lebenserwartung liegt mit 80,4-81,4 Jahren knapp unterhalb bzw. oberhalb des OECD-Durchschnitts von 80,5 Jahren, was ebenfalls für einen hohen Entwicklungsstand spricht.

[...]

1 benannt nach dem US-amerikanischen Industriellen Henry Ford (1863-1947).

2 lat. institutio = Einrichtung.

3 lat. corporativus = einen Körper formend. Dieser Begriff kennzeichnet die Beteiligung gesellschaftlicher Gruppen und Organisationen an politischen Entscheidungsprozessen.

4 lat. tripartitus = dreifach. Dieser Begriff deutet die Beteiligung von drei organisationalen Akteuren an institutionalisierten, politischen Entscheidungsprozessen an.

5 benannt nach dem britischen Sozialökonomen William Henry Beveridge, 1. Baron Beveridge (1879-1963).

6 benannt nach dem deutschen Politiker und Staatsmann Otto Eduard Leopold Fürst von Bismarck-Schönhausen (1815-1898).

7 benannt nach dem britischen Ökonomen, Politiker und Mathematiker John Maynard Keynes, 1. Baron Keynes (1883-1946).

8 benannt nach dem österreichischen Nationalökonomen und Politiker Joseph Alois Schumpeter (1883-1950).

9 International Labour Organisation.

10 Bruttoinlandsprodukt, welches die in einem Jahr innerhalb der Landesgrenzen einer Volkswirtschaft hergestellten Güter und Dienstleistungen unter Abzug aller Vorleistungen bezeichnet.

11 benannt nach dem italienischen Statistiker, Soziologen und Demografen Corrado Gini (1884- 1965).

Fin de l'extrait de 74 pages

Résumé des informations

Titre
Rentensysteme im postfordistischen Zeitalter. Eine Ländervergleichsstudie zu Dänemark, Deutschland, den Niederlanden und dem Vereinigten Königreich
Université
University of Hagen  (Fakultät für Kultur- und Sozialwissenschaften)
Note
2,0
Auteur
Année
2017
Pages
74
N° de catalogue
V380747
ISBN (ebook)
9783668572805
ISBN (Livre)
9783668572812
Taille d'un fichier
945 KB
Langue
allemand
Annotations
Mots clés
Rente, Postfordismus, Wohlfahrtsregime, Esping-Andersen, Institutionalismus, Deutschland, Niederlanden, Vereinigtes Königreich, England
Citation du texte
Matthias Gutt (Auteur), 2017, Rentensysteme im postfordistischen Zeitalter. Eine Ländervergleichsstudie zu Dänemark, Deutschland, den Niederlanden und dem Vereinigten Königreich, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/380747

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