Kulturelle Schlüsselbegriffe und Kulturwörter in der literarischen Übersetzung. "Desengaño" und "Engaño" in den Werken von Miguel de Cervantes und Pedro Calderón


Studienarbeit, 2014

18 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe

Inhalt

1. Einleitung
2. Theoretische Grundlagen
2.1 Formen, Funktionen und Texttypen
2.2 Problematik für den Übersetzer
2.3 Translatorische Verfahren

3. Bewertung übersetzerischer Probleme anhand der Desengaño-Thematik in spanischen Werken aus der Zeit des Siglo de Oro
3.1 Bedeutung von desengaño und engaño in Spanien
3.2 Untersuchung deutscher Übersetzungen von desengaño und engaño in literarischen Werken
3.3 Kritische Analyse der Untersuchungsergebnisse

4. Schlussbetrachtung

5. Bibliographie

1. Einleitung

Die Angewandte Linguistik behandelt die für alle Sprachen und Kulturen geltenden Eigenschaften zwischenmenschlicher Kommunikation unter Einbezug der verschiedenen Formen des Übersetzens und Dolmetschens. Untersuchungen zur Kulturspezifik in der Translation nehmen in der Angewandten Sprachwissenschaft einen besonderen Stellenwert ein, sind jedoch Teil eines noch ungenügend bearbeiteten Untersuchungsbereichs. Nur eine geringe Auswahl an Literatur und Untersuchungen befassen sich mit Kulturwörtern und kulturellen Schlüsselbegriffen in literarischen Übersetzungen und genauso verhält es sich auch mit der Desengaño-Thematik. Diese wird zwar in literaturwissenschaftlichen Werken zum Siglo de Oro des Öfteren erwähnt, jedoch wird es lediglich bei Schulte (1969) genauer behandelt. Zur Kombination beider Themengebiete sind bisher keine spezifischen Betrachtungen vorhanden.

Aus diesem Grund soll im Rahmen der vorliegenden Arbeit eine Analyse unterschiedlicher Übersetzungsmethoden für kulturelle Schlüsselbegriffe und Kulturwörter in literarischen Übersetzungen angefertigt werden. Zu diesem Zweck werden verschiedene deutsche Übersetzungen von ausgewählen Werken von Cervantes und Calderón aus der Zeit des Siglo de Oro beispielhaft auf die jeweiligen Verfahren zur Wiedergabe von desengaño und engaño untersucht.

Zunächst werden im ersten Teil dieser Arbeit die theoretischen Grundlagen zur Betrachtung kultureller Schlüsselbegriffe und Kulturwörter in literarischen Übersetzungen dargelegt und behandelt. Im zweiten Teil der Arbeit folgt daraufhin zuerst ein kurzer Überblick über Bedeutung und Definition der Desengaño-Thematik in der Literatur des Siglo de Oro. Anschließend werden verschiedene deutsche Übersetzungen von Werken von Pedro Calderón de la Barca und Miguel de Cervantes Saavedra auf ihren Umgang mit desengaño und engaño hin untersucht und verglichen. Abschließend werden die bei der Analyse und Gegenüberstellung der gewählten Übersetzungen erarbeiteten Resultate kritisch bewertet und auf Schwierigkeiten untersucht. Zu Beginn wird jedoch mit einer Definition und Differenzierung von kulturellen Schlüsselbegriffen und Kulturwörtern in die theoretischen Grundlagen eingeführt.

2. Theoretische Grundlagen

Um im weiteren Verlauf dieser Arbeit eine Analyse verschiedener Übersetzungsmethoden in literarischen Übersetzungen anzufertigen wird zunächst definiert und differenziert, was unter Kulturwörtern und kulturellen Schlüsselbegriffen verstanden wird. Obwohl kulturelle Schlüsselbegriffe immer häufiger Gegenstand von Forschungen sind gibt es noch keine Einigung hinsichtlich der Definition des Terminus. So führt Schultze (2004: 926) in ihren Überlegungen an, dass unter kulturellen Schlüsselbegriffen zuweilen „transkulturelle bzw. kulturunspezifische Erscheinungen wie Witz, Humor (Schmidt-Hidding 1964), Intellekt (Kobylińska 1992)“ verstanden werden, zumeist jedoch sind kulturspezifische Wörter gemeint, was sie für die berechtigtere Verwendung des Terminus hält.[1] Dieser Standpunkt soll auch im Rahmen dieser Arbeit vertreten werden.

Des Weiteren muss jedoch auch zwischen kulturellen Schlüsselbegriffen und Kulturwörtern unterschieden werden.[2] Als kulturelle Schlüsselbegriffe sollen im Rahmen dieser Arbeit jene bezeichnet werden, die nach Schultze (2004: 928) „zentrale Aspekte eines kulturellen Selbstverständnisses“ kennzeichnen und operativ wirken, also „bestimmte Verhaltensweisen einfordern“ und vielsinnig sind.[3] Somit sind kulturelle Schlüsselbegriffe nie als feststehende Wörter, sondern lediglich in ihrer gesellschaftlichen Verwendung zu verstehen. Sie bilden auch einen zentralen Aspekt der Kultur, die insbesondere in literarischen Texten vermittelt wird. Aus diesem Grund gelingt es häufig weder durch Wort-für-Wort-Übersetzungen noch durch Annäherungen und Definitionen, ein ausreichendes Verständnis für die Verwendung in der Ausgangskultur zu schaffen (Schultze 2004: 928).

Unter Kulturwörtern hingegen sollen im Rahmen dieser Arbeit diejenigen Wörter verstanden werden, die nach Schultze (2004: 928) „benennende[n] thematische[n] Identitätsmarker einer bestimmten Kultur“ darstellen und somit die kulturelle Identität in bestimmten Gebieten betreffen. Im Gegenteil zur Übersetzung von kulturellen Schlüsselbegriffen ist bei Kulturwörtern anzumerken, dass diese sich oft problemlos denotativ - ohne Berücksichtigung von Konnotationen - übertragen lassen. Im nächsten Punkt werden die verschiedenen Formen, Funktionen und Texttypen behandelt, in denen kulturelle Schlüsselbegriffe und Kulturwörter auftreten.

2.1 Formen, Funktionen und Texttypen

Betrachtet man zuerst Formen und Funktionen von Schlüsselwörtern und Kulturwörtern, so ist speziell ihre Kulturgebundenheit und –abhängigkeit ein zentrales Merkmal, da diese sehr von ihrer jeweiligen Kultur und deren Traditionen bestimmt und beeinflusst werden (vgl. Schultze 2004: 928). Bei der Untersuchung unterschiedlicher Literatur zu kulturspezifischen Elementen finden sich aufgrund der Vielzahl an Formen, Funktionen und Verwendungen für diese verschiedene Bezeichnungen (vgl. Hennecke 2009). Bei Kade (1968: 71) ist von „Realien“ für sozio-ökonomische und kulturelle Erscheinungen und Einrichtungen die Rede und bei van Camp (1988: 252) sind „soziokulturelle Unterschiede“ die Bezeichnung für Eigennamen, Maßangaben, Nahrungsmittel und Bräuche, die für eine Kultur charakteristisch sind. Zuletzt werden bei Hansen (1996: 63) „Kulturspezifika“, „Kultureme“ und „kulturgebundene Elemente“ für Wörter verwendet, die in einer bestimmten Situation zu einem bestimmten Verhalten führen.[4]

Bei der Untersuchung kultureller Schlüsselbegriffe und Kulturwörter in bestimmten Texttypen ist ersichtlich, dass kulturelle Schlüsselbegriffe besonders in literarischen Texten meist nicht direkt benannt sind, sondern wie Schultze (2004: 929) feststellt, nur indirekt das für sie charakteristische Denken und Verhalten ausgedrückt wird und das Wort selbst nur als „implizites kulturelles Wissen“ enthalten ist. Direkt genannt werden Schlüsselbegriffe hingegen meist in Essays, Traktaten und Texten, in denen über Schlüsselbegriffe reflektiert wird (vgl. Schultze 2004: 929). Im Gegensatz dazu werden Kulturwörter häufig direkt genannt und stehen wie Schultze (2004: 929) anmerkt meist an bedeutenden Stellen im Text wie „im Titel, am Ende, in Reimpositionen“ oder werden graphisch hervorgehoben.

Ein weiterer Punkt bei der Betrachtung kulturspezifischer Elemente sind die kulturellen Textbezüge, die diese aufweisen. Gercken (1999)[5] hat zu diesem Zweck eine Unterscheidung zwischen zwei Arten dieser Bezüge aufgestellt. Explizite Kulturbezüge sind demnach Lexeme und Eigennamen mit kulturspezifischen Inhalten, wohingegen implizite Kulturbezüge Satz- und Textzusammenhänge sind, die meist ein Vorwissen des Empfängers voraussetzen (vgl. Hennecke 2009). Eng verknüpft mit dieser Problematik ist der Aspekt der Intertextualität. Bei der intertextuellen Beziehung ist wichtig, dass Texte einer fremden Kultur durch die beim Rezipienten vorhandene Mentalität und durch Herstellung von Querverbindungen erschlossen werden (vgl. Hennecke 2009). Aufgrund dieser komplexen Verstehensvoraussetzungen können Texte einer anderen Kultur vom Empfänger falsch eingeordnet werden. Daraus ergeben sich Schwierigkeiten für den Übersetzer, die im folgenden Punkt bearbeitet und erklärt werden.

2.2 Problematik für den Übersetzer

Im internationalen Kommunikationsprozess nehmen Übersetzer eine außerordentlich kulturstiftende Rolle ein, da sie zum Teil verschlüsselte Weltbilder einer Ausgangskultur in die fremde Welt der Zielkultur übertragen müssen. Dies ist auch bei kulturellen Schlüsselbegriffen und Kulturwörtern der Fall. Das Übersetzen von kulturellen Schlüsselbegriffen und Kulturwörtern stellt deshalb nach Schultze (2004: 926) ein „besonders sensibles Problemfeld des Übersetzens“ dar, bei dem der Übersetzer teilweise an die Grenzen der Vermittelbarkeit gelangen kann. Wie bei der Einführung in die Thematik bereits angeführt, ist bei kulturellen Schlüsselbegriffen in der Regel weder durch eine Wort-für-Wort-Übersetzung noch durch eine Annährung komplettes Verständnis für die genaue Funktion und Bedeutung des Wortes zu erreichen.[6] Kulturwörter hingegen sind in der Regel problemlos zu übersetzen und nur manche bereiten dem Übersetzer Probleme.

Die Herausforderung an den Übersetzer besteht demnach zunächst im Erkennen dieser Kultursymbole und im Erfassen der anwendungsbezogenen und kulturellen Ausmaße eines Textes (vgl. Hennecke 2009). Um zu Beginn des Übersetzungsprozesses die Intention des Autors zu erfassen und Ausgangs- und Zielkultur miteinander zu verbinden, ist wie Matter-Seibel (1995: 110) feststellt, eine reine Transkodierung nicht ausreichend, sondern „ein kultureller Transfer [,] ist vielmehr notwendig“.[7] Damit ist klar, dass die interkulturelle Kompetenz eines Übersetzers von besonderer Bedeutung bei der Übertragung von kulturellen Schlüsselbegriffen und Kulturwörtern ist. Unter kulturellem Transfer ist in Bezug auf diese Wörter zu verstehen, dass der Übersetzer nicht nur das Wort selbst in der Zielkultur wiedergeben muss, sondern dem Rezipienten alle zugehörigen Traditionen, Werte, Emotionen und Verhaltensweisen verständlich machen muss (vgl. Schultze 2004: 929). Dazu ist selbstverständlich das genaue Kennen und Verstehen von Ausgangs- und Zielsprache und Ausgangs- und Zielkultur unerlässlich.

Wie bereits Matter-Seibel (1995: 110) erkannte ist der kulturelle Transfer „besonders wichtig bei einem literarischen Text“. Hierbei liegt ein besonderes Problem darin, dass Wörter teilweise gar nicht mehr zum aktuellen Sprachgebrauch gehören und dennoch in die Zielkultur übertragen werden müssen (vgl. Schultze 2004: 926). Des Weiteren sind bei bestimmten Textsorten wie der Versdichtung anders als bei Sachtexten, Zusatzerläuterungen nicht möglich, da diese den Textfluss erheblich stören würden (vgl. Schultze 2004: 927). Als letzte Besonderheit bei der Übersetzung von literarischen Texten ist anzuführen, dass bei kulturellen Schlüsselbegriffen meist nicht nur die spezifische Bedeutung des Wortes im Text vermittelt werden muss, sondern ein damit verbundenes ganzes kulturelles System, weil die damit verbundenen Werte und Verhaltensweisen teilweise im ganzen Text thematisiert werden. Aus diesem Grund besteht das Ziel des Übersetzers in der korrekten Entschlüsselung und Übertragung der im Text verschlüsselten Symbolwerte. Zu diesem Zweck gibt es bestimmte translatorische Verfahren im Umgang mit Kulturwörtern und kulturellen Schlüsselbegriffen, die im nächsten Unterpunkt thematisiert werden.

[...]


[1] Weiterführende Betrachtungen zu kulturellen Schlüsselbegriffen im europäischen und insbesondere im polnischen Raum sind bei Schmidt-Hidding (1964): Europäische Schlüsselwörter. Wortvergleichende und wortgeschichtliche Studien und Kobylińska (1992): Deutsche und Polen: 100 Schlüsselbegriffe zu finden.

[2] Bei Krysztofiak (2013): Einführung in die Übersetzungskultur, 51-79, sind ebenfalls Ausführungen zu Kultur- und Symbolwörtern zu finden.

[3] Betrachtungen zur Definition und Bedeutung von operativen und thematischen Schlüsselbegriffen liefert Feldmann (1997): Kulturelle Schlüsselbegriffe in pragma-semiotischer Perspektive.

[4] Weiterführende Betrachtungen zur Bedeutung von Kultur in der Übersetzung finden sich bei Kade (1968): Zufall und Gesetzmäßigkeit in der Übersetzung, van Camp (1988): Übersetzungsprobleme bei kulturgebundenen Phänomenen. Beispiele und Vorschläge und Hansen (1996):“Zum Übersetzen von Kulturspezifika in Fachtexten“.

[5] Auch Gercken (1999): Kultur, Sprache und Text als Aspekte von Original und Übersetzung, hat Überlegungen zu diesem Thema angeführt.

[6] Siehe Kapitel 2.

[7] Spezielle Ausführungen zu diesem Thema in Bezug auf William Faulkners The Hamlet bei Matter-Seibel (1995): „Kulturspezifika bei der literarischen Übersetzung anhand einer Betrachtung von William Faulkners The Hamlet“

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Kulturelle Schlüsselbegriffe und Kulturwörter in der literarischen Übersetzung. "Desengaño" und "Engaño" in den Werken von Miguel de Cervantes und Pedro Calderón
Hochschule
Universität Augsburg
Note
1,7
Autor
Jahr
2014
Seiten
18
Katalognummer
V381338
ISBN (eBook)
9783668589728
ISBN (Buch)
9783668589735
Dateigröße
464 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
kulturelle, schlüsselbegriffe, kulturwörter, übersetzung, desengaño, engaño, werken, miguel, cervantes, pedro, calderón
Arbeit zitieren
Julia Sinz (Autor:in), 2014, Kulturelle Schlüsselbegriffe und Kulturwörter in der literarischen Übersetzung. "Desengaño" und "Engaño" in den Werken von Miguel de Cervantes und Pedro Calderón, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/381338

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